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Sachverhalt/Lösung

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Lehrstuhl für Bürgerliches Recht,<br />

Handels- und Wirtschaftsrecht<br />

Prof. Dr. Kaspar Frey<br />

Klausurenkurs am 20. Juli 2012<br />

Zivilrecht<br />

Die in Berlin ansässige X-GmbH ist am Markt als Bauunternehmerin tätig und Eigentümerin<br />

zahlreicher Grundstücke im gesamten Bundesgebiet. Am 10. Januar 2010 beauftragte sie<br />

durch ihren Geschäftsführer die in Potsdam ansässige Y-GmbH, die dabei ebenfalls durch<br />

ihren Geschäftsführer vertreten wurde, mit der exklusiven Vermittlung einer aufgelisteten<br />

Anzahl der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke für das Jahr 2010. Die Y-GmbH sollte<br />

für jede erfolgreiche Grundstückskaufvermittlung eine Maklerprovision von 5 % des jeweils<br />

vertraglich vereinbarten Kaufpreises erhalten. Die Vertragsparteien handelten in dem<br />

schriftlichen Vertrag ein beiderseitiges, schriftliches Kündigungsrecht mit einer Frist von 4<br />

Wochen zum Ende eines jeden Monats aus.<br />

Im Februar 2010 benannte die Y-GmbH für ein Grundstück in Kleinmachnow den K als<br />

Kaufinteressenten. Ihr Geschäftsführer führte 3 Besichtigungstermine mit dem sich als<br />

äußerst vermögend ausgebenden K durch. Am 13. März 2010 kam es nach weiteren<br />

Verhandlungen über den Kaufpreis im Beisein des Geschäftsführers der Y-GmbH zwischen<br />

der X-GmbH und K zur Beurkundung des notariellen Vertrages, in dem ein<br />

Grundstückskaufpreis von 200.000 € vereinbart wurde. Zu einer Eigentumsumschreibung auf<br />

K kam es jedoch nicht. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass K über seine<br />

Vermögensverhältnisse getäuscht hatte und ein Hochstapler war. Er hatte von Beginn an nicht<br />

vor, den Vertrag zu erfüllen und hat den Vertrag nur deshalb geschlossen, um seine Freundin<br />

zu beeindrucken. Noch im April 2010 wurde der Grundstückskaufvertrag – um einer<br />

Anfechtung zuvorzukommen - im Hinblick auf das hochstaplerische Verhalten des K<br />

zwischen der X-GmbH und K durch eine Aufhebungsvereinbarung formwirksam<br />

rückabgewickelt.<br />

Im Mai 2010 trat die Y-GmbH mit dem hanseatischen Investor I über den Verkauf eines mit<br />

einer Familienvilla bebauten Wassergrundstücks an der Hamburger Außenalster in<br />

Verbindung. Die X-GmbH wollte hierfür einen Kaufpreis von 2.500.000 € erzielen. Nach<br />

eingangs erfolgversprechenden Gesprächen und Ortsbesichtigungen zwischen I und dem<br />

Geschäftsführer der Y-GmbH kamen die Verhandlungen jedoch noch Ende Mai 2010 zum<br />

Ruhen. Dies teilte die Y-GmbH der X-GmbH auch mit. I hatte sich zwischenzeitlich in<br />

Maklerkreisen umgehört und die X-GmbH als Grundstückseigentümerin ausfindig gemacht.<br />

Um Geld zu sparen, trat er unmittelbar an den Geschäftsführer der X-GmbH heran und<br />

handelte mit diesem einen um 5 % reduzierten Kaufpreis von 2.375.000 € aus. Ein notarieller<br />

Kaufvertrag wurde über den ausgehandelten Kaufpreis am 30. August 2010 dann aber<br />

zwischen der X-GmbH und der E, der Ehefrau des I, geschlossen. E wurde als Eigentümerin<br />

in das Grundbuch eingetragen und bewohnt seitdem mit I und den gemeinsamen Kindern die<br />

Villa.<br />

Am 10. September 2010 erklärte P, der bei der X-GmbH tätig, im Handelsregister als<br />

Prokurist eingetragen und ordnungsgemäß vom Registergericht bekannt gegeben worden ist,<br />

mit einem Telefaxschreiben gegenüber der Y-GmbH die Kündigung des Vertrages vom 10.<br />

Januar 2010 zum 31. Oktober 2010. Das Telefax war von P mit dem die Prokura andeutenden<br />

Zusatz „ppa“ und seinem für ihn typischen Namensschriftzug handschriftlich unterschrieben.<br />

Am 14. September 2010 wies die Y-GmbH die Kündigung per Brief mit der Begründung<br />

zurück, dass ihr gegenüber eine Vollmacht des P weder vorgelegt, noch durch die X-GmbH<br />

652.doc letzte Änderung: 8.08.12 Frey Seite 2


Lehrstuhl für Bürgerliches Recht,<br />

Handels- und Wirtschaftsrecht<br />

Prof. Dr. Kaspar Frey<br />

angezeigt worden sei. Auch trage die im Übrigen formunwirksam erklärte Kündigung eine<br />

auch noch völlig unleserliche Unterschrift des P. Eine Reaktion der X-GmbH erfolgte hierauf<br />

nicht, da sie meint, dass sich die Y-GmbH die Eintragung der Prokura im Handelsregister<br />

samt ordnungsgemäßer Bekanntgabe entgegenhalten lassen müsse. Am 30. Oktober 2010<br />

schaltete die Y-GmbH eine Anzeige in der Berliner Morgenpost und bewarb dort ein<br />

Grundstück der X-GmbH in Berlin-Kladow. Am 5. November 2010 meldete sich der A bei<br />

der Y-GmbH und erhielt daraufhin nach aussichtsreichen Verhandlungen von ihr ein Exposé<br />

sowie die Kontaktdaten der X-GmbH übersandt. A nahm daraufhin Kontakt zur X-GmbH auf,<br />

ohne seine Verhandlungen mit der Y-GmbH zu erwähnen. Im Dezember 2010 schlossen A<br />

und die X-GmbH einen notariellen Vertrag über das Anwesen zu einem Kaufpreis von<br />

500.000 €.<br />

Frage :<br />

Hat die Y-GmbH gegen die X-GmbH Zahlungsansprüche in Höhe von 5 % der jeweiligen<br />

Kaufpreise wegen der Vermittlung der Grundstücke in Kleinmachnow (10.000 €), Hamburg<br />

(118.750 €) und Berlin-Kladow (25.000 €)?<br />

Zusatzfragen:<br />

1. Da die X-GmbH eine Zahlung verweigert, möchte die Y-GmbH ihre Ansprüche gerichtlich<br />

geltend machen. Bei welchem Gericht müsste sie die Klageschrift einreichen? Die Y-GmbH<br />

hofft dabei auf einen besonderen wirtschaftlichen Sachverstand des Gerichts. Was sollte sie<br />

daher beachten?<br />

2. Da die Y-GmbH mit zahlreichen anderen Kaufinteressen verhandelt hat, nimmt sie an, dass<br />

die X-GmbH weitere Immobilienkaufverträge abgeschlossen haben könnte, die auf ihre<br />

Vermittlung zurückgehen, von denen sie aber keine konkrete Kenntnis hat. Wie kann die Y-<br />

GmbH gerichtlich vorgehen, wenn die X-GmbH außergerichtlich nicht bereit sein sollte,<br />

Angaben über Verträge zu machen, die von ihr vermittelt wurden? Die gerichtliche<br />

Zuständigkeit ist bei dieser Frage nicht zu prüfen.<br />

Bearbeitervermerk:<br />

1. Die Fragen sind in einem umfassenden Gutachten zu beantworten, in dem ggf.<br />

hilfsgutachterlich auf alle im <strong>Sachverhalt</strong> angesprochenen Fragestellungen<br />

einzugehen ist. Die Erörterung der Zusatzfragen sollte insgesamt nicht mehr als<br />

10 % der gesamten Bearbeitung umfassen.<br />

2. Vorschriften der Makler- und Bauträgerverordnung sind nicht zu prüfen.<br />

Besprechung: Mittwoch, 08.08.2012, 14:15 Uhr, HG 162.<br />

652.doc letzte Änderung: 8.08.12 Frey Seite 3


<strong>Sachverhalt</strong> dieser Examensklausur von 2011 wurde minimal gekürzt, die <strong>Lösung</strong> geringfügig<br />

verändert und sie wurde ergänzt; die Unterstreichungen sind hinzugefügt.<br />

Frage 1:<br />

I. Ansprüche wegen des vermittelten Grundstücks in Kleinmachnow<br />

1. § 87 Abs. 1 HGB<br />

Die Y-GmbH müsste Handelsvertreter sein. Gem. § 84 Abs. 1 HGB ist<br />

Handelsvertreter, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist,<br />

für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen<br />

abzuschließen.<br />

Ständig betraut heißt, auf unbestimmte Zeit mit der Vermittlung einer unbestimmten<br />

Anzahl von Geschäften beauftragt zu sein. Dies ist wegen der begrenzten Anzahl der<br />

Grundstücke und der Befristung auf das Jahr 2010 abzulehnen. Zudem ist der<br />

Handelsvertretervertrag ein gegenseitig verpflichtender Dienstvertrag mit<br />

Geschäftsbesorgungscharakter, während der Maklervertrag einseitig nur den Kunden,<br />

nicht aber den Makler zu einer Tätigkeit verpflichtet. Die Y-GmbH wird hier also nicht<br />

als Handelsvertreter tätig.<br />

2. § 93 HGB i.V.m. § 652 BGB<br />

Die Y-GmbH könnte Handelsmakler gem. § 93 Abs. 1 HGB sein. Allerdings vermittelt<br />

sie vorliegend keine Gegenstände des Handelsverkehrs, da es um die Vermittlung von<br />

