zwillingsformeln im deutschen und schwierigkeiten bei der ... - Matarka
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ZWILLINGSFORMELN IM DEUTSCHEN UND<br />
SCHWIERIGKEITEN BEI DER ÜBERSETZUNG<br />
INS TSCHECHISCHE<br />
SILKE GESTER<br />
Universität Tomas Bata, Tschechien<br />
1. Einleitung<br />
Die fortschreitende Globalisierung <strong>und</strong> das Zusammenwachsen <strong>der</strong> Staaten Europas haben<br />
viele Vorteile für jedes einzelne Mitglied <strong>der</strong> Gesellschaft gebracht. Reisefreiheit, freier<br />
Warenverkehr, eine Währung, die in den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Eurozone einheitliches Zahlungsmittel<br />
ist – all das war vor einigen Jahrzehnten überhaupt noch nicht vorstellbar. Selbst die<br />
exotischsten Orte <strong>der</strong> Erde sind heute nur noch einen Mausklick weit von uns entfernt. Bei<br />
diesen vielfältigen internationalen Kontakten erscheint es allerdings auch nicht verw<strong>und</strong>erlich,<br />
dass das Übersetzungsaufkommen ständig steigt, will man doch mit <strong>der</strong> Welt kommunizieren,<br />
verstehen <strong>und</strong> verstanden werden. Allein in den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Europäischen Union<br />
stieg die Zahl <strong>der</strong> übersetzten Seiten auf über zwei Milliarden an. Hier erscheinen ca.<br />
165.000 laufende wissenschaftliche Periodika <strong>und</strong> täglich werden 20.000 wissenschaftliche<br />
Aufsätze publiziert. Da<strong>bei</strong> liegt das Hauptaugenmerk zweifellos auf dem Englischen, aber<br />
auch die an<strong>der</strong>en Nationalsprachen spielen eine wichtige Rolle – nicht zuletzt wird in <strong>der</strong><br />
EU in Bezug auf die sprachliche Regelung das egalitäre Prinzip praktiziert, das heißt, die<br />
Nationalsprachen aller Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Europäischen Union sind gleichberechtigt.<br />
Es lohnt sich, darüber hinaus noch einige weitere Zahlen zu betrachten. Deutsch ist<br />
die meistgesprochene Sprache in <strong>der</strong> Europäischen Union 1 <strong>und</strong> die Sprache, in die weltweit<br />
am meisten übersetzt wird. Unter den Sprachen, aus denen übersetzt wird, n<strong>im</strong>mt das Deutsche<br />
den dritten Platz nach Englisch <strong>und</strong> Französisch ein (vgl. Schnei<strong>der</strong> 2009, 18 ff.).<br />
Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Nachbarschaft Deutschlands <strong>und</strong> Tschechiens <strong>und</strong> den daraus resultierenden<br />
vielfältigsten Kontakten lässt sich davon ausgehen, dass es auch in dieser Sprachkombination<br />
ein hohes Übersetzungsaufkommen gibt. Nicht zuletzt ist die BRD Tschechiens wichtigster<br />
Handelspartner 2 <strong>und</strong> deutschsprachige Län<strong>der</strong> machen den größten Teil <strong>der</strong> Landesgrenzen<br />
Tschechiens aus.<br />
Insofern erscheint es sinnvoll, dass Deutsch als Fremdsprache in <strong>der</strong> Tschechischen<br />
Republik einen wichtigen Platz einn<strong>im</strong>mt. An renommierten Lehranstalten, wie z. B.<br />
an <strong>der</strong> Karlsuniversität in Prag o<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Palacký-Universität Olomouc, werden zukünftige<br />
Sprachmittler auf ihren Einsatz vorbereitet. Aber auch an<strong>der</strong>norts stehen Vorlesungen<br />
<strong>und</strong> Seminare in Translatologie auf dem Lehrplan. In <strong>der</strong> praktischen Ausbildung <strong>der</strong> Übersetzer,<br />
<strong>der</strong>en Muttersprache das Tschechische ist, stoßen wir jedoch auch <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> auf<br />
verschiedene, muttersprachlich bedingte, spezifische Schwierigkeiten <strong>im</strong> grammatischen<br />
1 Etwa 85 Millionen Menschen in <strong>der</strong> Europäischen Union sprechen Deutsch als Muttersprache (18<br />
Prozent <strong>der</strong> EU-Bevölkerung).<br />
2 Im Jahr 2009 wurden Waren <strong>im</strong> Wert von 20,1 Milliarden Euro von Deutschland nach Tschechien<br />
<strong>im</strong>portiert, was bedeutet, dass auf Deutschland 27 Prozent aller tschechischen Einfuhren entfielen.<br />
Das Exportvolumen betrug <strong>im</strong> gleichen Jahr 26,3 Milliarden Euro, das waren 33 Prozent aller tschechischen<br />
Exporte. (www.gtai.de)
218 Silke Gester<br />
<strong>und</strong> lexikalischen Bereich. Im vorliegenden Beitrag möchten wir ein konkretes Thema<br />
herausgreifen <strong>und</strong> am Beispiel <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Zwillingsformeln (auch Paarformeln genannt)<br />
einige Hinweise <strong>und</strong> Möglichkeiten für die Übersetzung solcher Ausdrücke in die tschechische<br />
Sprache geben.<br />
2. Phraseologismus<br />
Phraseologismen nehmen <strong>im</strong> Unterricht Deutsch als Fremdsprache heute einen festen Platz<br />
ein. Das liegt vor allem daran, dass sie sich in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen <strong>deutschen</strong> Sprache großer<br />
Beliebtheit erfreuen <strong>und</strong> vielfältig verwendet werden. Einen Nichtmuttersprachler stellen<br />
sie jedoch nicht selten vor große Herausfor<strong>der</strong>ungen, denn sie lassen sich in <strong>der</strong> Regel nicht<br />
aus ihren Komponenten heraus erklären, son<strong>der</strong>n müssen als mehr o<strong>der</strong> weniger fest gefügte<br />
Einheit <strong>im</strong> mentalen Lexikon gespeichert werden. Selbst die Kenntnis eines Ausdrucks<br />
bietet noch keine Garantie dafür, dass er später in <strong>der</strong> Praxis auch richtig angewendet wird.<br />
An den Anfang <strong>der</strong> Betrachtungen sollen einige theoretische Überlegungen gestellt werden.<br />
Unter Redewendungen o<strong>der</strong> Phraseologismen 3 (latinisierte Form des griechischen<br />
Wortes φρασεολογισµός, fraseologismós, von altgriechisch phrazein – anzeigen, vortragen<br />
<strong>und</strong> griechisch-neulateinisch logismós/logismus – die Wortbildung) versteht die Sprachwissenschaft<br />
eine zu einer festen Form verwachsene Folge lexikalischer Einheiten 4 (Komponenten).<br />
Sie muss aus mindestens zwei bedeutungstragenden lexikalischen Einheiten (Autosemantika)<br />
bestehen (Polylexikalität) 5 . So wie jede sprachlich richtige, d.h. Verständigung<br />
hervorrufende Äußerung erfüllt auch die Redewendung den Anspruch einer sinnvollen<br />
Zusammenstellung (1) von bedeutungstragenden Elementen (2) sowie <strong>der</strong>en Verknüpfung<br />
nach den Regeln <strong>der</strong> Grammatik (3), wo<strong>bei</strong> alle drei Bedingungen gleichzeitig erfüllt<br />
sein müssen. Bei Redewendungen handelt es sich sozusagen um vorgefertigte Bausteine <strong>der</strong><br />
Sprache, von denen viele als Synonyme für einzelne Wörter gebraucht werden können, wie<br />
