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zwanzig jahre wiedervereinigung – politische reden als ... - Matarka

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ZWANZIG JAHRE WIEDERVEREINIGUNG <strong>–</strong><br />

POLITISCHE REDEN ALS PARALLELTEXTE<br />

ETELKA JOÓ<br />

Universität Miskolc, Ungarn<br />

1. Einleitung<br />

Die Aktualität des Vortrags gibt der <strong>zwanzig</strong>ste Jahrestag der Wiedervereinigung der beiden<br />

deutschen Staaten. Am 4. Oktober 1990 eröffnete die Bundestagspräsidentin Rita<br />

Süssmuth die erste Sitzung des neuen Bundestags nach der Wende, dann legte Bundeskanzler<br />

Kohl seine Regierungserklärung ab. Das Jahr 1990 bedeutete in beiden Ländern eine<br />

Zäsur. In Ungarn nennt man dieses Ereignis „Systemwechsel“ (rendszerváltás) oder „Wende“,<br />

wie in Deutschland auch. In der ehemaligen DDR und in Deutschland war die Wende<br />

nicht nur ein „Systemwechsel“, sondern auch eine Landesvereinigung zugleich.<br />

Diese Reden bedeuteten einen Meilenstein in der Geschichte Deutschlands, genauso,<br />

wie die Eröffnungsrede von József Antall am 3. Mai 1990 im Ungarischen Parlament,<br />

bzw. seine Programmrede am 22. Mai 1990, die eine ähnliche Rolle in der ungarischen<br />

Geschichte spielten. Die erwähnten deutschen und ungarischen Parlaments<strong>reden</strong> gelten <strong>als</strong><br />

Paralleltexte, weil sie gleiche Intention, gleiche oder ähnliche Thematik und gleiche Wirkung<br />

haben, aber keine Übersetzungen voneinander sind. Obwohl sie unabhängig voneinander<br />

entstanden, weisen sie trotzdem viele Ähnlichkeiten auf.<br />

Im dem Beitrag wird versucht, diese <strong>politische</strong>n Reden unter inhaltlichsemantischem,<br />

rhetorischem und übersetzerischem Aspekt zu analysieren und zu vergleichen.<br />

Es wird auch die Antwort auf die Frage gesucht, welche Schwierigkeiten bei der<br />

Übersetzung von <strong>politische</strong>n Texten auftreten, und inwieweit die Paralleltexte behilflich<br />

sein können, diese Übersetzungsprobleme zu lösen.<br />

2. Das untersuchte Korpus<br />

Den Korpus bilden <strong>als</strong>o je zwei Reden aus dem Jahr 1990, die im Bundestag, bzw. im Ungarischen<br />

Parlament gehalten wurden. Beide gelten <strong>als</strong> erste feierliche Äußerungen nach<br />

der Wende, und auch <strong>als</strong> Reden vor dem ersten frei gewählten Parlament (in Deutschland<br />

aber nur aus der Sicht der ehemaligen DDR-Abgeordneten). In diesem Beitrag werden aber<br />

nur die deutschen Parlaments<strong>reden</strong> ausführlicher analysiert.<br />

Die <strong>politische</strong>n Reden entsprechen den Konventionen der Rhetorik. Sie werden<br />

vor der Öffentlichkeit vorgelesen. Da sie im Protokoll auch schriftlich festgehalten werden,<br />

zeigen sie einen doppelten Charakter. Die Texte stehen im Ablaufprotokoll zur Verfügung.<br />

Das ist deshalb vorteilhaft, weil es nicht nur das Gesagte, sondern auch die Reaktionen der<br />

Zuhörer wiederspiegelt.<br />

Die Wirkung der Reden ist auch unter übersetzerischem Aspekt wichtig. Die Untersuchung<br />

kann aufdecken, inwieweit diese Texte der Absicht des Senders, bzw. den Erwartungen<br />

des Empfängers entsprechen. Wenn ein Widerspruch zwischen den beiden besteht,<br />

kann es zu heiklen Situationen führen, wie es bei der Holocaust-Rede von Philipp<br />

Jenninger im November 1988 der Fall war.


164 Etelka Joó<br />

Die unmittelbare Wirkung einer <strong>politische</strong>n Rede (Applaus, Zurufe, Verlassen des<br />

Sitzungssa<strong>als</strong>) können die Anwesenden oder die Leser des Protokolls spüren, bzw. nachvollziehen.<br />

Die indirekte Wirkung der Regierungsprogramme z.B. stellt sich aber erst bei<br />

den Wahlen heraus, und wird auch von den Medien beeinflusst.<br />

Der doppelte Charakter kommt auch unter einem anderen Aspekt zur Geltung: diese<br />