Grundstücken geht, die Abs. 2 gerade vom Anwendungsbereich der<br />

Handelsmaklervorschriften ausnimmt.<br />

3. § 652 BGB<br />

Die Y-GmbH könnte gegen die X-GmbH einen vertraglichen Provisionsanspruch in<br />

Höhe von 10.000 € haben.<br />

a. Dann müsste zwischen den Parteien zunächst ein wirksamer Maklervertrag gem.<br />

§ 652 BGB geschlossen worden sein.<br />

Anmerkung: Kenntnisse zum Maklervertrag können nicht vorausgesetzt werden. Es ist hier unnötig,<br />

aber zulässig, den Maklervertrag von anderen Schuldverhältnissen abzugrenzen; vgl. BeckOK BGB/<br />

Kotzian-Marggraf, § 652 Rn. 3.<br />

652.doc letzte Änderung: 8.08.12 Frey Seite 1


Als wesentliches Unterscheidungskriterium zum Auftrag dient der Umstand, dass der Beauftragte<br />

fremdnützig und unentgeltlich, der Makler dagegen entgeltlich und nur für sich selbst tätig wird (OLG<br />

Bremen OLGZ 1965, 20; Palandt/Sprau Einf § 652 Rn 5). Die Y-GmbH wird hier entgeltlich und für sich<br />

tätig.<br />

Beim Dienstvertrag ist die Leistungs- bzw Tätigkeitspflicht des Dienstnehmers der deutlich<br />

differenzierende Gesichtspunkt (BGH NJW 1984, 2408; NJW 1985, 2478; OLG Rostock OLGR 2009,<br />

192). Verpflichtet sich der Makler dazu, tätig zu werden, so ist in der Terminologie der Rspr die Grenze<br />

zum Maklerdienstvertrag überschritten (BGH NJW-RR 1991, 628; OLG München NJW-RR 1997, 1146;<br />

BeckRS 2010, 1909; vgl auch BGH NJW-RR 1999, 1499). Hier ist nicht anzunehmen, dass die Y-GmbH<br />

sich ihrer Entscheidungsfreiheit begeben wollte, ob sie vermittelt oder nicht.<br />

Beim Werkvertrag hat der Werkunternehmer für einen bestimmten Erfolg einzustehen. Der Makler geht<br />

eine solche Verpflichtung nur äußerst selten ein. In einem solchen Fall – er kommt bei der Vermittlung<br />

von Finanzierungen vor – wird von einem Maklerwerkvertrag gesprochen (BGH NJW 1988, 967; NJW-<br />

RR 1991, 627; OLG Oldenburg NJW-RR 2005, 1287).<br />

Gegen einen Geschäftsbesorgungsvertrag spricht hier, dass die Y-GmbH nicht in fremden Interessen<br />

sondern in eigenen Interessen – nämlich der provisionspflichtigen Vermittlung – tätig werden soll. Dies<br />

spricht gegen die Annahme eines Geschäfts der X-GmbH, welches die Y-GmbH besorgen würde.<br />

Somit kommt ein Maklervertrag in Betracht.<br />

Dieser setzt voraus, dass der Makler den Nachweis der Gelegenheit eines<br />

Vertragsabschlusses erbringt oder einen solchen Vertragsabschluss vermittelt und<br />

infolge der Maklertätigkeit ein solcher Vertrag (Hauptvertrag) geschlossen wird.<br />

Nach den Vorgaben des <strong>Sachverhalt</strong>es haben sich hier die Geschäftsführer der X-<br />

GmbH und der Y-GmbH am 10. Januar 2010 geeinigt, dass die Y-GmbH exklusiv für<br />

das Kalenderjahr 2010 die Maklertätigkeit für die von der X-GmbH benannten<br />

Grundstücke übernehmen soll. Beide Gesellschaften handeln als juristische Personen<br />

des Privatrechts durch ihre Organe. Sie wurden hier jeweils gem. § 35 Abs. 1 GmbHG<br />

durch ihre Geschäftsführer ordnungsgemäß vertreten. Die von den Geschäftsführern<br />

abgegebenen Willenserklärungen wirken daher gem. § 164 Abs. 1 BGB jeweils für und<br />

gegen die von ihnen vertretenen Gesellschaften. Wirksamkeitshindernisse bestehen<br />

nicht. Insbesondere ist für den Vertragsabschluss ein Formerfordernis im Sinne von<br />

§ 311 b BGB regelmäßig nicht erforderlich (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 70. Aufl. 2011,<br />

§ 652 Rn. 6).<br />

b. Die Y-GmbH dürfte im Hinblick auf den Vertragsschluss auch die erforderliche<br />

Maklertätigkeit entfaltet haben. Der Makler ist entweder Nachweis- oder<br />

652.doc letzte Änderung: 8.08.12 Frey Seite 2


Vermittlungsmakler oder beides (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., § 652 Rn. 25 m.w.N.).<br />

Nach den Vorgaben des <strong>Sachverhalt</strong>s soll die Y-GmbH eine Provision für jeden<br />

erfolgreich „vermittelten“ Grundstückskaufvertrag erhalten. Vermittlung bedeutet das<br />

unmittelbare oder mittelbare Einwirken auf den Willensentschluss des vorgesehenen<br />

Vertragspartners (Münchener Kommentar/Roth, BGB, 5. Aufl. 2009, § 652 Rn. 106;<br />

Palandt/Sprau, a.a.O., § 652 Rn. 27). Ausreichend ist auch eine nur mittelbare<br />

Einwirkung. Im Einzelnen ist unter Vermittlung das bewusste und zweckgerichtete<br />

Herbeiführen oder Fördern der Abschlussbereitschaft des künftigen Vertragspartners<br />

zu verstehen (vgl. BGH, NJW 1997, S. 884). Auch wenn es sich hierbei um eine den<br />

Anforderungen im Einzelfall gerecht werdende Vermittlungstätigkeit handeln muss,<br />

dürften die Angaben im <strong>Sachverhalt</strong> für das Grundstück in Kleinmachnow genügen,<br />

um eine provisionsauslösende Vermittlungstätigkeit der Y-GmbH anzunehmen. Sie hat<br />

gegenüber der X-GmbH zunächst den K als Käufer benannt und mit diesem drei<br />

Besichtigungstermine wahrgenommen. Zudem hat sie beim konkreten notariellen<br />

Vertragsschluss mitgewirkt.<br />

c. Die Maklertätigkeit müsste auch kausal für einen späteren Kaufvertragsschluss<br />

gewesen sein. Zudem [das kann auch getrennt geprüft werden] darf er nicht<br />

nachträglich wegen einer im Vertragsschluss selbst liegenden Unvollkommenheit<br />

wieder beseitigt worden sein (vgl. st. Rspr. BGH, NJW-RR 2005, S. 1506; NZV 2008,<br />

S. 218; Münchener Kommentar/Roth, a.a.O., § 652 Rn. 158).<br />

aa) Dies setzt zunächst das Zustandekommen des beabsichtigten Hauptvertrages voraus.<br />

Das ist in der Regel mindestens der schuldrechtliche Kaufvertrag. Ein solcher<br />

Kaufvertrag ist hier zunächst nach den Vorgaben des <strong>Sachverhalt</strong>s am 13. März 2010<br />

geschlossen und gem. § 311 b BGB notariell beurkundet worden.<br />

Fraglich könnte sein, ob es für das Entstehen des Provisionsanspruchs auch auf das<br />

dingliche Erfüllungsgeschäft, bei einem Grundstückskaufvertrag also auch auf die<br />

Eigentumsübertragung ankommt, da es hierzu im vorliegenden Fall nicht mehr<br />

gekommen ist. Nach der ganz einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur<br />

ist das Zustandekommen des Erfüllungsgeschäfts für den Provisionsanspruch<br />

grundsätzlich ohne Belang. Systematisch wird dies damit begründet, dass § 652 BGB<br />

insoweit anders als § 87 a Abs. 1 S. 1 HGB die Ausführung des vermittelten<br />

Geschäftes gerade nicht verlangt (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., § 652 Rn. 32; BGH,<br />

652.doc letzte Änderung: 8.08.12 Frey Seite 3


NJW-RR 1993, S. 248).<br />

bb) Für das Zustandekommen des Hauptvertrages ist auch die Mitursächlichkeit der<br />

Maklerleistung stets erforderlich. Die Maklertätigkeit muss sich im Sinne einer finalen<br />

Ausrichtung auf den tatsächlich zustande gekommenen Hauptvertrag beziehen<br />

(Münchener Kommentar/Roth, a.a.O., § 652 Rn. 107). Diese Voraussetzung dürfte<br />

hier unproblematisch gegeben sein. Die Y-GmbH hat den K als Kaufinteressenten<br />

benannt, die Besichtigungstermine durchgeführt und am Notartermin mitgewirkt. All<br />

diese Schritte mündeten schließlich im Vertragsabschluss.<br />

cc) Fraglich ist jedoch, ob der Abschluss des Hauptvertrages wirksam war.<br />

§ 652 Abs. 1 BGB macht das Entstehen eines Provisionsanspruchs des Maklers zwar<br />

