bionik und ecodesign untersuchung biogener materialien ... - Biokon
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Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
BIONIK UND ECODESIGN<br />
UNTERSUCHUNG BIOGENER MATERIALIEN IM HINBLICK<br />
AUF PRINZIPIEN, DIE FÜR EINE UMWELTGERECHTE<br />
PRODUKTGESTALTUNG NUTZBAR SIND<br />
1
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Dissertation<br />
Bionik <strong>und</strong> Ecodesign<br />
Untersuchung <strong>biogener</strong> Materialien im Hinblick auf Prinzipien,<br />
die für eine umweltgerechte Produktgestaltung nutzbar sind<br />
Ausgeführt zum Zwecke der Erlangung des akademischen Grades<br />
»Doktor der Naturwissenschaften«<br />
Betreuer<br />
Prof. Dr. Roland Albert, Inst. f. Ökologie <strong>und</strong> Naturschutz der Universität Wien<br />
Doz. Dr. Andreas Windsperger, Inst. f. Industrielle Ökologie <strong>und</strong> TU Wien<br />
Mag. Manfred Drack<br />
Wien, September 2002<br />
2
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
3
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
KURZFASSUNG<br />
In der Diskussion über eine Nachhaltige Entwicklung bei der Gestaltung von Produkten <strong>und</strong><br />
Dienstleistungen (Ecodesign) tauchen immer wieder Begriffe wie erneuerbare Ressourcen,<br />
Energieeffizienz <strong>und</strong> Recycling auf. Zudem wird davon ausgegangen, dass alle diese Dinge<br />
<strong>und</strong> Vorgänge auch in der Biosphäre zu finden sind. Den biologischen Systemen wird also<br />
Nachhaltigkeit unterstellt. Wenn das so ist, dann sollte man sich daranmachen, die dahinter<br />
stehenden Prinzipien genauer zu untersuchen, auch im Hinblick auf die Materialverwendung.<br />
Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, Prinzipien <strong>und</strong> Muster in der Biosphäre zu finden, die im<br />
Ecodesign angewendet werden können.<br />
In dieser Arbeit werden strukturelle Bio<strong>materialien</strong> wie Knochen, Holz, Horn <strong>und</strong> Chitin<br />
untersucht. Das Ziel ist es, Prinzipien <strong>und</strong> Korrelationen zwischen dem Energieaufwand, der<br />
von Organismen zum Aufbau von Materialien geleistet werden muss, <strong>und</strong> deren Einsatzdauer<br />
zu finden. Zudem werden Zusammenhänge zwischen diesen beiden Parametern <strong>und</strong> der<br />
Dauer des Recyclings untersucht. Theoretisch sollten Organismen − überall, wo dies möglich<br />
ist − Energie effizient einsetzen, daher kann angenommen werden, dass Materialien mit<br />
hohem Energieinhalt auch lange eingesetzt werden. In vielen Fällen trifft das zu, aber nicht<br />
immer. Die Zeiträume, in denen Bio<strong>materialien</strong> in Funktion stehen, sind sehr unterschiedlich<br />
mit Extremen von wenigen Tagen bis zu tausenden Jahren. Auch die Energie, die zum<br />
Aufbau von Materialien eingesetzt werden muss, variiert stark, u.a. weil einige Organismen<br />
Vorleistungen von anderen nutzen können. Es wurde auch erwartet, dass Materialien mit<br />
hohem Energieinhalt eher strukturerhaltend recycliert werden als andere.<br />
Tatsächlich stellte sich jedoch heraus, dass keine statistisch signifikanten Korrelationen<br />
zwischen den drei untersuchten Parametern gef<strong>und</strong>en werden konnten. Dennoch lassen einige<br />
Prinzipien, die im Zusammenhang mit der Materialverwendung in der Biologie nachgewiesen<br />
wurden, Rückschlüsse für eine Nachhaltige Entwicklung zu.<br />
4
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
ABSTRACT<br />
In the recent discussion about sustainable products and services (Ecodesign) keywords like<br />
renewable resources, energy efficiency and recycling are ubiquitous. All these things are<br />
argued to be fo<strong>und</strong> in biological systems as well. These systems are supposed to be<br />
sustainable, for they have been existing for h<strong>und</strong>reds of millions of years. If this is true one<br />
should find out how biological systems really work in terms of sustainable material usage.<br />
The emphasis of this dissertation thus is to find out correlations and patterns that can be<br />
applied in sustainable product design.<br />
The thesis is concerned with stiff structural biomaterials like bone, wood, horn and chitin. It’s<br />
objective is to find out if there are correlations between the energy effort to build up these<br />
materials in situ and the time period in which they are used (turnover time). Also the relations<br />
between these two parameters and the time it takes to recycle the materials is treated. In<br />
theory organisms have to be energy efficient and therefore it can be expected that those<br />
materials storing more energy are used for a longer period. Most of the time this is true, but<br />
not always. There is a broad range in the time period in which different biomaterials are used<br />
in organisms with extremes from a few days to thousands of years. Also, the energy needed to<br />
build up materials is varying considerably and preformed resources are used to a certain<br />
extent. It was expected that materials with a high energy content are more likely to be reused<br />
as such.<br />
In fact no statistically significant correlations have been fo<strong>und</strong> within the three parameters.<br />
Nevertheless some principles emerged which have a potential for being applied in sustainable<br />
development.<br />
5
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
DANKSAGUNG<br />
An erster Stelle möchte ich mich bei meinen Betreuern Prof. Roland Albert <strong>und</strong><br />
Doz. Dr. Andreas Windsperger bedanken, die mich bei der Ausführung meiner Arbeit<br />
unterstützt <strong>und</strong> begleitet haben. Prof. George Jeronimidis sei dafür gedankt, dass er mir im<br />
Rahmen meiner Dissertation einen sechsmonatigen Auslandsaufenthalt am Centre for<br />
Biomimetics (Reading, UK) ermöglicht hat. Bei den Recherchen standen mir neben anderen<br />
ganz besonders Ing. Gustav Mahringer, DI Luise Janisch, Dr. Karl Kleemann,<br />
Dr. Michael Stachowitsch, Prof. Heribert Insam, Prof. Julian F.V. Vincent,<br />
Prof. Thomas Speck <strong>und</strong> Dr. Jim Evans mit Rat <strong>und</strong> Tat zur Seite. Bei der Überarbeitung des<br />
Inhaltes unterstützten mich Gabriela Nowotny, DI Lothar Rehse, Prof. Willem Riedijk,<br />
Dr. Robert Wimmer, Dr. Hannelore Hlawatsch <strong>und</strong> Mag. Wilhelm Autischer, sie lieferten<br />
auch wertvolle Ideen. Auch durch die Bücher von Prof. Werner Nachtigall <strong>und</strong> im<br />
persönlichen Gespräch mit ihm sind einige Ideen für die Arbeit entstanden. Nicht zuletzt<br />
möchte ich meinen Eltern danken, die meinen Ausbildungsweg ermöglicht haben.<br />
6
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
INHALTSVERZEICHNIS<br />
1 Einleitung......................................................................................................................14<br />
2 Thesen...........................................................................................................................16<br />
3 Bionik <strong>und</strong> Technische Biologie ...................................................................................17<br />
4 Ecodesign......................................................................................................................19<br />
5 Verteilung der Elemente................................................................................................21<br />
6 Materialien im technischen Gebrauch............................................................................24<br />
7 Ausgewählte biogene Materialien..................................................................................30<br />
8 Evolution der ausgewählten biogenen Materialien.........................................................32<br />
8.1 Mineralische Materialien........................................................................................34<br />
Karbonate............................................................................................................34<br />
Phosphate............................................................................................................36<br />
Silikate................................................................................................................38<br />
8.2 Organische Materialien...........................................................................................39<br />
Cellulose.............................................................................................................39<br />
Lignin.................................................................................................................40<br />
Chitin..................................................................................................................40<br />
Keratin................................................................................................................41<br />
Seide...................................................................................................................42<br />
9 Häufigkeit der vorkommenden Bio<strong>materialien</strong>...............................................................43<br />
10 Datenerhebung.............................................................................................................46<br />
10.1 Energetischer Aufwand der Biomaterialproduktion..............................................46<br />
10.1.1 Methodik der Berechnung des Energieinhaltes von Bio<strong>materialien</strong>...............46<br />
10.1.2 Knochen........................................................................................................50<br />
Energieinhalt im organischen Teil.......................................................................52<br />
Energieinhalt im anorganischen Teil...................................................................52<br />
10.1.3 Dentin...........................................................................................................54<br />
10.1.4 Zahnschmelz.................................................................................................54<br />
10.1.5 Mineralisches Geweih...................................................................................55<br />
10.1.6 Silikatschalen................................................................................................56<br />
10.1.7 Molluskenschalen.........................................................................................58<br />
Organisch............................................................................................................58<br />
Anorganisch........................................................................................................58<br />
7
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
10.1.8 Korallenmaterial...........................................................................................59<br />
10.1.9 Schwämme...................................................................................................61<br />
10.1.10 Holz............................................................................................................62<br />
10.1.11 Cellulosematerial........................................................................................63<br />
10.1.12 Keratin<strong>materialien</strong>.......................................................................................63<br />
