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Gesamtes Dok - Steiermärkischer Gemeindebund - Land Steiermark

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RECHT & GESETZ<br />

Mag. Michael Neuner,<br />

<strong>Steiermärkischer</strong> <strong>Gemeindebund</strong><br />

Die Anrainerpflichten gemäß § 93 StVO<br />

Für die Durchführung der für den<br />

Verkehr unbedingt notwendigen<br />

Schneeräumung, die Kennzeichnung<br />

des Straßenrandes mittels Schneezeichen<br />

und das erforderliche Aufstreuen<br />

von Sand auf Gemeindestraßen ist<br />

nach den Vorgaben des <strong>Land</strong>esstraßenverwaltungsgesetzes<br />

(§ 29) grundsätzlich<br />

die Gemeinde verantwortlich.<br />

Unabhängig von dieser generellen<br />

Räum- und Streupflicht der Gemeinde<br />

sollten jedoch auch die Anrainerverpflichtungen<br />

nach den Vorgaben des<br />

§ 93 StVO nicht übersehen werden, da<br />

sich an diese Regelungen im Fall des<br />

(Un-)Falles auch erhebliche Haftungsfolgen<br />

knüpfen (können).<br />

§ 93 Abs. 1 StVO verpflichtet die Eigentümer<br />

von Liegenschaften in Ortsgebieten,<br />

ausgenommen die Eigentümer von<br />

unverbauten land- und forstwirtschaftlich<br />

genutzten Liegenschaften, dafür<br />

Sorge zu tragen, dass die entlang der<br />

Liegenschaft in einer Entfernung von<br />

nicht mehr als 3 Meter vorhandenen,<br />

dem öffentlichen Verkehr dienenden<br />

Gehsteige und Gehwege einschließlich<br />

der in ihrem Zuge befindlichen Stiegenanlagen<br />

entlang der ganzen Liegenschaft<br />

in der Zeit von 6.00 bis 22.00<br />

Uhr von Schnee und Verunreinigungen<br />

gesäubert sowie bei Schnee und Glatteis<br />

bestreut sind. Ist kein Gehsteig vorhanden,<br />

ist der Straßenrand in einer Breite<br />

von 1 Meter zu säubern und zu bestreuen,<br />

wobei diese Verpflichtung auch die<br />

Eigentümer von Verkaufshütten trifft.<br />

In Fußgängerzonen oder Wohnstraßen<br />

ohne Gehsteige gilt die Räumverpflichtung<br />

für einen 1 Meter breiten Streifen<br />

entlang der Häuser. Weiters haben die<br />

Liegenschaftseigentümer dafür Sorge<br />

zu tragen, dass Schneewächten oder<br />

Eisbildungen von den Dächern der an<br />

der Straße gelegenen Gebäude bzw.<br />

Verkaufshütten entfernt werden.<br />

Die Pflichten des § 93 StVO gelten für<br />

alle Eigentümer von Liegenschaften im<br />

Ortsgebiet, gleichgültig, ob es sich bei<br />

ihnen um natürliche oder juristische<br />

Personen handelt. Sie bestehen unabhängig<br />

von den Räum- und Verkehrssicherungspflichten,<br />

die die Gemeinde<br />

als allfälligen Straßenhalter nach den<br />

Vorgaben des LStrVerwG treffen und<br />

unterscheiden sich auch von den allgemeinen<br />

Instandhaltungspflichten des<br />

Wegehalters gemäß § 1319a ABGB<br />

insoweit, als diese Pflichten nicht näher<br />

konkretisiert sind und ihr erforderlicher<br />

Umfang nur nach dem Verkehrsbedürfnis<br />

und der Zumutbarkeit entsprechender<br />

Instandsetzungsmaßnahmen beurteilt<br />

werden kann.<br />

Als Liegenschaft ist nach dem Sinn<br />

des § 93 StVO eine zusammenhängende<br />

Grundfläche – unabhängig von<br />

näherer Unterteilung in Grundstücke<br />

oder Grundbuchskörper – zu verstehen,<br />

solange die Grundfläche nach der Verkehrsauffassung<br />

eine Einheit darstellt.<br />

Selbst bei einer teilweise verbauten<br />

und teilweise unverbauten Liegenschaft<br />

kommt der Ausnahmetatbestand für<br />

<strong>Land</strong>wirte des § 93 Abs. 1 nicht zum<br />

