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H E I M K E H R DAS DORF MEINER KINDHEIT Otto ... - dkmotion

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Als er das erste Jahr zur Schule ging, der Knabe, hing hinter dem Lehrerpult der<br />

Führer des Großdeutschen Reiches, der den Kindern beim täglichen Morgengebet<br />

fest in die Augen blickte. Während des Gebetes mussten sie stramm stehen, die<br />

Kinder und auf das Vaterunser folgte ein „Heil Hitler“, eh sie sich setzen durften.<br />

Gegen Ende seines ersten Schuljahres wurde das Führerbild entfernt und bei den<br />

täglichen Gebeten blickten die Kinder fortan auf einen hellen Fleck an der Wand.<br />

Und auch das „Heil“ am Ende eines jeden Gebetes wurde gestrichen und durch<br />

ein „Morgen, Herr Lehrer“ ersetzt, das aber nicht weniger stramm klang, als das<br />

„Heil Hitler“ zuvor. Wenngleich nur Schädel da waren, wo Kinder sonst Köpfe<br />

tragen, gab’s für die Kleinen viel zu lernen. Viel. Nur eines nicht: dass da kein<br />

Tod anklopft, „Verzeihung“, wenn Uhren zu flüchtig pochen, wenn Kalender zu<br />

rasch sich verjähren. So konnte der Lehrer schlagen, was der Stock hielt, mit dem<br />

er züchtigte. Da war keiner, der die betrogene Zeit rückforderte. Keiner, der<br />

Wunde und Fieber, Geschwür und Eiterbeule bemerkte. Sie starben alle ihre Tode,<br />

bevor sie noch zu leben begannen. Sie siechten dahin, geworfen in die bleigrauen<br />

Nächte des Dorfes, kauend ihr feuchtes Brot, die Lippen blau vor Kälte und Starre<br />

und flüchteten sich nicht mal mehr in Träume, zu schöpfen daraus Hoffnung und<br />

Kraft.<br />

Mit dem Knaben begannen auch andere Knaben in die Schule zu gehen. All die<br />

Karls und Siegfrieds und <strong>Otto</strong>s und Adolfs. Einer von ihnen hieß Erwin, Allgäuer<br />

Erwin. Die Allgäuers hatten schon fast im Ried draußen ein kleines,<br />

halbverfallenes Anwesen, niemals ausreichend, ihre Löcher im Bauche zu stopfen,<br />

geschweige denn die Löcher in Jacken und Hosen und Schuhen. Beim Lehrer war<br />

der Allgäuerbub nicht sehr beliebt. Wohl weil er der einzige war, der dem Lehrer<br />

nicht immer und ewig seine Demut und Unterwürfigkeit zeigte, der sich<br />

manchmal sogar duckte, wenn er zuschlug, der Lehrer. Einmal, als der Erwin<br />

wegen einer Kleinigkeit wieder mal zum Pult vor und die Finger ausstrecken<br />

musste und vom Lehrer mit der Weidenrute geschlagen wurde und der Erwin<br />

nicht dank sagte, wie’s der Lehrer verlangte und ihm der Lehrer nochmals auf die<br />

Finger schlug und der Erwin sich immer noch nicht bedankte und ihm der Lehrer<br />

daraufhin mit der Weidenrute ins Gesicht schlug, platzte es aus dem Erwin heraus.<br />

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