z. B. auf Biegen <strong>und</strong> Brechen – unbedingt. Manche Wendungen repräsentieren eine bildhafte<br />
(metaphorische) Ausdrucksweise: Eine sprachliche Äußerung kann durch die Verwendung<br />
von Phraseologismen erheblich an Lebendigkeit gewinnen. Ein großer Teil des Bestandes<br />
gehört in die Umgangssprache. Die Bedeutung einer solchen Verbindung geht<br />
meist über die rein wörtliche Bedeutung ihrer Bestandteile hinaus. Die Graduierungen <strong>und</strong><br />
Erscheinungsformen werden <strong>im</strong> Folgenden näher besprochen.<br />
In Bezug auf den Phraseologismus wird in <strong>der</strong> Regel zwischen freien <strong>und</strong> festen<br />
Wortverbindungen unterschieden 6 . Bei den freien bzw. unfesten Wortverbindungen sind die<br />
einzelnen Glie<strong>der</strong> trennbar <strong>und</strong> lassen sich gegen an<strong>der</strong>e Wörter austauschen, sofern diese<br />
semantisch sinnvoll <strong>und</strong> grammatisch korrekt sind. Jedes einzelne Glied ist separat <strong>im</strong> Wörterbuch<br />
verzeichnet. Die Bedeutung <strong>der</strong> gesamten Verbindung kann aus <strong>der</strong> Summe <strong>der</strong><br />
3 Zu Fragen <strong>der</strong> Terminologie vgl. FLEISCHER (1997, 2 ff.) o<strong>der</strong> BURGER (2007, 33 ff).<br />
4 Busse spricht in Anlehnung an BURGER – BUHOFER – SIALM (1982) von so genannten Wortkombinationen<br />
<strong>und</strong> zählt dazu Zwillingsformeln, feste Kollokationen, phraseologische Termini, Modellbildungen,<br />
Funktionsverbgefüge sowie (nicht-satzwertige) phraseologische Vergleiche (vgl. BUSSE<br />
2002, 408).<br />
5 Insofern deckt sich diese Begriffsbest<strong>im</strong>mung mit <strong>der</strong> tschechischen Definition: „Frazém neboli<br />
frazeologismus je ustálené spojení slovních tvarů slov s vlastním významem“ (vgl. ČERMÁK 2007).<br />
6 Die folgende Darstellung lehnt sich an AGRICOLA (1985) an <strong>und</strong> erscheint aus fremdsprachendidaktischer<br />
Sicht beson<strong>der</strong>s geeignet.
Zwillingsformeln <strong>im</strong> Deutschen <strong>und</strong> Schwierigkeiten <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Übersetzung ins Tschechische 219<br />
Einzelbedeutungen ihrer Komponenten erschlossen werden, auch wenn diese mehrdeutig<br />
(ambivalent) sind, z. B. ein Auto / einen Politiker / viel kaufen. Aus fremdsprachendidaktischer<br />
<strong>und</strong> kontrastivlinguistischer Sicht stellen die freien Wortverbindungen keine beson<strong>der</strong>en<br />
Schwierigkeiten dar.<br />
Neben den freien gibt es die losen Wortverbindungen 7 . Hier<strong>bei</strong> handelt es sich um<br />
Wendungen, die durch beson<strong>der</strong>en Gebrauch in gewissen Bereichen in ihrer Wortfolge<br />
best<strong>im</strong>mt, in ihrer Gesamtheit aber nicht umgedeutet sind: kalte Küche, ein freudiges Ereignis.<br />
Die losen Wortverbindungen sind wie die freien Wortverbindungen <strong>im</strong> Allgemeinen<br />
nicht als Einheit <strong>im</strong> Wörterbuch eingetragen, son<strong>der</strong>n vielmehr als einzelne Bestandteile.<br />
Zu den losen Verbindungen zählt Agricola auch mehrgliedrige Eigennamen <strong>und</strong> Titel (onymische<br />
Phraseologismen), wie <strong>bei</strong>spielsweise die Hohe Tatra, das Rote Kreuz, nicht<br />
umgedeutete Vergleiche, wie schwarz wie die Nacht, hart wie Stahl, die häufig <strong>der</strong> Verstärkung<br />
eines Verbs o<strong>der</strong> Adjektivs dienen, Kinegramme, mit denen meist konventionalisiertes<br />
nonverbales Verhalten sprachlich gefasst <strong>und</strong> kodiert wird, wie die Nase rümpfen, mit<br />
den Schultern zucken, ebenso Redewendungen, von denen das eine Glied – obwohl bis zu<br />
einem gewissen Grade bildlich gebraucht – austauschbar bleibt <strong>und</strong> <strong>bei</strong> denen die Gesamtbedeutung<br />
noch aus den Komponenten erkennbar ist: <strong>der</strong> eiserne (= feste) Bestand, blin<strong>der</strong><br />
(= irrtümlicher, unnötiger) Alarm. Der Übergang zur nächsten Gruppe ist in vielen Fällen<br />
fließend.<br />
Eine weitere Gruppe sind die festen Wortverbindungen (Redewendungen, phraseologische<br />
Verbindungen). Diese werden eingeteilt in einfache phraseologische Verbindungen<br />
<strong>und</strong> phraseologische Einheiten. Bei den einfachen phraseologischen Verbindungen ist<br />
ein Glied <strong>der</strong> Wendung, meist das Verb, abgeblasst o<strong>der</strong> teilweise umgedeutet. Die Gesamtbildung<br />
ist jedoch aus den Einzelteilen zu begründen, in vielen Fällen ist sie nur die<br />
erweiterte Umschreibung eines Vollverbs: Abschied nehmen – sich verabschieden. Zu dieser<br />
Gruppe zählen die so genannten Funktionsverbgefüge, die aus einem Funktionsverb,<br />
das vorwiegend eine syntaktische Funktion ausübt, <strong>und</strong> Präpositionalgruppen o<strong>der</strong> Akkusativen<br />
(in <strong>der</strong> Regel Verbalabstrakta), die die eigentliche Bedeutung des Prädikats ausdrücken,<br />
bestehen. Die Wörter in einfachen phraseologischen Verbindungen können in sehr<br />
begrenztem Maße gegen bedeutungsnahe ausgetauscht werden. Dies geschieht <strong>bei</strong>spielsweise<br />
<strong>bei</strong> den Funktionsverbgefügen mit Verben, die für die aktionalen Differenzen <strong>und</strong><br />
den Unterschied in <strong>der</strong> Kausativität verantwortlich sind: sich jmdm. in den Weg stellen –<br />
jmdm. <strong>im</strong> Wege stehen; in Schwung bringen/in Schwung halten (Verursacher <strong>der</strong> Handlung<br />
muss genannt werden) – in Schwung kommen/in Schwung sein (Verursacher kann <strong>im</strong>plizit<br />
bleiben). Eine <strong>der</strong>artige Relativierung <strong>der</strong> Festigkeit, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> lexikalischen Art,<br />
wird als Variation bezeichnet. Es handelt sich hier<strong>bei</strong> um usuelle Erscheinungen, die von<br />
grammatischen Varianten einer o<strong>der</strong> mehrerer Komponenten (seine Hand bzw. seine Hände<br />
<strong>im</strong> Spiel haben) über lexikalische (ein Gesicht wie drei/sieben/zehn/vierzehn Tage Regenwetter)<br />
bis hin zur Synonymie (jmdn. auf den Arm nehmen/jmdn. auf die Schippe nehmen)<br />
reichen. Eine detaillierte Darstellung <strong>der</strong> Varianten findet sich <strong>bei</strong> Fleischer 1997, 205 ff.<br />
<strong>und</strong> <strong>bei</strong> Burger 2007, 25 ff. Demgegenüber stehen die Modifikationen (okkasionelle, für die<br />
Zwecke eines Textes hergestellte Abwandlungen eines Phraseologismus).<br />
7 Der DUDEN (1992) bezeichnet sie als Wortgruppen, <strong>der</strong>en Beson<strong>der</strong>heit eine so genannte „lexikalische<br />
Solidarität“ ist.
