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Programmheft als PDF - Staatskapelle Dresden

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gibt es massenhaft! Ich habe noch gestern dabei Deiner gedacht, und wie<br />

Du geschwelgt hättest.« Pörtschach war für Brahms offenkundig ein überaus<br />

anregendes Ambiente, denn, so der Komponist, »der Wörther See ist<br />

ein jungfräulicher Boden, da fliegen die Melodien, daß man sich hüten muß,<br />

keine zu treten«. Das erste Werk, das aus dieser Grundstimmung heraus zu<br />

Papier gebracht wurde, war 1877 die zweite Symphonie, und auch in dem im<br />

Folgejahr komponierten Violinkonzert, das wohl nicht zufällig ebenfalls in<br />

der Tonart D-Dur notiert ist, hinterließ die lyrische Inspiration der Kärntner<br />

Gefilde deutliche Spuren.<br />

Es muss eine Überraschung sondergleichen gewesen sein, <strong>als</strong><br />

Joseph Joachim, inzwischen Direktor der Königlichen akademischen Hochschule<br />

für Musik in Berlin, im August 1878 eine Postlieferung von Brahms<br />

erhielt – mit der Solostimme eines Violinkonzerts. 25 Jahre hatte der international<br />

gefeierte Solist, der selbst bereits drei Konzerte für sein Instrument<br />

vorgelegt hatte, auf ein solches Werk seines Komponistenfreundes warten<br />

müssen. »Es ist eine große echte Freude für mich«, antwortete er begeistert,<br />

»daß Du ein Violin-Konzert (in vier Sätzen sogar!) aufschreibst. Ich habe<br />

sofort durchgesehen, was Du schicktest, und Du findest hie und da eine<br />

Note und Bemerkung zur Änderung – freilich ohne Partitur läßt sich nicht<br />

genießen. Herauszukriegen ist das meiste, manches sogar recht originell<br />

violinmäßig – aber ob man’s mit Behagen alles im heißen Saal spielen wird,<br />

möchte ich nicht bejahen, bevor ich’s im Fluß mir vorgeführt.« Da sich<br />

Brahms nicht ausreichend vertraut fühlte mit dem Soloinstrument, hatte er<br />

Joachim um Hilfe gebeten und dazu aufgefordert, Änderungsvorschläge an<br />

seinem Entwurf anzubringen. Gemeinsam feilten sie in den nachfolgenden<br />

Monaten an der Partitur, wobei Brahms keineswegs auf alle Anregungen<br />

einging, die ihm Joachim unterbreitete, der allzu schwere oder unbequeme<br />

Doppelgriffe zu entschärfen oder an anderen Stellen den Klang zu verstärken<br />

suchte. Über die Leipziger Uraufführung hinaus bis zur Drucklegung<br />

dauerte diese »Koproduktion« der beiden Künstler an, zu der Joachim auch<br />

die Solokadenz beisteuerte.<br />

Wenn Brahms das Violinkonzert in den frühen Druckausgaben <strong>als</strong><br />

»Concert für Violine mit Begleitung des Orchesters« betitelte, dann war dies<br />

freilich eine gehörige Irreführung. Von einer schlichten Begleitfunktion<br />

kann beim Orchester keine Rede sein – ohne dass dies die Führungsrolle der<br />

Violine schmälern würde, deren Part interpretatorisch höchst anspruchsvoll<br />

gestaltet und mit enormen technischen Schwierigkeiten versehen ist. Thematische<br />

Prozesse überziehen den gesamten Tonsatz und greifen auf alle<br />

Formteile aus, wie es längst ein Markenzeichen des Brahms’schen Komponierens<br />

war. Virtuosität <strong>als</strong> Selbstzweck ist dem von ihm geforderten Konzertieren<br />

fremd, womit sich das Werk in die Nachfolge der Violinkonzerte<br />

eines Beethoven und Mendelssohn einreiht.<br />

Johannes Brahms mit Joseph Joachim, Klagenfurt 1867<br />

Idyllisch im »Ton«, von süßer Melancholie umweht, entspinnt sich der gewichtige<br />

erste Satz des Brahms’schen Konzerts, der immer wieder mit den<br />

charakteristischen Zuspitzungen und dramatischen Verdichtungen versetzt<br />

ist. Mehrfach scheint sich die Violine in entrückten Sphären zu verlieren,<br />

16 17 10. SYMPHONIEKONZERT

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