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Programmheft als PDF - Staatskapelle Dresden

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lich <strong>als</strong> ein ausnehmend herbes,<br />

rechte Seite:<br />

sprödes Werk angekündigt hatte. So Die AnfangsTakte der Symphonie,<br />

berichtete er im Spätsommer 1885 Erstdruck, Oktober 1886<br />

aus Mürzzuschlag in der Steiermark,<br />

dem Enstehungsort der Symphonie, Die 1. und 2. Violinen heben umgehend<br />

mit dem »Hauptthema«<br />

an Elisabet von Herzogenberg: »Im<br />

Allgemeinen sind ja leider die Stücke des ersten Satzes an, das in seinen<br />

von mir angenehmer <strong>als</strong> ich, und eröffnenden vier Takten aus dem<br />

findet man weniger daran zu korrigieren?!<br />

Aber in hiesiger Gegend in Abwärts- und Sexten in Auf­<br />

mehrfachen Wechsel von Terzen<br />

werden die Kirschen nicht süß und wärtsbewegung besteht. Abstraktes<br />

eßbar – wenn Ihnen das Ding <strong>als</strong>o »Gerüst« hinter diesem melodischen<br />

nicht schmeckt, so genieren Sie sich Gebilde ist, analytisch gesehen,<br />

nicht. Ich bin gar nicht begierig, eine eine Folge fallender Terzen (die in<br />

schlechte Nr. 4 zu schreiben.« Elisabet<br />

von Herzogenberg formulierte h-g-e-c-a-f-dis-h. Eine Zeit lang,<br />

Umkehrung zu Sexten werden):<br />

wie gewünscht ihre Eindrücke und wahrscheinlich im Umfeld der Uraufführung,<br />

beabsichtigte Brahms,<br />

Kritikpunkte, gleichwohl sollte sich<br />

Brahms’ Taktik bewähren, auf Zeit diesem unmittelbaren Einsatz des<br />

zu spielen und auf eine zunehmende Themas und damit dem ganzen Satz<br />

Zustimmung zu vertrauen. Das Verständnis<br />

für die Vierte wuchs in sei-<br />

voranzustellen, einen akkordischen<br />

noch eine viertaktige Einleitung<br />

nem engsten Umfeld von alleine und »Klangvorhang« aus vier Takten<br />

damit die Begeisterung für ein Werk, (mit der Folge a-Moll/e-Moll).<br />

das, so Clara Schumann treffend, vor Joseph Joachim favorisierte eine<br />

allem eines ist: »… trotz der vielen solche Hinführung, konnte Brahms<br />

großen Arbeit so voll tiefer Leidenschaft«.<br />

Eine tiefe Leidenschaft und letztlich wieder zu streichen.<br />

aber nicht davon abhalten, die Takte<br />

überbordende Ausdruckskraft, darf<br />

man ergänzen, die an vielen Stellen kurz davor ist, alle Fesseln zu sprengen,<br />

jegliche Brahms’sche (Selbst-)Kontrolle aus der Verankerung zu heben.<br />

Wie wollte man schon dieses berührende Anfangsthema der Symphonie,<br />

diese unendliche Sehnsucht, schillernde Wehmut, unergründliche<br />

Tiefe in den ersten Tönen angemessen in Worte fassen? Der »Mikroskopiker«<br />

mag hinter der Pendelbewegung in den Hauptstimmen, den beiden Violinen,<br />

eine abwärtsführende Terzenkette <strong>als</strong> »Urmodell« erkennen – aber was besagt<br />

das? »Es fiel / ihm wie- / der mal / nichts ein«, dichteten Brahms’ Gegner<br />

genüsslich auf Rhythmus und Melodie dieses Beginns, doch verbarg sich in<br />

verbalen Verzweiflungstaten wie diesen wohl eher eine ordentliche Portion<br />

Galgenhumor: Kapitulation vor der verflixten Brahms’schen Fähigkeit, aus<br />

den allergewöhnlichsten Wendungen einen Gedanken von höchster Individualität<br />

und unsagbarem Ausdruck zu gewinnen. Wie machte der das?<br />

Aus gutem Grund kann man in der Vierten Brahms’ »Opus summum« auf<br />

dem Gebiet des symphonischen Komponierens erblicken, getragen von einer<br />

nochmaligen Radikalisierung der Errungenschaften und Tendenzen seines<br />

Schaffens. Die Symphonie ist ein Meisterwerk der kunstvollen, anspielungsreichen<br />

Arbeit im Detail, aus ihr spricht aber auch das Bekenntnis zur<br />

Größe, Erhabenheit und Schlagkraft des symphonischen Genres – und das<br />

Bekenntnis zur Tradition, zur Geschichte der Musik. Für Brahms war die<br />

Tradition das Fundament, auf dem aufbauend das eigene Komponieren über<br />

die Zukunft hinausgreifen und zeitlose Gültigkeit erlangen konnte. Diese<br />

Sichtweise erklärt den kirchentonalen, phrygischen Einschlag des langsamen<br />

zweiten Satzes, aber auch das »Lärmende« des dritten Satzes, der sich<br />

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