220 Silke Gester<br />
Phraseologische Einheiten haben <strong>im</strong> Gegensatz zu den einfachen phraseologischen<br />
Verbindungen eine verhältnismäßig starre inhaltliche Bindung, die nur vereinzelt den Ersatz<br />
bedeutungsähnlicher Wörter o<strong>der</strong> Erweiterungen durch an<strong>der</strong>e Wörter gestattet. Die<br />
Einzelglie<strong>der</strong> stehen zwar in durchsichtiger Beziehung zueinan<strong>der</strong> <strong>und</strong> erklären sich selbst,<br />
aber die Bedeutung <strong>der</strong> gesamten Einheit ist dennoch nicht direkt erschließbar. Der Sinn<br />
<strong>der</strong> Verbindung muss verallgemeinert o<strong>der</strong> übertragen werden, wo<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Schlüssel meist in<br />
<strong>der</strong> bildlich-übertragenen Variante eines ihrer Bestandteile liegt. Manche Wendungen sind<br />
<strong>im</strong> eigentlichen <strong>und</strong> <strong>im</strong> übertragenen Sinn zu verwenden, in <strong>der</strong> Regel gilt aber nur die<br />
umgedeutete Form: Öl ins Feuer gießen, die Zelte abbrechen.<br />
Eine beson<strong>der</strong>e Form <strong>der</strong> Phraseologismen, die in Bezug auf ihre Festigkeit <strong>und</strong><br />
den Grad <strong>der</strong> Übertragung zum Teil den phraseologischen Einheiten <strong>und</strong> zum Teil den<br />
starren phraseologischen Verbindungen zuzurechnen sind, sind die Zwillingsformeln o<strong>der</strong><br />
auch Paarformeln genannt. Diese werden <strong>im</strong> nächsten Kapitel genauer betrachtet.<br />
Die letzte Gruppe sind die starren phraseologischen Verbindungen (Idiome), <strong>bei</strong><br />
denen die gemeinsame Bedeutung vom gegenwärtigen Sprachgebrauch aus gesehen unbegründet<br />
<strong>und</strong> nicht aus den einzelnen Glie<strong>der</strong>n ableitbar ist. Die Idiomatizität ist allerdings<br />
ein relatives Merkmal, denn sie ist abhängig von Kontext <strong>und</strong> Vorwissen (vor allem dann,<br />
wenn unikale Komponenten auftreten, also Wörter, die in <strong>der</strong> heutigen Sprache keine freie<br />
Bedeutung mehr haben, wie z. B. Maulaffen feilhalten, jmdn. ins Bockshorn jagen). 8 Ein<br />
weiteres Kriterium ist die Festigkeit <strong>der</strong> Komponenten. Diese drückt sich formal, lexikalisch<br />
<strong>und</strong> semantisch aus. Unter formaler Festigkeit versteht man die Eigenschaft eines<br />
Phraseologismus, morphosyntaktischen <strong>und</strong> lexikalisch-semantischen Restriktionen zu<br />
unterliegen. Die einzelnen Komponenten sind syntaktisch nicht umstellbar, z. B. Hab <strong>und</strong><br />
Gut, aber nicht Gut <strong>und</strong> Hab*. Einige solcher Verbindungen sperren sich gegen eine Reihe<br />
von syntaktischen Operationen, sie können <strong>bei</strong>spielsweise nur in einem best<strong>im</strong>mten Tempus<br />
verwendet werden, wie z. B. jmd. hat an jmdm. einen Narren gefressen (Perfekt) <strong>und</strong><br />
nicht jmd. frisst an jmdm. einen Narren*, jmd. fraß an jmdm. einen Narren* (Präsens bzw.<br />
Präteritum). Durch die lexikalische Festigkeit werden die einzelnen Komponenten als nicht<br />
austauschbar markiert, wie z. B. wie Katz <strong>und</strong> Maus, aber nicht wie Katz <strong>und</strong> Ratte*. Die<br />
semantische Festigkeit besagt, dass <strong>der</strong> phraseologische Ausdruck als ganzer die Bedeutung<br />
trägt, <strong>im</strong> Gegensatz zur weiter oben besprochenen freien Verbindung, wo die einzelnen<br />
Komponenten Bedeutungsträger sind. Zusätzlich lassen sich weitere Arten <strong>der</strong> Festigkeit<br />
ausmachen, welche die genannten erweitern: Hier<strong>bei</strong> handelt es sich einerseits um die psycholinguistische<br />
Festigkeit, wonach Phraseologismen wie an<strong>der</strong>e Lexeme <strong>im</strong> mentalen<br />
Lexikon fest verfügbar sind <strong>und</strong> als Ganzes reproduziert werden können. An<strong>der</strong>erseits liegt<br />
pragmatische Festigkeit vor, das heißt, die Phraseologismen sind an best<strong>im</strong>mte Situationen<br />
geb<strong>und</strong>en. Die vorgenannten syntaktischen <strong>und</strong> lexikalischen Restriktionen, denen Phraseologismen<br />
– wenngleich in unterschiedlich starker Ausprägung – unterliegen, sind <strong>im</strong> Vergleich<br />
zu grammatischen Restriktionen relativ schwach, denn eine Verletzung führt nicht zu<br />
fehlerhaften Äußerungen. Das bedeutet, dass auch die Festigkeit ein relatives Kriterium ist<br />
<strong>und</strong> Phraseologismen in unterschiedlichem Maß modifiziert werden können. Dies geschieht<br />
8 Die Idiomatizität wie<strong>der</strong>um ist graduell abstufbar. Da<strong>bei</strong> wird in <strong>der</strong> Regel zwischen Vollidiomen<br />
(jmdm. einen Korb geben), Teilidiomen (blin<strong>der</strong> Passagier) <strong>und</strong> Nicht-Idiomen (Zähne putzen) unterschieden.<br />
Die Grenzen sind allerdings auch hier fließend.
