I Ladins dles Dolomites - Ladinia
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DIE KULTUR LADINIENS<br />
Folk & Kultur bzw. Folklore ist nicht Kultur<br />
Die Betrachter von außen reduzieren die Minderheiten gern auf das Folkloristische, das<br />
Exotische. Trachten und Bräuche erwecken so meist mehr Neugier als Sprache,<br />
Gesellschaft, Literatur, Kunst. Bei den Ladinern ist dies nicht anders, besonders die<br />
Grödner Tracht wird oft abgebildet.<br />
Folklorismus wird oft als "Kultur" betrachtet, doch Folklorismus und Kultur sind nur<br />
marginal miteinander verbunden. Durch Folklorismus wird eine Minderheit als buntes<br />
Theater erlebt, oft auch als etwas hinterwäldlerisch. Für die Politik ist Folklorismus<br />
angenehm, weil damit keine Einforderung von Rechten für die Sprache und Kultur der<br />
Minderheit verbunden sind.<br />
Andere Äußerungen ladinischer Kultur kennen die meisten deutschen oder italienischen<br />
Südtiroler kaum bis gar nicht. Den meisten fehlt dazu das erste Instrument: Sie kennen<br />
die Sprache nicht.<br />
Die Welt der Geheimisse: Die Sagen<br />
Zur Kulturgeschichte zählen nicht nur die schriftlichen Zeugnisse, sondern auch die<br />
mündliche Tradition. Diese wurde im Zuge einer allgemeinen Besinnung auf die<br />
"Volkskultur" - Sagen, Märchen, Lieder, Spruchweisheiten - auch beim kleinen Alpenvolk<br />
der Ladiner gesammelt.<br />
Die Dolomitenladiner verfügen über die wohl bekannteste Sagensammlung überhaupt: Ihr<br />
Sagenbestand bildet den Kern der Dolomitensagen, die Karl Felix Wolff gesammelt und<br />
erstmals 1905 veröffentlicht hat ("Die bleichen Berge"). Wolff hat die Erzählungen<br />
schwärmerisch ausgeschmückt.<br />
Besonders faszinierend und vielschichtig ist der Fanes-Mythos. Die Wurzeln dieses Mythos<br />
weisen mehrere tausend Jahre in die Vergangenheit. So ist die Verwandlung der Menschen<br />
in Tiere ein uraltes Element. Das Böse ist nicht jenseitig, es gibt nicht Gott und den<br />
Teufel. Spina de mul, der Zauberer, der sich in Gewitternächten in ein Tierskelett<br />
verwandelt, hat nichts Teuflisches, sondern ist Zauberer aus der Kraft der Natur, er<br />
benötigt keine Pakte mit dem Bösen im Jenseits. Spina de Mul erinnert an die Druiden,<br />
an die Schamanen. Der Fanes-Mythos wurde von der christlichen Weltanschauung kaum<br />
berührt.<br />
Ein Leitmotiv in den Sagen ist das Matriarchat. Im Fanes-Mythos (und in den ladinischen<br />
Sagen allgemein, jedoch nicht in Sagen Tirols oder des angrenzenden italienischen<br />
Raumes) sind vor allem oder fast ausschließlich die Frauen, die Entscheidungen treffen<br />
und den Gang der Geschehnisse beeinflussen. Die Männer hingegen bringen den<br />
Untergang, sobald sie Entscheidungen treffen: Der König von Fanes verkauft sein Reich<br />
und wird aus Strafe in einen Felsen verwandelt. Der Name "falscher König" - Fauzo<br />
rego/Falzarègo (nicht Falzàrego!) gibt dem Pass an der Südgrenze des Fanes seinen<br />
Namen.<br />
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