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Mitteilungen Weihnachten 2003 - Rudolf Steiner Schule Aargau

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6 Aus der Mittelstufe<br />

Ein Besuch in einem ganz normalen Epochenunterricht in<br />

Guten Morgen Julian, guten Morgen Chantal.<br />

Der Novembernebel steht dick<br />

zwischen dem Fenster und den Tannen<br />

vor dem Brutelhaus, wo sich die<br />

Klassenzimmer mit SchülerInnen füllen.<br />

Man begrüsst sich, einiges muss<br />

noch schnell geklärt werden:«Sie,Herr<br />

Hess, schreibt man ‹stimmt› mit 2 m?»<br />

«Ja, sonst stimmt etwas nicht. Stimmt<br />

ist ein Beispiel dafür, dass man die<br />

Wörter oft nicht so schreibt, wie man<br />

sie ausspricht. Man sagt auch scht und<br />

man schreibt st. Nur in Norddeutschland<br />

spricht man den st so aus wie<br />

man ihn schreibt. Hört mal Herrn Stöckel<br />

zu! Stimmt kommt übrigens von<br />

Stimme ...» «Ich habe den ersten binomischen<br />

Lehrsatz zu Hause noch einmal<br />

studiert.Ich verstehe ihn jetzt.»<br />

Unter dem sehr energischen<br />

«Schschsch» der Lehrerstimme glätten<br />

sich die Wogen und ein ganz normaler<br />

Schulmorgen beginnt: «Ich schaue in<br />

die Welt,in der die Sonne leuchtet ...»<br />

Die nun schon etwas gesammelte<br />

und ausgerichtete Klassenaufmerksamkeit<br />

wird weiter geweckt und gekräftigt<br />

mit chorisch und individuell<br />

gesprochenen Kugelwörtern: «Otto,<br />

Anna, Elle, Esse,Tat, Renner, Retter, Reliefpfeiler.»<br />

Und den Seelen wird eine Geschichte<br />

mit in den Tag gegeben zur<br />

Frage: Woher kommt das Böse?<br />

«Es lebt’ einmal ein Mann, der<br />

sann viel über Weltendinge nach. Es<br />

quälte sein Gehirn am meisten,<br />

wenn er des Bösen Ursprung kennen<br />

wollte. Da konnte er sich keine Antwort<br />

geben. ‹Es ist die Welt von Gott›,<br />

– so sagt’ er sich, ‹und Gott kann nur<br />

das Gute in sich haben.Wie kommen<br />

böse Menschen aus dem Guten?›<br />

Und immer wieder sann er ganz<br />

vergebens; die Antwort wollte sich<br />

nicht finden lassen.<br />

Da traf es sich einmal, dass jener<br />

Grübler auf seinem Wege einen<br />

Baum erblickte, der im Gespräche<br />

war mit einer Axt. Es sagte zu dem<br />

Baume jene Axt: ‹Was dir zu tun<br />

nicht möglich ist, ich kann es tun. Ich<br />

kann dich fällen, du mich aber<br />

nicht.› Da sagte zu der eitlen Axt der<br />

Baum: ‹Vor einem Jahre nahm ein<br />

Mann das Holz, woraus er einen Stiel<br />

verfertigt hat, durch eine andre Axt<br />

aus meinem Leib.› Und als der Mann<br />

die Rede hat gehört, erstand in seiner<br />

Seele ein Gedanke, den er nicht klar<br />

in Worte bringen konnte, der aber<br />

volle Antwort gab der Frage: Wie Böses<br />

aus dem Guten stammen kann.»<br />

R.<strong>Steiner</strong><br />

In wenigen Sätzen tragen die SchülerInnen<br />

die Quintessenz der Geschichte<br />

zusammen: Das Böse stammt<br />

aus dem Guten. Oft meint man es gut<br />

und es kommt trotzdem dumm heraus.<br />

Gut und Böse sind offenbar nahe<br />

beisammen.<br />

Eine Geschichte, die, wie ein Koan,<br />

im Untergrund arbeiten und irgendwann<br />

und irgendwo Früchte tragen<br />

mag.<br />

Nun wird der Kopf gefordert: 27<br />

plus 4 – das Doppelte – minus 18 –<br />

daraus drei Viertel – geteilt durch 11 –<br />

mal 19 – plus 13 – die Hälfte – gleich?<br />

«Und wer ist schon so wach, dass<br />

er oder sie gemerkt hat, dass es die<br />

gleiche Rechnung ist wie gestern?»<br />

<strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong> <strong>Schule</strong> <strong>Aargau</strong> <strong>Mitteilungen</strong> <strong>Weihnachten</strong> <strong>2003</strong>

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