– wie bereits dargelegt - nur vom Zustandekommen des Hauptvertrags, nicht von<br />

dessen Ausführung abhängig. Allerdings schließen Umstände, die einen wirksamen<br />

Abschluss des Hauptvertrags verhindern oder ihn als von Anfang an unwirksam<br />

erscheinen lassen (Formnichtigkeit, Gesetzwidrigkeit, Sittenwidrigkeit, Anfechtung<br />

wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung), eine Provisionspflicht aus (vgl. BGH, NJW-<br />

RR 2005, S. 1506). Dagegen lassen Umstände, die ohne eine im (Haupt-)<br />

Vertragsschluss selbst liegende Unvollkommenheit lediglich die Leistungspflichten aus<br />

dem Vertrag beseitigen (wie Kündigung, Rücktritt oder einverständliche<br />

Vertragsaufhebung), den Provisionsanspruch regelmäßig unberührt (st. Rspr.; vgl. z.B.<br />

BGH, NJW 2001, S. 966; NJW-RR 2005, S. 1506; Palandt/Sprau, a.a.O., § 652 Rn. 34<br />

m.w.N.). Auf dieser Grundlage wäre der Vertrag zunächst wirksam zustande<br />

gekommen.<br />

Anfängliche Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich: Die Tatsache, dass K von<br />

Anfang nicht leisten wollte, ist als geheimer Vorbehalt nach § 116 S. 1 BGB<br />

unbeachtlich. Dass er auch nicht leisten konnte, führt zudem nicht zur Unmöglichkeit,<br />

da die Vorschriften der Unmöglichkeit gem. § 275 BGB nach allgemeiner Auffassung<br />

auf Geldschulden keine Anwendung finden (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 275<br />

Rn. 3 m.w.N.). Zudem berührt nachträgliche Unmöglichkeit nicht das<br />

Zustandekommen des Vertrags. Dies gilt nach § 311a Abs. 2 S. 1 BGB auch für die<br />

anfängliche Unmöglichkeit. Damit liegt generell in einer Unmöglichkeit kein Fehler, der<br />

dem vom Makler zu tragenden Risiko (Abschlussrisiko) zuzuordnen ist, dass der<br />

vermittelte Vertrag nicht abgeschlossen wird, sodass durch Unmöglichkeit der<br />

652.doc letzte Änderung: 8.08.12 Frey Seite 4


Maklerlohnanspruch nicht entfällt. Mangels entsprechender Erklärung ist der Vertrag<br />

auch nicht durch eine Anfechtung der X-GmbH mit ex-tunc-Wirkung gem. § 142 Abs. 1<br />

BGB als von Beginn an unwirksam anzusehen.<br />

Fraglich ist jedoch, ob sich an dieser Wertung etwas dadurch ändert, dass die X-<br />

GmbH das Rechtsgeschäft wegen arglistiger Täuschung hätte wirksam anfechten<br />

können.<br />

(1) K hat die X-GmbH bei Vertragsschluss über seine wirtschaftlichen<br />

Vermögensverhältnisse getäuscht. Dabei kann im Ergebnis dahinstehen, ob K aktiv<br />

seine Vermögensfähigkeit in den Verkaufsgesprächen behauptet hat oder lediglich<br />

verschwiegen hat, dass er zur Begleichung des Kaufpreises von Beginn an nicht in der<br />

Lage gewesen wäre. Das Verschweigen von Tatsachen stellt zwar grundsätzlich nur<br />

dann eine Täuschung dar, wenn eine Aufklärungspflicht besteht (Palandt/Ellenberger,<br />

a.a.O., § 123 Rn. 5). Entscheidend ist dabei, dass der andere Vertragspartner nach<br />

Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte redlicherweise eine<br />

Aufklärung erwarten durfte. Jedenfalls aber müssen besonders wichtige Umstände,<br />

die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender<br />

Bedeutung sind, ungefragt offenbart werden. Das gilt für solche Umstände, die den<br />

Vertragszweck vereiteln oder gefährden können. Wer etwa eine zukünftig fällige<br />

Verpflichtung eingeht, muss bestehende wirtschaftliche Schwierigkeiten ungefragt<br />

offenbaren, wenn er erkennen kann, dass dies für den Vertragspartner von<br />

wesentlicher Bedeutung ist (Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 123 Rn. 5). Auf dieser<br />

Grundlage durfte K die X-GmbH nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse und<br />

Absichten täuschen. Es ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon<br />

auszugehen, dass die X-GmbH im Falle der wahrheitsgemäßen Angaben durch K den<br />

Grundstückskaufvertrag auch nicht abgeschlossen hätte.<br />

(2) Aufgrund der arglistigen Täuschung hätte die X-GmbH das Rechtsgeschäft binnen<br />

Jahresfrist auch gem. § 124 Abs. 1 BGB anfechten können. Allerdings hat sie keine<br />

Anfechtung erklärt hat, sondern stattdessen einvernehmlich mit K den<br />

Grundstückskaufvertrag rückabgewickelt hat. Daher ist zu erörtern, ob dies einer<br />

Anfechtung gleichzustellen ist:<br />

Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist eine Ausnahme von<br />

dem Grundsatz, dass spätere Einflüsse auf das rechtliche Schicksal des<br />

652.doc letzte Änderung: 8.08.12 Frey Seite 5


Hauptvertrages sich nicht auf die Maklerprovision auswirken in jenen Fällen geboten,<br />

in denen – wie bei der arglistigen Täuschung gem. § 123 BGB – wegen desselben<br />

Mangels ein Anfechtungsrecht neben den kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften<br />

besteht und neben die Rückabwicklung daher zugleich das aus derselben<br />

Fehlerquelle stammende, alternative Recht des Käufers, den Kaufvertrag ex tunc zu<br />

beseitigen, tritt (vgl. BGH, NJW-RR 2005, S. 1506; OLG Bamberg, OLGR 2004, S. 77<br />

ff.; OLG Hamm, NJW 1991, S. 249; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 652 Rn. 39;<br />

jurisPK/Jäger, BGB, 5. Aufl. 2010, § 652 Rn. 148 m.w.N.; Keim, Maklerprovision bei<br />

arglistbedingter Wandelung des Hauptvertrages, NJW 2001, S. 3168). Der Käufer soll<br />

bei einem solchen <strong>Sachverhalt</strong> die freie Wahl zwischen dem Verlangen nach einer<br />

Gewährleistung und der Anfechtung des Kaufvertrags haben (OLG Bamberg, a.a.O.).<br />

Wofür er sich entscheidet, wird weitgehend von den ihm im Einzelfall günstigsten<br />

Rechtsfolgen abhängen. Aus der Sicht des Maklers ist diese Entscheidung rein<br />

zufällig. Es wäre willkürlich, hiervon das Bestehen eines Provisionsanspruchs<br />

abhängig zu machen. Für die Maklervergütung ist vielmehr allein maßgebend, dass<br />

der vermittelte oder nachgewiesene Vertrag wegen des „Makels der Anfechtbarkeit”<br />

von Anfang an an einer Unvollkommenheit leidet und daran wirtschaftlich auch<br />

scheitert, vergleichbar denjenigen Fallgestaltungen, in denen die Vertragsparteien den<br />

Hauptvertrag mit Rücksicht auf ein Anfechtungsrecht einverständlich wieder aufheben<br />

(vgl. OLG Bamberg, a.a.O.).<br />

Nichts anderes kann im Ergebnis in solchen Fällen gelten, in denen die<br />

Anfechtungslage nicht mit vertraglichen Gewährleistungsansprüchen zusammenfällt,<br />

sondern aufgrund einer arglistigen Täuschung über die Solvenz des Käufers besteht<br />

und die Parteien den Vertrag aufgrund dessen einvernehmlich aufheben. Die<br />

Vertragsaufhebung schafft bei gegebener Anfechtungslage nämlich lediglich den der<br />

Anfechtungsfolge entsprechenden Rechtszustand. Durch diese Gleichstellung von<br />

Aufhebungsvertrag und Anfechtung wird das Risiko der Vertragsdurchführung auch<br />

nicht in unzulässiger Weise auf den Makler verlagert. Dieser Gefahr wird durch das<br />

Erfordernis einer Anfechtungslage, in deren Ausübung die Vertragsaufhebung<br />

geschehen sein muss, hinreichend entgegengewirkt. Derjenige Auftraggeber, der<br />

möglicherweise aus Rechtsunkenntnis mit seinem Vertragspartner die Aufhebung<br />

eines anfechtbar zustande gekommenen Vertrags vereinbart, soll nicht schlechter<br />

gestellt werden, als der Auftraggeber des Maklers, der die Anfechtung erklärt (OLG<br />

652.doc letzte Änderung: 8.08.12 Frey Seite 6


Köln, NJW-RR 1997, S. 693; OLG Bamberg, a.a.O.; OLG Celle, NJW-RR 1999,<br />

S. 128; jurisPK/Jäger, BGB, 5. Aufl. 2010, § 652 Rn. 148 m.w.N.).<br />

Anmerkung: Von den Kandidaten können Ausführungen in diesem Umfang nicht<br />

erwartet werden. Mit entsprechender Begründung dürfte hier auch eine andere<br />

Auffassung vertretbar sein. Ausreichend dürfte es allerdings nicht sein, die andere<br />