Zwillingsformeln <strong>im</strong> Deutschen <strong>und</strong> Schwierigkeiten <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Übersetzung ins Tschechische 221<br />
vor allem in <strong>der</strong> mündlichen Alltagssprache, in Medientexten (z. B. in <strong>der</strong> Werbesprache)<br />
<strong>und</strong> in literarischen Texten (einschließlich Liedtexten).<br />
Eine beson<strong>der</strong>e Gruppe <strong>der</strong> phraseologischen Verbindungen sind <strong>bei</strong> Agricola<br />
(1985) festgeprägte Sätze. Sie übersteigen ihrer Struktur nach schon die Grenze <strong>der</strong> festen<br />
Wortverbindungen, haben aber sonst alle Merkmale dieser Gattung. Die Möglichkeit ihrer<br />
Abwandlung ist noch begrenzter: So jung kommen wir nie wie<strong>der</strong> zusammen. Hierher gehören<br />
auch die als Auslassungssätze anzusehenden Bildungen: du ahnst es nicht!, wir werden<br />
das Kind schon schaukeln bzw. Ausrufe: Das ist gehupft wie gesprungen. Mit den phraseologischen<br />
Verbindungen haben sie gemeinsam, dass sie keine selbständige Aussage darstellen,<br />
son<strong>der</strong>n sich auf einen Kontext beziehen müssen. Da die festgeprägten Sätze zum größten<br />
Teil <strong>der</strong> Umgangssprache zuzurechnen sind, stehen sie nicht <strong>im</strong> Fokus <strong>der</strong> translatologischen<br />
Betrachtungen.<br />
3. Zwillingsformeln <strong>im</strong> Deutschen<br />
Zwillingsformeln o<strong>der</strong> auch Paarformeln 9 bestehen, wie ihr Name bereits aussagt, <strong>im</strong>mer<br />
aus zwei (vereinzelt aus drei) tragenden Wörtern <strong>der</strong> gleichen Wortart bzw. zwe<strong>im</strong>al demselben<br />
Wort, die durch eine Konjunktion o<strong>der</strong> eine Präposition miteinan<strong>der</strong> verknüpft sind:<br />
klipp <strong>und</strong> klar, gang <strong>und</strong> gäbe, Tag für Tag, Schritt für Schritt. Ihre formale Einheit wird<br />
oft so stark, dass die gesamte Wortgruppe wie ein Wort behandelt wird. Dazu tritt eine<br />
rhythmische <strong>und</strong> klangvolle Bindung, die eine fast unverän<strong>der</strong>bare Reihenfolge <strong>der</strong> Glie<strong>der</strong><br />
bewirkt: fix <strong>und</strong> fertig, mit Kind <strong>und</strong> Kegel. Wenn sie aus ungleich langen Wörtern bestehen,<br />
sind sie gewöhnlich nach dem Gesetz <strong>der</strong> wachsenden Satzglie<strong>der</strong> angeordnet, folglich<br />
steht das kürzere vor dem längeren Wort: hier <strong>und</strong> heute; eine zweite Ordnung entsteht<br />
durch inhaltliche Wertung: Das weniger wichtige folgt dem positiver Beurteilten: Mensch<br />
<strong>und</strong> Tier. Hinsichtlich <strong>der</strong> beteiligten Wortarten ist die Kombination von Substantiven <strong>und</strong><br />
Adjektiven/Adverbien typisch für die Zwillingsformeln, Verben <strong>und</strong> synsemantische Wortarten<br />
kommen wesentlich seltener vor. Im Folgenden sind einige Beispiele entsprechend<br />
den beteiligten Wortarten aufgelistet 10 :<br />
Substantive: Hab <strong>und</strong> Gut, Wohl <strong>und</strong> Wehe, Hals über Kopf, mit Kind <strong>und</strong> Kegel, mit Mann<br />
<strong>und</strong> Maus, auf Biegen <strong>und</strong> Brechen, Seite an Seite, Seite für Seite, Drunter <strong>und</strong> Drüber,<br />
Kommen <strong>und</strong> Gehen, das A <strong>und</strong> O, das Für <strong>und</strong> Wi<strong>der</strong>, Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Boden, für einen Apfel<br />
<strong>und</strong> ein Ei, Hinz <strong>und</strong> Kunz, Katz <strong>und</strong> Maus ...<br />
Adjektive <strong>und</strong> Adverbien: null <strong>und</strong> nichtig, schlicht <strong>und</strong> ergreifend, fix <strong>und</strong> fertig, klipp <strong>und</strong><br />
klar, kurz <strong>und</strong> gut, kurz <strong>und</strong> bündig, weit <strong>und</strong> breit, grau in grau, doppelt <strong>und</strong> dreifach, hin<br />
<strong>und</strong> wie<strong>der</strong>, sang- <strong>und</strong> klanglos, we<strong>der</strong> verwandt noch verschwägert sein.<br />
Verben: hegen <strong>und</strong> pflegen, bitten <strong>und</strong> betteln, schalten <strong>und</strong> walten, hoffen <strong>und</strong> bangen,<br />
geben <strong>und</strong> nehmen, leben <strong>und</strong> leben lassen, drehen <strong>und</strong> wenden, was da kreucht <strong>und</strong><br />
fleucht, wächst <strong>und</strong> gedeiht.<br />
9 BUSSE (2002, 409) bezeichnet Zwillingsformeln als Prototyp phraseologischer Wortpaare.<br />
10 Man geht davon aus, dass es in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen <strong>deutschen</strong> Sprache etwa 600 allgemein gebräuchliche<br />
Zwillingsformeln gibt.
222 Silke Gester<br />
an<strong>der</strong>e Wortarten: nach <strong>und</strong> nach, dann <strong>und</strong> wann, nach wie vor, mir nichts dir nichts, ab<br />
<strong>und</strong> an, ab <strong>und</strong> zu, an <strong>und</strong> für sich, auf <strong>und</strong> davon, aus <strong>und</strong> vor<strong>bei</strong>, dies <strong>und</strong> jenes, so<br />
o<strong>der</strong> so.<br />
Busse schreibt: „Die Einteilung <strong>der</strong> Phraseologischen Wortpaare nach Wortarten kann nicht<br />
befriedigen, da daraus keine eindeutige Aussage über die syntaktische Position <strong>der</strong> idiomatisierten<br />
Kombinationen geschlossen werden kann“ (Busse 2002, 409). So lässt sich in<br />
syntaktischer Hinsicht feststellen, dass die meisten Zwillingsformeln entwe<strong>der</strong> adverbial<br />
verwendet werden: sich Hals über Kopf in jemanden verlieben, o<strong>der</strong> in prädikativer Funktion<br />
erscheinen: fix <strong>und</strong> fertig sein. Die Verben finden vor allem infinitivische Verwendung,<br />
seltener treten sie als finiter Verbteil eines Satzes auf, was nicht zuletzt dadurch deutlich<br />
wird, dass sich unter den Substantiven ebenfalls zahlreiche substantivierte Infinitive feststellen<br />
lassen: Ich habe es gehegt <strong>und</strong> gepflegt. Er konnte schalten <strong>und</strong> walten, wie er wollte.<br />
Das war ein einziges Kommen <strong>und</strong> Gehen.<br />
Zwillingsformeln mit substantivischen Bestandteilen sind meist an eine best<strong>im</strong>mte<br />
Präposition geb<strong>und</strong>en, die dann als Teil des Phrasems betrachtet werden müsste: <strong>bei</strong> Nacht<br />