10.1.13 Seide...........................................................................................................65<br />
10.1.14 Chitinmaterial.............................................................................................66<br />
10.1.15 Auflistung der Energiedaten........................................................................67<br />
10.2 Einsatzdauer.........................................................................................................71<br />
10.2.1 Turnover-Theorie..........................................................................................71<br />
Materialerneuerung 0. Ordnung (linear)..............................................................72<br />
Materialerneuerung 1. Ordnung (exponentiell)....................................................72<br />
Kontinuierliche Materialakkumulation................................................................73<br />
10.2.2 Knochen........................................................................................................74<br />
10.2.3 Dentin...........................................................................................................75<br />
10.2.4 Zahnschmelz.................................................................................................75<br />
10.2.5 Mineralisches Geweih...................................................................................76<br />
10.2.6 Silikatschalen................................................................................................76<br />
10.2.7 Molluskenschalen.........................................................................................77<br />
10.2.8 Korallenmaterial...........................................................................................77<br />
10.2.9 Schwämme...................................................................................................78<br />
10.2.10 Holz............................................................................................................79<br />
10.2.11 Cellulosematerial .......................................................................................80<br />
10.2.12 Keratin<strong>materialien</strong>.......................................................................................80<br />
Menschliche Haut................................................................................................80<br />
Menschliche Nägel..............................................................................................81<br />
Horn....................................................................................................................81<br />
10.2.13 Seide...........................................................................................................82<br />
10.2.14 Chitin<strong>materialien</strong>........................................................................................82<br />
Insekten...............................................................................................................83<br />
Krustazeen..........................................................................................................84<br />
10.2.15 Auflistung der Einsatzdauerdaten................................................................85<br />
10.3 Recyclingprozesse <strong>und</strong> Abbauzeiten.....................................................................89<br />
10.3.1 Biologischer Abbau......................................................................................91<br />
8
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Definition der biologischen Abbaubarkeit...........................................................92<br />
Bestimmungsmethoden.......................................................................................93<br />
Beteiligte Mikroorganismen <strong>und</strong> Enzyme...........................................................93<br />
10.3.2 Organische Materialien.................................................................................95<br />
10.3.3 Knochen........................................................................................................98<br />
10.3.4 Dentin.........................................................................................................101<br />
10.3.5 Zahnschmelz...............................................................................................101<br />
10.3.6 Mineralisches Geweih.................................................................................102<br />
10.3.7 Silikatschalen..............................................................................................102<br />
10.3.8 Mollusken / Kalziumhaltige Schalen...........................................................104<br />
10.3.9 Korallen......................................................................................................105<br />
10.3.10 Schwämme................................................................................................108<br />
10.3.11 Auflistung der Abbauzeiten.......................................................................109<br />
11 Ergebnisse..................................................................................................................111<br />
11.1 Materialfunktionen <strong>und</strong> -einsatzbereiche............................................................111<br />
11.1.1 Form- od. Materialwechsel?........................................................................112<br />
Fallbeispiel Schildkrötenpanzer.........................................................................115<br />
11.1.2 Funktionen der Bio<strong>materialien</strong>....................................................................117<br />
11.1.3 Wachstumsstrategien...................................................................................118<br />
11.1.4 Einteilung der Materialien nach Organismengruppen..................................119<br />
11.1.5 Einteilung der Materialien nach Einsatzumgebung......................................120<br />
11.2 Auswertung der Beziehungen.............................................................................121<br />
11.3 Beziehung Energieaufwand - Einsatzdauer.........................................................122<br />
Autotrophe <strong>und</strong> Heterotrophe............................................................................123<br />
Stützfunktion.....................................................................................................125<br />
Schutzfunktion..................................................................................................126<br />
Resümee............................................................................................................126<br />
11.4 Beziehung Energieaufwand - Abbaubarkeit........................................................127<br />
Stützfunktion.....................................................................................................129<br />
Schutzfunktion..................................................................................................130<br />
Resümee............................................................................................................131<br />
11.5 Beziehung Einsatzdauer - Abbaubarkeit.............................................................132<br />
Stützfunktion.....................................................................................................132<br />
Schutzfunktion..................................................................................................133<br />
9
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Resümee............................................................................................................134<br />
11.6 Energie - Einsatzdauer Fallbeispiel: Geweih - Horn...........................................135<br />
12 Diskussion.................................................................................................................136<br />
12.1 Genauigkeit der Daten........................................................................................138<br />
12.2 Energieinhalt......................................................................................................139<br />
12.3 Einsatzdauer.......................................................................................................141<br />
12.4 Recyclingprozesse..............................................................................................142<br />
12.5 Ressourcennutzung.............................................................................................143<br />
12.6 Möglichkeiten für Ecodesign..............................................................................144<br />
13 Literatur.....................................................................................................................148<br />
10
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
ABBILDUNGSVERZEICHNIS<br />
Abbildung 1: Die Evolution der technisch gebrauchten Materialien (Ashby 1992, S.3).........25<br />
Abbildung 2: Auftreten <strong>und</strong> Verbreitung der Organismen in der Erdgeschichte (Vogel /<br />
Angermann 1998, S.520).......................................................................................................33<br />
Abbildung 3: Gesammelte Aufstellung der Daten zum Energieinhalt (von unbelebten<br />
Verbindungen zu Bio<strong>materialien</strong>)..........................................................................................69<br />
Abbildung 4: Gesammelte Aufstellung der Daten zum Energieinhalt (Reaktionsenthalpie im<br />
Organismus)..........................................................................................................................70<br />
Abbildung 5: Gesammelte Zahlen zum Turnover..................................................................86<br />
Abbildung 6: Anzahl der Turnover........................................................................................87<br />
Abbildung 7: Vereinfachte Darstellung von Ressourcen <strong>und</strong> Abbauprodukten einiger<br />
Bio<strong>materialien</strong>.......................................................................................................................89<br />
Abbildung 8: Aufstellung der Abbauzeiten der Bio<strong>materialien</strong>............................................110<br />
Abbildung 9: Materialeinteilung nach Organismengruppen.................................................119<br />
Abbildung 10: Energie - Einsatzdauer - Beziehung (alle Materialien).................................122<br />
Abbildung 11: Energie - Einsatzdauer - Beziehung (Autotrophe)........................................124<br />
Abbildung 12: Energie - Einsatzdauer - Beziehung (Heterotrophe).....................................124<br />
Abbildung 13: Energie - Einsatzdauer - Beziehung (Stützfunktion)....................................125<br />
Abbildung 14: Energie - Einsatzdauer - Beziehung (Schutzfunktion)..................................126<br />
Abbildung 15: Energie (im Organismus) - Abbauzeit - Beziehung (alle Materialien)..........128<br />
Abbildung 16: Energie (von unbelebten Ressourcen zu Bio<strong>materialien</strong>) - Abbauzeit -<br />