Ansicht darauf zu stützen, dass der Aufhebungsvertrag lediglich ex-nunc-Wirkung<br />

habe und deshalb ein Hauptvertrag einmal zustande kam.<br />

d. Zwischenergebnis: Ein vertraglicher Provisionsanspruch besteht durch die<br />

arglistbedingte Rückabwicklung des Hauptkaufvertrages schon wegen der<br />

Aufhebungsvereinbarung nicht mehr.<br />

4. Außervertragliche Ansprüche<br />

Anhaltspunkte für außervertragliche Ansprüche der Y-GmbH bestehen nicht.<br />

Ausführungen dazu dürften daher im Gutachten entbehrlich sein.<br />

Anmerkung: Kandidaten könnten dennoch GoA oder Bereicherungsrecht prüfen.<br />

Gegen die Geschäftsführung spricht das Eigeninteresse der Y-GmbH; gegen das<br />

Bereicherungsrecht, dass die Leistung aufgrund des Maklervertrages erfolgte.<br />

5. Ergebnis:<br />

Im Hinblick auf das Grundstück in Kleinmachnow stehen der Y-GmbH keine<br />

Zahlungsansprüche zu.<br />

II. Ansprüche wegen der Vermittlung des Grundstücks in Hamburg<br />

Die Y-GmbH könnte gegen die X-GmbH einen Provisionsanspruch wegen des an den<br />

I verkauften Grundstücks an der Außenalster in Höhe von 118.750,00 € haben.<br />

1. § 652 BGB in Verbindung mit dem Maklervertrag<br />

Auch hier ist zunächst ein wirksamer Maklervertrag im Januar 2010 zwischen den<br />

Vertragsparteien geschlossen worden. Die Y-GmbH hat vertragsgemäß auch<br />

Maklertätigkeiten entfaltet. Sie ist mit dem I in Vertragsverhandlungen eingetreten und<br />

hat Besichtigungstermine wahrgenommen. Auch ist am 30. August 2010 ein<br />

rechtsgültiger Hauptvertrag abgeschlossen worden.<br />

a. Problematisch ist hier aber, ob der am 30. August 2010 geschlossene<br />

Grundstückskaufvertrag auf die Vermittlungstätigkeit der Y-GmbH zurückzuführen ist<br />

652.doc letzte Änderung: 8.08.12 Frey Seite 7


oder ob die Kausalität unterbrochen ist.<br />

Fraglich ist dies, weil der zwischen der X-GmbH und E abgeschlossene Vertrag einen<br />

Kaufpreis aufwies, der hinter dem eigentlich von der X-GmbH vorgesehenen<br />

Vertragspreis und von der Y-GmbH vermittelten Kaufpreis zurückblieb. Nach den<br />

Vorgaben des <strong>Sachverhalt</strong>s waren darüber hinaus die im Mai 2010 begonnenen<br />

Vertragsverhandlungen nämlich im Juni 2010 zum Ruhen gekommen. Erst nachdem<br />

der I die X-GmbH persönlich ausfindig gemacht hatte kam es dann ohne Beteiligung<br />

der Y-GmbH zum tatsächlichen Vertragsschluss mit E.<br />

aa) Für das Entstehen des Provisionsanspruchs muss grundsätzlich eine inhaltliche und<br />

persönliche Kongruenz zwischen dem abgeschlossenen Hauptvertrag und dem zu<br />

vermittelnden Vertrag bestehen. Auch wenn es hierbei grundsätzlich einen gewissen<br />

Abweichungsspielraum geben kann, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob hier<br />

tatsächlich der Auftraggeber mit dem abgeschlossenen Vertrag bei umfassender<br />

Würdigung der konkreten Umstände wirtschaftlich denselben Erfolg erzielt, wie mit<br />

dem beabsichtigten Vertrag (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., § 652 Rn. 42; Münchener<br />

Kommentar/Roth, a.a.O., § 652 Rn. 145 m.w.N.). Wäre dies der Fall, so verstieße eine<br />

Berufung auf die fehlende Kongruenz gegen das Gebot von Treu und Glauben (vgl.<br />

BGH, NJW 2008, S. 651; NJW-RR 2004, S. 851).<br />

(1) Zunächst könnte es an der persönlichen Kongruenz mangeln, da nicht der I selbst<br />

sondern seine Ehefrau E das Grundstück erworben hat und als Eigentümerin in das<br />

Grundbuch eingetragen wurde. Die Parteien des Hauptvertrages sind zwar regelmäßig<br />

der Maklerkunde (hier die X-GmbH) und der von dem Makler nachgewiesene oder<br />

vermittelte Dritte. Die Person des Dritten ist für die Frage der Provisionspflichtigkeit<br />

aber nur dann von Bedeutung, wenn das Geschäft nach dem Inhalt des<br />

Maklervertrags mit einer bestimmten Person abgeschlossen werden soll (vgl.<br />

Münchener Kommentar/Roth, a.a.O., § 652 Rn. 154; Palandt/Sprau, a.a.O., § 652<br />

Rn. 45; OLG Hamm, NJW-RR 1995, S. 820). Eine solche Abrede dürfte sich dem<br />

Maklervertrag zwischen der X-GmbH und der Y-GmbH nicht entnehmen lassen. Für<br />

die X-GmbH kam es nicht etwa darauf an, einen bestimmten Käufer oder Käuferkreis<br />

für das Grundstück zu gewinnen. Es ging schlicht um die Grundstücksveräußerung.<br />

Auch für die Y-GmbH gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass nur bestimmte<br />

Käufer in Betracht zu ziehen waren. Deshalb ist es hier im Ergebnis keine Frage der<br />

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persönlichen Kongruenz, sondern der Kausalität, dass die X-GmbH letztendlich nicht<br />

mit dem von der Y-GmbH benannten I sondern mit dessen Ehefrau kontrahiert hat<br />

(vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 652 Rn. 44).<br />

E´s Willenserklärung kann I nicht zugerechnet werden. Die E handelte im eigenen<br />

Namen. Es ging auch nicht i.S.d. § 1357 BGB um Deckung eines Familienbedarfs.<br />

(2) Fraglich ist jedoch, ob der geringere Kaufpreis die wirtschaftliche Identität zwischen<br />

abgeschlossenem Hauptvertrag und dem Gegenstand der Vertragsverhandlungen<br />

entfallen lässt. Geringfügige Abweichungen sind wegen des Spielraums der<br />

Vertragsparteien unschädlich (Palandt/Sprau, a.a.O., § 652 Rn. 43). In der<br />

Rechtsprechung gibt es hier eine nicht ganz einheitliche Kasuistik. Größenordnungen<br />

wurden bei einer für den Auftraggeber ungünstigen Kaufpreisabweichung von mehr<br />

als 15 % (OLG Brandenburg, NJW-RR 2000, S. 1505) oder mehr als 25 % (OLG<br />

Dresden NJW-RR 2009, S. 931) angenommen. In der Literatur wird hierzu vertreten,<br />

dass eine rein schematische Betrachtung wenig sinnvoll sei. Vielmehr sollten sich<br />

etwaige Marginalgrenzen an der üblichen Maklercourtage orientieren.<br />

Kaufpreisabweichungen im Bereich von 3% -6% seien daher regelmäßig unschädlich<br />

(vgl. Pauly, Maklerprovision bei preislicher Abweichung des Hauptvertrages vom<br />

Maklerangebot, ZMR 2009, S. 662, 663). Auf dieser Grundlage dürfte die hier<br />

maßgebliche Abweichung des Kaufpreises noch keine wesentliche Abweichung vom<br />

Maklerangebot darstellen. Ursprünglich sollte der Verkaufspreis bei 2.500.000 €<br />

liegen. Der tatsächlich geflossene Verkaufspreis lag hier lediglich bei 2.375.000 €, also<br />

um exakt 5 % unter dem ursprünglich vorgesehenen Kaufpreis. Die X-GmbH steht<br />

also wirtschaftlich so dar, als hätte sie einen Kaufpreis von 2.500.000 € erzielt und 5 %<br />

davon an Maklerprovision an die Y-GmbH gezahlt. Um genau solche<br />

Umgehungsgeschäfte zu Lasten des Maklers geht es aber gerade bei der Frage der<br />

wirtschaftlichen Kongruenz.<br />

(3) Im Ergebnis dürfte daher keine erhebliche Abweichung des Hauptvertrages vom<br />

Maklerangebot anzunehmen sein.<br />

Anmerkung: Von den Kandidaten können vertiefte Kenntnisse zur Gerichtspraxis der<br />

Marginalgrenze nicht erwartet werden. Allerdings sollten die Kandidaten erkennen,<br />

dass der von der E gezahlte Kaufpreis genau der Maklerprovision entspricht, was ein<br />

Umgehungsgeschäft zur Vermeidung der Maklerprovision zumindest nahelegt. Wenn<br />

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die Kandidaten damit argumentativ umgehen, dürfte auch ein anderes Ergebnis<br />

vertretbar sein.<br />

bb) Problematisch ist schließlich, dass die Kausalität durch das Ruhen der<br />

Verkaufsgespräche in den Monaten Juni und Juli 2010 unterbrochen gewesen sein<br />

könnte. Grundsätzlich sieht § 652 BGB keinen Zeitraum vor, innerhalb dessen der<br />

Hauptvertrag abgeschlossen sein muss (Palandt/Sprau, a.a.O., § 652 Rn. 52;<br />

Münchener Kommentar/Roth, a.a.O., § 652 Rn. 144). Auch entfällt die Ursächlichkeit<br />

nicht durch Ausschaltung des Maklers, wenn der Vertragsschluss auf der ansonsten<br />

angebahnten Grundlage zustande kommt. Nur dann, wenn die Vertragsgespräche<br />

endgültig abgebrochen wurden und ein längerer Zeitraum und unter veränderten<br />