<strong>und</strong> Nebel, nach Jahr <strong>und</strong> Tag, an Ort <strong>und</strong> Stelle. Nicht selten besteht eine feste Bindung<br />
des phraseologischen Wortpaares an ein Verb: alles kurz <strong>und</strong> klein schlagen, <strong>bei</strong> jmdm. ist<br />
Hopfen <strong>und</strong> Malz verloren, von Tuten <strong>und</strong> Blasen keine Ahnung haben.<br />
In semantischer Hinsicht besteht zwischen den gedoppelten Konstituenten eine<br />
semantische Verwandtschaft bzw. Nähe. Sie sind entwe<strong>der</strong> Synonyme o<strong>der</strong> Antonyme o<strong>der</strong><br />
in an<strong>der</strong>er Weise (häufig als Komplementärbegriffe) durch die Übereinst<strong>im</strong>mung semantischer<br />
Merkmale lexikalisch miteinan<strong>der</strong> verb<strong>und</strong>en. Die Bedeutung des Phrasems kann eine<br />
an die Kombination <strong>bei</strong><strong>der</strong> Komponenten geb<strong>und</strong>ene Metapher sein: zwischen Tür <strong>und</strong><br />
Angel, o<strong>der</strong> es handelt sich um eine Verstärkung, Expressivierung o<strong>der</strong> sonstige Nuancierung<br />
<strong>der</strong> Bedeutung einer <strong>der</strong> Komponenten: Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Boden, Hab <strong>und</strong> Gut, null <strong>und</strong><br />
nichtig. Die emphatische Funktion <strong>der</strong> Zwillingsformeln wird gestützt durch charakteristische<br />
phonologische <strong>und</strong> morphologische Merkmale, d.h. Alliteration bzw. Stabre<strong>im</strong>: Kind<br />
<strong>und</strong> Kegel, Mann <strong>und</strong> Maus, Endre<strong>im</strong>: dann <strong>und</strong> wann, Knall <strong>und</strong> Fall, kombiniert: geschniegelt<br />
<strong>und</strong> gestriegelt, Assonanz: angst <strong>und</strong> bange. Auch dort, wo keine lautliche Ähnlichkeit<br />
besteht, wie z. B. <strong>bei</strong> Hab <strong>und</strong> Gut, ab <strong>und</strong> zu, gibt es zumindest eine morphophonologische<br />
Strukturähnlichkeit. Einen morphologischen Son<strong>der</strong>typ stellen die Klammerfügungen<br />
dar: hieb- <strong>und</strong> stichfest. Die phonologischen Verhältnisse lassen sich auf das<br />
Entstehen vieler deutscher Zwillingsformeln in einer mündlichen Sprach- <strong>und</strong> Gedächtniskultur<br />
zurückführen, in <strong>der</strong> Laut- <strong>und</strong> Strukturähnlichkeit die Funktion <strong>der</strong> Gedächtnisstütze<br />
hatten. Im Mittelalter <strong>und</strong> in <strong>der</strong> frühen Neuzeit waren Zwillingsformeln <strong>im</strong> Deutschen<br />
hochfrequent, beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> Rechtssprache. Hier spielt jedoch auch die pragmatische<br />
Funktion <strong>der</strong> Bekräftigung von Rechtsakten hinein: null <strong>und</strong> nichtig, Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Boden<br />
(vgl. Busse 2002).<br />
Das hohe Alter zahlreicher Zwillingsformeln schlägt sich in einem hohen Anteil<br />
idiomatisierter Phraseme nie<strong>der</strong> <strong>und</strong> bewirkt dadurch ein Weiterbestehen unikaler Elemente:<br />
mit Kind <strong>und</strong> Kegel, wo<strong>bei</strong> Kegel hier nicht als „spitz zulaufen<strong>der</strong> Körper mit r<strong>und</strong>er<br />
o<strong>der</strong> ovaler Gr<strong>und</strong>fläche“, son<strong>der</strong>n als „uneheliches Kind“ (vgl. Wahrig 1997) gemeint ist,<br />
o<strong>der</strong> mit Fug <strong>und</strong> Recht. Fug ist hier nicht die Kurzform von Fuge als „Öffnung zwischen
Zwillingsformeln <strong>im</strong> Deutschen <strong>und</strong> Schwierigkeiten <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Übersetzung ins Tschechische 223<br />
benachbarten Bauteilen“ u.a., son<strong>der</strong>n als eigenständiges Lemma <strong>im</strong> Wörterbuch verzeichnet<br />
<strong>und</strong> bedeutet nach Wahrig (1997) „Zuständigkeit, Recht“.<br />
4. Zwillingsformeln <strong>im</strong> Tschechischen<br />
Zwillingsformeln finden sich <strong>im</strong> Tschechischen weit weniger häufig als in <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong><br />
Sprache, aber auch hier sind unterschiedliche Wortarten als Konstituenten beteiligt:<br />
Substantive: krok za krokem (dt. Schritt für Schritt), alfa a omega (dt. das A <strong>und</strong> O), neříci<br />
ani a ani b (dt. we<strong>der</strong> A noch B sagen), staří a mladí (dt. Jung <strong>und</strong> Alt), od a do zet (dt. von<br />
A bis Z), bída s nouzí (dt. Not <strong>und</strong> Elend), z bláta do louže (dt. wrtl. vom Schlamm in die<br />
Pfütze, vom Regen in die Traufe), z místa na místo (dt. von Ort zu Ort, von einem Ort zum<br />
an<strong>der</strong>en), bod za bodem (dt. Punkt für Punkt), na život a na smrt (dt. auf Leben <strong>und</strong> Tod),<br />
bok po boku (dt. Seite an Seite), chodit od Pontia k Pilátovi (dt. von Pontius bis Pilatus<br />
gehen), být oddělený od lože a od stolu (dt. von Tisch <strong>und</strong> Bett getrennt sein), týden co<br />
týden (dt. Woche für Woche), cestou necestou (dt. über Stock <strong>und</strong> Stein), případ od případu<br />
(dt. von Fall zu Fall), čas od času (dt. von Zeit zu Zeit), krucinál fagot (dt. H<strong>im</strong>mel Herrgott,<br />
verflixt <strong>und</strong> zugenäht), ode zdi ke zdi (dt. wrtl von <strong>der</strong> Wand bis zur Wand, auf <strong>und</strong><br />
ab), hory doly (dt. wrtl. Berge <strong>und</strong> Täler, das Blaue vom H<strong>im</strong>mel).<br />
Verben: stůj co stůj (dt. koste es, was es wolle), bylo – nebylo (dt. wrtl. es war – es war<br />
nicht, es war einmal), chtě nechtě (dt. wrtl. gewollt ungewollt, wohl o<strong>der</strong> übel).<br />
Adjektive <strong>und</strong> Adverbien: sem a tam (dt. hier <strong>und</strong> da, hin <strong>und</strong> her), tu a tam (dt. hier <strong>und</strong><br />
dort), buď jak buď (dt. wrtl. sei es, wie es sei; komme es, wie es wolle), tam a zpět/zpátky<br />
(dt. hin <strong>und</strong> zurück).<br />
an<strong>der</strong>e Wortarten: něco za něco (dt. wrtl. etwas für etwas, Zug um Zug, eins ums an<strong>der</strong>e,<br />
nichts umsonst), ažaž (dt. mehr als genug), co a jak (dt. wrtl. was <strong>und</strong> wie, Bescheid wissen),<br />
jak kdy (dt. wrtl. wie wann, je nachdem), jakž takž bzw. jakžtakž (dt. schlecht <strong>und</strong><br />
