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H E I M K E H R DAS DORF MEINER KINDHEIT Otto ... - dkmotion

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als grau, graute so der Neubeginn der Barbarei nach den Jahren der Barbaren,<br />

stahl sich die Axt an den Schlaf, zog Kreise um der Schnarchenden Stirn, erlosch<br />

rasch und ohne Weh der Streifen Licht, der dünne, der kam einst mit dem Ende.<br />

Nicht nur Erkältungen der Herzen machten sich breit im Dorf, in diesem ewigen<br />

Stall der Geprügelten, auch Erkrankungen der Glieder, knüppeldick, schlichen<br />

sich von Nerv zu Nerv in dieser einzgen Wunde Dorf. Die Gehörgänge entzündet,<br />

lag er im Bett, der Knabe und hatte Schmerzen. Sie schrieben das Jahr zwo nach<br />

dem kurzen Tausender. Die Großmutter erwärmte in der Küche Schweinefett, das<br />

sie dem Knaben dann ins Ohr tröpfelte und das die Qualen lindern sollte. Am<br />

Abend, wenn der Mann und die Frau, die er Eltern nannte, aus der Fabrik kamen,<br />

schauten sie zu ihm und versuchten ihn zu trösten. Manchmal blieb dann die<br />

Mutter bei ihm sitzen, bis er einschlief. Einmal, als tagsüber die Schmerzen<br />

besonders arg waren und er durch das Streicheln und die Wärme der Mutter rasch<br />

in Schlaf fiel, träumte er derart heftig, der Knabe, dass die Mutter ihn aufweckte.<br />

Sie strich ihm über die heißen Wangen und das verschwitzte Haar und fragte ihn,<br />

was er denn geträumt hätte. Und der Knabe erzählte ihr von dem dürren Kind im<br />

schlotternden Militärmantel, der am Boden nachschleifte und von den großen,<br />

tiefliegenden Augen, den knöchrigen Händen und der viel zu großen Mütze. Und<br />

er erzählte, wie dieser Knabe in Feldgrau ihn, den Knaben, verfolgte. Und wie er<br />

ihn, so schnell er auch lief, immer wieder einholte. Und wie er, der Knabe im<br />

Bett, ihn, den Knaben in Feldgrau, beschimpfte und wie er ihn bespuckte und wie<br />

er ihn tötete. Fünfmal, zehnmal, hundertmal. Mit seinem Bajonett, mit seinem<br />

Feldspaten, mit Schlägen und Tritten. Und dass er dann lief, so weit er konnte und<br />

sich ausruhte, völlig erschöpft, um schon bald wieder das klägliche Keuchen des<br />

uniformierten Knaben zu hören. Seine Mutter fuhr mit ihren verarbeiteten Händen<br />

noch immer beruhigend über sein Gesicht und sagte, er soll keine Angst haben,<br />

sie sei ja da und würd ihn beschützen. Der Onkel schaute ins Zimmer herein,<br />

grüßte ihn von der Türe aus und meinte, er soll bald wieder gesund werden, weil<br />

dieses Land in Trümmer Männer wie ihn brauche. Er sagte nichts, der Knabe. Die<br />

Mutter lächelte und der Onkel entfernte sich wieder. Seine Mutter streichelte ihn.<br />

Er konnte aber nicht mehr schlafen, der Knabe, weil er an den Knaben aus seinem<br />

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