Umständen vergangen ist, kann eine Unterbrechung des Kausalverlaufs angenommen<br />

werden (Palandt/Sprau, a.a.O., § 652 Rn. 50, 51 m.w.N.). Wenn der Makler die<br />

Gelegenheit zum Vertragsschluss nachgewiesen hat und seiner Tätigkeit der<br />

Abschluss des Hauptvertrags in angemessenem Zeitabstand folgt, ergibt sich daraus<br />

der Schluss auf den Ursachenzusammenhang zwischen beiden von selbst (vgl. z.B.<br />

BGHZ 141, S. 40, 44; BGH, NJW 2008, S. 65). Als angemessener Zeitabstand, der<br />

diese Schlussfolgerung rechtfertigt, sind in der Rechtsprechung des BGH vier Monate<br />

(BGHZ 141, S. 40, 43), circa drei bis fünf Monate (BGH, NJW 1980, S. 123; NJW<br />

2008, S. 65) und mehr als ein halbes Jahr (BGH, NJW 2005, S. 3779) angesehen<br />

worden. Hier liegen zwischen dem Ruhen der Vertragsverhandlungen zwischen der Y-<br />

GmbH und I und dem Vertragsschluss zwischen der X-GmbH und E ca. 2 Monate. Die<br />

Personenverschiedenheit auf Käuferseite ist nach den unter aa) genannten<br />

Grundsätzen unbeachtlich und unterbricht auch hier die Kausalität nicht. Auch liegt der<br />

Zeitraum sogar noch unter dem Bereich des Rahmens, innerhalb dessen ein<br />

„angemessener Zeitabstand” zwischen dem Maklernachweis und dem Abschluss des<br />

Hauptvertrags nach der Rechtsprechung angenommen wurde, so dass für die<br />

Ursächlichkeit der Tätigkeit der Y-GmbH für das Zustandekommen des Kaufvertrags<br />

eine Vermutung streitet.<br />

cc) Zuletzt ist erneut auf die Frage der Kausalitätsunterbrechung durch eine eigenständige<br />

Kaufentscheidung der E zurückzukommen. Aber auch hier kann eine mittelbare<br />

Einwirkung durch die Y-GmbH angenommen werden, da die Ehefrau durch die<br />

Vermittlungstätigkeit gegenüber I vollständig über das Objekt informiert wurde und<br />

somit vollständig in den Genuss der Arbeit der Y-GmbH kommt. Es liegt außerhalb<br />

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jeglicher Lebenserfahrung, dass Kaufvertrag über ein Grundstück ohne Besichtigung<br />

oder anderweitige Informationen durch die E vorgenommen worden wäre.<br />

Die Vermittlungstätigkeit der Y-GmbH ist zumindest mitursächlich im Sinne der für<br />

§ 652 BGB erforderlichen Kausalität zum Zustandekommen des Hauptvertrages.<br />

b. Die Höhe der zu zahlenden Maklerprovision richtet sich nach den vertraglichen<br />

Vereinbarungen der Parteien. Die Parteien haben hier eine Provision von 5 % vom<br />

tatsächlich gezahlten Kaufpreis vereinbart. Ausgehend von einem Kaufpreis von<br />

2.375.000 € liegt der an die Y-GmbH zu zahlende Betrag bei 118.750 €.<br />

2. Außervertragliche Ansprüche<br />

Anhaltspunkte für außervertragliche Ansprüche der Y-GmbH bestehen hingegen nicht.<br />

Ausführungen dazu dürften daher im Gutachten auch hier entbehrlich sein.<br />

3. Ergebnis:<br />

Im Hinblick auf das Grundstück an der Hamburger Außenalster stehen der Y-GmbH<br />

Zahlungsansprüche in Höhe von 118.750 € zu.<br />

III. Ansprüche wegen der Vermittlung des Grundstücks in Berlin-Kladow<br />

1. § 652 BGB in Verbindung mit dem Maklervertrag<br />

Die Y-GmbH könnte gegen die X-GmbH einen Provisionsanspruch in Höhe von<br />

25.000 € aus dem Maklervertrag vom 10. Januar 2010 haben.<br />

a. Auch hier ist zunächst ein Maklervertrag am 10. Januar 2010 wirksam zwischen den<br />

Vertragsparteien geschlossen worden.<br />

b. Ein Grundstückskaufvertrag wurde auch zwischen A und der X-GmbH geschlossen.<br />

c. (Mit-)ursächlich i.S.d. § 652 BGB sind nur solche Vermittlungsbemühungen, die noch<br />

während des laufenden Maklervertrags unternommen worden sind. Da ein Teil dieser<br />

Bemühungen (Zeitungsanzeige) vor, die übrigen (Kontaktaufnahme und Exposé) nach<br />

der Kündigung erfolgten, kommt es darauf an, ob der Maklervertrag durch die<br />

Kündigung beendet wurde und deshalb zu prüfen ist, ob die Zeitungsanzeige als<br />

Vermittlungstätigkeit ausreicht.<br />

d. Eine wirksame Kündigung setzt Kündigungserklärung und Kündigungsgrund voraus.<br />

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Ein Kündigungsgrund ist hier nicht erforderlich: Die Vereinbarung des hier vorgesehenen<br />

beiderseitigen Kündigungsrechts dürfte rechtlich unbedenklich sein. Der Maklervertrag ist,<br />

sofern nicht anders vereinbart, von unbestimmter Dauer (Palandt/Sprau, a.a.O., § 652<br />

Rn. 12). Die Kündigungsregeln sind daher grundsätzlich dispositiv. Ein Kündigungsrecht<br />

wurde hier zwischen den Vertragsparteien am 10. Januar 2010 individuell ausgehandelt<br />

und dahin ausgestaltet, dass durch eine schriftliche Erklärung beide Vertragsparteien den<br />

Maklervertrag mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende kündigen können. Ein<br />

besonderer Kündigungsgrund war danach nicht erforderlich, so dass die Kündigung ohne<br />

nähere Begründung zulässig war. Die Kündigung wurde fristgerecht durch den<br />

Prokuristen P der X-GmbH per Telefax unter dem 10. September 2010 zum 31. Oktober<br />

2010 erklärt.<br />

e. Kündigungserklärung. Wirksamkeitsbedenken in Bezug auf die Kündigung bestehen<br />

lediglich im Hinblick auf die Vollmacht des P (aa) sowie wegen der Form der Erklärung<br />

(bb):<br />

aa) P hat die Kündigung im Namen der X-GmbH erklärt. Als Prokurist war er gem. § 49<br />

Abs. 1 HGB zum Abschluss aller gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte<br />

befugt und durfte alle Rechtshandlungen vornehmen, die zum Betrieb des<br />

Handelsgewerbes der X-GmbH erforderlich waren, also auch eine Vertragskündigung.<br />

Wirksamkeitsbedenken an der Prokurabestellung nach § 48 HGB bestehen nicht.<br />

Allerdings hat die Y-GmbH durch ihren Geschäftsführer die Kündigungserklärung<br />

wegen fehlender Vollmacht umgehend mit Schreiben vom 14. September 2010<br />

zurückgewiesen, da diese ihr gegenüber nicht angezeigt worden sei. Gem. § 174 S. 1<br />

BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen<br />

gegenüber vornimmt unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde<br />

nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich<br />

a.a.O., § 174 Rn. 3, 4). zurückweist.<br />

§ 174 BGB gilt für alle rechtsgeschäftlichen Vertreter, nicht hingegen für die<br />

gesetzlichen Vertreter bzw. organschaftlichen Vertreter (vgl. Palandt/Ellenberger, Bei<br />

der Prokura handelt es sich gem. § 48 HGB um die rechtsgeschäftliche Einräumung<br />

der Vertretungsmacht durch den gem. § 35 GmbHG berufenen Geschäftsführer.<br />

Mithin ist § 174 BGB im zugrunde liegenden Fall anwendbar.<br />

Die Vorschrift gilt zudem für alle einseitig empfangsbedürftigen Willenserklärungen<br />

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(vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 174 Rn. 2), also auch für die Kündigung.<br />

Die Kündigung der X-GmbH dürfte hier dennoch nicht wirksam gemäß § 174 S. 1 BGB<br />

zurückgewiesen worden sein. Zwar wurden der Kündigung keine Originalvollmachten<br />

des unterzeichnenden Prokuristen P beigelegt. Jedoch dürfte sich die Y-GmbH hierauf<br />

nicht berufen, da § 174 S. 2 BGB eingreift. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen,<br />

wenn der Vollmachtgeber den Empfänger von der Bevollmächtigung in Kenntnis setzt.<br />

Hier dürfte die X-GmbH die Y-GmbH von der Bevollmächtigung des P durch die<br />

Eintragung der Prokura im Handelsregister und deren Bekanntmachung durch das<br />

Registergericht in Kenntnis gesetzt haben (vgl. auch Münchener<br />

Kommentar/Schramm, a.a.O., § 174 Rn. 8). Dies folgt aus den Grundsätzen der<br />

Publizität des Handelsregisters gem. § 15 HGB. Ist eine Tatsache in das<br />

Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht worden, so muss ein Dritter sie<br />

gem. § 15 Abs. 2 S. 1 HGB gegen sich gelten lassen:<br />

§ 15 Abs. 2 S. 1 HGB gilt nach der ganz überwiegenden Auffassung in<br />

Rechtsprechung und Literatur seinem Wortlaut gemäß wie auch seinem Sinn und<br />

