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H E I M K E H R DAS DORF MEINER KINDHEIT Otto ... - dkmotion

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Schindlers, die wenigen, die häuslich hausten. Ihre Herzen aus Eisen, kalt, kaum<br />

leiblich, dröhnten blechern überm Dorf. Ihre von Freud und Tränen genässten<br />

Grimassen kreischten irr: schlimm und ah und oh. Toll gebärdeten sich ihre<br />

Nerven zum Spuk, zum entfesselten, selbst aus der Niederlage noch ihre Siege zu<br />

schöpfen. Hoch droben auf den Dächern sitzend, drehten sie sich mit dem Wind<br />

der wehte. Glänzend verstanden sie es, sich anzupassen allem. Und sie, die<br />

anderen, die vielen. An ihnen ging auch das Ende spurlos vorüber. Sie harrten<br />

dem Kommenden entgegen, warteten. Verschlungen von der Brandung,<br />

rundgespült und hohl, starrten den Stunden ins narbige Antlitz sie, wissend, dass<br />

sich nichts ändert durchs End, ihr Ende ohnehin längst schon hinter sich. Und wie<br />

die Alten, so schwiegen auch die Kinder, angekohlt die Gesichter, die Lippen<br />

rissig, aus Rauch und Ruß empordrängend einzig ihre hirnlosen Fratzen. Kein<br />

Lachen und kein Todesschrei, der ihr Verbrennen ächzend und stöhnend<br />

bekanntgab den Jahren, den kommenden. Ihre Kehlen, gepresst und geschnürt<br />

durch Jahre, sträubten sich, stellten quer sich den Klumpen im Hals. Geworfen<br />

ruchlos ins Blutbad, verdrängten sie den Gestank der Verbrennenden, indem sie<br />

sich die Nasen verstopften, verdrängten die Herzen in Brand, indem sie ihre Lider<br />

senkten und mit Fetzen behängten ihre Ohren, die ohnehin nie hörten.<br />

Die Franzosen waren nicht mehr weit. Aber nicht Fieberdelirien quälten die<br />

Züchter der Unzucht, die Metzger und Henker, sondern einzig die Qualen der<br />

Umstellung. Das Hochheben der breiten Hintern von den Nacken des<br />

Schlachtviehs, für kurze Zeit, um sie ihnen furzend und stinkend bald wieder<br />

draufsetzen zu können. Aber weil sie das Anpassen an Veränderungen erlernt<br />

hatten, über Jahrhunderte, die Wucherer und Schamlosen, wurd aus gar manchem<br />

von ihnen, rasch und über Nacht, ein Partisan der ersten Stunde, ein Patriot<br />

ganzen Herzens. Bald sah man den alten Greußing allmorgendlich nach dem<br />

Kirchgang mit einem Korb voller Essenssachen zu den Verschlägen der Strumpfe<br />

gehen, dort mildtätig seine Gaben an die „Ärmschten vom Dorf“, wie er die zuvor<br />

verhassten Pollaken nun nannte, verteilen. In den Büros der Strumpfe wurd<br />

wieder das Kreuz an die Wand genagelt, wo zuvor sieben Jahre lang das<br />

Führerbild hing. Und jedes Mal wenn am Abend, weit vom Wasser rüber,<br />

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