Reden werden zwar vom Bundeskanzler oder vom Ministerpräsidenten vorgelesen, sie<br />

werden aber von anderen Personen verfasst. Heutzutage arbeiten schon ganze Teams für<br />

den Kanzler oder Ministerpräsidenten. Es wäre <strong>als</strong>o auch interessant zu untersuchen, inwieweit<br />

diese Reden die eigenen Gedanken des Redners wiederspiegeln, bzw. in welchem<br />

Maße sich der Redner mit einem Text anderer Verfasser identifizieren kann.<br />

Den sprachlichen Funktionen nach sind die Eröffnungs<strong>reden</strong> persuasiv (überzeugend),<br />

aus <strong>politische</strong>r Sicht integrierend, während die Regierungsprogramme in die informativ-persuasive<br />

Kategorie gehören, da sie das <strong>politische</strong> Programm bekannt machen, bzw.<br />

die Abgeordneten und die Öffentlichkeit über die Richtigkeit dieses Programms überzeugen<br />

wollen.<br />

3. Die Untersuchungsmethoden<br />

Es gibt viele mögliche Untersuchungsmethoden für Texte im allgemeinen (Titscher et al.<br />

1998, Wilss 1996, Göpferich 1995), und für <strong>politische</strong> Texte im besonderen (Bachem 1985,<br />

Girnth 1993, 2002). Hier seien nur die wichtigsten erwähnt:<br />

• Paralleltextvergleich (vgl. Göpferich 1995)<br />

• Lexikalisch-semantische Analyse (Bachem 1985)<br />

• Lexikalisch-argumentative Analyse (Grünert 1974)<br />

• Psycholinguistische Analyse (Bachem 1985)<br />

• Das Sprachhandlungsmodell (Holly 1990, Bachem 1985, Girnth 2002)<br />

• Rhetorische Analyse (Argumentationsanalyse) (Bachem 1985)<br />

• Übersetzungsrelevante Textanalyse <strong>–</strong> sie ist an sich komplex.<br />

Hier werden nur 3 Arten der Textanalysen verwendet (inhaltlich-semantische, rhetorische<br />

und übersetzungsrelevante TA).<br />

Die <strong>politische</strong> Sprache ist ein komplexes Gebilde. Es ist schwierig, sie und die Alltagssprache,<br />

bzw. die Literatursprache abzugrenzen, besonders, wenn wir die Gattung Parlamentsrede<br />

betrachten. Parlaments<strong>reden</strong> sind <strong>–</strong> ihrem Wesen nach <strong>–</strong> auch Teile der Literatursprache,<br />

weil die Rhetorik ein Übergangsgebiet zwischen Politik, Linguistik (Stilistik)<br />

und Literatur ist.<br />

3.1. Eine wichtige Gruppe bilden die verschiedenen Variationen der übersetzungsrelevanten<br />

Textanalyse. Gemeinsam ist an diesen Modellen, dass sie den Text aus pragmatischer<br />

Sicht betrachten, <strong>als</strong>o Text-in-Situation, das heißt, die textexternen Faktoren<br />

spielen auch eine wesentliche Rolle. Sie betrachten die Übersetzung nicht nur <strong>als</strong> sprachlichen,<br />

sondern auch <strong>als</strong> kulturellen Transfer (Vermeer 1994). Wichtig ist noch, dass sie<br />

die Umkodierung (den Kodewechsel) dem Ziel (Skopos) untergeordnet sehen, es wird <strong>als</strong>o<br />

„das heilige Original” entthront, und es werden das Primat des Ausgangstextes, sowie die<br />

Begriffe der Äquivalenz und der Normativität abgeschafft. Anstelle dieser treten der breit<br />

aufgefasste Übersetzungsauftrag und der Skopos des Textes (Reiß / Vermeer 1994, Hönig<br />

1994, 1995, Snell-Hornby 1994, Nord 1995, Holz-Mänttäri 1994, Thiel 1981, 1991). Thiel


Zwanzig Jahre Wiedervereinigung <strong>–</strong> Politische Reden <strong>als</strong> Paralleltexte 165<br />

legt einen besonderen Wert auf die Situation und auf die Textsortenkonventionen, die die<br />

Formulierung des ZS-Textes wesentlich beeinflussen. Thiel (1991) und Nord (1995) verwenden<br />

die sogenannte Lasswell-Formel bei der Analyse: ’wer sagt was, wem, worüber,<br />

durch welchen Kanal, mit welcher Wirkung?’, aber Hönig (1994, 1995) modifiziert diese<br />

Fragen folgenderweise:<br />

• Wer spricht und warum gerade er?<br />

• Wovon spricht er und warum gerade so?<br />

• Was ist hier zu übersetzen?<br />

Diese Fragen sind logisch aufeinander aufgebaut. Wenn man die erste beantwortet, ergibt<br />

sich die zweite, usw. Wenn man auf alle Fragen eine Antwort findet, hat man schon die<br />

wichtigsten Merkmale des AS-Textes und die möglichen Übersetzungsprobleme aufgedeckt.<br />