recht, mehr o<strong>der</strong> weniger), buď anebo (dt. wrtl. entwe<strong>der</strong> o<strong>der</strong>, friss o<strong>der</strong> stirb), copak,<br />
copak (dt. was soll das), kdekdo (dt. Hinz <strong>und</strong> Kunz).<br />
Bereits auf den ersten Blick wird deutlich, dass zahlreiche Zwillingsformeln, beson<strong>der</strong>s<br />
diejenigen mit einem Substantiv als Konstituente, <strong>im</strong> Deutschen ebenso vorhanden sind,<br />
wie z. B. tsch. krok za krokem – dt. Schritt für Schritt, tsch. týden co týden – dt. Woche für<br />
Woche, <strong>und</strong> sich ebenfalls durch ein Wort o<strong>der</strong> eine Wortgruppe ersetzen lassen: tsch. krok<br />
za krokem – postupně, dt. Schritt für Schritt – schrittweise. Der Gr<strong>und</strong> dafür ist darin zu<br />
sehen, dass gerade <strong>im</strong> Bereich <strong>der</strong> Phraseologismen zwischen <strong>bei</strong>den Sprachen, nicht zuletzt<br />
durch die unmittelbare Nachbarschaft unserer <strong>bei</strong>den Län<strong>der</strong> <strong>und</strong> die dadurch bedingten,<br />
Jahrh<strong>und</strong>erte währenden Sprachkontakte, viele Übereinst<strong>im</strong>mungen vorhanden sind.<br />
Analog zum Deutschen werden die nominalen Kombinationen mitunter durch eine Präposition<br />
eingeleitet, die selbst Teil des Phraseologismus sein kann: tsch. z místa na místo, dt.<br />
von Ort zu Ort. In Bezug auf die einzelnen Konstituenten handelt es sich in vielen tschechischen<br />
Paarformeln um eine Doppelung, die <strong>der</strong> gleichen Wortart angehört: bod za bodem,<br />
bzw. um die Verwendung eines Synonyms: z bláta do louže o<strong>der</strong> eines Antonyms: cestou<br />
necestou. Die Bedeutung des Phrasems kann auch <strong>im</strong> Tschechischen eine an die Kombina-
224 Silke Gester<br />
tion <strong>bei</strong><strong>der</strong> Komponenten geb<strong>und</strong>ene Metapher sein: chtě nechtě, o<strong>der</strong> es handelt sich um<br />
eine Verstärkung, Expressivierung o<strong>der</strong> sonstige Nuancierung <strong>der</strong> Bedeutung einer <strong>der</strong><br />
Komponenten: copak, copak. Neben den nicht-idiomatischen Wortpaaren gibt es auch <strong>im</strong><br />
Tschechischen idiomatische bzw. solche, die eine bzw. mehrere unikale Komponenten<br />
enthalten, die es in dieser Form in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Sprache nicht mehr gibt, wie z. B. jakž<br />
takž.<br />
Übereinst<strong>im</strong>mung mit den <strong>deutschen</strong> Zwillingsformeln in ihren Merkmalen gibt es<br />
darüber hinaus in <strong>der</strong> rhythmischen <strong>und</strong> klangvollen Bindung <strong>der</strong> einzelnen Glie<strong>der</strong>, die<br />
sich vor allem <strong>im</strong> Endre<strong>im</strong> wi<strong>der</strong>spiegelt: jakž takž. Die Reihenfolge ist ebenfalls festgelegt<br />
<strong>und</strong> kann nicht verän<strong>der</strong>t werden: co a jak, nicht jak a co*, wo<strong>bei</strong> in <strong>der</strong> Regel die Anordnung<br />
von einer logischen Reihenfolge ausgeht: alfa a omega o<strong>der</strong> die wichtigere Komponente<br />
<strong>der</strong> weniger wichtigen vorausgeht: na život a na smrt.<br />
In Bezug auf ihre Verwendung lässt sich feststellen, dass die meisten Zwillingsformeln<br />
<strong>im</strong> Tschechischen <strong>der</strong> neutralen Stilebene zuzurechnen sind (z. B. krok za krokem).<br />
Darüber hinaus stellen viele von ihnen eine verkürzte Ausdrucksweise dar <strong>und</strong> finden deshalb<br />
bevorzugt in <strong>der</strong> Umgangssprache Verwendung (z. B. chtě nechtě – bez ohledu na to,<br />
co dotyčný chtěl), an<strong>der</strong>e sind an best<strong>im</strong>mte Textsorten geb<strong>und</strong>en (z. B. bylo-nebylo – Märchen)<br />
o<strong>der</strong> gehören <strong>der</strong> gehobenen Stilebene an (z. B. týden co týden).<br />
5. Übersetzung deutscher Zwillingsformeln ins Tschechische<br />
Bei <strong>der</strong> universitären Ausbildung von Übersetzern stehen Sachtexte <strong>im</strong> Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> des<br />
Interesses, da diese in <strong>der</strong> heutigen Zeit den weitaus größten Teil des Übersetzungsaufkommens<br />
ausmachen. Es ist jedoch nicht von <strong>der</strong> Hand zu weisen, dass die Zwillingsformeln<br />
<strong>im</strong> Wesentlichen in <strong>der</strong> Umgangssprache angesiedelt sind o<strong>der</strong> in literarischen Texten<br />
vorkommen. Aus diesem Gr<strong>und</strong> stellen sie aus pädagogisch-didaktischer Sicht auch nicht<br />
den Schwerpunkt <strong>der</strong> zu behandelnden Probleme dar. Die Beschäftigung mit diesem Thema<br />
lässt allerdings Rückschlüsse zu, vor welche Schwierigkeiten <strong>der</strong> Übersetzer einer Sprache,<br />
in <strong>der</strong> die Zwillingsformeln nicht so stark frequentiert sind wie <strong>im</strong> Deutschen, gestellt wird,<br />
wenn er vor <strong>der</strong> Aufgabe steht, diese zu übersetzen 11 . Im Folgenden möchten wir einige<br />
Beispiele für Zwillingsformeln herausgreifen, die Übersetzungsvarianten aus kontrastivlinguistischen<br />
Gesichtspunkten begründen <strong>und</strong> wo nötig einige zusätzliche Hinweise für die<br />
Behandlung <strong>der</strong> Phraseme geben. Die Beispiele beruhen auf unseren jahrelangen Beobachtungen<br />
<strong>und</strong> wurden für die Zwecke des vorliegenden Artikels speziell bear<strong>bei</strong>tet, d.h., auf<br />
den Kern <strong>der</strong> Problematik reduziert. Eine Quellenangabe erfolgt nicht.<br />
Beispiel 1:<br />
Sie greifen ein - <strong>und</strong> stellen Recht <strong>und</strong> Ordnung wie<strong>der</strong> her.<br />
Zasahují – a znovu nastolí právo a pořádek.<br />
Recht <strong>und</strong> Ordnung ist ein Phrasem, das <strong>im</strong> Deutschen <strong>im</strong> Sinne von „Gesetzlichkeit<br />
in <strong>der</strong> Gesellschaft“ verwendet wird. Die <strong>bei</strong>den Konstituenten sind polyseme Substantive,<br />
die in diesem Fall als Komplementärbegriffe aufzufassen sind. Sie folgen <strong>bei</strong> ihrer<br />
11 Im Allgemeinen werden in <strong>der</strong> kontrastiven Linguistik be<strong>im</strong> Übersetzen <strong>im</strong> lexikalischen Bereich<br />
fünf Entsprechungstypen unterschieden: Eins-zu-eins-, Eins-zu-viele-, Viele-zu-eins-, Eins-zu-<br />
Null- <strong>und</strong> Eins-zu-Teil-Entsprechungen (vgl. KOLLER 2004, 228 ff.).