Zweck entsprechend auch im Rahmen des § 174 S. 2 BGB (BAG, ZIP 1992, S. 497;<br />

Münchener Kommentar/Schramm, a.a.O., § 174 Rn. 8; Palandt/Ellenberger, a.a.O.,<br />

§ 174 Rn. 7; LAG Hamm, 29.5.2009, 7 Sa 1643/08 zitiert nach juris; Baumbach/Hopt,<br />

HGB, 34. Aufl. 2010, § 49 Rn. 1; kritisch hierzu Lux, Ausschluss des<br />

Zurückweisungsrechts nach § 174 S. 2 BGB wegen Eintragung im Handelsregister?<br />

NZA-RR 2008, S. 393 ff.). Im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des<br />

Rechtsverkehrs geht die Vorschrift von der tatsächlichen Kenntnisnahme des Dritten<br />

von der eingetragenen Tatsache aus, unabhängig davon, ob dieser das<br />

Handelsregister tatsächlich eingesehen oder in sonstiger Weise von der<br />

eingetragenen Tatsache Kenntnis erlangt hat oder nicht (vgl. LG Halle, NZV 2009,<br />

S. 297). Dem Schutzbedürfnis des Dritten wird u.a. dadurch Rechnung getragen, dass<br />

er sich nach dieser Vorschrift nur richtige Tatsachen entgegen halten lassen muss.<br />

Anmerkung: Mit entsprechender Auffassung dürfte auch die vereinzelt gebliebene<br />

Gegenauffassung vertretbar sein, wonach § 15 Abs. 2 S. 1 HGB nur eine<br />

Geltungsfiktion begründe, jedoch keine Tatsachenfiktion darstellen könnte (vgl. Lux,<br />

a.a.O., S. 393, 397, 398). Wer dieser Auffassung folgt, müsste sich mit den weiteren<br />

Fragen hilfsgutachterlich auseinandersetzen.<br />

652.doc letzte Änderung: 8.08.12 Frey Seite 13


Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 S. 1 HGB sind erfüllt. Der P war nach den<br />

Vorgaben des <strong>Sachverhalt</strong>s als Prokurist der X-GmbH im Handelsregister<br />

eingetragen. Die gem. §§ 15 Abs. 2, 10 HGB erforderliche Bekanntmachung ist<br />

ebenfalls nach den <strong>Sachverhalt</strong>svorgaben erfolgt. Wirksamkeitshindernisse sind nicht<br />

ersichtlich.<br />

Fraglich ist, ob die Unterschrift des P deshalb unwirksam ist, weil sie nicht lesbar war<br />

und der im Handelsregister als Prokuristen eingetragen Person nicht eindeutig<br />

zugeordnet werden konnte. § 174 Abs. 2 BGB verlangt lediglich Kenntnis von der<br />

Bevollmächtigung. Die Norm dient dem Erklärungsempfänger, der an der Vornahme<br />

eines einseitigen Rechtsgeschäfts nicht beteiligt ist und dem gegenüber das<br />

Rechtsgeschäft nicht vom Geschäftsherrn persönlich, sondern von einem Vertreter<br />

vorgenommen wird, der sich über die erteilte Vollmacht nicht ausweist. Der<br />

Erklärungsempfänger kommt damit in die ungünstige Lage, dass er keine Gewissheit<br />

darüber hat, ob das Rechtsgeschäft von einem wirklich Bevollmächtigten ausgeht und<br />

der Vertretene dasselbe gegen sich gelten lassen muss. Diese Ungewissheit über die<br />

Wirksamkeit des einseitigen Rechtsgeschäfts beruht auf Mängeln in der<br />

Bevollmächtigung. Nur in diesem Fall verlangt § 174 zur Beseitigung dieser<br />

Ungewissheit, dass der Adressat des einseitigen Rechtsgeschäfts Kenntnis von der<br />

Bevollmächtigung hat. Dem dient gerade § 15 Abs. 2 HGB, indem die Kenntnis von<br />

der eingetragenen Tatsache fingiert wird.<br />

Demgegenüber ist die Frage der fehlenden Lesbarkeit der Unterschriften keine Frage,<br />

ob eine Bevollmächtigung vorliegt, sondern, welchem Vertreter die Erklärung<br />

zugeordnet werden kann. § 174 S. 2 BGB verlangt nur, dass der Erklärungsempfänger<br />

Kenntnis von der Bevollmächtigung hat, nicht auch noch, dass er Gewissheit darüber<br />

hat, dass der Erklärende auch gleichzeitig der Bevollmächtigte ist. Auch die<br />

Unsicherheit, ob die Erklärung von dem Geschäftspartner selbst herrührt, muss der<br />

Erklärungsempfänger tragen. Auch insoweit kennt das deutsche Recht keine Regel,<br />

dass die Unterschrift lesbar sein muss. Insoweit sind Unsicherheiten hinsichtlich der<br />

Person, die die Erklärung abgibt von dem Empfänger zu tragen; im Ergebnis ebenso<br />

LG Halle NZV 2009, S. 297 f. mit der nebulösen Umschreibung, es handele sich um<br />

ein Problem „der mangelnden Nachvollziehbarkeit“. Die ergibt sich zudem auch<br />

daraus, dass das Problem der mangelnden Erkennbarkeit dessen, ob tatsächlich der<br />

652.doc letzte Änderung: 8.08.12 Frey Seite 14


Bevollmächtigte der Urheber der Erklärung ist, sich auch dann stellt, wenn unter<br />

Vorlage einer Vollmachtsurkunde gekündigt worden wäre und damit § 174 S. 1 BGB<br />

Anwendung fände. Denn in diesem Fall würde sich aus der Vollmachtsurkunde<br />

ebenfalls nicht ergeben, mit welchem Schriftzug der Bevollmächtigte unterzeichnet<br />

und es würde sich in gleicher Weise die Frage nach der Identität des Unterzeichners<br />

stellen (vgl. LG Halle, a.a.O.). Somit muss dasselbe auch dann gelten, wenn der<br />

Adressat vorher von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt wurde oder § 15 Abs. 2<br />

HGB eingreift.<br />

Anmerkung: Mit entsprechender Begründung könnte auch ein anderes Verständnis<br />

vertretbar sein. Denn letztendlich wird man dem Schutzzweck des § 174 BGB,<br />

Ungewissheiten über die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts auszuschließen, damit<br />

nicht gerecht. Weiß der Empfänger nicht, wer der Urheber der Erklärung ist, dann<br />

weiß er auch nicht, ob die Erklärung nun von einem Bevollmächtigten stammt und<br />

damit wirksam ist oder nicht. Allerdings wird das Argument, dass diese Ungewissheit<br />

auch dann besteht, wenn der Vertretene selbst die Erklärung abgibt und nicht klar<br />

zuzuordnen ist, schwer zu widerlegen und schlussendlich ausschlaggebend sein.<br />

bb) Die Kündigung ist auch formwirksam erklärt worden. Zwar ist ein Rechtsgeschäft, das<br />

die gesetzlich vorgesehene oder vertraglich vereinbarte Form nicht einhält, nichtig; vgl.<br />

§§ 125, 126, 127 BGB. Hier haben die Parteien des Vertrages vom 10. Januar 2010<br />

für die Kündigung die Schriftform vereinbart. Gem. § 126 Abs. 1 BGB muss bei<br />

vorgeschriebener Schriftform die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch<br />

Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet<br />

sein. Zur Wahrung einer durch Rechtsgeschäft bestimmten schriftlichen Form genügt<br />

gem. § 127 Abs. 2 BGB – soweit nicht ein anderer Wille zu erkennen ist – die<br />

telekommunikative Übermittlung der unterschriebenen Urkunde. Bei einer<br />

Verkörperung auf Papier genügt daher ein Telefax, wenn das Original – wie hier –<br />

eigenhändig unterschrieben ist (vgl. BGH, NJW-RR 1996, S. 866; Palandt/Ellenberger,<br />

a.a.O., § 127 Rn. 2).<br />

Anmerkung: Mit entsprechender Begründung dürfte hier eine andere Auslegung<br />

ebenfalls vertretbar sein. Die Schriftform darf nach § 127 II BGB aber nicht deshalb<br />

verneint werden, da es an einem Briefwechsel mangele. Zum einen sieht diese<br />

Vorschrift den Briefwechsel ohnehin nur beim Vertrag vor. Hier geht es um eine<br />

652.doc letzte Änderung: 8.08.12 Frey Seite 15


Kündigung. Zum anderen ist gemeint, dass bei rechtsgeschäftlicher Schriftform die<br />

telekommunikative Übertragung ausreicht und bei Verträgen nicht mal ein und<br />

dasselbe Medium verlangt zu werden braucht, also die Vereinbarungen und<br />

Unterschriften auch auf verschiedenen Papieren ausreichen.<br />

Auch in diesem Zusammenhang dürfte der (Un-)Lesbarkeit der Unterschrift des P<br />

keine Bedeutung zukommen. Eine Urkunde übt in der Regel die Klarstellungs- und<br />

Beweisfunktion über die Identität des Ausstellers aus und soll dem Empfänger eine<br />

Überprüfung gewährleisten, wer die Erklärung abgegeben hat (vgl.<br />

Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 126 Rn. 6). Ausreichend ist ein hinreichend individueller<br />

Schriftzug; einer Lesbarkeit der Unterschrift bedarf es zur Wahrung der (gewillkürten)<br />

Schriftform nicht (vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 126 Rn. 10; m.w.N.; LG Halle,<br />

a.a.O.). Der Erklärungsempfänger erhält durch die Unterschrift nur die Möglichkeit zu<br />