Auf diese Weise kann man auch den Schwierigkeitsgrad des Textes bestimmen, und<br />

die übersetzerische Kompetenz entwickeln. Ähnlich denken Nord (1995) und Holz-<br />

Mänttäri (1994) über dieses Problem.<br />

Das Modell von Vannerem / Snell-Hornby (1994) trägt zur Neubewertung der Rolle<br />

des Übersetzers bei. Nach ihnen ist der Übersetzer keine „Relaisstation” zwischen ASund<br />

ZS-Sender, sondern ein „kreativer Empfänger”, Mitdenker, oder mit den Worten von<br />

Neubert „ein latenter Denker.” Sie führen das Modell „scenes and frames” ein, das eigentlich<br />

von Fillmore, bzw. von Rosch (1973) stammt, und verwenden den Begriff des prototypischen<br />

Denkens <strong>als</strong> erste in der Übersetzungswissenschaft.<br />

„Scene“ (Szene) ist eigentlich „das Gemeinte“, die Assoziation, der Gedanke,<br />

„frame“ (Rahmen) ist die sprachliche Realisierung, <strong>als</strong>o „das Gesagte“. Mit den Begriffen<br />

der generativen Grammatik ausgedrückt ist „scene“ die Tiefenstruktur und „frame“ die<br />

Oberflächenstruktur. Diese Annäherungsweise hilft uns, die einzelnen sprachlichen Elemente<br />

in neuer Sicht zu betrachten, die Unterschiede der Sprachen bei dem kontrastiven<br />

Vergleich besser zu verstehen, und das Denken über die Sprache flexibler und kritischer zu<br />

machen. Mit dieser Auffassung kann man den Prozess des Verstehens besser begreifen und<br />

definieren. Die Schwierigkeit des Übersetzens besteht nach ihnen eben darin, dass oft eine<br />

andere Szene hinter dem Rahmen in den verschiedenen Sprachen steht, d. h. eine andere<br />

Vorstellung, Assoziation, ein anderer Sachverhalt hinter dem Wort, dem Ausdruck oder<br />

dem Text steckt. Anders gesagt: das Gemeinte stimmt mit dem Gesagten nicht überein, und<br />

nicht nur wegen den lautlichen oder wörtlichen Unterschieden <strong>–</strong> die Sprachen sind ja unterschiedlich<br />

-, sondern wegen den verschiedenen Denkweisen, letzten Endes wegen den verschiedenen<br />

Kulturen. Diese Auffassung beruht auf der These von Wilhelm von Humboldt<br />

über die verschiedenen muttersprachlichen Weltbilder. Man denke nur an die Spruchweisheiten:<br />

Jemanden einen Bären aufbinden (Lóvá tenni valakit), Eulen nach Athen tragen<br />

(Vizet vinni a tengerbe, oder homokot hord a sivatagba), die in einer anderen Sprache mit<br />

ganz anderen Bildern und Assoziationen ausgedrückt werden, oder deren Entsprechung in<br />

einer anderen Sprache gar nicht existiert (z.B. Die Axt im Haus erspart den Zimmermann.<br />

Man kann es zwar im Ungarischen umschreiben, aber nicht mit einer äquivalenten Spruchweisheit<br />

wiedergeben).<br />

Im engeren Sinne des Wortes sind die jeweiligen Sprüche keine Übersetzungen<br />

voneinander. Im ungarischen Spruch gehört das Pferd zur „scene“, die hinter dem „frame“


166 Etelka Joó<br />

steht, im Deutschen der Bär. Wenn man sie wirklich übersetzen würde, dann hieße es: ‚Jemanden<br />

zum Pferd machen’. Die Bedeutung der beiden Sprüche ist ähnlich: jemanden<br />

überlisten, jn. zum Besten haben, jn. anführen, jn. übertölpeln. Das ist der gemeinsame<br />

Nenner, deshalb betrachten wir die beiden Sprüche <strong>als</strong> Übersetzungen voneinander, obwohl<br />

sie eigentlich Substitutionen sind. Sie können in der gleichen Situation verwendet werden,<br />

sie sind <strong>als</strong>o kommunikativ gleichwertig. Mit den Worten von Nida ist diese Erscheinung<br />

ein Fall der dynamischen Äquivalenz. Dies beweist auch die Tatsache, dass die Rückübersetzung<br />

bei diesen Ausdrücken nicht funktioniert: den Satz [Jemanden zum Pferd machen]<br />

würde kein Deutscher verstehen, oder man brauchte dazu eine große sprachliche Phantasie.<br />

Umgekehrt wäre es genauso. Ähnlich ist es mit dem anderen Spruch: Eulen nach Athen<br />

tragen. Dies bedeutet: ‚etwas Überflüssiges tun’. Im Ungarischen ist wiederum eine andere<br />

Szene (besser gesagt sind zwei andere Szenen) hinter dem Rahmen: Wasser ins Meer, bzw.<br />

