Schuss - Institut für Rechtsmedizin - Universität Rostock
Schuss - Institut für Rechtsmedizin - Universität Rostock
Schuss - Institut für Rechtsmedizin - Universität Rostock
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Rechtsmedizin</strong><br />
<strong>Schuss</strong><br />
Lehrinhalte nach<br />
Madea: Praxis <strong>Rechtsmedizin</strong>. Springer Verlag<br />
Keil: Basics. Urban Fischer Verlag<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Rechtsmedizin</strong> der <strong>Universität</strong> <strong>Rostock</strong><br />
Direktor: Prof. Dr. med. A. Büttner
<strong>Schuss</strong><br />
= Sonderform der stumpfen Gewalt<br />
• Zerstörung anatomischer Strukturen<br />
(<strong>Schuss</strong>kanal)<br />
• Druckschwankungen und Dislokationen im<br />
Gewebe (Dehnung und Scherung - temporäre<br />
Wundhöhle)<br />
• Hydrodynamische Sprengung (Flüssigkeitsreiche<br />
Gewebe)
<strong>Schuss</strong><br />
• Energieabgabe an Gewebe abhängig von<br />
Geschossgeschwindigkeit<br />
Mündungsgeschwindigkeit:<br />
• Faustfeuerwaffen – ca. 300-400 m/s<br />
• Langwaffen – ca. 700-1000 m/s<br />
• Schrot – ca. 300 m/s
<strong>Schuss</strong>waffen<br />
• Faustfeuerwaffen oder Kurzwaffen<br />
– Revolver<br />
Patronenlager drehbar hinter dem Lauf<br />
– Pistolen<br />
Patronenlager fest mit Lauf verbunden<br />
• Handfeuerwaffen oder Langwaffen<br />
– Flinten (jagdlich); „Pumpgun“<br />
mit glattem Lauf<br />
– Büchsen (jagdlich); Gewehre (militärisch)<br />
mit gezogenem Lauf
Revolver
Pistole
Gewehr
Munition<br />
• Geschoss / Projektil<br />
• Treibmittel / Pulver<br />
• Zündelement<br />
• Hülse<br />
• metrische Kaliberbezeichnung in mm<br />
z.B. 6,35 / 7,65 / 9 mm<br />
• angloamerikanische Bezeichnung in inches<br />
z.B. 45 = 0.45 in = 0.45 x 25.44 mm ~ 11,4 mm
Geschosse<br />
• nach Material<br />
– Vollgeschosse<br />
– Mantelgeschosse<br />
• Vollmantelgeschosse<br />
• Teilmantelgeschosse<br />
• Hohlspitzgeschosse<br />
• nach Verhalten bei Eindringen<br />
– formstabil<br />
– deformierend<br />
– zerlegend
Geschosse<br />
Verschossene Projektile
Treibmittel<br />
• eigentliche Energiequelle<br />
• beschleunigt das Geschoss<br />
• Verbrennung auf beschränktem Raum<br />
• früher Schwarzpulver<br />
(75% KNO 3 / 15% C / 10% S)<br />
• heute Nitrocellulose Nc<br />
(Nitriersäure + Baumwolle)<br />
• oder Nitrocellulose + Nitroglycerin Ngl
Zündelement<br />
• soll Treibmittel gleichmäßig anfeuern<br />
• schlagempfindlicher Sprengstoff<br />
• früher Knallquecksilber<br />
• heute SINOXYD („sine oxyd“; Blei /<br />
Barium)<br />
• oder SINTOX („sine tox“; bleifrei)
Hülse<br />
• Abdichtung nach hinten<br />
• Hülsenauswurf ⇒ Kühlung<br />
• Transport und Positionierung<br />
• Pulverabbrand<br />
• Führung des Geschosses
Ballistik<br />
• Innenballistik<br />
• Abgangsballistik<br />
• Aussenballistik<br />
• Endballistik<br />
(bei biologischen Geweben Wundballistik)
Innenballistik<br />
• Zündung<br />
• Treibmittelabbrand<br />
• Gasentwicklung<br />
• Gasdruck<br />
> sog. Ausziehdruck<br />
• Geschossbewegung
Abgangsballistik<br />
• nach Mündungsdurchgang<br />
weitere Expansion der unter<br />
Druck stehenden Gase<br />
• Gase überholen das Geschoss<br />
• nach einigen 10 cm Weg<br />
verzögern sich die Gase und<br />
werden vom Geschoss<br />
überholt
Aussenballistik
Endballistik = Wundballistik<br />
• Verletzungseffekte<br />
– Temporäre Wundhöhle (<strong>Schuss</strong>kanal-Kontusionszone-<br />
Kommotionszone)<br />
– Sekundärgeschosse (Knochen/ Feststoffe)<br />
– zentrale Grösse: Energie E ab , die beim<br />
Geschossdurchgang an das Gewebe abgegeben wird<br />
(E ab [J/cm])
<strong>Schuss</strong>formen<br />
• Durchschuss (Sonderform: 2 Segment Treffer)<br />
• Steckschuss<br />
• Streifschuss<br />
• Krönleinschuss (hydrodynamischer Sprengeffekt)<br />
• Gellerschuss/ Rikoschett (abgeknickter <strong>Schuss</strong>kanal)<br />
• Prellschuss (< 0,1 J/ mm 2 )
Einschuss<br />
Veraltete Vorstellung !