überprüfen, wer die Erklärung abgegeben hat und ob die Erklärung echt ist. Selbst das<br />

Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift auf der Grundlage von § 126 BGB verlangt<br />

- wie bereits dargelegt - nicht, dass unmittelbar bei Abgabe der schriftlichen Erklärung<br />

für den Erklärungsempfänger die Person des Ausstellers feststehen muss; dieser soll<br />

nur identifiziert werden können (BAG, NJW 2008, S. 2521). Es ist daher nach der<br />

vorgenannten Rechtsprechung ein großzügiger Maßstab zur Identifizierung der<br />

Unterschrift anzulegen. Hier hat der P mit der für ihn typischen Unterschrift<br />

gezeichnet, so dass eine Identifizierung ohne Weiteres möglich ist und dem<br />

Empfängerinteresse dadurch hinreichend genügt wurde.<br />

f. Die Y-GmbH könnte ihren Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Maklerprovision<br />

dennoch behalten haben, wenn sie die maßgeblichen Vermittlungsleistungen noch<br />

innerhalb der Vertragslaufzeit erbracht hätte. Die Beendigung des Maklervertrages<br />

entfaltet Wirkungen nämlich nur für die Zukunft. Hat der Makler während der<br />

Vertragslaufzeit seine Leistungen erbracht, kann sich der Auftraggeber nicht durch<br />

Kündigung seiner Vergütungspflicht entziehen, wenn der beabsichtigte Hauptvertrag<br />

später abgeschlossen wird (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., § 652 Rn. 12).<br />

Hier hatte die Y-GmbH ein Zeitungsinserat zwar nach der erfolgten<br />

Kündigungserklärung (10. September 2010) aber noch vor der vertraglich vereinbarten<br />

Beendigungsfrist (31. Oktober 2010) am 30. Oktober 2010 geschaltet. Die konkreten<br />

Vertragsverhandlungen mit dem Kaufinteressenten A erfolgten hingegen erst im<br />

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November 2010, also nach Vertragsbeendigung im Verhältnis zwischen der X-GmbH<br />

und der Y-GmbH. Fraglich ist daher, wie hoch der Anteil der Vermittlungstätigkeit sein<br />

muss, damit noch von einer provisionspflichtigen Tätigkeit gesprochen werden kann.<br />

Die Maklertätigkeit braucht zwar grundsätzlich nicht die alleinige oder auch nur die<br />

hauptsächliche Ursache für den späteren Abschluss des Hauptvertrages zu sein.<br />

Vielmehr genügt eine Mitverursachung in diesem Sinne, dass sich der Abschluss des<br />

Hauptvertrages zumindest auch als Ergebnis einer für den Erwerber wesentlichen<br />

Maklerleistung darstellt (vgl. Münchener Kommentar/Roth, a.a.O., § 652 Rn. 107).<br />

Mitursächlichkeit kann daher etwa vorliegen, wenn der Kunde durch die Maklerleistung<br />

den Anstoß bekommen hat, sich konkret um das in Rede stehende Objekt zu<br />

bemühen (BGH NJW 1983 S. 1849). Der Sache nach ist aber auch bei dem<br />

Vermittlungsmakler eine wesentliche Maklerleistung erforderlich. Maßgebliches<br />

Kriterium ist daher, dass die Maklertätigkeit sich im Sinne einer finalen Ausrichtung auf<br />

den tatsächlich zustande gekommenen Hauptvertrag bezieht. Entscheidend ist dabei<br />

nicht die subjektive Sicht der Beteiligten, sondern der objektive Sinn der<br />

Maklertätigkeit. Deshalb reicht es ebenso wenig wie beim Nachweismakler aus, dass<br />

die Tätigkeit in irgendeiner Weise für das Zustandekommen des Hauptvertrages<br />

ursächlich oder mitursächlich geworden ist (vgl. Münchener Kommentar/Roth, a.a.O.,<br />

§ 652 Rn. 107 m.w.N.).<br />

Hier besteht Raum zur Argumentation: Es ließe sich begründen, dass die<br />

Maklertätigkeit der Y-GmbH, durch die das Interesse des A entfacht wurde, noch zum<br />

Zeitpunkt der Gültigkeit des Maklervertrages erfolgte. Durch ein Zeitungsinserat hat<br />

die Y-GmbH auch Kosten gehabt, die sich auf den Abschluss eines späteren<br />

Kaufvertrages zurückführen lassen.<br />

Dagegen spricht jedoch, dass ein Inserat noch keine finale Ausrichtung auf einen<br />

konkreten Vertragsschluss bewirken kann. Es ist an eine Vielzahl möglicher<br />

Kaufinteressenten gerichtet und individualisiert noch nicht einmal einen engeren<br />

Käuferkreis. Auch ließe sich argumentieren, dass die Schaltung eines solchen<br />

Inserates am vorletzten Tag der vertraglich vereinbarten Laufzeit in der Regel nicht<br />

über das Stadium des Inserats hinausgehen wird. Die eigentliche Vermittlungstätigkeit,<br />

also die Aufnahme von Verhandlungen, die Übergabe des Exposé sowie die<br />

Besichtigung des Grundstücks konnte innerhalb der Vertragslaufzeit praktisch nicht<br />

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mehr erfolgen. Zudem bestünde hier eine nicht unerhebliche Missbrauchsmöglichkeit<br />

seitens des Maklers, gegen den ausdrücklich erklärten Willen des Auftraggebers auch<br />

nach Vertragsbeendigung tätig zu sein. Wer dieser Argumentation folgt, kommt zu<br />

dem Ergebnis, dass eine provisionspflichtige Vermittlungstätigkeit hier nicht vorliegt.<br />

Eine konkludente nachträgliche Vereinbarung durch Entgegennahme der<br />

Maklerleistung scheitert im vorliegenden Falle jedenfalls daran, dass die X-GmbH von<br />

der Vermittlungsleistung der Y-GmbH in Bezug auf dieses Grundstück nach den<br />

Vorgaben des <strong>Sachverhalt</strong>s keine Kenntnis hatte.<br />

2. Zwischenergebnis<br />

Im Hinblick auf das Grundstück in Berlin-Kladow steht der Y-GmbH kein Anspruch aus<br />

Maklervertrag zu.<br />

Anmerkung: Mit entsprechender Begründung dürften hier beide Auffassungen<br />

vertretbar sein. Wer hier eine kausale Vermittlungstätigkeit bejaht, könnte sich<br />

weiterhin damit auseinandersetzen, dass die herrschende Ansicht in Rechtsprechung<br />

und Literatur für die Entstehung des Anspruchs verlangt, dass der Maklerkunde auch<br />

Kenntnis von der Vermittlertätigkeit hat. Dies wird damit begründet, dass der<br />

Auftraggeber in der Lage sein soll, die Provision als Preisfaktor zu kalkulieren.<br />

Vorliegend wusste die X-GmbH nichts von der Vermittlungstätigkeit der Y-GmbH,<br />

sodass auch aus diesem Grund der Anspruch auf den Maklerlohn entfallen würde.<br />

Allerdings ist der Auftraggeber nicht schon dann von der Provisionspflicht frei, wenn<br />

der auf ihn zukommende Interessent die Leistung des Maklers verschweigt. Vielmehr<br />

wird verlangt, dass er sich bei dem Makler vergewissert, ob er den Partner des<br />

Hauptvertrages auf das Angebot aufmerksam gemacht hat. Tut er dies nicht, könne er<br />

sich nicht darauf berufen, dass die Einwirkung auf den Kaufentschluss unterblieben<br />

sei; vgl. OLG München, NJW 1986, 894, 895, allerdings ohne dogmatische<br />

Anknüpfung. Darauf kann es hier allerdings nicht ankommen, da die X-GmbH keine<br />

Veranlassung hatte, davon auszugehen, dass A aufgrund der Vermittlungstätigkeit an<br />

sie herantrat. A wurde erst nach der Kündigung geworben und trat auch erst danach<br />

an die X-GmbH heran. Sie muss nicht damit rechnen, dass eine Vermittlungstätigkeit<br />

nach der Kündigung noch erfolgt.<br />

3. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)?<br />

Ansprüche aus einer berechtigten GoA gem. §§ 683, 677, 670 BGB scheitern<br />

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jedenfalls daran, dass die Y-GmbH für ihre weitere Vermittlungstätigkeit nicht mehr<br />

beauftragt sein sollte. Durch die Kündigung des Maklerauftrags hat die X-GmbH<br />

jedenfalls ein entgegenstehendes Interesse zum Ausdruck gebracht, was<br />

grundsätzlich zu berücksichtigen ist (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., § 677 Rn. 12). Ein<br />

solcher Wille ist hier auch nicht gem. § 679 BGB unbeachtlich.<br />

4. Ansprüche aus § 354 HGB?<br />

Ein Anspruch aus § 354 HGB dürfte im Ergebnis an den gleichen Erwägungen<br />

scheitern. Ist der Makler bei der Leistung an den Kunden Kaufmann, so kann der auf<br />

Grund eines unwirksamen oder nicht zustande gekommenen Vertrages geleistete<br />