Sand in die Wüste tragen. Die Logik ist gleich in beiden Sprachen, nur die Schlüsselworte<br />

sind ganz anders.<br />

4. Der synchrone Vergleich der Reden<br />

4.1. Eröffnungsrede von Rita Süssmuth bzw. das Regierungsprogramm von Helmuth<br />

Kohl 1990<br />

Beide Reden wurden im Rahmen einer Festsitzung des Bundestags gehalten, wie die von<br />

Antall im Ungarischen Parlament. Beide Länder waren in ähnlicher Situation: Im Zustand<br />

des völligen Neubeginns, mit dem Unterschied, dass die Wende in der ehemaligen DDR<br />

mit der Vereinigung (oder Wiedervereinigung) verknüpft war.<br />

Die Reden von Süssmuth und Kohl hängen organisch zusammen. Über die Betonung<br />

des historischen Augenblicks hinaus gibt es noch viele Ähnlichkeiten in den beiden<br />

Reden, aber man kann auch zwischen den Reden Süssmuth und Antall 1990a eine Parallele<br />

ziehen. Es gibt auch viele Ähnlichkeiten zwischen den Programm<strong>reden</strong> von Kohl und Antall.<br />

Der Ort der Bundestagssitzung ist auch symbolisch: nach vielen Jahren wurde der<br />

Sitz des Bundestags ins neugebaute Reichstagsgebäude zurückverlegt, das nach dem zweiten<br />

Weltkrieg so lange <strong>als</strong> Memento an der westlichen Seite der Mauer in Ruinen lag.<br />

Die Tatsache, dass der Reichstag seinen alten Glanz und seine ehemalige Funktion<br />

zurückgewann, gab der ersten Sitzung eine besondere Bedeutung. Das hat Süssmuth am<br />

Anfang ihrer Rede auch betont. Sie hebt hervor, dass sich die Abgeordneten des Bundestags<br />

des vereinigten Deutschlands nach 57 Jahren zusammensammeln konnten. Sie begrüßt<br />

extra die 144 Abgeordneten der neuen Bundesländer (der ehemaligen DDR). An der Sitzung<br />

nehmen der Staatspräsident und der Präsident des Europäischen Parlaments teil, sie<br />

werden auch von der Rednerin angesprochen, da ihre Person einen symbolischen Wert hat:<br />

sie verkörpern das wiedervereinigte Deutschland, bzw. seine Eingliederung in die Europäische<br />

Union.<br />

Süssmuth spricht einen besonderen Dank den Schutzmächten (den USA, Frankreich,<br />

Großbritannien) aus, die 40 Jahre lang die Freiheit von West-Berlin gesichert haben.<br />

Ein besonderer Dank gilt auch Gorbatschow, der mit seinen kühnen Taten zur friedlichen<br />

Lösung der deutschen Frage beigetragen hat. Süssmuth begrüßt unter den Ehrengästen auch<br />

das ehemalige Mitglied des Parlaments der Weimarer Republik, deren Person die historische<br />

Kontinuität symbolisiert.


Zwanzig Jahre Wiedervereinigung <strong>–</strong> Politische Reden <strong>als</strong> Paralleltexte 167<br />

Diese Gesten betonen die Festlichkeit und die Einmaligkeit des Augenblicks. (Vgl.<br />

Antall 1990a, b). Süssmuth spricht relativ viel über das Reichstagsgebäude, dessen Wände<br />

viel gesehen haben: den Schreckensherrschaft der Nazis, aber auch den Ausruf der Republik.<br />

Auch hier ist zu beobachten, was in der Rede von Kohl einen besonderen Platz<br />

einnimmt: die Abbitte der Opfer des Nazismus, die Bemühung um die Widergutmachung,<br />

der Gedanke „Nie wieder Krieg!“ Süssmuth gedenkt auch der Opfer des Kommunismus,<br />

der Mauer, des Stacheldrahtes.<br />

Nach diesen festlichen und rührenden Minuten spricht sie über das Verdienst derjenigen,<br />

die mit ihrer Innen- und Außenpolitik zur deutschen Vereinigung beigetragen haben:<br />

die Abgeordneten und den letzten Ministerpräsidenten der ehemaligen DDR, Lothar de<br />

Maisière, bzw. Bundeskanzler Kohl.<br />

Schließlich deklariert sie, dass der Bundestag von nun an <strong>als</strong> gesamtdeutsches Parlament<br />

funktionieren wird, dessen Anliegen die Lösung der Aufgaben sein wird, die sich<br />

aus der Vereinigung ergeben.<br />

Auch Süssmuth verweist auf die vergangenen 40 Jahre: man soll die Schäden ersetzen,<br />

die Wunden heilen <strong>–</strong> dazu werden die Solidarität und die Zusammenarbeit aller<br />

nötig sein. (Vgl. Antall 1990a, b.)<br />

4.2. Kohl (1990)<br />

4.2.1. Inhaltlich-semantische Analyse<br />

Auch Kohl betont die Bedeutung der ersten gesamtdeutschen Parlamentssitzung: sie ist<br />

symbolisch und eröffnet ein neues Zeitalter in der Geschichte Deutschlands. Er spricht<br />

seine Anerkennung dem Parlament der DDR und der Regierung von de Maisière für die<br />