Einschuss
Einschuss
Einschuss<br />
• zentraler Substanzdefekt (nicht adaptierbar)<br />
• Abstreifring<br />
• Kontusionssaum/ Kontusionszone (= alt: Schürfsaum)<br />
• Dehnungssaum (fakultativ, nicht beweisend !; =alt:<br />
Kontusionshof)<br />
• Defekt aufgrund der Hautelastizität < Kaliber<br />
• in platten Knochen<br />
– trichterförmige Erweiterung in <strong>Schuss</strong>richtung
<strong>Schuss</strong>entfernungbereiche<br />
• absoluter Nahschuss<br />
• relativer Nahschuss<br />
• Fernschuss
Absoluter Nahschuss<br />
• aufgesetzte Waffe<br />
• Stanzmarke<br />
• Schmauchhöhle<br />
• evtl. strahlige Platzwunden über knöchernen Widerlagern<br />
(Kopfschuss)<br />
CAVE: Abstreifring und Kontusionssaum können fehlen !
Relativer Nahschuss<br />
• Schmauchhof<br />
– näherer relativer Nahschuss<br />
(Schmauchhof sichtbar; ca. 15 cm bei<br />
Faustfeuerwaffen, ca. mehere Dezimeter bei<br />
Gewehren)<br />
– weiterer relativer Nahschuss<br />
(Schmauchhof nicht sichtbar,<br />
wohl aber Pulvereinsprengungen)<br />
• Schmauchnachweisverfahren:<br />
– REM<br />
– GC
Ausschuss<br />
• meist kein Substanzdefekt (adaptierbar)<br />
• oft unregelmäßige Wundränder<br />
• oft schlitzförmig<br />
• oft größer als der Einschuss<br />
• kein Abstreifring<br />
• gelegentlich Schürfsaum<br />
• in platten Knochen<br />
– trichterförmige Erweiterung in <strong>Schuss</strong>richtung
<strong>Schuss</strong> - Ausschuss<br />
Befunde an Haut des Ausschusses
Ausschuss<br />
Vergrößerung der Ausschußöffnung durch mitgerissene Knochenfragmente
Medizinische Aspekte<br />
• Steckschuss - eher bei Kurzwaffen<br />
Durchschuss - eher bei Langwaffen<br />
• Position und Ausdehnung der temporären Wundhöhle ⇒<br />
– Geschosseigenschaft? (zerlegend, deformierend, intakt)<br />
– Mündungsgeschwindigkeit? (Energiegehalt = Rasanz der<br />
Gewalt)<br />
– Ballistik? („taumeln“, Drall)<br />
• zerlegende Geschosse ⇒ Splitter als Sekundärgeschosse
Wundhöhle<br />
temporäre Wundhöhle:<br />
• <strong>Schuss</strong>kanal (Gewebsdefekt)<br />
• Extravasationszone/ Kontusionszone (irreversibler Schaden durch<br />
Dehnung, zerreißen von kleinsten Gefäßen mit resultierender Einblutung)<br />
• Kommotionszone (reversibler Schaden durch Dehnung)<br />
• Volumen = µ E ab<br />
– µ (<strong>Schuss</strong>kanal) = 0,03<br />
– µ (Extravasationszone) = 0,77
Sonderformen der temporären Wundhöhle<br />
• <strong>Schuss</strong>brüche<br />
• hydrodynamischer Sprengeffekt<br />
• Hochgeschwindigkeitgeschosse
Hydrodynamischer Sprengeffekt<br />
• bei flüssigkeitsgefüllten Hohlorganen<br />
z.B. Herz, Blase<br />
• bei flüssigkeitsreichen Organen: Gehirn<br />
• Flüssigkeit = inkompressibel<br />
Folge:<br />
• Zerreissungen der Hohlorgane<br />
• Berstung des Schädels
Sondergeschosse<br />
• Schrot<br />
• Bolzenschussapparate<br />
• Schreckschusswaffen<br />
• Leuchtgeschosse<br />
• Gummigeschosse
Schrot<br />
• Schrotpatronen mit 200 - 500 Schrotkörnern<br />
• Durchmesser 2 - 4,5 mm<br />
• Kaliberbezeichnung historisch:<br />
Anzahl der Bleikugeln, die zusammen die Masse eines<br />
englischen Pfunds (453,6 g) haben<br />
• aus Flinten verschossen<br />
• sog. Würgebohrung, um Schrotgarbe zu steuern
Bolzenschussapparate<br />
• Stahlbolzen wird ca. 10 cm tief in den Hirnschädel<br />
getrieben<br />
• projektillose Kartuschen<br />
• nach <strong>Schuss</strong>abgabe Rückführung in Ausgangsstellung<br />
durch Federkraft<br />
• Stanzverletzung mit Impression<br />
• typische Stanzmarke mit i.d.R. zwei Schmauchhöfen
Schreckschusswaffen<br />
• Kurzwaffen mit Laufattrappen<br />
– Laufattrappe fest mit dem Griff verbunden<br />
– Hartmetall, um aufbohren zu vermeiden<br />
– Vorladen von Projektilen nicht möglich<br />
• kurze Laufattrappen<br />
– Mündungsenergien: 0,45 - 0,75 J/mm 2<br />
• lange Laufattrappen<br />
– Mündungsenergien: 0,25 J/mm 2
Gummigeschosse<br />
• große Kaliber: 18 - 50 mm<br />
• große Projektile: schlechte Aussenballistik<br />
• bis 10 m offene Verletzungen<br />
• Prellschuss: Commotio cordis möglích!
Kriminalistische Aspekte<br />
• Einschuss oder Ausschuss<br />
– im Zweifel alle <strong>Schuss</strong>verletzungen exzidieren und<br />
aufgespannt asservieren<br />
• Lage, Art und Verlauf der <strong>Schuss</strong>verletzungen<br />
• Geschosse nicht mit Pinzette fassen ⇒ Identifikation der<br />
Waffe<br />
• Bei Kopfschüssen -> Suizid oder Tötung ?<br />
– Schußhand nicht waschen<br />
• Backspatter dokumentieren / Schmauch asservieren