Zwillingsformeln <strong>im</strong> Deutschen <strong>und</strong> Schwierigkeiten <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Übersetzung ins Tschechische 225<br />
Anordnung dem Gesetz <strong>der</strong> wachsenden Satzglie<strong>der</strong>, d.h. das längere folgt dem kürzeren.<br />
Im Tschechischen gibt es für jedes dieser <strong>bei</strong>den Lexeme ein Äquivalent, das auch hier<br />
polysem ist: dt. Recht – tsch. právo, dt. Ordnung – tsch. pořádek. In <strong>der</strong> dem Deutschen<br />
entsprechenden Konstellation als Phrasem sind sie <strong>im</strong> Tschechischen ebenfalls vorhanden,<br />
auch hier folgt das längere dem kürzeren Lexem. Insofern handelt es sich aus entsprechungstypologischer<br />
Sicht um eine Eins-zu-eins-Entsprechung.<br />
Beispiel 2:<br />
Seit zwei Monaten ar<strong>bei</strong>tet sie von früh bis spät, kommt aber trotzdem nicht ohne Transferleistungen<br />
vom Staat aus.<br />
Již dva měsíce pracuje od rána do věčera, přesto se neobejde bez sociálních dávek od státu.<br />
Bei den Konstituenten des Phrasems von früh bis spät handelt es sich um zwei<br />
Temporaladverbien, die chronologisch entsprechend ihrem Eintreten <strong>im</strong> Tagesablauf angeordnet<br />
sind.<br />
In Bezug auf die Entsprechungstypen <strong>der</strong> denotativen Äquivalenz liegt hier eine<br />
Eins-zu-eins-Entsprechung vor. Diese Zwillingsformel besitzt <strong>im</strong> Tschechischen zwei Ä-<br />
quivalente, die allerdings als Synonyme auf <strong>der</strong> denotativen Ebene gleichwertig sind, <strong>und</strong><br />
zwar einerseits die stilistisch neutrale Variante od rána do večera, die <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Übersetzung<br />
bevorzugt verwendet werden sollte, da das deutsche Phrasem ebenfalls <strong>der</strong> neutralen Stileben<br />
zugerechnet werden kann. Darüber hinaus gibt es jedoch auch noch die umgangssprachliche<br />
Variante od nevidím do nevidím. Stehen zwei Äquivalente zur Verfügung, muss<br />
in jedem Einzelfall die Stilebene des Ausgangs- <strong>und</strong> Zieltextes beachtet werden.<br />
Beispiel 3:<br />
Ein Meteorologe muss <strong>bei</strong> Wind <strong>und</strong> Wetter <strong>im</strong> Freien ar<strong>bei</strong>ten.<br />
Meteorolog musí pracovat za každého počasí venku.<br />
Bei den Konstituenten des Phrasems <strong>bei</strong> Wind <strong>und</strong> Wetter handelt es sich um<br />
Komplementärbegriffe, die nach dem Gesetz <strong>der</strong> wachsenden Satzglie<strong>der</strong> angeordnet sind.<br />
Wind bezeichnet eine konkrete meteorologische Erscheinung, wohingegen Wetter den O-<br />
berbegriff (Hyperonym) darstellt. Die tschechischen Äquivalente dieser <strong>deutschen</strong> Lexeme<br />
sind vítr <strong>und</strong> počasí. Allerdings ist die Kombination <strong>der</strong> <strong>bei</strong>den Substantive zu einem Phrasem<br />
analog dem <strong>deutschen</strong> Muster ausgeschlossen. Die korrekte Übersetzung leitet sich<br />
daher aus dem <strong>deutschen</strong> synonymischen Ausdruck für <strong>bei</strong> Wind <strong>und</strong> Wetter, <strong>und</strong> zwar <strong>bei</strong><br />
jedem Wetter – tsch. za každého počasí her. Insofern handelt es sich auch in diesem Fall um<br />
eine Eins-zu-eins-Entsprechung.<br />
Derartige Phraseme stellen mitunter Probleme dar, die sich darauf zurückführen<br />
lassen, dass zwar die einzelnen Komponenten ohne Schwierigkeiten erschließbar sind bzw.<br />
als bekannt vorausgesetzt werden können, aber vor allem dann, wenn eine solche, zum Teil<br />
noch idiomatisierte Wortverbindung nicht als Ganzes gelernt wurde <strong>und</strong> somit nicht <strong>im</strong><br />
Gedächtnis gespeichert ist, neigen die Studenten aufgr<strong>und</strong> falscher Interpretationen mitunter<br />
zu kreativen Neuschöpfungen, die in <strong>der</strong> Regel jedoch nicht die Bedeutung eines solchen<br />
Phrasems richtig erfassen. Darüber hinaus spielen Defizite in <strong>der</strong> muttersprachlichen<br />
Kompetenz eine Rolle; man ist bemüht, mit dem bekannten Wortmaterial zu ar<strong>bei</strong>ten,<br />
wenngleich das Ergebnis nur unbefriedigend sein kann. Hier sind vor allem die Lehrkräfte
226 Silke Gester<br />
gefragt, die bemüht sein sollten, die Studenten für die Problematik <strong>der</strong> Phraseologismen<br />
<strong>im</strong>mer aufs Neue zu sensibilisieren.<br />
Beispiel 4:<br />
Im Januar noch hatte sie voll <strong>und</strong> ganz gehofft, diesen Job zu bekommen.<br />
V lednu ještě zcela věřila / plně doufala, že dostane tuto práci.<br />
Voll <strong>und</strong> ganz ist ein Phrasem, dessen Konstituenten zwei bedeutungsähnliche,<br />
prädikativ verwendete Adjektive sind, um die Aussage zu verstärken: jemand ist sich fast<br />
sicher, dass das Erwünschte auch wirklich eintritt. Durch die adverbiale Verwendung ist es<br />
auf das Verb hoffen bezogen. Als Synonyme könnte hierfür das Wort stark bzw. sehr stark<br />
verwendet werden.<br />
Das tschechische Äquivalent zum <strong>deutschen</strong> Lexem voll ist plný, adverbial plně,<br />
ganz heißt celý bzw. adverbial zcela. Beide Adjektive sind wie ihre <strong>deutschen</strong> Pendanten<br />
polysem. Von Interesse erscheint die Tatsache, dass <strong>im</strong> Tschechischen das Verb doufat für<br />
dt. hoffen mit dem Adjektiv plně verwendet werden kann, nicht jedoch mit dem Adjektiv<br />
zcela, denn dieses lässt sich nur mit dem Verb věřit (eigtl. dt. glauben) kombinieren, könnte<br />
jedoch in einem solchen Kontext ebenfalls mit dt. hoffen übersetzt werden. Allein die Verwendung<br />
<strong>bei</strong><strong>der</strong> Adjektive als Zwillingsformel ist <strong>im</strong> Tschechischen ausgeschlossen. Ergänzend<br />
muss angemerkt werden, dass <strong>bei</strong> Übersetzungen aus dem Tschechischen ins<br />
Deutsche durch Nichtmuttersprachler in <strong>der</strong> Regel nur äußerst selten auf eine Paarformel<br />
zurückgegriffen wird.<br />
In Bezug auf die denotative Äquivalenz handelt es sich <strong>bei</strong> diesem Beispiel um eine<br />
Eins-zu-viele-Entsprechung.<br />
Beispiel 5:<br />
Der Sportler hatte schlicht <strong>und</strong> ergreifend die falschen Mittel eingenommen.<br />
Sportovec prostě užíval špatné přípravky.<br />
Das deutsche Wortpaar schlicht <strong>und</strong> ergreifend wird <strong>im</strong> heutigen Sprachgebrauch<br />
sehr stark frequentiert, es hat sich zu einem wahren Modeausdruck herausgebildet. Bei den<br />
<strong>bei</strong>den Konstituenten handelt es sich um adverbial gebrauchte Adjektive, die nach dem<br />
Gesetz <strong>der</strong> wachsenden Satzglie<strong>der</strong> angeordnet sind. Von Interesse erscheint die Kombination<br />
<strong>der</strong> <strong>bei</strong>den, auf den ersten Blick semantisch recht unterschiedlich erscheinenden Komponenten<br />
zu einem Phrasem. So findet sich unter dem Lemma schlicht <strong>bei</strong> Wahrig (1997)<br />
folgende Erklärung: „einfach, ungekünstelt, bescheiden“. Als separater Eintrag erscheint<br />
jedoch weiter unten <strong>der</strong> Ausdruck schlicht <strong>und</strong> ergreifend: „umgangssprachlich, scherzhaft,<br />
einfach ... Nebenform von schlecht in <strong>der</strong> alten Bedeutung einfach, eben zu schlichten,<br />
glätten“. Unter dem Lemma ergreifen bzw. ergreifend findet sich <strong>im</strong> Übrigen kein Eintrag<br />
dieser Paarformel. Die Idiomatizität des Ausdrucks erfor<strong>der</strong>t vom Übersetzer entsprechende<br />
Kenntnisse, da es in diesem Fall nicht - wie <strong>im</strong> vorgenannten Beispiel beschrieben – möglich<br />
sein wird, nur eine Komponente herauszugreifen <strong>und</strong> nach den semantischen <strong>und</strong> syntaktischen<br />
Regeln <strong>der</strong> tschechischen Sprache anzuordnen. Von daher erscheint auch <strong>der</strong><br />
Wörterbucheintrag als hilfreich, indem die Bedeutung des Ausdrucks, die mit einfach angegeben<br />
ist, nachfolgend problemlos ins Tschechische übersetzt werden kann. Insofern<br />
handelt es sich auch in diesem Fall um eine Eins-zu-eins-Entsprechung.