Lösung der Probleme des Übergangs aus.<br />

Anhand des Regierungsprogramms spricht er (wie Antall) auch von der historischen<br />

Verantwortung, und dankt für die Solidarität und für den Beitrag der Länder, die bei<br />

der Wiedervereinigung eine Rolle spielten. Auch Ungarn wird erwähnt: “Vor gut einem<br />

Jahr ließ Ungarn die Flüchtlinge ausreisen. Dam<strong>als</strong> wurde der erste Stein aus der Mauer<br />

geschlagen.”<br />

In Form einer dichterischen Frage verweist er auf die historische Chance (Vgl. Antall),<br />

dass man die schmerzliche Trennung des Landes auf einem friedlichen Weg überwinden<br />

konnte, (Der Ausdruck „schmerzliche Trennung“ wird später auch noch in den Reden<br />

von Kohl und Schröder auftauchen.) Der friedliche Übergang ist auch den Nachbarn, vor<br />

allem Polen zu verdanken.<br />

Kohl erwähnt mehrm<strong>als</strong> Polen und die polnischen Freunde. Es ist auch ein neuralgischer<br />

Punkt im Unterbewusstsein der Deutschen, da der 2. Weltkrieg gerade mit dem<br />

Angriff von Polen begann, andererseits war die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze bis<br />

zur Wende problematisch. 1<br />

1 KOHL spricht in der Regierungserklärung vom 21. Juni 1990 über die Unverletzbarkeit der Grenzen,<br />

unter ihnen über die der Oder-Neiße-Grenze. (Erklärung der Bundesregierung zum Vertrag über die<br />

Schaffung der Währungs- Wirtschafts- und Sozialunion zwischen beiden deutschen Staaten, zu den<br />

äußeren Aspekten der deutschen Einheit und zu den deutsch-polnischen Beziehungen. In: Texte zur<br />

Deutschlandpolitik. Herausgegeben vom Bundesministerium für Innerdeutsche Beziehungen. Reihe


168 Etelka Joó<br />

„Wann je, meine Damen und Herren, hatte ein Volk die Chance, Jahrzehnte der<br />

schmerzlichen Trennung auf so friedliche Weise zu überwinden? Ohne Krieg und<br />

ohne Gewalt, ohne Blutvergießen, in vollem Einvernehmen mit unseren Nachbarn<br />

und Partnern und mit ihrer Zustimmung haben wir die Einheit Deutschlands in<br />

Freiheit wiederherstellen können.“ 2<br />

Kohl bringt positive Beispiele aus der deutschen Geschichte: die Tradition der Freiheitsbewegungen,<br />

die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche, die Weimarer Republik,<br />

die Anti-Hitler-Bewegung. Er hebt den Arbeiteraufstand am 17. Juni 1953 hervor, der<br />

unserem Aufstand im Jahre 1956 ähnlich war, aber von den sowjetischen Panzern noch<br />

früher <strong>–</strong> nach 5 Tagen <strong>–</strong> niedergeschlagen wurde (Vgl. Stefan Heym: Fünf Tage im Juni).<br />

Lange spricht er über das tragische Zeitalter der deutschen Geschichte: über den<br />

Faschismus.<br />

„Niem<strong>als</strong> darf vergessen, verdrängt oder verharmlost werden, welche Verbrechen<br />

in diesem Jahrhundert von deutscher Hand begangen worden sind, welches Leid<br />

Menschen und Völkern zugefügt wurde. Indem wir diese geschichtliche Last gemeinsam<br />

tragen, erweisen wir uns auch der gemeinsamen Freiheit würdig. Die Erinnerung<br />

an das dunkelste Kapitel unserer Geschichte wachzuhalten, schulden wir<br />

den Opfern. Wir schulden es vor allem den Opfern des Holocaust, des beispiellosen<br />

Völkermords an den europäischen Juden.“ 3<br />

Der Gebrauch der Worte ’vergessen’ und ’verdrängen’ (im freudschen Sinne) und ’verharmlosen’<br />

ist eine Anspielung auf das Verhalten der Deutschen nach dem 2. Weltkrieg.<br />

Auf die psychische Rolle des „Totschweigens“, um das Schuldbewusstsein oder den Zwang<br />

des Bekennens loszuwerden. Dokumentarfilme wurden in der Bundesrepublik der 60er,<br />

70er Jahre gedreht, wie die Politiker, aber auch die Durchschnittsmenschen die moralische<br />