Beziehung (alle Materialien)...............................................................................................129<br />
Abbildung 17: Energie (im Organismus) - Abbauzeit - Beziehung (Stützfunktion).............130<br />
Abbildung 18: Energie (im Organismus) - Abbauzeit - Beziehung (Schutzfunktion)...........131<br />
Abbildung 19: Einsatzdauer - Abbauzeit - Beziehung (alle Materialien).............................132<br />
Abbildung 20: Einsatzdauer - Abbauzeit - Beziehung (Stützfunktion).................................133<br />
Abbildung 21: Einsatzdauer - Abbauzeit - Beziehung (Schutzfunktion)..............................134<br />
Abbildung 22: Energiestufen <strong>biogener</strong> Materialien..............................................................140<br />
Abbildung 23: Energiestufen bei industriellen Materialien..................................................141<br />
11
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
TABELLENVERZEICHNIS<br />
Tabelle 1: Elemente in der Erdkruste (Chermicoff 1997, S.29).............................................21<br />
Tabelle 2: Häufigkeit der Elemente in verschiedenen Organismen (Morowitz 1968 in: Raven<br />
1992, S.48)............................................................................................................................21<br />
Tabelle 3: Häufigkeit der Elemente im menschlichen Körper (Campbell 1999, S. 24)..........22<br />
Tabelle 4: Häufigkeit von Molekülen im menschlichen Körper (Rose 1970, S. 29)...............22<br />
Tabelle 5: Materialien im technischen Gebrauch a(Gordon 1968, S.42ff), b(Lexikon der<br />
Biologie 1999, S.444ff), *(Ashby 1992, S.28ff, 245), ** ...............27<br />
Tabelle 6: Weltproduktion verschiedener Wirtschaftsgüter Ende der 1990er bzw. 1983.<br />
Quelle: (Baratta 2000, S.1153ff), * Zahlen von 1983 aus: (Lüttig / Walter / Merian, in:<br />
Schmidt-Bleek 1993, S. 22)...................................................................................................28<br />
Tabelle 7: Statische Lebensdauer ausgewählter Rohstoffe (Baratta 2000, S.1152).................29<br />
Tabelle 8: Kohlenstoffmengen in verschiedenen Kompartimenten (nach Stevenson 1985 in<br />
Gisi 1990, S.179)..................................................................................................................44<br />
Tabelle 9: Jährliche Produktionsmenge ausgewählter <strong>biogener</strong> Materialien (Quellen: siehe<br />
Text)......................................................................................................................................45<br />
Tabelle 10: Abschätzung der Volumensarbeit; Basisdaten aus: (Vincent 1990) (Bender /<br />
Bender 1997, S.129ff)...........................................................................................................49<br />
Tabelle 11: Standardbildungsenthalpie natürlich vorkommender Ressourcen (Linde CRC<br />
1996, S.5-1ff)........................................................................................................................49<br />
Tabelle 12: Zusammensetzung von Knochen (Fourman et al. 1968, S.294)...........................51<br />
Tabelle 13: Zusammensetzung von biogenen Kalziumphosphat-Verb<strong>und</strong>stoffen...................51<br />
Tabelle 14: Aminosäuren-Zusammensetzung verschiedener Keratin<strong>materialien</strong> beim Schaf<br />
(Marshall / Gillespie 1977)....................................................................................................64<br />
Tabelle 15: Aminosäuren-Zusammensetzung von Bombyx-Seide (Vincent 1990).................65<br />
Tabelle 16: Gesammelte Zahlen zum Energieeinsatz.............................................................68<br />
Tabelle 17: Gesammelte Zahlen zum Turnover.....................................................................86<br />
Tabelle 18: Abbaubarkeit verschiedener Naturstoffe (Bilitewski et al. 2000, S.296).............95<br />
Tabelle 19: Erreichbarer Abbaugrad <strong>biogener</strong> Produkte (Bidlingmaier 2000, S.48 / Krogmann<br />
1994, S.137)..........................................................................................................................96<br />
Tabelle 20: Abbauzeiten von organischen Bio<strong>materialien</strong>.....................................................98<br />
Tabelle 21: Gesammelte Zahlen zum Abbau der Bio<strong>materialien</strong>.........................................109<br />
Tabelle 22: Materialfunktionen <strong>und</strong> mechanische Parameter; wo nicht anders angegeben,<br />
12
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
stammen die Werte aus: (Lexikon der Biologie 1999, S.444), wobei (b)=Biegebelastung,<br />
(d)=Druckbelastung, a(Currey 1970, S.30)..........................................................................118<br />
Tabelle 23: Habitate <strong>und</strong> Einsatzorte der biogenen Materialien...........................................120<br />
Tabelle 24: Energetischer Vergleich zwischen mineralischem Geweih <strong>und</strong> Horn................135<br />
Tabelle 25: Recyclingkonzepte in der Technik (Hübner / Simon-Hübner 1991 in:<br />
Schmidt-Bleek / Tischner 1995, S.112)...............................................................................142<br />
13
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
1 EINLEITUNG<br />
Die Lebewesen auf dieser Erde bilden <strong>und</strong> nutzen Materialien schon seit mehreren<br />
H<strong>und</strong>ertmillionen von Jahren. Damit verb<strong>und</strong>en sind auch ökologische Kreisläufe entstanden.<br />
Vom Menschen geschaffene technische Produkte <strong>und</strong> Prozesse gibt es hingegen erst seit<br />
wenigen Zehntausenden Jahren. Es liegt daher nahe, Prinzipien, die sich seit langem in der<br />
Biosphäre bewähren, im Hinblick auf Anwendungsmöglichkeiten in der Technik zu<br />
untersuchen. Die Implementierung der Gr<strong>und</strong>lagen natürlicher Prozesse verspricht in vielen<br />
Bereichen ein großes Potenzial für eine Nachhaltige Entwicklung.<br />
Nachhaltige Entwicklung stellt den Rahmen für Ecodesign dar. Darin werden soziale,<br />
ökologische <strong>und</strong> ökonomische Ziele verfolgt. In dieser Arbeit wird der ökologische Bereich<br />
herausgegriffen. Speziell anhand der Materialverwendung (Knochen, Holz, Horn, Seide etc.)<br />
bei Organismen werden Fragestellungen untersucht, die für eine umweltgerechte<br />
Produktgestaltung relevant sind.<br />
Nun ergeben sich bei der Betrachtung von natürlichen <strong>und</strong> technischen Prozessen bereits im<br />
Vorfeld einige Analogien. Die Ausgangsbasis in beiden Systemen stellen begrenzte<br />
Ressourcen dar. Sowohl Organismen als auch Ingenieure müssen sich auf diese<br />
Rahmenbedingung einstellen, die in verschiedenen Strategien der Materialverwendung<br />
Ausdruck findet.<br />
Für Produkte, die nachhaltig gestaltet werden sollen, stellt sich daher immer wieder die<br />
Frage, was die optimale Produktlebensdauer ausmacht <strong>und</strong> wie die Produkte recycliert<br />
werden sollen. Ein Ansatz, Antworten darauf zu finden, ist das Studium der Biosphäre.<br />
Organismen verwenden ebenfalls Materialien, die verschiedenste Funktionen erfüllen. Daher<br />
kann man die Frage stellen, wovon die Langlebigkeit von Materialien in der Biosphäre<br />
abhängt. Ein sehr plausibel erscheinender Zusammenhang ist der zwischen dem Energieinhalt<br />
<strong>und</strong> der Einsatzdauer von Bio<strong>materialien</strong>. Eine weitere Forderung aus dem Ecodesign ist die<br />
nach optimalen Recyclingprozessen. Da die Zeitspanne, bis ein Material wieder in den<br />
Kreislauf zurückgeführt wird, von zentraler Bedeutung dafür ist, wird auch die Abbauzeit von<br />
biogenen Materialien untersucht. Mittels dieser Daten soll festgestellt werden, ob es<br />
Korrelationen zwischen Energieinhalt, Einsatzdauer <strong>und</strong> Abbauzeit von Bio<strong>materialien</strong> gibt<br />
<strong>und</strong> welche Prinzipien dem zu Gr<strong>und</strong>e liegen.<br />
14
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Für die Biologie ist das Wissen um die angeführten Zusammenhänge ebenfalls von Interesse.<br />
Eine primäre Annahme in der Biologie basiert darauf, dass überall dort, wo Energie<br />
eingespart bzw. effizient genutzt werden kann, diese Einsparung auch erfolgt.<br />
In den Anfangskapiteln der Arbeit finden sich die Thesen, die der Fragestellung zu Gr<strong>und</strong>e<br />
liegen. Darauf folgend werden die Begriffe Bionik <strong>und</strong> Ecodesign kurz umrissen. Das Kapitel<br />
über die Verteilung der Elemente soll einen Überblick über die Ressourcen auf der Erde<br />
liefern. Danach werden Menge, Art <strong>und</strong> Eigenschaften der technischen Materialien, die heute<br />
genutzt werden, aufgeführt.<br />
Der zentrale Bereich der Untersuchung beginnt mit der Festlegung des Arbeitsfeldes, in dem<br />
die Kriterien für die Auswahl der Bio<strong>materialien</strong> beschrieben werden. Darauf folgt eine<br />
dynamische Betrachtung der Materialverwendung in der Biosphäre. Hier wird festgestellt,<br />
wann welche Materialien das erste Mal in der Stammesgeschichte aufgetaucht sind <strong>und</strong> von<br />
welchen Organismengruppen sie eingesetzt werden. Um einen Vergleich zu den im<br />
technischen Bereich eingesetzten Materialmassen herzustellen, wird auch hier die Häufigkeit<br />
einzelner Bio<strong>materialien</strong> aufgezeigt.<br />
Im Kern der Arbeit werden Daten zu Energieinhalt, Einsatzdauer <strong>und</strong> Abbauzeiten von<br />
biogenen Materialien erhoben. Sie sind am jeweiligen Kapitelende zusammengefasst<br />
aufgelistet. Mittels dieser Daten wird nach Korrelationen gesucht, die im Ergebnisteil<br />
dargestellt sind. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden dann im Rahmen der<br />
Ecodesign-Kriterien diskutiert.<br />
Die Untersuchung stellt somit einen wichtigen Schritt für das Verständnis der<br />
Materialverwendung in der Biosphäre dar, zumal es Untersuchungen dieser Art bis dato nicht<br />
gegeben hat. Dieses Wissen ist für eine Integration von natürlichem <strong>und</strong> technischem<br />
Materialeinsatz von großer Bedeutung.<br />
15
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
2 THESEN<br />
Schon der Begriff Nachhaltigkeit leitete sich von biologischen Gegebenheiten ab, <strong>und</strong> man<br />
ging davon aus, dass sich durch ein Fließgleichgewicht in Ökosystemen eine fortdauernde<br />
Lebensgemeinschaft bildet. Im Laufe der Zeit erfuhr der Begriff Nachhaltige Entwicklung<br />
allerdings einen Wandel <strong>und</strong> er umfasst heute sowohl ökologische als auch soziale <strong>und</strong><br />
wirtschaftliche Bereiche auf einer ethischen Basis. (Sustain 2001, S.9ff) Trotz der<br />
Erweiterung des Begriffes liegt es nahe − auch mit der Methode der Bionik − nach Prinzipien<br />
für nachhaltige Lösungen in der Ökosphäre zu suchen, die auf die Technosphäre übertragen<br />
werden können.<br />
Die gr<strong>und</strong>legende These lautet daher, dass in der Biologie Prinzipien zu finden sind, die zur<br />
Gestaltung einer Nachhaltigen Entwicklung beitragen können. Eine Anpassung bzw.<br />
Übertragung der Prinzipien von biologischen auf technische Systeme wird daher zu einer<br />
nachhaltigeren Gestaltung menschlicher Eingriffe führen.<br />
