„Die Leute brauchen keine Medizin so sehr wie Hoffnung ... - Bora
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damit er glaubwürdig schreiben kann. Wenn der Schriftsteller nicht Erfahrungen von seinem<br />
Leben besitzt, welche ihm erschüttert und für immer gemerkt haben, und deswegen dazu fähig<br />
machen, seine Erlebnisse auf die überzeugendste Weise durchs Schreiben weiterzuvermitteln.<br />
Wenn dies in Verbindung mit Beckers Werk gesehen wird, und den Themen worüber er<br />
geschrieben hat, wird es deutlich, dass dieses Zitat seine Kindheit und Vergangenheit mit<br />
seinem Schreiben verbinden kann. Mit Beckers Vergangenheit, hätte er aber nicht über die<br />
Shoah schreiben können, ohne, dass die Leser und Kritiker die Geschichten mit seinem Leben<br />
vergleichen oder verknüpfen würden.<br />
Wie oben schon erwähnt, gibt es in jedem Roman auf irgendeine Weise Berührungspunkte<br />
zwischen dem Leben des Autors und seinem Text. Im Folgenden <strong>so</strong>ll daher näher darauf<br />
eingegangen werden, was als Beispiele der Autofiktionalität im Jakob der Lügner gelten<br />
kann, und auch darauf was Becker selbst über die Autofiktion in seinem Roman denkt.<br />
Es ist naheliegend davon auszugehen, dass die Ereignisse, die Beckers Leben <strong>so</strong> viel Leiden<br />
gebracht hatten, die Erinnerungen vom Krieg waren. In seinem Fall waren es aber nicht die<br />
Erinnerungen unter denen er gelitten hat, <strong>so</strong>ndern der Mangel an <strong>so</strong>lche. Becker war sich<br />
nicht sicher, ob er überhaupt etwas von dem besaß, was man Erinnerungen, von seiner<br />
Kindheit im Ghetto und Konzentrationslager, nennen kann:<br />
„Als ich zwei Jahre alt war, kam ich in dieses Ghetto, mit fünf verließ ich es <strong>wie</strong>der in<br />
Richtung Lager. Ich kann mich an nichts erinnern. So hat man es mir erzählt, <strong>so</strong> steht<br />
es in meinen Papieren, <strong>so</strong> war folglich meine Kindheit. Manchmal denke ich: Schade,<br />
daß dort nicht etwas anderes steht. Jedenfalls kenne ich das Ghetto nur vom dürftigen<br />
Hörensagen.“ 25<br />
Dieses Loch in seinem Gedächtnis, das ihm dazu gebracht hat, sich Mühe zu geben, um es<br />
ausfüllen zu können, ist auch der Grund, warum man sagen kann, dass er zwischen zwei<br />
Begriffen steckt. Er besaß einige Bilder von seiner Kindheit im Kopf, aber war sich nicht<br />
sicher, ob das tatsächliche Erinnerungen waren, ob er es erzählt bekommen hat, oder einen <strong>so</strong><br />
starken Wunsch besaß, sich an etwas zu erinnern, dass er nach einer Weile seine Erfindungen<br />
für wahr hielt:<br />
25 Das Jüdisches Museum(Hg.): 1990 S.10<br />
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