Verantwortung verleugneten, und von den Folgen des zweiten Weltkriegs kein Kenntnis<br />

nehmen wollten. Heinrich Böll, der <strong>als</strong> das Gewissen der westdeutschen Gesellschaft galt,<br />

schrieb sehr viel in seinen Novellen und Romanen darüber, wie schwer es ist, die Wunden<br />

der Vergangenheit zu heilen, und unter der Oberfläche des Wirtschaftswunders den Schatten<br />

ins Auge zu schauen, oder zu sehen, wie die ehemaligen Faschisten in die Macht zurückkehren.<br />

Der Satz Kohls <strong>–</strong> „Indem wir diese geschichtliche Last gemeinsam tragen,<br />

III/Band 8a <strong>–</strong> 1990. Erschienen: 1991. 398<strong>–</strong>400.) Der Staatsvertrag zwischen Deutschland und Polen<br />

wurde am 17. Juni 1991 in Bonn unterzeichnet.<br />

2 ,,Mikor volt, hölgyeim és uraim, egy népnek arra esélye, hogy a fájdalmas megosztottság évtizedeit<br />

ilyen békés módon szüntesse meg? Háború és erőszak nélkül, vérontás nélkül, szomszédainkkal és<br />

partnereinkkel teljes egyetértésben, az ő beleegyezésükkel és szabadon állíthattuk ismét helyre<br />

Németország egységét.” (Übersetzt von: J. E.)<br />

3 ,,Sosem szabad elfelejtenünk, elfojtanunk vagy ártatlan színben feltüntetnünk azt, hogy ebben az<br />

évszázadban micsoda bűnök származtak német kéztől, németek milyen szenvedést okoztak embereknek<br />

és népeknek. Ha ezt a történelmi terhet közösen viseljük, méltónak bizonyulunk a közös szabadságra<br />

is. Tartozunk az áldozatoknak azzal, hogy történelmünk legsötétebb fejezetét emlékzetben<br />

tartjuk. Tartozunk ezzel mindenek előtt a holocaust áldozatainak, amely az európai zsidóság ellen<br />

elkövetett példátlan népirtás volt.” (Übersetzt von: J. E.)


Zwanzig Jahre Wiedervereinigung <strong>–</strong> Politische Reden <strong>als</strong> Paralleltexte 169<br />

erweisen wir uns auch der gemeinsamen Freiheit würdig“ <strong>–</strong> weist eindeutig auf die Reue.<br />

Der Reue folgt das Versprechen, dass das deutsche Volk Brücken schlagen wird über den<br />

Gräben der Vergangenheit für die Versöhnung und für den Frieden. Die Metapher des Brückenschlages,<br />

des Brückenbaus kommt sowohl bei den deutschen <strong>als</strong> auch bei den ungarischen<br />

Politikern oft vor.<br />

Nach diesem langen historischen Rückblick geht der Redner zur damaligen <strong>politische</strong>n<br />

Lage über: „Kontinuität und Neubeginn“. Dieser Teil weist sehr viele Ähnlichkeiten<br />

mit der Rede von Antall (1990b) auf. Die Mehrheit der Menschen hat immer ein waches<br />

Bewusstsein bewahrt, dass „Wir Deutschen zusammengehören.“ Dies hat die friedliche<br />

Revolution im vorigen Jahr bewiesen. Die Kontinuität bedeuten die bisherigen Ergebnisse<br />

der BRD, und den Neubeginn die Wiedervereinigung und zugleich die Vereinigung Europas.<br />

Auch Kohl mahnt vor den Illusionen, und sagt, dass die Vereinigung nur den Anfang<br />

des Prozesses bedeutet. Die Entwicklung geht nicht von einem Tag zum anderen, besonders,<br />

wenn man an die schweren Folgen der kommunistischen Diktatur denkt, sowohl im<br />

geistigen Leben, <strong>als</strong> auch in der Seele der Menschen. (Vgl. Antall 1990a, b.)<br />

Er nennt die Stasi und die SED-Diktatur „(...) ein praktisch alles erstickendes Geflecht<br />

aus Unterdrückung und Verführung“. Die Wirtschaft der DDR nennt er „Kommandowirtschaft“,<br />

der die soziale Marktwirtschaft folgen soll.<br />

Kohl kommt zu einer ähnlichen Schlussfolgerung wie Antall: die Deutschen dürfen<br />

nicht erlauben, dass die SED-Diktatur zurückkehrt. Dazu muss man zusammenhalten<br />

und die Last gemeinsam tragen. Man soll den Rechtstaat schaffen und die beiden Hälften<br />

des Landes geistig, kulturell und auch sozial vereinigen. Der nächste Satz drückt die damalige<br />

Gegenwart und Zukunft Deutschlands aus:<br />

„(...)welch ein kostbares Gut das ist, eine freiheitliche Demokratie in einem vereinten<br />

Vaterland!“ 4<br />

Auch in dieser Rede finden wir Anspielungen auf die Vaterlandsliebe, auf den Nation<strong>als</strong>tolz.<br />