Lebewesen werden in diesem Zusammenhang als Produkte der Natur betrachtet <strong>und</strong> somit<br />
analog zu technischen Produkten gesehen. Eine Hypothese ist, dass biogene Produkte<br />
nachhaltig gestaltet sind bzw. dass sie in ein nachhaltiges System eingegliedert sind <strong>und</strong> dass<br />
die zu Gr<strong>und</strong>e liegenden Prinzipien, auf technische Produkte übertragen, helfen können,<br />
nachhaltigere Produkte zu erzeugen.<br />
Eine Analogie lässt sich also auf der Ebene der Materialeigenschaften finden. Die Art des<br />
Materialeinsatzes ist allerdings sehr unterschiedlich. Die Materialwahl unterliegt im<br />
technischen Bereich einem rational nachvollziehbaren Auswahlverfahren. Die Organismen<br />
hingegen wählen keine Materialien aus. An dieser Stelle stößt die Analogie also an ihre<br />
Grenzen.<br />
16
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
3 BIONIK UND TECHNISCHE BIOLOGIE<br />
Bionik wird wie folgt definiert: Der Begriff Bionik (im englischsprachigen Raum bionics<br />
oder biomimetics) setzt sich aus der ersten Silbe des Wortes „Biologie“ <strong>und</strong> der zweiten Silbe<br />
des Wortes „Technik“ zusammen, wodurch schon eine gr<strong>und</strong>sätzliche Definition der<br />
Forschungsrichtung gegeben ist. Geprägt wurde der Begriff „bionics“ 1958 von J.E. Steele,<br />
wobei für ihn das „Lernen der Technik von der Natur“ im Vordergr<strong>und</strong> stand. Heute werden<br />
dem Vorschlag W. Nachtigalls folgend − zumindest im deutschsprachigen Raum − die<br />
komplementären Forschungsansätze der Technischen Biologie <strong>und</strong> der Bionik unterschieden.<br />
Die Technische Biologie beschäftigt sich mit der Erforschung des<br />
Form-Struktur-Funktions-Zusammenhangs lebender Organismen unter der Verwendung<br />
physikalischer <strong>und</strong> technischer Methoden, d.h., hier findet ein (Methoden-)Transfer von der<br />
Technik in die biologische Forschung statt. In der Bionik hingegen wird versucht, Verfahren,<br />
Konstruktions- <strong>und</strong> Entwicklungsprinzipien der Natur in technische Anwendungen<br />
umzusetzen; hier findet in umgekehrter Richtung ein (Erkenntnis-)Transfer von der Biologie<br />
in die Technik statt. Es muss hierbei betont werden, dass in der Bionik keine identischen<br />
Kopien von der Natur zur Technik möglich sind, sondern dass es sich um ein häufig über<br />
mehrere Abstraktions- <strong>und</strong> Modifikationsprozesse laufendes kreatives Umsetzen in die<br />
Technik handelt, d.h. um ein eigenständiges Weitergestalten, welches eher ein durch die<br />
Natur angeregtes „Neuerfinden“ darstellt als eine „Blaupause“ der Natur. Der ursprünglich<br />
anstelle von „Technischer Biologie“ verwendete Begriff der Biotechnik ist heute eindeutig<br />
mit mikro- <strong>und</strong> molekularbiologischen sowie biochemischen Inhalten belegt <strong>und</strong> sollte, um<br />
Begriffsverwirrungen zu vermeiden, nur noch in diesem Sinne verwendet werden. (Speck<br />
1999, S.447ff)<br />
Bionik stellt also ein Werkzeug oder eine Methode dar, die bei technischen Problemen eine<br />
Hilfestellung leistet. So kann sie auch zur Auffindung konstruktiver Lösungen im Bereich der<br />
umweltgerechten Produktgestaltung eingesetzt werden.<br />
Die Bionik wird in eine Reihe von Teilgebieten unterteilt. Nachfolgend soll der<br />
Gliederungsversuch von Nachtigall angeführt werden (Nachtigall 1998, S.9, 17ff):<br />
• Struktur<strong>bionik</strong> (Vergleichsprinzipien <strong>und</strong> Materialnutzung)<br />
• Bau<strong>bionik</strong> (»Natürliches Bauen«)<br />
• Klima<strong>bionik</strong> (Passive Lüftung, Kühlung <strong>und</strong> Heizung)<br />
• Konstruktions<strong>bionik</strong> (Konstruktionselemente <strong>und</strong> Mechanismen)<br />
17
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
• Bewegungs<strong>bionik</strong> (Laufen, Schwimmen, Fliegen)<br />
• Geräte<strong>bionik</strong> (Gesamtkonstruktionen)<br />
• Anthropo<strong>bionik</strong> (Mensch-Maschine-Interaktion, Robotik)<br />
• Sensor<strong>bionik</strong> (Sensoren <strong>und</strong> Ortung)<br />
• Neuro<strong>bionik</strong> (Datenanalyse <strong>und</strong> Informationsverarbeitung)<br />
• Verfahrens<strong>bionik</strong> (Vorgangs- <strong>und</strong> Umsatz<strong>bionik</strong>)<br />
• Evolutions<strong>bionik</strong> (Evolutionstechnik <strong>und</strong> -strategie)<br />
Die Bereiche überschneiden sich teilweise wie bei der Klima- <strong>und</strong> Bau<strong>bionik</strong> <strong>und</strong> sind einmal<br />
weiter <strong>und</strong> einmal enger gefasst. Der Ansatz, der in dieser Arbeit verfolgt wird, lässt sich<br />
nicht eindeutig einem der angeführten Gebiete zuordnen. Am besten passt er wohl wegen<br />
seines Materialbezugs zur Struktur<strong>bionik</strong>. Aber auch Verfahren spielen im Ecodesign eine<br />
wichtige Rolle.<br />
Wie bei allen bionischen Vorhaben wird in der vorliegenden Arbeit mit einer technischen<br />
Fragestellung begonnen, <strong>und</strong> es wird versucht diese mittels der in der Biologie zu findenden<br />
Phänomene zu beantworten. Das entspricht der Technischen Biologie. Dieser Schritt muss<br />
getan werden, um die Prinzipien der Natur zu verstehen, bevor sie angewendet werden<br />
können. Da es im Bezug auf die Themenstellung der vorliegenden Arbeit noch keine<br />
Untersuchungen gegeben hat, muss die bionische Anwendung vorerst im Hintergr<strong>und</strong> stehen.<br />
Mit der Fragestellung aus der Technik, ob in der Biosphäre in Bezug auf den Materialeinsatz<br />
nachhaltig gewirtschaftet wird <strong>und</strong> wenn ja, wie, soll versucht werden, Antworten in der<br />
Natur zu finden, die in einem weiteren Schritt zur Anwendung kommen können.<br />
18
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
4 ECODESIGN<br />
Der Begriff Ecodesign entstand im Rahmen einer Forschungsinitiative des<br />
B<strong>und</strong>esministeriums für Wissenschaft <strong>und</strong> Forschung (Paula 1993). Die Gr<strong>und</strong>lage dafür<br />
bildete eine Eureka-Euroenviron-Aktivität (EUREKA 1991). (Rehse 1996, S.9)<br />
Ähnlich wie bei der Bionik wird im Ecodesign eine Orientierung an Prozessen in der<br />
Biosphäre vorgeschlagen. Produkte sollen dabei so gestaltet werden, dass sie sich in<br />
ökologische Kreisläufe eingliedern <strong>und</strong> möglichst wenig negative Auswirkungen zeigen. Im<br />
Unterschied zur Bionik verfolgt Ecodesign ein klares Ziel, nämlich u.a. die Implementierung<br />
von umweltgerechten Produkten <strong>und</strong> Prozessen. Das Ziel von Ecodesign ist demnach durch<br />
klare Kriterien charakterisiert. Gleichzeitig ist Ecodesign aber auch eine Methode diese<br />
Kriterien zu erreichen.<br />
Derzeit existiert keine einheitliche Definition von Ecodesign. Ein weitgefasster Versuch den<br />
Begriff abzustecken lautet folgendermaßen: Ecodesign ist die Lehre von den Prozessen zur<br />
Schaffung einer neuen Produktkultur aus dem Leitbild »Zukunftsfähige Entwicklung«<br />
.<br />
Durch Ecodesign-Maßnahmen sollen Mängel <strong>und</strong> Defizite von Produkten in Bezug auf<br />
ökologische, wirtschaftliche <strong>und</strong> technische Kriterien verringert werden. Dabei lassen sich die<br />
Aktionsfelder wie folgt unterteilen (Rehse et al. 1998, S.15):<br />
• Produktionsoptimierung<br />
• Produktoptimierung<br />
• Funktionsoptimierung<br />
• Dienstleistungsoptimierung<br />
• Gebrauchsoptimierung<br />
• Regionale Systemoptimierung<br />
An anderer Stelle wird Ecodesign wie folgt beschrieben: Ecodesign liegt der Ansatz<br />
zugr<strong>und</strong>e, bei der Entwicklung, der Produktion, dem Vertrieb, der Verwendung <strong>und</strong><br />
schließlich der Entsorgung eines Produktes stets die zu erwartenden Auswirkungen auf die<br />
Umwelt mit ins Kalkül zu ziehen <strong>und</strong> deutlich zu verringern, um zu einem optimierten,<br />
ganzheitlichen Nutzungskonzept zu gelangen. Dabei inkludiert der Produktbegriff sowohl<br />
19
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Hardware, Software, Dienstleistungen als auch jegliche Art eines zur Bedürfnisbefriedigung<br />
dienenden Gutes. <br />
Ecodesign-Produkte sind: »flexibel, zuverlässig, langlebig, anpassbar, modular,<br />
dematerialisiert«. Sie vereinen wirtschaftliche Sinnhaftigkeit, soziale Verträglichkeit <strong>und</strong><br />
ökologische Notwendigkeit. <br />
Ecodesign entwickelte sich aus der gängigen Umweltpolitik der »End of Pipe«-Lösungen.<br />
Der erste Schritt bestand in der Prävention, also der Vermeidung von Abfällen <strong>und</strong><br />
Schadstoffen dort, wo sie entstehen (Clean Production). Der nächste Schritt ist die<br />
Minimierung der Umweltauswirkungen eines Produktes über den gesamten ökologischen<br />
Lebenszyklus von der Rohstoffherstellung bis zur Entsorgung (Clean Products). In einem<br />
weiteren Schritt wird nun angestrebt, das gesamte sozio-ökonomische System des Produktes<br />
inklusive seiner Nutzung im Sinne einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Entwicklung zu<br />
optimieren (Ecodesign). Ecodesign soll also mehr Wohlstand bei gleichzeitiger Reduktion des<br />
Umweltverbrauches bewirken! <br />
In der vorliegenden Arbeit wird nur auf einen Aspekt von Ecodesign eingegangen, nämlich<br />
den Produktbereich. Ecodesign ist aber wie bereits erwähnt wesentlich umfangreicher. Da der<br />
bionische Ansatz im Ecodesign noch neu ist, muss jedoch zuerst mit einer einfachen<br />
Sondierung versucht werden Anwendungsmöglichkeiten aufzuzeigen, bevor auf weitere<br />
Details eingegangen werden kann. Daher steht die Materialnutzung im Mittelpunkt dieser<br />
Arbeit.<br />
20
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
5 VERTEILUNG DER ELEMENTE<br />
Um die Verwendung von Materialien besser zu verstehen, ist es nützlich sich anzusehen, wie<br />
häufig die Ausgangs<strong>materialien</strong> bzw. Ressourcen in der Natur vorkommen. Prinzipiell<br />
können für Organismen drei Rohstoffquellen unterschieden werden: Lithosphäre,<br />
Hydrosphäre <strong>und</strong> Atmosphäre.<br />
Die häufigsten Elemente in der kontinentalen Erdkruste sind in Tabelle 1 zusammengefasst.<br />
Element Massenanteil [%]<br />
Sauerstoff (O) 45,20<br />
Silizium (Si) 27,20<br />
Aluminium (Al) 8,00<br />
Eisen (Fe) 5,80<br />
Kalzium (Ca) 5,06<br />
Magnesium (Mg) 2,77<br />
Natrium (Na) 2,32<br />
Kalium (K) 1,68<br />
Andere 1,97<br />
Gesamt 100,00<br />
Tabelle 1: Elemente in der Erdkruste (Chermicoff 1997, S.29)<br />
Die häufigsten Elemente in ausgewählten Organismen werden in Tabelle 2 veranschaulicht.<br />
Element Massenanteil (Frischgewicht) [%]<br />
Mensch Alfalfa Bakterium<br />
Sauerstoff (O) 62,81 77,90 73,68<br />
Kohlenstoff (C) 19,37 11,34 12,14<br />
Wasserstoff (H) 9,31 8,72 9,94<br />
Stickstoff (N) 5,14 0,83 3,04<br />
Phosphor (P) 0,63 0,71 0,60<br />
Schwefel (S) 0,64 0,10 0,32<br />
Andere 2,10 0,40 0,28<br />
Gesamt 100,00 100,00 100,00<br />
Tabelle 2: Häufigkeit der Elemente in verschiedenen Organismen (Morowitz 1968 in: Raven 1992, S.48)<br />
Die häufigsten Elemente im Menschen sind in ausführlicherer Form noch einmal in Tabelle 3<br />
dargestellt.<br />
21
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Element<br />
Massenanteil<br />
(Frischgewicht) [%]<br />
Sauerstoff (O) 65,0<br />
Kohlenstoff (C) 18,5<br />
Wasserstoff (H) 9,5<br />
Stickstoff (N) 3,3<br />
