17.11.2013 Aufrufe

ZWEI DRAMEN AUS DER PERSPEKTIVE DER ... - Matarka

ZWEI DRAMEN AUS DER PERSPEKTIVE DER ... - Matarka

ZWEI DRAMEN AUS DER PERSPEKTIVE DER ... - Matarka

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

16 Júlia Ernei<br />

Die bis jetzt so oft vorkommende Mimik spielt eine sehr wichtige Rolle, in dem entscheidenden<br />

Dialog zwischen Marwood und Sara:<br />

Ich erschrecke, Lady; wie verändern sich auf einmal die Züge Ihres Gesichts; Sie<br />

glühen; aus dem starren Auge schreckt Wut, und des Mundes knirschende Bewegung<br />

– Ach! Wo ich Sie erzürnt habe, Lady; so bitte ich um Verzeihung. Ich bin<br />

eine empfindliche Närrin; was Sie gesagt haben, war ohne Zweifel so böse nicht<br />

gemeynt. Vergessen Sie meine Uebereilung. Wodurch kann ich Sie besänftigen?<br />

Wodurch kann auch ich mir eine Freundinn an Ihnen erwerben, wo wie sie Marwood<br />

an Ihnen gefunden hat? Lassen Sie mich, Lady, lassen Sie mich fußfällug<br />

darum bitten – (indem sie nieder fällt) Um Ihre Freundschaft, Lady? – und wo ich<br />

diese nicht erhalten kann, um die Gerechtigkeit wenigstens, mich und Marwood<br />

nicht in einen Rang zu setzen. (IV, 8)<br />

Marwood bekennt sich zu ihrer wahren Identität erst, als die Unterwerfung ihrer Gegnerin<br />

zu einem Höhepunkt gelangt. ,,Nach den vorangehenden verbalen Beleidigungen, die selbst<br />

die sanfte Sara aus der Reserve locken, kostet sie ganz ohne Worte die Fülle ihres Triumphes<br />

aus: ihr ungebändigter Zorn zeichnet sich schrecklich auf ihrem Gesicht ab.” 20 Wenn<br />

Sara ihre von Wut entstellten Züge, das Glühen, das Zähneknirschen sieht, gerät sie so stark<br />

in Angst und Schrecken, dass sie Schutz durch Unterwerfung sucht.<br />

Sara erkennt und benennt den Affekt, der sich in Marwoods Zügen spiegelt. Sie<br />

hat Angst, die Lady ,,erzürnt” zu haben. Diese von Lessing versammelten Symptome des<br />

Zorns können leicht von jedermann verstanden werden.<br />

Über diese eloquentia corporis sagt Johann Jakob Bodmer in seinem Critischen<br />

Betrachtungen über die poetischen Gemählde der Dichter:<br />

Der Zorn entbildet das Angesicht mit einer glühenden Röthe, die Augen funckeln<br />

mit wüthenden Blicken, der Mund schäumt, das Herz und der Puls toben, die A-<br />

dern schwellen auf, die Zunge stammelt, die Zähne knirschen, die Haare straussen,<br />

die Stimme erhöhet sich, die rede bricht übereilet und unbesonnen heraus. 21<br />

Er nennt in seinem Werk das von Marwood wiederholte ,,Knirschen mit den Zähnen” dentes<br />

comprimuntur. Seiner Meinung nach spielen in der Wirkung auf der Bühne die Gesichtszüge,<br />

Gebärden und Stellungen des Körpers eine sehr wichtige Rolle, Ferner die Figuren<br />

der Rede, die Sitten, die Handlungen und die menschliche Rede.<br />

Lessing beschäftigte sich mit den Symptomen des Zorns, vor allem in der Hamburgischen<br />

Dramaturgie. Er beschreibt nicht nur die äußeren, willkürlich zu erzeugenden<br />

Kennzeichen des Zorns (wie zum Beispiel hastiger Gang, stampfender Fuß, verbissener<br />

Ton, Spiel der Augenbraunen, zitternde Lippe, das Knirschen der Zähne), sondern auch die<br />

nur durch psychophysische Gesetzmäßigkeiten zu erklärenden (zum Beispiel: glühendes<br />

Gesicht, blitzende Augen, schwellende Muskeln).<br />

20 Ebd., 85.<br />

21 BODMER 1971, 299.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!