Kohl erwähnt absichtlich Landschaften und Kulturschätze vom Gebiet der ehemaligen<br />

DDR (die Elbe, die Oder, Insel Rügen, die Sächsische Schweiz, Potsdam, den Naumburger<br />

Dom, Dresden, die Wartburg, wo Luther die Bibel übersetzte, Weimar, die Hochburg<br />

der deutschen Klassik, die von nun an für alle Deutschen zugänglich sind. Diese<br />

Schätze sind zugleich Teile des Europäischen Erbes. (Dieselbe Argumentation ist bei Antall<br />

zu beobachten: wie viel haben wir der Europäischen Kultur gegeben!)<br />

Mit einem rednerischen Griff geht Kohl zu den Kosten der Vereinigung über, und<br />

zwar so, dass er die möglichen Gegenargumente schon im Voraus widerlegt. Wer über die<br />

hohen Kosten spricht, soll bedenken, was die 40 Jahre lange Geteiltheit, die Versorgung<br />

von West-Berlin, das Lösegeld der Häftlinge kosteten, und was kosteten von der Seite der<br />

DDR die Mauer, das Sicherheitssystem, die Stasi und die Aufrechterhaltung des ganzen<br />

Unterdrückungssystems.<br />

Auch das Gegenargument, dass die Vereinigung zu schnell geschehen sei, widerlegt<br />

er im Voraus:<br />

4 ,,Micsoda értékes kincs ez: szabad demokrácia egy egyesített hazában!” (Übersetzt von: J. E.)


170 Etelka Joó<br />

„Wer sagt, dies alles ist zu schnell gegangen, der muß sich fragen lassen, wie er<br />

denn sonst den Menschen in der DDR eine neue Zukunft eröffnet hätte, wie er denn<br />

sonst den weiteren Zustrom Hunderttausender von Übersiedlern verhindert hätte.“ 5<br />

Mit dem Schreckbild des Flüchtlingsstromes versucht er seine Gegner über die Richtigkeit<br />

der Entscheidung zu überzeugen.<br />

4.2.2. Übersetzungsrelevante Textanalyse<br />

Des Weiteren werden wir solche Ausdrücke in den Reden untersuchen, die unterschiedliche<br />

Szenen im Rahmen haben, deshalb schwer zu übersetzen sind. Bei der übersetzungsrelevanten<br />

Textanalyse gebe ich meine Übersetzungsvorschläge immer an, sie sind aber nur <strong>als</strong><br />

eine mögliche Übersetzungsvariante zu verstehen.<br />

4.2.2.1. Aus der Rede von Rita Süssmuth (1990):<br />

• Das erste Wort ist der „Reichstag“.<br />

Sofort taucht die Frage auf, ob man dieses Wort übersetzen soll. Meiner Meinung nach<br />

nicht, weil der ungarische Ausdruck ‚a Birodalmi Gyűlés épülete‘ nicht geeignet wäre, da<br />

es auch kein Reich mehr gibt. Es wäre noch der Ausdruck ‚az egykori Birodalmi Gyűlés<br />

épülete‘ möglich, es ist aber zu umständlich. Weitere Möglichkeiten sind noch ‚a parlament<br />

épülete‘, eventuell ‚a Bundestag székhelye‘, sie sind aber auch nicht treffend. Der Reichstag<br />

ist sowieso ein Begriff sowohl im deutschen <strong>als</strong> auch im ungarischen Wortgebrauch<br />

geworden, es kann auch im ungarischen Text unverändert bleiben.<br />

• „Schutzmächte“ <strong>–</strong> [‚védőhatalmak‘]<br />

Dieses Wort existiert nicht im Ungarischen, aber es stellt sich vom Kontext heraus, dass es<br />

um die ehemaligen Alliierten Besatzungsmächte geht, die im Sinne des Potsdamer Abkommens<br />

die Ordnung sicherten. (Die USA, Groß-Britannien, Frankreich.) Ihre Funktion<br />

hat sich nach der Gründung der BRD und der DDR verändert, und ihre Aufgabe wurde<br />

wirklich der Schutz, Schutz vor der kommunistischen Gefahr, wie es dam<strong>als</strong> hieß. Dies<br />

kam besonders zur Zeit der sowjetischen Blokade über West-Berlin zur Geltung. Nach der<br />

Gründung der BRD wurden diese Mächte tatsächlich die Verbündeten der Westdeutschen<br />

und der West-Berliner. Dieses Wort ist <strong>als</strong>o schwer ohne Umschreibung ins Ungarische zu<br />

übersetzen. Hier braucht man wirklich sehr viele Hintergrund-Kenntnisse. Mein Vorschlag<br />

ist: (egykori) szövetséges hatalmak.<br />

4.3. Kohl (1990)<br />

• „Zonenrandförderung“ <strong>–</strong> Es ist ein typisch zeit- und systemgebundener Ausdruck.<br />