Kalzium (Ca) 1,5<br />
Phosphor (P) 1,0<br />
Kalium (K) 0,4<br />
Schwefel (S) 0,3<br />
Natrium (Na) 0,2<br />
Chlor (Cl) 0,2<br />
Magnesium (Mg) 0,1<br />
Σ 100,0<br />
weniger als 0,01% Anteil haben: B, Cr, Co,<br />
Cu, F, I, Fe, Mn, Mo, Se, Si, Sn, V, Zn.<br />
Tabelle 3: Häufigkeit der Elemente im menschlichen Körper (Campbell 1999, S. 24)<br />
Der Wert für Stickstoff weicht hier etwas ab. Sonst stimmen die Zahlen von Tabelle 2 <strong>und</strong> 3<br />
weitgehend überein.<br />
Es zeigt sich, dass sich die Häufigkeit der Ressourcen nicht in den von Lebewesen<br />
eingesetzten Materialien widerspiegelt. Vor allem die häufigen Metalle Silizium, Aluminium<br />
<strong>und</strong> Eisen spielen in den biogenen Materialien eine sehr untergeordnete Rolle. Sauerstoff,<br />
Kohlenstoff <strong>und</strong> Wasserstoff werden hingegen in großen Mengen eingesetzt.<br />
Weiters sollen die wichtigsten Molekülgruppen, die bei Säugetieren Einsatz finden, angeführt<br />
werden. Der menschliche Körper besteht zu 60 bis 80% aus Wasser <strong>und</strong> den in Tabelle 4<br />
angeführten Molekülen.<br />
Molekül<br />
Massenanteil<br />
(Frischgewicht) [%]<br />
Proteine 15 - 20<br />
Lipide 3 - 20<br />
Kohlenhydrate 1 - 15<br />
Kleine organische Moleküle 0 - 1<br />
Anorganische Moleküle 1<br />
Tabelle 4: Häufigkeit von Molekülen im menschlichen Körper (Rose 1970, S. 29)<br />
22
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
R<strong>und</strong> 98%(Gew.) der Biosphäre können auf den Gr<strong>und</strong>baustein mit der Summenformel<br />
zurückgeführt werden, so sind z.B. Glucose (C 6 H 12 O 6 ) <strong>und</strong> Cellulose Polymere von<br />
(Heinrich 1990, S. 31). Hierbei handelt es sich vermutlich um die Trockenmasse.<br />
Interessanterweise wird der Kohlenstoff − der einen sehr großen Anteil an der trockenen<br />
Biomasse ausmacht − hauptsächlich aus der Atmosphäre bzw. Hydrosphäre genutzt, obwohl<br />
in der Lithosphäre wesentlich mehr von dieser Ressource vorhanden ist (Heinrich 1990,<br />
S.30). Vergleiche dazu auch Tabelle 8.<br />
23
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
6 MATERIALIEN IM TECHNISCHEN GEBRAUCH<br />
Die Materialien im technischen Einsatz lassen sich grob in die Bereiche Metalle, Polymere,<br />
Verb<strong>und</strong>stoffe <strong>und</strong> Keramiken unterteilen. Abbildung 1 gibt einen Überblick über die relative<br />
Wichtigkeit der Materialien in diesen Gruppen im Laufe der letzten 12000 Jahre. In den<br />
Jahren nach 1960 nahm die Bedeutung der Metalle stetig ab. Vor allem die Verb<strong>und</strong>stoffe<br />
haben seither einen hohen Zuwachs erlebt, aber auch Polymere <strong>und</strong> Keramiken kommen<br />
wieder verstärkt zum Einsatz. Die Zahl der heute ingenieurmäßig eingesetzten Materialien ist<br />
groß, <strong>und</strong> Schätzungen reichen von 40000 bis 80000 (Ashby 1992, S.4). Wie sich weiter<br />
unten zeigen wird, ist die Anzahl der in der Biosphäre eingesetzten strukturellen Materialien<br />
dagegen verschwindend gering.<br />
24
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Abbildung 1: Die Evolution der technisch gebrauchten Materialien (Ashby 1992, S.3)<br />
25
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Der Energieinhalt von Materialien im technischen Gebrauch ist in Tabelle 5 angeführt. Er<br />
setzt sich aus Aufwändungen beim Bergbau, der Reinstoffherstellung <strong>und</strong> der Formgebung<br />
zusammen (Ashby 1992, S.244).<br />
Zusätzlich ist in Tabelle 5 der Kumulierte Energie-Aufwand angeführt. Dieser ist wie folgt<br />
definiert: KEA ist der Kumulierte Energie-Aufwand, eine Maßzahl für den gesamten<br />
Aufwand an Energieressourcen zur Bereitstellung eines Produkts oder einer Dienstleistung.<br />
Der KEA kann unterteilt werden in die Anteile erneuerbarer <strong>und</strong> nichterneuerbarer (fossiler<br />
<strong>und</strong> nuklearer) Primärenergien sowie sonstiger Anteile, in denen z.B. Abwärme oder<br />
Reststoffe bilanziert werden. Im KEA ist außerdem der ggf. erforderliche energetische<br />
Aufwand zur Bereitstellung benötigter Stoffe enthalten − der Energieinhalt (Heizwert) von<br />
Stoffen wird jedoch nur berücksichtigt, soweit diese als Energieträger Verwendung finden.<br />
<br />
Die Angaben zum Energieinhalt divergieren teilweise erheblich. Dies könnte auf<br />
unterschiedliche Methoden bei der Berechnung zurückzuführen sein, was aber von dieser<br />
Stelle aus schwer zu überprüfen ist.<br />
Zusätzlich zu den Energieinhalten sind in Tabelle 5 auch Zugfestigkeit, Zug-E-Modul <strong>und</strong><br />
Dichte der Materialien angeführt (vergleiche dazu auch Tabelle 22 für biogene Materialien).<br />
26
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Material Zugfestigkeit<br />
[Mpa]<br />
Zug-E-Modul<br />
[Mpa]<br />
Dichte<br />
[kg/dm 3 ]<br />
Energieinhalt<br />
(*) [MJ/kg]<br />
KEA (**)<br />
[MJ/kg]<br />
Magnesium legiert 200 − 280 a 42000 a 1,8 * 410 − 420 247<br />
Gusseisen 140 − 280 a 20000 * ≈ 8 60 − 260 14<br />
Aluminium 70 − 550 (legiert) a 73000 a 2,7 b 290 − 305 196<br />
Stahl 400 − >1000 a 210000 a 7,9 * 110 − 120 28<br />
Kupfer 400 b 120000 b 8,95 b 95 − 115 53<br />
Zink 100 − 200 b 100000 b ≈ 7 b 67 − 73 71<br />
(Kohlenstoff−) Stahl 400 − >1000 a 210000 a 7,9 b 50 − 60 −−<br />
Blei 20 − 70 * 20000 * 10 b 28 − 32 28<br />
Nylon 70 − 100 * 3000 * 1,2 * 170 − 180 −−<br />
Polypropylen 60 − 70 * 1500 * 0,9 * 108 − 113 −−<br />
HD Polyethylen 20 − 40 * 800 * 1,0 * 103 − 120 47<br />
LD Polyethylen 8 − 20 * 300 * 0,9 * 80 − 104 52<br />
Polystyrol 40 − 70 * 3500 * 1,2 * 96 − 140 68<br />
PVC 40 − 60 * 3000 * 1,2 * 67 − 92 40<br />
Gummi (synthetisch) 2 − 30 * 30 − 100 * 0,9 − 1,5 * 120 − 140 −−<br />
Gummi (natürlich) 2 − 30 * 7 a 0,9 − 1,5 * 5,5 − 6,5 −−<br />
Glas 30 − 170 a 70000 a 2,5 b 13 − 23 −−<br />
Ziegel 5 a −− ≈ 3 3,4 − 6,0 2,6<br />
Keramik 30 − 340 a 10000 − 120000 * ≈ 3 * 6 − 15 −−<br />
Beton 4 a 17000 a 0,5 − 5 b 3 − 6 0,5 − 0,9<br />
Stein 40 − 400 * 25000 − 100000 * 2,5 − 3,2 * 1,8 − 4,0 0,5 − 3,4<br />
Schotter, Sand −− −− 2,5 − 3,2 0,1 0,1<br />
Glasfaser verst. 100 − 800 * 12000 − 90000 * 1,3 − 2 * 90 − 120 −−<br />
Kunststoff<br />
Karbonfaser verst. 500 − 1500 * 30000 − 200000 * 1,3 − 2 * 130 − 300 −−<br />
Kunststoff<br />
Holz<br />
100 (längs der<br />
Faser) a 14000 a 0,2 − 1 * 1,8 − 4,0 8,7 − 30,4<br />
Tabelle 5: Materialien im technischen Gebrauch a (Gordon 1968, S.42ff), b (Lexikon der Biologie 1999, S.444ff),<br />
*(Ashby 1992, S.28ff, 245), **<br />
Die Weltproduktion wichtiger vom Menschen eingesetzter Materialien <strong>und</strong> Wirtschaftsgüter<br />
ist in Tabelle 6 angeführt. Dabei spielen Materialien mit einem geringen Energieinhalt, wie<br />
Sand <strong>und</strong> Kies, eine große Rolle. Doch auch Materialien mit höherem energetischen Aufwand<br />
in der Produktion, wie beispielsweise Eisen, werden in großen Mengen produziert.<br />
27
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Weltproduktion [Mio.t/a]<br />
Wirtschaftsgut, Material<br />
bis 1 Platin, Gold, Silber, Zinn<br />
von 1 bis 10 Titandioxid * , Feldspat * , Blei, Fluorit * , Asbest * , Betonit * ,Baryt * , Zink, Talk * ,<br />
Pyrophyllit * , Chromit *<br />
von 10 bis 100 Kupfer, Magnesit * , Kaolin * , Manganerz * , Kalisalz * , Schwefel * , Gips * ,<br />
Kunstfasern (auf Cellulose− <strong>und</strong> Synthetikbasis), Mineraldünger, syn.<br />
Kautschuk<br />
von 100 bis 1000 Bauxit, Phosphat * , Steinsalz * , Eisen, Tonstein * , Lehm * , Papier <strong>und</strong> Pappe<br />
von 1000 bis 10000 Zement, Braunkohle, Erdöl, Steinkohle, Natursteine * , Sand * <strong>und</strong> Kies *<br />
Tabelle 6: Weltproduktion verschiedener Wirtschaftsgüter Ende der 1990er bzw. 1983. Quelle: (Baratta 2000,<br />
S.1153ff), * Zahlen von 1983 aus: (Lüttig / Walter / Merian, in: Schmidt-Bleek 1993, S. 22)<br />
Doch auch der weltweite Holzeinschlag stellt mit 3354·10 6 m³ im Jahre 1996 eine wichtige<br />
technische Ressource dar. Davon werden 1490·10 6 m³ als Industrieholz eingesetzt, der Rest<br />
entfällt auf Brennholz. (Baratta 2000, S.1139)<br />
Betrachtet man die anthropogenen Materialströme während der Menschheitsgeschichte, so ist<br />
ein stetiges Anwachsen zu bemerken. In frühen Jäger- <strong>und</strong> Sammler-Gesellschaften betrug<br />
der Materialinput fester Stoffe r<strong>und</strong> 1 t/(Kopf·a) (Trockensubstanz), wobei die zur<br />
Herstellung von Nahrung <strong>und</strong> Energie (Feuer) benötigten Materialien hauptsächlich aus<br />
pflanzlicher Biomasse gewonnen wurden. In Agrargesellschaften der gemäßigten Breiten<br />
wurden um 1875 bereits 4 t/(Kopf·a) verbraucht, wobei 2,7 t für Futterzwecke benötigt<br />
wurden. Der Materialbedarf einer Industriegesellschaft, beispielsweise Österreich um 1990,<br />
betrug r<strong>und</strong> 21,5 t/(Kopf·a). Dieser Bedarf setzte sich aus 3,1 t landwirtschaftlicher Biomasse<br />
(TS), 3,3 t Holz, 9 t Schotter, Sand, etc. <strong>und</strong> 3,2 t anderer Materialien zusammen.<br />
(Fischer-Kowalski et al. 1996, S.30)<br />
Ein Mensch in einer Jäger- <strong>und</strong> Sammler-Gesellschaft benötigt r<strong>und</strong> 3 kg Rohstoffe, 12 kg<br />
Luft <strong>und</strong> 20 kg Wasser pro Tag <strong>und</strong> produziert somit 35 kg Abfälle bzw. Emissionen. In<br />
Industriegesellschaften um 1990 werden pro Kopf <strong>und</strong> Tag 55 kg Rohstoffe, 120 kg Luft <strong>und</strong><br />
1150 kg Wasser benötigt, was eine Abfalls- oder Emissionsmenge von 1320 kg/(Kopf·d)<br />
ergibt. (Fischer-Kowalski et al. 1996, S.34) Der Materialeinsatz ist in Österreich zwischen<br />
1970 <strong>und</strong> 1990 um mehr als 20% gestiegen (Hüttler, Payer, Schandl in: Fischer-Kowalski et<br />
al. 1996, S.116).<br />
28
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Die statische Lebensdauer (= Reichweite der Vorräte bei gleich bleibender Jahresförderung)<br />
einiger ausgewählter Rohstoffe zum Stand 1999/2000 ist in Tabelle 7 angeführt.<br />
Rohstoff statische Lebensdauer<br />
[a]<br />
Rohstoff statische Lebensdauer<br />
[a]<br />
Chrom 350 Eisen 300<br />
Mangan 250 Braunkohle 230<br />
Nickel 160 Steinkohle 200<br />
Zinn 120 Kupfer 90<br />
Blei 90 Erdgas 75<br />
Erdöl 45 Zink 45<br />
Erdöl (+ Teersand /<br />
Ölschiefer) 120<br />
Quecksilber<br />
35<br />
Tabelle 7: Statische Lebensdauer ausgewählter Rohstoffe (Baratta 2000, S.1152)<br />
29
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
7 AUSGEWÄHLTE BIOGENE MATERIALIEN<br />
In der Biosphäre <strong>und</strong> in der Technosphäre werden, wie bereits erwähnt, sehr unterschiedliche<br />
Materialien eingesetzt. Organismen sind auf die verfügbaren Ressourcen angewiesen, <strong>und</strong><br />
dennoch werden nur wenige Elemente in großen Mengen von Organismen verwendet. Dies<br />
ist interessant, da mit den wenigen Ausgangsstoffen die unterschiedlichsten Materialien mit<br />
sehr heterogenen Eigenschaften erzeugt werden. In der Biosphäre werden im Gegensatz zur<br />
Technosphäre nur selten reine Materialien verwendet. Strukturelle Bio<strong>materialien</strong> bestehen<br />
zumeist aus Verbindungen mehrerer Komponenten, wodurch auch eine Anpassung an die<br />
jeweils gegebenen Erfordernisse durch Änderungen in den Mischungsverhältnissen<br />
stattfinden kann. So sind die Bestandteile von Zahnschmelz <strong>und</strong> Knochen die gleichen, doch<br />