Maklerdienst nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung zwar grundsätzlich<br />

einen Anspruch aus § 354 HGB auslösen (vgl. zum Streitstand Münchener<br />

Kommentar/Roth, a.a.O., § 652 Rn. 82). Die X-GmbH und die Y-GmbH sind hier<br />

Kaufleute im Sinne des HGB. Nach § 354 HGB soll der Zivilmakler mit<br />

Kaufmannseigenschaft nach dieser Auffassung auch ohne gültigen Maklervertrag bei<br />

einer zum Erfolg führenden Maklertätigkeit provisionsberechtigt sein, wenn er<br />

befugterweise für den Interessenten tätig ist (vgl. Nachweise bei Münchener<br />

Kommentar/Roth, a.a.O., § 652 Rn. 82; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 652 Rn. 10 auch<br />

zur Gegenauffassung). Ob eine solche Anwendbarkeit des § 354 BGB grundsätzlich<br />

anzuerkennen ist, kann im konkreten Fall jedoch offen bleiben. Eine solche Befugnis<br />

der Y-GmbH besteht hier nämlich nach der Kündigung des Maklervertrages durch die<br />

X-GmbH nicht mehr.<br />

5. Bereicherungsrechtliche Ansprüche?<br />

Grundsätzlich ist bei unwirksamem, nicht zustande gekommenem oder beendetem<br />

Maklervertrag an bereicherungsrechtliche Ansprüche aus einer Leistungskondiktion<br />

gem. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt BGB zu denken (vgl. hierzu eingehend Münchener<br />

Kommentar/Roth, a.a.O., § 652 Rn. 81 m.w.N.): Die empfangene Vermittlungstätigkeit<br />

der Y-GmbH kann eine Leistung an die X-GmbH darstellen und dann nach § 818 Abs.<br />

2 BGB ihrem Verkehrswert nach herauszugeben sein. Auch ist ein rechtlicher Grund<br />

durch die wirksame Kündigung der X-GmbH entfallen. Allerdings dürften<br />

bereicherungsrechtliche Ansprüche daran scheitern, dass die Y-GmbH trotz der<br />

ausgesprochenen Kündigung durch die X-GmbH die Vermittlungstätigkeit über den<br />

31. Oktober 2010 hinaus fortgesetzt hat. Es ist allein problematisch, ob dies<br />

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dogmatisch damit begründet wird, dass in einem solchen Fall § 814 BGB anzuwenden<br />

ist, wonach der Anspruch dann entfällt, wenn der Leistende in Kenntnis der<br />

Nichtschuld handelte, oder damit, dass dem Leistenden die Übernahme des<br />

Wirksamkeitsrisikos aus Treu und Glauben entgegengehalten wird, das zu einem<br />

konkludenten Verzicht der Bereicherungsansprüche führt (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O.,<br />

§ 814 Rn. 3). Das Merkmal „gewusst“ i.S.d. § 814 BGB erfordert positive Kenntnis der<br />

Nichtschuld. Zwar fehlte dem Geschäftsführer und damit (§ 166 BGB oder analog § 31<br />

BGB) der Y-GmbH diese Kenntnis, sie wird aber wiederum nach § 15 Abs. 2 S. 1<br />

fingiert: Mit der Kenntnis Prokura ist der Maklervertrag wirksam gekündigt. Damit ist<br />

§ 814 BGB erfüllt.<br />

Bereicherungsrechtliche Ansprüche greifen daher nicht durch.<br />

6. Ergebnis<br />

Die Y-GmbH hat nach der hier vertretenen Auffassung keinerlei Zahlungsansprüche<br />

wegen der Vermittlung des Grundstücks in Berlin-Kladow.<br />

Zusatzfrage 1:<br />

I. Örtliche und sachliche Zuständigkeit des Gerichts<br />

Die örtliche Zuständigkeit für einen Prozess folgt nach dem allgemeinen Gerichtsstand<br />

des Beklagten. Hier wäre die beklagte X-GmbH eine juristische Person des<br />

Privatrechts, so dass die Klage gem. § 17 Abs. 1 ZPO an ihrem Verwaltungssitz<br />

erhoben werden müsste. Eine Klage müsste also in Berlin erhoben werden. Nichts<br />

anderes würde bei einer Zuständigkeitsbestimmung nach dem besonderen<br />

Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. § 29 ZPO i.V.m. § 270 Abs. 1 BGB gelten.<br />

Sachlich zuständig ist gem. §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG das Landgericht, da der<br />

Zuständigkeitsstreitwert (vgl. § 3 ZPO) 5.000,00 € übersteigt. Die Zahlungsansprüche<br />

könnten im Wege der objektiven Klagehäufung gem. § 260 ZPO geltend gemacht<br />

werden, wobei die Werte der einzelnen Ansprüche gem. § 5 Abs. 1 ZPO<br />

zusammengerechnet werden.<br />

II. Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen<br />

Da die Y-GmbH ihre Klage vor einem Gericht erheben möchte, das über erhöhten<br />

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wirtschaftlichen Sachverstand verfügt, ist ihr eine Anrufung der Kammer für<br />

Handelssachen gem. § 96 Abs. 1 GVG zu empfehlen. Die Kammer für Handelssachen<br />

betrifft eine gesetzliche Regelung der Geschäftsverteilung (vgl. Zöller/Vollkommer,<br />

ZPO, 28. Aufl. 2010, § 1 Rn. 4), deren Zuständigkeit in den §§ 94 ff. GVG geregelt ist.<br />

Die Kammer für Handelssachen kann gem. § 93 GVG bei den Landgerichten gebildet<br />

werden. Sie entscheidet im Regelfall durch einen Berufsrichter und zwei<br />

ehrenamtliche Richter, vgl. § 105 GVG. In § 109 GVG sind die persönlichen<br />

Anforderungen geregelt, die an die ehrenamtlichen Handelsrichter gestellt werden.<br />

Gem. § 109 Abs. 1 Nr. 3 GVG handelt es sich hierbei um Personen, die aufgrund ihrer<br />

hauptberuflichen Tätigkeit in wirtschaftlichen Zusammenhängen erfahren sind und<br />

nach § 108 GVG von der Industrie- und Handelskammer vorgeschlagen werden.<br />

Die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Berlin wäre hier gem. § 95 Abs. 1<br />

Nr. 1 GVG zuständig, weil sich die Klage gegen eine im Handelsregister eingetragene<br />

Handelsgesellschaft richtet, vgl. § 6 HGB; § 13 Abs. 3 GmbHG. Dabei ist zu beachten,<br />

dass ein Rechtsstreit nur dann vor der Kammer für Handelssachen verhandelt wird,<br />

wenn der Kläger dies bereits in der Klageschrift beantragt (vgl. § 96 Abs.1 GVG) oder<br />

der Beklagte es gem. §§ 98, 101 GVG vor der Verhandlung zur Sache bei einer vor<br />

der Zivilkammer anhängig gemachten Angelegenheit die Verweisung an die Kammer<br />

für Handelssachen beantragt.<br />

Zusatzfrage 2:<br />

I. Materiell-rechtlicher Auskunftsanspruch<br />

Die Y-GmbH hat gegen die X-GmbH in materiell-rechtlicher Hinsicht einen<br />

Auskunftsanspruch. Der Anspruch folgt aus § 242 BGB (vgl. Palandt/Grüneberg,<br />

a.a.O., § 260 Rn. 4). Aus § 242 BGB ergibt sich eine Auskunftspflicht, wenn die<br />

zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der<br />

Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines<br />

Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit<br />

erforderliche Auskunft unschwer geben kann (st. Rspr. vgl. etwa BGH NJW 2007,<br />

S. 1806; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 260 Rn. 4 m.w.N.). Dies dürfte hier<br />

unproblematisch der Fall sein: Zwischen der Y-GmbH und der X-GmbH besteht das<br />

notwendige Vertragsverhältnis, das grundsätzlich Auskunftspflichten des<br />

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Auftraggebers über den Vertragsbestand begründet (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., § 652<br />

Rn. 56 m.w.N.). Die Y-GmbH hat auch keine Kenntnis von etwaigen<br />

Vertragsverhältnissen, die die X-GmbH mit von ihr vermittelten Kaufinteressenten<br />

abgeschlossen hat. Die Unkenntnis ist unverschuldet, denn es liegt allein in der<br />

Verhandlungssituation der X-GmbH mit den Kaufinteressenten, ob Verträge<br />

tatsächlich abgeschlossen werden. Schließlich dürfte eine Auskunftserteilung der X-<br />

GmbH unschwer möglich sein. Während der Vertragslaufzeit war die Y-GmbH mit der<br />

alleinigen Vermakelung der benannten Grundstücke beauftragt. Durch eine schlichte<br />

Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen kann hier eine entsprechende Auskunft<br />

gegeben werden.<br />

II. Prozessuale Durchsetzbarkeit<br />

Der Auskunftsanspruch kann mittels einer auf Auskunft gerichteten Leistungsklage<br />

nach § 253 ZPO geltend gemacht werden (vgl. hierzu Zöller/Greger, a.a.O., § 253<br />

Rn. 13 c). Zulässig ist es auch, den Auskunftsanspruch prozessual zugleich mit einem<br />

etwaigen Leistungsanspruch als Stufenklage gem. § 254 ZPO zu verbinden. Mit der<br />

Stufenklage kann ein der Höhe oder dem Gegenstand nach noch unbekannter<br />

Leistungsanspruch zugleich mit den zu seiner Konkretisierung erforderlichen<br />

Hilfsansprüchen auf Auskunft und Richtigkeitsversicherung erhoben werden.<br />

Anmerkung: Vertiefte Kenntnisse können hierzu von den Kandidaten nicht erwartet<br />

werden. Weiterführende Ausführungen zur Auskunfts- bzw. Stufenklage sollten positiv<br />

berücksichtigt werden.<br />

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