H E I M K E H R DAS DORF MEINER KINDHEIT Otto ... - dkmotion
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stieß man ihnen die Mäuler in den Dreck und hundertmal spuckten sie geduldig,<br />
dankbar fast, ihre Zähne aus. Und kein Schrei weit und breit, der sich aus ihren<br />
zahnlosen Mäulern strampelte. Und schon lange keiner mehr, der seinen Peinigern<br />
das steinerne Herz vor die Stirn geknallt und geschrieen hätte: da habt ihr es.<br />
Schluss. Aus. Mit hähnchenbekleckerten Lippen blökten die einen hinaus, ohne<br />
Scham, ihre geilen Fahnenhochschnulzen, während die anderen ständig ihre<br />
Leiber zum Opfergang gürteten. Und für was? Und für wen? Für sie, denen die<br />
Bratensoß aus den Mundwinkeln troff und deren heilverseuchte, erweichte<br />
Gehirne vor keiner Untat zurückschreckten. Denen bei eisigster Kälte noch die<br />
Hemden an ihren schweißigen Leibern klebten, während die andern zu Tode sich<br />
froren.<br />
Die Schinderfamilie war groß. Nicht nur der Zahl nach. Groß und mächtig. So<br />
groß und mächtig, dass sie außerhalb des Dorfes ein ganzes Viertel mit schönen<br />
Häusern besiedelte. Dieses Viertel hieß nicht zufällig „Herrengarten“. Man sah sie<br />
selten, die Schindlers. Sie hatten es nicht nötig, sich sehen zu lassen. Man hielt<br />
sich zurück, in den Palästen aus Marmor und Stahl, bei Wärme und Tee. Was<br />
wirkte, das war ihr Geld. Es floss, wo es ihnen half. Erst zur Heimwehr, dann zu<br />
den illegalen Nazis, dann zu den legalen. Sonntags sah man sie, die<br />
Schindlerfamilien, in der ersten Bankreihe der Kirche, wo sie ihre fixen Plätze<br />
hatten und wo sie mit unschuldigen Gesichtern große Geldscheine in den<br />
Klingelbeutel steckten. Sie kannten nicht Scham. Schließlich hatten sie ja keine<br />
sichtbare Schuld auf sich geladen. Ihre Hände waren rein. Ihre Köpfe glatt. Die<br />
Wunden des Dorfes nicht ihr Problem. Was auch sollten sie sich sorgen. Sie<br />
schliefen in warmen Betten. Ihre Töpfe waren voll.<br />
Früh, beim Füttern der Kuh und der Hühner, während die Großmutter das<br />
Frühstück richtete und die Mutter die Granaten, drunten beim<br />
Greußingschlachthof, hörte der Knabe oben in der Tenne, überm Stall, wo das<br />
Heu lag, ein Geräusch, das er nicht deuten konnte. Er hörte. Und weil er dann<br />
lange nichts hörte, fütterte er weiter die Kuh. Plötzlich war es aber wieder da,<br />
dieses Geräusch. Er ging, um nach der Ursache zu sehen. Er stieg die Leiter zum<br />
Heuboden empor. Ängstlich. Zuerst sah er nichts. Als er weiter schaute, sah er im<br />
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