die Struktur <strong>und</strong> das Verhältnis der eingesetzten Stoffmengen sind unterschiedlich. Daraus<br />
ergeben sich die Unterschiede in der mechanischen Performance.<br />
Materialien, die in der Technik konstruktiv zum Einsatz kommen, sind oft starr. Aus diesem<br />
Gr<strong>und</strong> beschäftigt sich diese Arbeit auch nur mit starren, strukturellen Bio<strong>materialien</strong>. Eine<br />
weitere Einschränkung erfolgt auf die Tier- <strong>und</strong> Pflanzenwelt, da in beiden oft in gleichen<br />
Größenordnungen wie in der Technik operiert wird.<br />
Die biogenen Materialien können ganz allgemein in zwei Gruppen eingeteilt werden:<br />
anorganische <strong>und</strong> organische Materialien. Bei den anorganischen Materialien handelt es sich<br />
um Mineralien, meist mit Einlagerungen kleiner Mengen organischer Komponenten.<br />
Organische Materialien sind aus Polymeren verschiedenster Bestandteile, meist<br />
Polysaccharide oder Proteine, aufgebaut.<br />
Drei verschiedene Arten von Mineralien dominieren im Tierreich. Mit geringer werdender<br />
Häufigkeit in Skeletten (Exo- <strong>und</strong> Endoskelett) sind das: Kalziumkarbonat CaCO 3 (als Kalzit<br />
oder Aragonit), Kalziumphosphat Ca 3 (PO 4 ) 2 bzw. Varianten davon <strong>und</strong> Silikat in Form von<br />
Varianten von SiO 2 . Kalzium <strong>und</strong> Silizium stellen also viel verwendete Elemente dar, wohl<br />
auch deshalb, weil sie häufig vorkommen. Die Verwendung von Phosphat ist überraschend,<br />
da es meist nur in geringen Mengen in der Umwelt vorhanden ist. Es wird angenommen, dass<br />
Knochenmaterial, das zu einem Großteil aus Kalziumphosphat aufgebaut ist, am Beginn nicht<br />
aus mechanischen Gründen, sondern aus Gründen der temporären Speicherung von Phosphat<br />
bei Skeletten von frühen Fischformen zum Einsatz kam, um Zeiten des mangelnden<br />
Vorkommens dieser Ressource im Meer besser zu überstehen. (Currey 1970, S.17) Phosphate<br />
30
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
sind aber in Form von ATP u.a. für metabolische Zwecke ubiquitär in der Biosphäre<br />
vorhanden.<br />
Es ist davon auszugehen, dass die Stoffe, die für die Erzeugung von mineralischen<br />
Materialien nötig sind, in gelöster Form aufgenommen werden. Ca 2+ 3−<br />
,HCO 3− <strong>und</strong> PO 4 liegen<br />
in wässeriger Lösung <strong>und</strong> somit im Süßwasser <strong>und</strong> Meerwasser als Ionen vor, während<br />
Si(OH) 4 in Wasser nicht in Ionen dissoziiert. Als Ressource für Phosphate dienen allerdings<br />
nicht nur gelöste Ionen. In jedem Lebewesen <strong>und</strong> damit in der Nahrung von Heterotrophen<br />
kommt Phosphat in organischen Verbindungen vor. Mineralische Bio<strong>materialien</strong> werden im<br />
Rahmen dieser Arbeit anhand der Beispiele Knochen, Dentin, Zahnschmelz, Geweih,<br />
Siliziumschalen, Molluskenschalen, Korallen <strong>und</strong> Kalkschwämme untersucht.<br />
Neben den erwähnten mineralischen Bio<strong>materialien</strong> werden auch organische betrachtet. Die<br />
wesentlichen strukturellen Materialien in diesem Bereich stellen Holz, Cellulose, Keratin,<br />
Seide <strong>und</strong> Chitin dar. Die Ressourcen zu ihrer Herstellung sind größtenteils CO 2 <strong>und</strong> Wasser.<br />
Daneben spielen Stickstoff- <strong>und</strong> Schwefelquellen für die aus Proteinen aufgebauten Stoffe<br />
Keratin, Seide <strong>und</strong> Chitin eine Rolle. Im Wesentlichen werden in der Natur mehr oder<br />
weniger vernetzte Mehrfachzucker <strong>und</strong> Eiweißketten zur Bildung organischer Bio<strong>materialien</strong><br />
verwendet.<br />
Die zur Untersuchung herangezogenen Arten sind meist willkürlich ausgewählt. Das liegt<br />
hauptsächlich daran, dass es im Allgemeinen keine für diese Arbeit verwertbaren,<br />
systematisch aufgelisteten Daten gibt. Die untersuchten Arten, von denen Daten vorliegen,<br />
wurden nach anderen Kriterien ausgewählt, als sie für diese Arbeit wünschenswert wären. Die<br />
meiste diesbezügliche Literatur wurde über den Menschen verfasst <strong>und</strong> über Organismen, die<br />
direkt in Bezug zu ihm stehen. Daraus resultiert die Schwerpunktsetzung in dieser Richtung.<br />
31
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
8 EVOLUTION DER AUSGEWÄHLTEN BIOGENEN MATERIALIEN<br />
Die ausgewählten Materialien werden für die Evolutionsbetrachtungen wieder in organische<br />
<strong>und</strong> mineralische Materialien unterteilt. Da die Weichteilerhaltung − also die Erhaltung<br />
organischer Stoffe − sehr selten vorkommt, sind die fossilen Überreste, die die mineralischen<br />
Materialen hinterlassen haben, viel ausgeprägter (Thenius 1976, S.12). Es kann auch davon<br />
ausgegangen werden, dass die Datierung der erhaltenen mineralischen Hartteile genauer ist<br />
als die der Weichteile.<br />
Die Betrachtung der organischen Materialien stützt sich demgemäß auf die<br />
Organismengruppe, bei denen diese verwendet wurden <strong>und</strong> werden. Das bedeutet<br />
beispielsweise, dass das Auftreten von Hörnern zeitlich dort angesetzt wird, wo die ersten<br />
Überreste − meist Skelette − von Hornträgern gef<strong>und</strong>en wurden. Es kann also davon<br />
ausgegangen werden, dass Materialien wie Proteine zu den ursprünglichsten überhaupt<br />
zählen, da sie Gr<strong>und</strong>bausteine des Lebens darstellen.<br />
Abbildung 2 gibt einen Überblick über die Stammesgeschichte der Organismen. Die<br />
Zeitachse verläuft dabei vertikal von unten nach oben <strong>und</strong> ist mit den einzelnen Epochen<br />
gekennzeichnet. Es wird ersichtlich, auf welche Wurzeln die heute anzutreffenden Arten<br />
zurückgehen. Anhand dieser Darstellung <strong>und</strong> der folgenden Kapitel soll ein<br />
erdgeschichtlicher Überblick über die in der Biosphäre zum Einsatz gekommenen Materialien<br />
gegeben werden.<br />
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Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Abbildung 2: Auftreten <strong>und</strong> Verbreitung der Organismen in der Erdgeschichte (Vogel / Angermann 1998,<br />
S.520)<br />
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Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
8.1 Mineralische Materialien<br />
Biomineralisation ist weit verbreitet <strong>und</strong> findet sowohl bei Prokaryonten als auch<br />
Eukaryonten statt. Über 60 verschiedene Biomineralien sind derzeit bekannt, die unter den<br />
verschiedensten Bedingungen − sowohl in Zellen als auch außerhalb − gebildet werden. Die<br />
Massenbewegungen durch Biomineralisation sind so groß, dass sie die Biosphäre merklich<br />
beeinflussen. (Lowenstam / Weiner 1989, S.227)<br />
Erste fossil erhaltene Skelettteile datieren aus einer Zeit vor 570 Mio.a, nicht skelettale<br />
Makrofossilf<strong>und</strong>e sind bereits vor 670 Mio.a aufgetreten. Mit dem Auftreten von skelettalen<br />
Hartteilen ist auch die Grenze zwischen dem Präkambrium <strong>und</strong> dem Phanerozoikum<br />
definiert. Dennoch gibt es Hinweise auf wesentlich ältere, biogen induzierte Mineralisationen.<br />
So wird angenommen, dass Sulfide bereits vor 2,7 Mrd.a durch den Einfluss von<br />
Mikroorganismen gebildet wurden. Die ältesten fossilen F<strong>und</strong>e, die in direktem<br />
Zusammenhang mit biologischer Aktivität stehen, sind 1,6 Mrd.a alt. Dabei wurde, ähnlich<br />
wie auch bei heute noch lebenden Bakterien, Mangan in Mineralien eingebaut. Es wird<br />
jedoch auch diskutiert, ob gewisse Eisenablagerungen, die bis zu 3,8 Mrd.a alt sind, biogenen<br />
Ursprungs sind. Der Nachweis des biologischen Einflusses ist allerdings schwierig, da<br />
teilweise kaum ein Unterschied zu anorganisch produzierten Mineralien besteht.<br />
(Lowenstam / Weiner 1989, S.228ff)<br />
An der Grenze vom Präkambrium zum Kambrium wurde die biologisch kontrollierte<br />
Mineralisation zu einem der signifikantesten Ereignisse in der Stammesgeschichte.<br />
Organismen aus den verschiedensten Stämmen der Reiche Monera (Organismen ohne<br />
Zellkern), Protista (Einzeller), Animalia (Tierreich) <strong>und</strong> wahrscheinlich auch anderer<br />
begannen größere Mengen an Biomineralien zu produzieren. Die ersten von Organismen so<br />
produzierten Hartteile beinhalteten bereits Karbonate, Phosphate <strong>und</strong> Silikate. Diese<br />
Verbindungen sind auch unter den heute lebenden Organismen die am häufigsten<br />
vorkommenden. (Lowenstam / Weiner 1989, S.232)<br />
Karbonate<br />
Von den sieben verschiedenen biogenen Karbonaten werden nur Kalzit <strong>und</strong> Aragonit, also<br />
zwei Arten von Kalziumkarbonat, in großen Mengen gebildet. Kalzit ist von beiden<br />
thermodynamisch gesehen das stabilere Mineral. Das erklärt auch, warum Aragonit mit<br />
34
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
größerem Alter der Fossilien immer seltener in Erscheinung tritt. Die große Mehrzahl der<br />
Karbonatfossilien bilden die Animalia (Tierreich) <strong>und</strong> Protista (Einzeller), während die<br />
Monera (zellkernlose Organismen) nicht so häufig vorkommen. Marine Organismen sind im<br />
Allgemeinen in größerem Umfang fossil erhalten als terrestrische, da sie durch die Erosion<br />
nicht so stark angegriffen wurden. (Lowenstam / Weiner 1989, S.232ff)<br />
Die ersten fossilen Karbonate gehen auf eine Zeit vor r<strong>und</strong> 1 Mrd.a zurück. Leicht<br />
mineralisierte Cyanobakterien sind in Gesteinen dieser Zeit erhalten. An der Grenze zum<br />
Kambrium kamen plötzlich starke Verkrustungen bei den Cyanobakterien vor. Mineralhaltige<br />
eukaryontische Algen traten erstmals im späten Präkambrium auf <strong>und</strong> nahmen in ihrer Zahl<br />
an mit Mineralien ausgestatteten Arten schlagartig − zwischen dem späten Präkambrium <strong>und</strong><br />
dem unteren Kambrium − zu. Dieses Phänomen ist auch bei Organismen anderer Phyla, wenn<br />
auch zeitversetzt, zu beobachten. Im unteren Kambrium trat dann eine Vielzahl von Varianten<br />
des Einsatzes von Karbonaten auf, die heute nur schwer systematisch eingeordnet werden<br />
können. Am Ende des Kambriums verschwanden die meisten von ihnen wieder, <strong>und</strong> es<br />
blieben hauptsächlich jene über, deren verwandte Vertreter auch heute noch gef<strong>und</strong>en werden<br />
können. Die Monoplacophora <strong>und</strong> die Gastropoden traten sehr früh im Kambrium auf sowie<br />
auch eine Gruppe von heute ausgestorbenen Kalkschwämmen. Diese Archaeocyatha bildeten<br />
bereits große Skelette, mit denen die ersten biogenen Riffe abgestützt wurden. Gleichfalls im<br />
unteren Kambrium tauchten kalkhaltige Brachiopoden auf <strong>und</strong> die Trilobiten mit teilweise<br />
ebenso mineralisiertem Exoskelett. Im mittleren Kambrium kamen auch noch einige andere<br />
verbreitete kalkbildende Organismen zum Vorschein wie verschiedene Algen <strong>und</strong><br />
Cephalopoden. (Lowenstam / Weiner 1989, S.232ff)<br />
Im Ordovizium nahmen die kalkhaltigen Algen an Dominanz zu, <strong>und</strong> die ersten Korallen mit<br />
Karbonatskelett traten ebenso wie die ersten mineralbildenden Foraminiferen in Erscheinung.<br />
Daneben zeigten auch Echinodermaten ihr erstes Erscheinen. (Lowenstam / Weiner 1989,<br />
S.232ff)<br />
Riffkomplexe finden sich zu allen Zeiten der Erdgeschichte. Die ältesten Riffe wurden durch<br />
