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Georg Büchner Woyzeck

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Hörstation 2/1:<br />

Ich bin stolz vor allen Weibern · Marie und Tambourmajor<br />

D<br />

Die Schüler/-innen<br />

• erkennen Maries innere Zerrissenheit zwischen der<br />

Erkenntnis ihrer realen Situation und dem Wunsch<br />

nach einem Ausbruch aus ihrer determinierten Rolle.<br />

• bewerten Maries Treuebruch.<br />

• analysieren Maries soziale Bedingtheit.<br />

• kennen die Hintergründe für die nicht geschlossene<br />

Ehe mit <strong>Woyzeck</strong>.<br />

Vorbemerkung<br />

Ich bin stolz vor allen Weibern, 9 sagt Marie und meint<br />

damit die Auszeichnung, vom Tambourmajor überhaupt<br />

zur Kenntnis genommen worden zu sein. Die Begegnung<br />

mit ihm verspricht den zeitlich begrenzten Ausstieg<br />

aus der Tristesse ihres Lebens. Geblendet durch den vermeintlichen<br />

Glanz eines „Majors“, seiner Uniform, seines<br />

Aussehens rückt für sie die Chance auf eine kurzzeitige<br />

Ablenkung aus der festgefügten Rolle als unverheiratete<br />

Mutter und Fast-Ehefrau in greifbare Nähe. Wer kann<br />

ihr verdenken, dass sie zugreift?<br />

Ich bin stolz vor allen Weibern, sagt Marie von sich selbst<br />

und zeigt damit, dass sie sich der Zwiespältigkeit ihrer<br />

Lage durchaus bewusst ist. Sie kennt die Enge ihrer Welt<br />

und weiß dennoch um das Andere, das es auch noch zu<br />

geben scheint, ohne wirklich darauf hoffen zu können,<br />

dass dieses Andere für sie Wirklichkeit werden kann.<br />

Gebunden an <strong>Woyzeck</strong>, der ihrem Leben weder Stabilität<br />

noch Emotionalität geben kann, gibt es für sie,<br />

bedingt durch die gesellschaftlichen Verhältnisse, keine<br />

Entwicklungsperspektive. Somit ist das triebgesteuerte<br />

Abenteuer mit dem Tambourmajor der einzige Ausweg,<br />

den das Leben bietet. Trotzig ringt sie dem Leben<br />

diesen winzigen Anteil an Glück ab. Um aus der Rolle,<br />

die ihr die Gesellschaft zugeschrieben hat,<br />

auszubrechen, ist sie bereit,<br />

alles zu riskieren. Dass sie<br />

dieses Abenteuer ins Leben<br />

mit dem Leben bezahlt,<br />

eröffnet den Blick auf die<br />

tragische Seite der Figur.<br />

Didaktisch-methodischer Kommentar<br />

Liebe, Lust, Leidenschaft, Eifersucht, Streit – diese<br />

Themen treten in der Behandlung des Dramas häufig<br />

in den Hintergrund, werden quasi zu dramaturgisch<br />

notwendigen Übeln degradiert, um das soziale Drama<br />

um den determinierten Menschen in Gang zu setzen.<br />

Ganz zu unrecht, wie auch die vorliegende Hörspielfassung<br />

zeigt. Sie rückt den Themenkomplex immer<br />

wieder in den Mittelpunkt und verweist so auch auf die<br />

besondere Interessenlage der Schüler/-innen, die<br />

durch ihre psychosoziale Entwicklung mehr oder minder<br />

unmittelbar mit diesen Themen befasst sind. Daher soll<br />

diese Hörstation Gelegenheit vermitteln, sich zunächst in<br />

einem Schreibgespräch der Figur zu nähern. Die Figur<br />

Maries soll aus mehreren Perspektiven beleuchtet<br />

werden, um ihre Konfliktsituation zu erkennen, ihre<br />

Zerrissenheit zwischen der Erkenntnis ihrer tatsächlichen<br />

Situation und ihrem Wunsch nach einem, wenn auch<br />

kurzzeitigen Ausbruch aus der festgefügten Rolle. Somit<br />

wird gewährleistet, dass Marie als lebendiges Individuum<br />

mit Wünschen, Träumen, Hoffnungen und Ängsten<br />

wahrgenommen wird, als Mensch eben, der liebt,<br />

begehrt, sucht und irrt. Die Auseinandersetzung mit dem<br />

Drama ermöglicht somit eine differenzierte Sicht auf<br />

Umstände und Sichtweisen einer Figur und ermöglicht<br />

den Schüler/-innen, einen Bezug zu ihrer eigenen<br />

Lebenswelt herzustellen.<br />

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Durchführung<br />

Möglicherweise stößt Maries Verhalten auf die harsche<br />

Kritik der Schüler/-innen, die innerhalb einer Einstiegsphase<br />

zunächst ihre vermutlich noch weitgehend<br />

unreflektierten Meinungen zur Figur in schriftlicher<br />

Form kundtun sollen. Dazu wird im Placemat-<br />

Verfahren (Material 3) gearbeitet, das einem<br />

Schreibgespräch ähnelt. Jeweils in einer<br />

Vierergruppe erhalten die Schüler/-innen ein<br />

DIN-A3-Blatt, das jeder/jedem Schüler/-in<br />

eine Ecke zuweist, auf der Ideen und Überlegungen<br />

spontan notiert werden. Nach einer<br />

kurzen Einzelarbeitsphase stellen sich die<br />

Schüler/-innen ihre Ergebnisse im Sinne des<br />

kooperativen Arbeitens gegenseitig vor und<br />

diskutieren diese. Die Ergebnissicherung erfolgt<br />

dann in Form einer ersten Hypothesenbildung zum<br />

Verhalten der Figur und ihren Motiven und wird in der<br />

Mitte des Bogens als gemeinsames Ergebnis festgehalten.<br />

Zudem können die Ergebnisse im Plenum<br />

vorgestellt werden.<br />

9 <br />

<strong>Büchner</strong> (Klett 2004), S. 11.<br />

11

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