In den Wörterbüchern ist er nicht zu finden, höchstens in Paralleltexten.<br />

‚Zone‘ (ung. zóna) bedeutet die DDR, zusammen mit dem Wort ‚Rand‘ (ung. „valaminek a<br />

széle“) bedeutet es das Grenzgebiet zwischen den beiden deutschen Staaten, das sich auf<br />

der westdeutschen Seite erstreckte. Dieses Gebiet musste West-Deutschland fördern, unter-<br />

5 „Aki azt mondja, hogy mindez túl gyorsan történt, az kérdezze meg magától, hogy nyithatta volna<br />

meg másképp az NDK-ban élő emberek előtt az új jövő lehetőségét, hogy tartóztathatta volna fel<br />

másképp az áttelepülők százezreinek áradatát.“ (Übersetzt von: J. E.)


Zwanzig Jahre Wiedervereinigung <strong>–</strong> Politische Reden <strong>als</strong> Paralleltexte 171<br />

stützen, weil es hier keine Industrie, keine Landwirtschaft gab, die Menschen sind weggezogen,<br />

es war ein „totes Land.“ Die Zonenrandförderung bedeutet <strong>als</strong>o die staatliche finanzielle<br />

Unterstützung, aber es kann man mit einem einzigen Ausdruck nicht widergeben, nur<br />

umschreiben. Mein Vorschlag wäre: ‚a belső-német határterület támogatása‘, aber es<br />

bedarf sowieso einer Erklärung, einer Fußnote in der Übersetzung.<br />

• „Deutsche Sonderwege oder nationalistische Alleingänge wird es auch in Zukunft<br />

nicht geben.“<br />

Die Schwierigkeit in diesem Fall ist, dass die Wörter Sonderwege und Alleingänge fast<br />

dieselbe Bedeutung haben. Ihre Verbindung mit der Konjunktion „és“ wäre im Ungarischen<br />

eine Tautologie. Die Bedeutungen des Wortes „Alleingang“ sind: ‚egyéni teljesítmény,<br />

vállalkozás‘. Ich würde ‚egyéni akció‘ sagen. Dementsprechend lautet der ganze Satz folgendermaßen:<br />

‚Német különutak vagy nacionalista egyéni akciók / kalandorakciók<br />

ezután sem lesznek.“ (Es ist eine offensichtliche Anspielung auf den Faschismus.)<br />

• „(…) die trennenden Gräben in Europa überwinden.“<br />

Obwohl die Metapher klar ist, kann man doch nicht mit dem Ausdruck ‚elválasztó árkok‘<br />

übersetzen. Die Wörter ‚árokásás‘ (das Graben von Gräben) und ‚árokbetemetés‘ (das<br />

Zugraben von Gräben) haben sich zur Zeit der letzten Wahlen im ungarischen Sprachgebrauch<br />

verbreitet. Sie beziehen sich auf die Gegensätze unter den Parteien, auf das Unmöglich-Machen,<br />

das Beschmutzen voneinander. Sie stammen natürlich auch aus derselben<br />

Vorstellung wie im Deutschen, und zwar aus dem Bild der Laufgräben im ersten und zweiten<br />

Weltkrieg, die (im übertragenem Sinne) bis heute nicht zugeschüttet sind, das heißt, die<br />

Zeit des völligen Friedens und der Vergebung, Versöhnung ist noch nicht gekommen. Der<br />

ungarische Leser würde trotzdem auf die letzten (und gegenwärtigen) innen<strong>politische</strong>n<br />

Kämpfe assoziieren, deshalb scheint es besser zu sein, wenn wir das Wort ‚választóvonalak‘<br />

(Trennlinien) wählen. So geht aber auch das Wort ‚überwinden‘ (ung. áthidal) verloren,<br />

weil man Trennlinien nicht überwinden, nur abschaffen kann.<br />

5. Konklusion<br />

• Die Unterschiedlichkeit der „Szenen“ in den Metaphern und anderen Ausdrücken<br />

möchte ich noch einmal betonen, da sie nicht nur in der Verstehensphase, sondern<br />

auch in der Rekonstruktionsphase des Übersetzungsprozesses eine wichtige Rolle<br />

spielen.<br />

• Die Feinanalysen können vielleicht Anregungen zu anderen Annäherungsweisen bei<br />

den problematischen Übersetzungseinheiten geben.<br />

• Die Beispiele könnte man noch lange zitieren, aber hoffentlich war die Analyse genügend,<br />

zu zeigen, wie viele Hindernisse und Schwierigkeiten der Übersetzer überwinden<br />

muss, wenn er <strong>politische</strong> Texte übersetzt. Wir müssen mit Hans Georg Hönig<br />

einverstanden sein, wenn er sagt, dass die Sprachkenntnis (auch die der Muttersprache!)<br />

nur eine, aber wirklich unerlässliche Bedingung der übersetzerischen<br />

Kompetenz ist.


172 Etelka Joó<br />

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