die Aktivitäten von Blaugrünalgen im Präkambrium gebildet; hier bauten Stromatolithe das<br />
Riffgerüst auf. Im Paläozoikum sind die Korallen sowie die Stromatoporen die bevorzugten<br />
Riffbildner. In Perm <strong>und</strong> Trias gewinnen die Kalkschwämme vorübergehend größere<br />
Bedeutung. Ab dem Jura beherrschen die Neokorallen das Riffwachstum; nur in der<br />
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Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Oberkreide werden sie von der Muschelgruppe der Rudisten kurzzeitig verdrängt. (Zeil 1990,<br />
S.92) Die Anthozoa (Korallentiere) sind seit dem Ordovizium bekannt. (Thenius 1976, S.78)<br />
Es wird angenommen, dass die dem Paläozoikum folgenden Epochen, bei stark steigender<br />
Produktion von biogenem Karbonat, eine Verlagerung von Kalzit zu Aragonit bei der<br />
Bildung von Skeletten mit sich brachten (Lowenstam / Weiner 1989, S.236, 238). Am Land<br />
spielte die biogene Karbonatbildung nie eine große Rolle. Die ersten Landschnecken tauchten<br />
allerdings bereits im Karbon auf. Das Süßwasser besiedelten Muscheln ab dem Mesozoikum.<br />
In Bezug auf Volumenmengen an Karbonatbildung im Süßwasser sind die Algen Charophyta<br />
wahrscheinlich die bedeutendsten. Sie haben ihre Wurzeln im frühen Devon. (Lowenstam /<br />
Weiner 1989, S.240)<br />
Die Schalen der Muscheln sind aus dem mittleren Kambrium bekannt, während der Ursprung<br />
der Entwicklungsgeschichte der Schnecken möglicherweise schon im Präkambrium zu suchen<br />
ist. Die Brachiopoden sind ebenfalls noch vor den Bivalven aufgetreten <strong>und</strong> seit Beginn des<br />
Kambriums bekannt. (Thenius 1976, S.78)<br />
Phosphate<br />
Im Gegensatz zu Karbonaten haben Phosphate eine wichtige Bedeutung als Nährstoffe.<br />
Phosphor ist für alle Lebensformen ein essenzielles Element. Es ist daher nicht<br />
verw<strong>und</strong>erlich, dass Phytoplankton <strong>und</strong> Zooplankton Phosphate auch als Hartsubstanzen<br />
verwenden. Es liegt also die Vermutung nahe, dass Phosphate zur temporären Speicherung<br />
von Nährstoffen dienen. Damit könnten Synergien zwischen Konstruktionsmaterial <strong>und</strong><br />
Nährstoffspeicherung angenommen werden. Die am häufigsten angetroffenen Strukturen<br />
werden von amorphem Material gebildet <strong>und</strong> nur wenige − 3 von 22 bekannten − Phyla<br />
bilden kristallines Phosphat. (Lowenstam / Weiner 1989, S.240)<br />
Die fossilen F<strong>und</strong>e von Phosphaten beschränken sich auf das Tierreich. Sie sind jedoch nicht<br />
so gut erhalten wie die Karbonate. Eine Erklärung dafür kann ihr Nährstoffgehalt sein, der<br />
dazu führen kann, dass die Überreste von Tieren rasch wieder in den ökologischen Kreislauf<br />
rückgeführt werden. Fossile <strong>und</strong> rezente Gruppen, die Phosphate in amorpher oder kristalliner<br />
Form enthalten, sind: Problematica (amorph: Präkambrium - Trias); Cnidaria (kristallin:<br />
Kambrium - Trias, amorph evtl.: Kambrium - rezent); Ctenophora (amorph evtl.: Kambrium -<br />
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Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
rezent); Platyhelmintha (amorph: rezent); Nemertina (amorph: rezent); Ectoprocta (kristallin:<br />
Kambrium - Silur, amorph: rezent); Brachiopoda (kristallin: Kambrium - rezent); Annelida<br />
(kristallin <strong>und</strong> amorph: rezent); Mollusken (kristallin: rezent, amorph: Kreide <strong>und</strong> rezent);<br />
Arthropoden (kristalline: Kambrium, amorph: Jura - rezent); Echinodermaten (amorph evtl.:<br />
Devon - rezent); Chordata (kristallin: Kambrium - rezent, amorph: rezent). (Lowenstam /<br />
Weiner 1989, S.240ff)<br />
Die ersten fossilen Phosphatf<strong>und</strong>e gehen in das Kambrium zurück, wobei die taxonomische<br />
Zusammengehörigkeit ungeklärt ist. Die meisten Organismen mit Phosphaten aus dieser Zeit<br />
fallen in die Gruppe der Problematica, die Ende des Kambriums ausgestorben sind.<br />
Vermutungen werden angestellt, ob es einen Konnex zwischen ihrem Aussterben <strong>und</strong> der<br />
Verwendung von Phosphaten gibt. Dafür spricht ein höherer Phosphatgehalt der Meere an der<br />
Wende vom Präkambrium zum Kambrium. (Lowenstam / Weiner 1989, S.240ff)<br />
Ostracoden (Muschelkrebse) mit Hartschalen aus Phosphat entwickelten sich im unteren<br />
Kambrium. Sie wechselten jedoch nach dem Kambrium zu einem Skelett aus Kalzit.<br />
Ähnliches ist auch von Bryozoen <strong>und</strong> den mit einer dünnen chitinig-phosphatischen Schale<br />
ausgestatteten Conularien (Kambrium - Trias) bekannt. (Lowenstam / Weiner 1989, S.240ff,<br />
243) (Lehmann 1985, S.81) Hydrozoen verwenden heute noch Statolithen aus<br />
Ca-Mg-Phosphat als Teil ihrer Gleichgewichtsorgane. (Lowenstam / Weiner 1989, S.244)<br />
Seit Ende des Kambriums sind auch kieferlose Panzerfische mit phosphatischen Skelettteilen<br />
nachweisbar. Sie stellen die ältesten F<strong>und</strong>e von Vertebraten dar. Bei einem der<br />
phosphatischen Problematica könnte es sich um Bryozoen handeln. Von einigen Bryozoen<br />
aus dem Ordovizium bis Silur ist bekannt, dass sie ein Skelett aus einer äußeren Kalzitschicht<br />
<strong>und</strong> einer inneren Phosphatschicht bilden. (Lowenstam / Weiner 1989, S.240ff)<br />
Trotz Schwierigkeiten mit der Zuordnung der F<strong>und</strong>e aus dem Kambrium kann angenommen<br />
werden, dass der Anteil an Organismengruppen, die Phosphatskelette verwendete, zu jener<br />
Zeit am höchsten war. (Lowenstam / Weiner 1989, S.240ff)<br />
Die Vertebraten sind die prominenteste Gruppe von Lebewesen, die Phosphate verwenden.<br />
Als Startpunkt ihrer Entwicklung gilt das mittlere Ordovizium. Die kieferlosen Fische zeigten<br />
eine erhebliche Radiation am Ende des Ordoviziums, dennoch war ihre Zahl am Ende des<br />
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Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Devons stark zurückgegangen. Die Vorläufer der Knochenfische traten am Beginn des<br />
Devons auf. Sie unterlagen ebenfalls zahlreichen Radiationen. Amphibien, die ersten auch an<br />
Land lebenden Vertebraten, gibt es seit dem späten Devon. Darauf folgten die Reptilien im<br />
späten Karbon, die teilweise im Perm wieder in marine Lebensräume zurückwanderten. Die<br />
ersten Säugetiere sind aus der späten Trias bekannt <strong>und</strong> die ersten Vögel aus dem mittleren<br />
Jura. Aufgr<strong>und</strong> der Tatsache, dass sehr viele rezente Lebewesen Phosphate verwenden, die<br />
fossil nur wenig vorhanden sind, kann man vermuten, dass die Stammesgeschichte der<br />
phosphatmineralisierenden Organismen noch weitgehend ungeklärt ist. (Lowenstam / Weiner<br />
1989, S.243ff)<br />
Bei den Zähnen der Säugetiere dürfte es sich um eine Entwicklung handeln, die am Ende der<br />
Trias eingesetzt hat. Zumindest sind zu dieser Zeit die Mammalenzähne bereits nachweisbar.<br />
(Thenius 1976, S.78) Doch auch bei den früher auftretenden Reptilien sind Zähne bekannt.<br />
Das Organ der Zähne dürfte sich allerdings in verschiedenen Organismengruppen unabhängig<br />
voneinander zur Nahrungszerkleinerung entwickelt haben.<br />
Silikate<br />
Die Verwendung von Silikatskeletten ist heute unter den Einzellern, Pflanzen <strong>und</strong><br />
Schwämmen weit verbreitet. Die Ozeane sind auf Gr<strong>und</strong> der großen Entnahmen an Silikaten<br />
durch Organismen untersättigt. Dabei spielen die planktischen Radiolarien <strong>und</strong> die<br />
Diatomeen, die beide in der photischen, also der obersten Schicht der Meere, leben, die<br />
größte Rolle. Die Untersättigung könnte auch entscheidend bei der raschen Auflösung von<br />
silikatischen Schwämmen <strong>und</strong> „Gastropodenzähnen“ im Seichtwasser sein. Auch im<br />
Süßwasser (Diatomeen, Chrysophyta, Rhizopoda <strong>und</strong> Schwämme) <strong>und</strong> an Land (Pflanzen)<br />
können biogen Silikate gebildet werden. Es ist allerdings auffällig, dass nur einige der<br />
untersten Taxa in den Phyla Silikate bilden können, was die Vermutung nahelegt, dass sich<br />
nur wenige spezialisierte Arten auf Silikate eingestellt haben. (Lowenstam / Weiner 1989,<br />
S.244)<br />
Fossil sind lediglich 8 der heute 22 Phyla, die Silikatbildung betreiben, nachgewiesen. Diese<br />
sind: Actinopoda (Radiolaria) (Kambrium - rezent); Bacillariophyta (Diatomeen) (evtl. Trias,<br />
Kreide - rezent); Chrysophyta (evtl. Kambrium, Tertiär - rezent); Pyrrhophyta (Tertiär -<br />
rezent); Dinoflagellaten (Tertiär - rezent); Schwämme (Kambrium - rezent); Sphenophyta<br />
38
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
(junges Tertiär - rezent); Angiospermophyta (evtl. Kreide, Tertiär - rezent). Die meisten<br />
dieser Phyla gehören zu den Einzellern, lediglich die Porifera aus dem Tierreich <strong>und</strong> die<br />
Angiospermophyta aus dem Pflanzenreich bilden Ausnahmen. (Lowenstam / Weiner 1989,<br />
S.245)<br />
Die biogene Silikatbildung ist also in der Erdgeschichte bereits aus dem Kambrium bekannt,<br />
wobei es im mittleren Ordovizium zu massenhaften Ablagerungen gekommen ist, die<br />
hauptsächlich aus Radiolarien bestehen. Außer bei den Radiolarien, den Schwämmen <strong>und</strong><br />
evtl. den Chrysophyten sind die biogenen Silikate erst im Mesozoikum oder Känozoikum,<br />
also verhältnismäßig spät, aufgetaucht. Die Entfaltung der Diatomeen im späten Känozoikum<br />
hatte einen weitreichenden Einfluss auf die Sättigung der Meere mit Silikat <strong>und</strong> die<br />
Artenverteilung innerhalb der Biomineralisierer. Gleichzeitig mit der Expansion der<br />
Diatomeen nahmen sowohl die Artenzahl der Radiolarien wie auch die Menge der von ihnen<br />
mineralisierten Materialien ab. Einen ähnlichen Effekt bewirkten die Diatomeen auch<br />
gegenüber den Silikatschwämmen. (Lowenstam / Weiner 1989, S.245ff)<br />
Im Süßwasser sind die Silikatbildner (Diatomeen, Chrysophyten, Rhyzopoden <strong>und</strong><br />
Schwämme) erst seit dem Känozoikum bekannt, wo sie aber teilweise große Ablagerungen<br />
hinterlassen haben. Bei den Pflanzen könnte die Ahnenreihe derer, die Silikate einbauen, bis<br />
ins Ordovizium zurückreichen, <strong>und</strong> sie bezieht sich auf Sphenophyta <strong>und</strong><br />
Angiospermatophyta. Der älteste tatsächliche F<strong>und</strong> geht in das Känozoikum zurück. Bei den<br />
Angiospermen werden die Mineralien vor allem in Samen <strong>und</strong> Vegetationskörpern von<br />
Gräsern eingebaut. Die Einlagerungen in den Gräsern könnten als Fraßschutz entwickelt<br />
worden sein. Ein Kuriosum ist, dass sich die starke Verbreitung der Silikatbildner sowohl im<br />
Meer als auch auf dem Land zur selben Zeit, also in der Mitte des Känozoikums, ereignete.<br />
(Lowenstam / Weiner 1989, S.244ff)<br />
8.2 Organische Materialien<br />
Cellulose<br />
Eines der wohl ältesten biogenen Materialien, das in dieser Arbeit behandelt wird, ist<br />
Cellulose. Sie findet sich bereits in den Protophyten (Einzeller oder lockere Verbände von<br />
Einzellern), die als Vorläufer der höheren Pflanzen angesehen werden können. Hier gibt es<br />
bereits Gattungen wie Chlamydomonas, die zur Klasse der Grünalgen zählen, oder Gattungen<br />
39
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
aus der Klasse der Dinoflagellaten, die Zellwände aus Cellulose besitzen. (Czihak et al. 1992,<br />