Tragen, und zwar selbst dann nicht,<br />

wenn die Strecke vom Haustor bis zum<br />

Gehsteig fast einen Kilometer beträgt<br />

(VwGH 30.11.1994, 93/03/0294).<br />

Die Verpflichtung zur Säuberung von<br />

Schnee und Eis erstreckt sich nicht nur<br />

auf die Räumung, sondern auch auf<br />

die Abfuhr der Schneehäufungen, und<br />

umfasst dies nicht nur den witterungsbedingt<br />

liegenden Schnee, sondern<br />

auch den etwa durch einen Schneepflug<br />

der Straßenverwaltung auf den<br />

Gehsteig verbrachten Schnee (VwGH<br />

28.10.1988, 88/18/0314).<br />

Welcher Sorgfaltsmaßstab von den<br />

Anrainern bei Durchführung ihrer<br />

Räum- und Streutätigkeiten anzulegen<br />

ist und der Umfang und die Art der<br />

durchzuführenden Sicherungspflichten<br />

bestimmen sich nach den jeweils im<br />

Einzelfall gegebenen Verhältnissen. Die<br />

Verpflichtungen an die Anrainer dürfen<br />

nicht überspannt werden und ist weder<br />

bei andauerndem Schneefall eine ununterbrochene<br />

Schneeräumung und Streuung<br />

zumutbar noch müssen Anrainer<br />

bereits „vorbeugend“ Streumaßnahmen<br />

setzen.<br />

Es steht einem Straßenanrainer aber<br />

auch frei, seine Sicherungspflichten<br />

auf Dritte zu übertragen. § 93 Abs. 5<br />

StVO besagt dazu: „Wird durch ein<br />

Rechtsgeschäft eine Verpflichtung nach<br />

Abs. 1 bis 3 übertragen, so tritt in einem<br />

solchen Falle der durch das Rechtsgeschäft<br />

Verpflichtete an die Stelle des<br />

Eigentümers.“<br />

Eine derartige (rechtsgeschäftliche)<br />

Übertragung kann nicht nur durch ausdrückliche<br />

schriftliche oder mündliche<br />

Vereinbarung, sondern auch konkludent<br />

(d. h. durch schlüssiges Handeln ohne<br />

ausdrückliche Willensäußerung) übertragen<br />

werden.<br />

Führt daher eine Gemeinde – gleichgültig,<br />

ob durch ausdrückliche Vereinbarung<br />

oder durch Stillschweigen bzw.<br />

langjährige Übung – die entsprechenden<br />

Räum- und Streuarbeiten durch, so ist<br />

sie nun anstelle der Liegenschaftseigentümer<br />

verpflichtet, und allenfalls trägt<br />

sie auch die Haftungsfolgeschäden,<br />

die aus einer allfällig unzureichenden<br />

Streuung bzw. Räumung in diesem Bereich<br />

entstehen.<br />

Übernimmt eine Gemeinde die den<br />

Liegenschaftseigentümer obliegenden<br />

Verpflichtungen, sind die grundsätzlichen<br />

organisatorischen Maßnahmen<br />

für den Einsatz von Personal und Maschinen<br />

sowie die Überwachung des<br />

eingesetzten Personals wegen ihrer<br />

Bedeutung und der möglichen Haftungsfolgen<br />

durch einen Repräsentanten<br />

der Gemeinde von solcher Entscheidungsmacht<br />

und Selbständigkeit zu<br />

treffen, dass er nicht mehr als bloßer<br />

Besorgungsgehilfe im Sinne des § 1315<br />

ABGB angesehen werden kann. Die<br />

Gemeinde haftet für das Verschulden<br />

eines solchen Repräsentanten auch<br />

dann, wenn dieser kein verfassungsmäßig<br />

vorgesehenes Organ ist (siehe OGH<br />

7. 6. 1978, 1 Ob 625/78).<br />

Die Verletzung von Sicherungspflichten<br />

nach § 93 StVO kann nicht nur eine<br />

zivilrechtliche Haftung im Schadensfall<br />

auslösen, sondern stellt gemäß § 99<br />

Abs. 4 lit. h StVO auch eine Verwaltungsübertretung<br />

dar, die mit Geldstrafen<br />

bis zu 72 Euro bzw. bei Uneinbringlichkeit<br />

mit Arrest bis zu 48 Stunden<br />

bedroht ist.<br />

Steirische Gemeindenachrichten 2/08 3

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