Zwillingsformeln <strong>im</strong> Deutschen <strong>und</strong> Schwierigkeiten <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Übersetzung ins Tschechische 227<br />
Beispiel 6:<br />
Der Angeklagte ist mit ihr we<strong>der</strong> verwandt noch verschwägert.<br />
Obžalovaný s ní není v příbuzenském stavu.<br />
Das deutsche Phrasem verwandt o<strong>der</strong> verschwägert ist sehr stark textsortengeb<strong>und</strong>en,<br />
es erscheint meist in <strong>der</strong> juristischen Terminologie. Vor Gericht kann ein Zeuge in<br />
einem Strafverfahren von seinem Schweigerecht Gebrauch machen, wenn er mit dem Angeklagten<br />
verwandt, also von gleicher Abstammung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> gleichen Familie angehörend,<br />
bzw. verschwägert ist, wo<strong>bei</strong> das deutsche Recht in § 1590 Abs. 1 Satz 1 BGB festschreibt:<br />
„Die Verwandten eines Ehegatten sind mit dem an<strong>der</strong>en Ehegatten verschwägert.“ Im allgemeinen<br />
Sprachgebrauch findet sich verschwägert sein bzw. verschwägern als isoliert<br />
verwendetes Lexem seltener als mit jemandem verwandt sein. Die Paarformel wird syntaktisch<br />
meist adverbial verwendet.<br />
Ausschlaggebend für die Überlegungen <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Suche nach einem Übersetzungsäquivalent<br />
sollte die jeweilige Textsorte sein. Da<strong>bei</strong> kommt man zu dem Schluss, dass <strong>im</strong><br />
Tschechischen keine Paarformel analog <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> zur Verfügung steht, son<strong>der</strong>n dass<br />
vor Gericht <strong>im</strong>mer von osoba blízká (dt. nahestehende Person) die Rede ist. Die Definition<br />
von § 116 des Bürgerlichen Gesetzbuches <strong>der</strong> Tschechischen Republik legt allerdings eindeutig<br />
fest, um welchen Personenkreis es sich da<strong>bei</strong> handelt: „Kategorie osob blízkých<br />
zahrnuje příbuzné v řadě přímé, sourozence, manžela a registrovaného partnera. Jiné osoby<br />
v poměru rodinném či obdobném se za navzájem blízké považují, jestliže by újmu, kterou<br />
by utrpěla jedna z nich, druhá důvodně považovala za újmu vlastní.“ Es wird also deutlich,<br />
dass <strong>im</strong> Tschechischen <strong>der</strong> Personenkreis weiter gefasst ist als <strong>im</strong> Deutschen, denn er<br />
schließt auch nicht direkt Verwandte mit ein. 12 Insofern erscheint die in diesem Beispiel<br />
verwendete Übersetzungsvariante v příbuzenském stavu eindeutiger zu sein, da sie nur<br />
solche Personen meint, mit denen <strong>der</strong> Angeklagte nicht verwandt (<strong>und</strong> demzufolge auch<br />
nicht verschwägert) ist, textsortenrelevant ist sie jedoch nicht.<br />
In Bezug auf die denotative Äquivalenz könnte man hier von einer Eins-zu-Teil-<br />
Entsprechung ausgehen.<br />
Beispiel 7:<br />
Sie gehen <strong>bei</strong> ihm täglich ein <strong>und</strong> aus.<br />
Denně ho navštěvují.<br />
Bei ein- <strong>und</strong> ausgehen handelt es sich um eine Klammerfügung, einen morphologischen<br />
Son<strong>der</strong>typ <strong>der</strong> Zwillingsformeln, mit einer frei besetzbaren Konstituente (analog zu<br />
ein- <strong>und</strong> auslaufen, Ein- <strong>und</strong> Ausgabe usw.). Das Phrasem hat idiomatische Bedeutung, da<br />
<strong>bei</strong>de Verben zusammen nicht in <strong>der</strong> Bedeutung „in ein Gebäude hinein <strong>und</strong> wie<strong>der</strong> heraus“,<br />
son<strong>der</strong>n als „jemandem häufig einen Besuch abstatten, sich <strong>bei</strong> jemandem wie zu<br />
Hause fühlen“ verwendet werden. Von Interesse erscheint auch die Erklärung des Wörterbuches<br />
(Wahrig 1997) für <strong>bei</strong>de Verben separat: „eingehen – 1. ankommen, eintreffen, 2.<br />
einer Sache zust<strong>im</strong>men, sich mit einer Sache einverstanden erklären; ausgehen – 1. weg-,<br />
12 In <strong>der</strong> Umgangssprache werden dem Begriff osoba blízká häufig fälschlicherweise nur diejenigen<br />
Bedeutungsmerkmale zugeschrieben, die eine nahestehende Person <strong>im</strong> Deutschen hat, nämlich<br />
Personen, die einem auf irgendeine Art <strong>und</strong> Weise verb<strong>und</strong>en sind, also einem nahe stehen, wo<strong>bei</strong><br />
ein verwandtschaftliches Verhältnis nicht Voraussetzung dafür ist.
228 Silke Gester<br />
fort-, spazieren gehen, zur Neige gehen, sich aufbrauchen, es reicht nicht, 2. verkünden<br />
lassen, 3. keine Aufgabe, Strafe usw. bekommen, 4. heftig nach etwas streben. “Die Paarformel<br />
bleibt in <strong>bei</strong>den Lemmata unberücksichtigt.<br />
Im Tschechischen gibt es keine trennbaren Präfixe, aber präfigierte Verben. Das<br />
tschechische Äquivalent zum <strong>deutschen</strong> Verb eingehen wäre přijít, vejít; ausgehen ließe<br />
sich mit vyjít, opustit u.a. übersetzen. Aber durch die idiomatische Bedeutung gibt die<br />
Kombination <strong>der</strong> tschechischen Äquivalente <strong>der</strong> Verben nicht den Sinninhalt <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong><br />
Paarformel wie<strong>der</strong> <strong>und</strong> es muss auf eine an<strong>der</strong>e Variante zurückgegriffen werden, die <strong>der</strong><br />
Bedeutung am nächsten kommt, <strong>und</strong> zwar in diesem Fall navšěvovat. Dieses <strong>im</strong>perfekte<br />
Verb deckt sich allerdings nur in <strong>der</strong> Teilbedeutung „mehrmals besuchen“ mit dem <strong>deutschen</strong><br />
Phrasem, <strong>der</strong> Aspekt des „sich he<strong>im</strong>isch, zu Hause Fühlens“ bleibt unberücksichtigt.<br />
In Bezug auf die denotative Äquivalenz könnte man hier von einer Eins-zu-Teil-<br />
Entsprechung ausgehen.<br />
6. Schlussbetrachtung<br />
Im vorliegenden Artikel wurde anhand <strong>der</strong> Zwillingsformeln, einem Teilbereich <strong>der</strong> phraseologischen<br />
Einheiten, gezeigt, welche Schwierigkeiten <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Übersetzung solcher Phraseme<br />
ins Tschechische auftreten können. Zwillingsformeln werden in <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Sprache<br />
recht häufig verwendet, vor allem in <strong>der</strong> Umgangssprache, <strong>und</strong> sie sollten <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Beschäftigung<br />
mit Deutsch als Fremdsprache – nicht zuletzt in <strong>der</strong> Übersetzerausbildung –<br />
keineswegs unberücksichtigt bleiben. Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Tatsache, dass sie <strong>im</strong> Deutschen relativ<br />
gut erforscht sind, wäre es aus fremdsprachendidaktischer Sicht durchaus hilfreich, einen<br />
Katalog mit möglichen Übersetzungsvarianten ins Tschechische zu erstellen. Vor allem<br />
jedoch müssen die Studenten für diesen Bereich stärker sensibilisiert werden.<br />
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