S.556, 566)<br />
Fast alle Prokaryonten besitzen zwar eine Zellwand, jedoch nicht aus Cellulose, sondern aus<br />
Murein, einem Peptidoglycan (Polysaccharidderivat), oder anderen Stoffen . Es<br />
liegt also nahe, das erste Auftreten von Cellulose im Präkambrium anzusetzen. Die heute<br />
existierenden Pflanzen sind stammesgeschichtliche Nachfahren der damals lebenden Algen.<br />
Cellulose kommt aber auch bei Tunicaten vor (Ziegler 1992, S.31).<br />
Lignin<br />
Lignin zur Verfestigung der pflanzlichen Zellwände ist wesentlich später in Erscheinung<br />
getreten <strong>und</strong> wurde erst bei terrestrischen Lebewesen eingesetzt. Im Silur traten die ersten<br />
Landpflanzen auf. Es handelte sich dabei um die zu den Nacktfarnen (Psilophyten) gehörende<br />
Rhynia. Die Nacktfarne sind bereits Ende des Devons wieder ausgestorben, bildeten aber die<br />
direkten Vorläufer der heutigen Palette der Pflanzen mit Ausnahme der Moose. Die<br />
Sumpfpflanze Rhynia zeichnete sich bereits durch einen Wurzelstock mit Rhizoiden,<br />
aufrechte 50 cm hohe Gabelsprosse mit einfachen Spaltöffnungen, Leitbündel, Cutin als<br />
Verdunstungs- <strong>und</strong> UV-Schutz <strong>und</strong> Lignin als Festigungsstoff der Stützzellen aus. (Vogel /<br />
Angermann 1998, S.521)<br />
Chitin<br />
Chitin, das Material, das sowohl bei den Pilzen als auch bei Gliedertieren auftritt, ist<br />
möglicherweise mehrmals unabhängig voneinander entwickelt worden. Pilze stammen wie<br />
auch die Pflanzen von Algen ab. Ihr Auftreten kann im Ordovizium bzw. Silur angenommen<br />
werden. Wesentlich früher traten die Trilobiten auf. Sie lebten vom Kambrium bis ins<br />
Karbon, besaßen Chitin in Form von Kopf-, Rumpf- <strong>und</strong> Schwanzschild <strong>und</strong> wurden von 1<br />
bis 70 cm groß. Trilobiten sind auch die Vorläufer der sich ab dem Silur bzw. Devon<br />
entwickelnden Insekten. Wirbellose Landtiere sind durch das Urinsekt Rhyniella im Devon<br />
belegt. (Vogel / Angermann 1998, S.520ff) Es kann angenommen werden, dass der Einsatz<br />
von Chitin direkt von den Trilobiten auf die Insekten übergegangen ist. Krustazeen, die<br />
häufig ein durch mineralische Einlagerungen gehärtetes Chitinaußenskelett aufweisen, sind<br />
bereits im Kambrium aufgetaucht (Lehmann 1985, S.414). Sowohl Trilobiten als auch<br />
40
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Krustazeen <strong>und</strong> Insekten haben eine gemeinsame Wurzel in ihrer Entwicklung innerhalb des<br />
Stammes der Arthropoden (Lehmann / Hillmer 1997, S.163).<br />
Chitin fehlt bei den Deuterostomia; es gilt als charakteristisches Merkmal der Protostomia,<br />
von denen einige allerdings sek<strong>und</strong>är die Fähigkeit, es zu bilden, verloren haben (Wickler in:<br />
Heberer 1967, S.445). In der Gruppe der Chitinozoa sind Mikrofossilien mit bis zu 0,3 mm<br />
Größe zusammengefasst, die aus einer chemisch sehr widerstandsfähigen, meist schwarzen,<br />
chitinähnlichen Substanz bestehen. Ihre systematische Stellung ist umstritten. Die<br />
Hauptverbreitung hatten sie im Ordovizium, Silur <strong>und</strong> Devon. (Lehmann / Hillmer 1997,<br />
S.40ff)<br />
Chitin kommt auch bei Algen, Pilzen, Flechten, Cnidariern, Priapuliden, Mollusken,<br />
Anneliden, Onychophoren, Pentastomiden, Arthropoden <strong>und</strong> Tentaculaten vor <strong>und</strong> wird zur<br />
Bildung von Skeletten bei Arthropoden (Trilobiten, Krustazeen, Insekten, usw.), Graptolithen<br />
<strong>und</strong> manchen Brachiopoden benutzt (Ziegler 1992, S.31).<br />
Keratin<br />
Keratin könnte ebenfalls mehrmals unabhängig voneinander entwickelt worden sein. Im<br />
Kambrium sind hornschalige, nur gering mineralisierte Armfüßer häufig vorgekommen. Die<br />
Stammesgeschichte der Armfüßer reicht bereits in präkambrische Zeit zurück. (Vogel /<br />
Angermann 1998, S.520ff) Horngebilde, die durch Einlagerung von Gerüstproteinen<br />
gebildeten abgestorbenen Teile der Oberhaut bei Wirbeltieren, dienen besonders als Schutz<br />
gegen mechanische Einwirkungen <strong>und</strong> Kälte. In dieser Form kommen sie als Hornschuppen<br />
<strong>und</strong> -platten der Kriechtiere, als Federn <strong>und</strong> Schnabel bei Vögeln, als Haare, Krallen, Hufe<br />
<strong>und</strong> Hörner bei Säugetieren <strong>und</strong> Fingernägel bei Wirbeltieren vor. (Lexikon der Biologie<br />
1985, S.279)<br />
Es kann angenommen werden, dass die gemeinsamen Wurzeln einzelner Keratintypen, die<br />
bei verschiedenen Arten wie Haien, Fischen <strong>und</strong> Menschen vorkommen, aus einer Zeit vor<br />
mindestens 450 Mio.a datieren. Die Entwicklung der Keratine muss allerdings nicht immer<br />
einheitlich gewesen sein. Epidermal aus Keratinocyten gebildetes Material unterscheidet sich<br />
beispielsweise von Keratin, das typisch für einfache Epithelien ist. In den einfachen<br />
Epithelien der Mammalen, Vögel, Amphibien, Knorpel- <strong>und</strong> Knochenfische sind jedoch die<br />
41
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
charakteristischen Keratine verwandt mit denen der menschlichen K8- <strong>und</strong> K18-Form dieses<br />
Proteins. (Schaffeld 1998, S.69ff)<br />
Auch bei den Schwämmen finden sich Proteine als Skelettmaterial. Das Spongin, eine<br />
hornige kollagenähnliche Verbindung (Currey 1970, S.20), steht dem Keratin chemisch sehr<br />
nahe. Die Schwämme als eine sehr ursprüngliche Gruppe im Tierreich haben ihre Wurzeln im<br />
Kambrium (Vogel / Angermann 1998, S.528) oder möglicherweise schon vorher (Lehmann<br />
1985, S.414).<br />
Seide<br />
Seide lässt sich bereits im Unteroligozän nachweisen. In Bernstein blieben Spinnen <strong>und</strong><br />
Fliegen erhalten, die gemeinsam mit Resten des Spinnennetzes eingebettet wurden.<br />
(Kuhn-Schnyder in: Heberer 1967, S.263) Drüsen zur Bildung von seidenartigen Fäden<br />
wurden mehrfach im Laufe der Phylogenie der Insekten entwickelt <strong>und</strong> gingen meistens aus<br />
Labialdrüsen hervor. Die Funktion der Seidenfäden kann durchaus unterschiedlich sein. So<br />
werden sie für Wohngespinste, Schutznetze, Larvenköcher <strong>und</strong> Fanggespinste eingesetzt. Am<br />
bekanntesten sind die aus Seidenfäden gesponnenen Puppenkokons der Hymenoptera, vieler<br />
Coleoptera, der Planipennia, Mecoptera, Trichoptera, Lepidoptera <strong>und</strong> Siphonaptera.<br />
Spinnfäden werden entweder in reiner Form oder vermischt mit Fremdkörpern aus der<br />
Umgebung zum Bau von Wohnröhren oder Kokons verwendet: Beispielsweise nutzen Larven<br />
von Trichoptera (Köcherfliegen) Sandkörner, Schneckenschalen <strong>und</strong> Pflanzenteile, während<br />
Larven von Sackträgermotten <strong>und</strong> Flöhen Schmutzpartikel einbauen. (Dettner 1999, S.49)<br />
Die Seide einer anderen Arthropodengruppe, der Spinnen, ist möglicherweise unabhängig<br />
von jener der Insekten entstanden. Die Arachnida (Spinnen) sind bereits im Silur aufgetaucht<br />
(Lehmann / Hillmer 1997, S.161). Wie bereits erwähnt haben sich die ersten Insekten im<br />
Silur bzw. Devon entwickelt (Vogel / Angermann 1998, S.520ff).<br />
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Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
9 HÄUFIGKEIT DER VORKOMMENDEN BIOMATERIALIEN<br />
Die Biomasse der Erde − 1841·10 9 t Trockensubstanz (Heinrich 1990, S.31) − verteilt sich zu<br />
r<strong>und</strong> 99% auf die autotrophen Pflanzen, zu 0,9% auf die heterotrophen Pflanzen <strong>und</strong> zu nur<br />
0,1% auf die Tiere (Kalusche 1996, S.238). Die gesamte Nettoprimärproduktion beträgt<br />
172,5·10 9 t/a <strong>und</strong> verteilt sich auf das Meer mit 55,0·10 9 t/a <strong>und</strong> die Kontinente mit<br />
117,5·10 9 t/a. (Heinrich 1990, S.31) Von den rein organischen Materialien kommt Cellulose<br />
am häufigsten vor. Das zweithäufigste biogen gebildete organische Material ist Lignin<br />
(Britannica 2002: Lignin).<br />
An anderer Stelle wird das Chitin als das zweithäufigste organische Material in der Biosphäre<br />
angeführt. Die Menge des organisch geb<strong>und</strong>enen Kohlenstoffes in der Biosphäre beträgt<br />
demnach r<strong>und</strong> 2,7·10 11 t C. Davon sind r<strong>und</strong> 99% (2,6·10 11 t C) in Pflanzen geb<strong>und</strong>en.<br />
Insgesamt liegen 40%, also 1,1·10 11 t C, in Form von Cellulose vor. Der größte Anteil des<br />
Cellulose-Kohlenstoffes ist länger im Einsatz, <strong>und</strong> nur r<strong>und</strong> ein H<strong>und</strong>ertstel (1,3·10 9 t C) wird<br />
jährlich erneuert. Der Chitin-Anteil an der Biomasse liegt unter dem der Cellulose. Die<br />
Nettoprimärproduktion liegt aber mit 2,3·10 9 t C Materialerneuerung pro Jahr alleine beim<br />
Kohlenstoff des Krustazeen-Chitins deutlich über dem der Cellulose. (Peter, M.; Universität<br />
Potsdam, Institut für Chemie, Abt. Naturstoffchemie; persönliche Mitteilung; 29.1.2002)<br />
Umgerechnet auf die gesamte trockene Biomasse liegt die Nettoprimärproduktion von<br />
Cellulose (C 6 H 10 O 5 ) n bei 2,9·10 9 t/a <strong>und</strong> die von Krustazeen-Chitin (C 78 H 128 O 49 N 10 ) n bei<br />
4,9·10 9 t/a.<br />
Der größte Teil des biologisch verfügbaren Kohlenstoffes in Form des Kohlenstoffdioxids ist<br />
in den Ozeanen (3,8·10 13 t C) <strong>und</strong> in der Atmosphäre (7,2·10 11 t C) gespeichert. Jährlich<br />
werden vom CO 2 in der Atmosphäre etwa 15% durch die Photosynthese der Pflanzen<br />
umgesetzt. Zur Hälfte bilden Pflanzen daraus Biomasse, die andere Hälfte wird zur<br />
Energiegewinnung veratmet. Im Vergleich dazu ist in Erdöl, Erdgas, Stein- <strong>und</strong> Braunkohle<br />
sowie Torf eine Menge von 1,2·10 12 t C geb<strong>und</strong>en. (Schwedt 1996, S.8)<br />
Durch Verwesung (Mineralisierung über den Stoffwechsel von Mikroorganismen) werden<br />
aus der lebenden <strong>und</strong> der abgestorbenen Biomasse jährlich 6·10 9 t C in die Atmosphäre<br />
freigesetzt. (Schwedt 1996, S.8)<br />
Um zu veranschaulichen, dass die Angaben teilweise stark voneinander abweichen, sei hier<br />
43
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
noch ein weiterer Wert angeführt: Jedes Jahr werden etwa 10 11 t organische Substanz durch<br />
Photosynthese von Organismen auf der Erde produziert. Im gleichen Zeitraum wird ein etwa<br />
äquivalenter Betrag durch die Atmung zu CO 2 <strong>und</strong> H 2 O zurückoxidiert. (Odum 1983, S.33)<br />
Eine andere Quelle zeigt die in Tabelle 8 dargestellte Verteilung des Kohlenstoffes auf der<br />
Erde.<br />
Kompartiment Kohlenstoffmenge [10 9 t]<br />
Atmosphäre 700<br />
Humus im Boden 2 500<br />
Humus im Meer 1 000<br />
Landlebewesen 830<br />
Meereslebewesen 50<br />
−<br />
Gelöstes HCO 3 im Meer 38 400<br />
Fossile Brennstoffe 10 000<br />
Kalksedimente 60 000 000<br />
Tabelle 8: Kohlenstoffmengen in verschiedenen Kompartimenten (nach Stevenson 1985 in Gisi 1990, S.179)<br />
Etwa 50% der bekannten Biomineralien werden aus Kalziumsalzen gebildet <strong>und</strong> 25% aus<br />
Phosphaten. Weiters enthalten 60% der bekannten Biomineralien Hydroxygruppen bzw.<br />
geb<strong>und</strong>enes Wasser. (Lowenstam / Weiner 1989, S.17) Diese Zahlen geben jedoch keine<br />
Häufigkeit in Bezug auf die biogen gebildeten Massen an. Silikate sind nach<br />
Kalziumkarbonat die am zweithäufigsten von Organismen verwendeten Mineralien (Weiner<br />
et al. 2000, S.4). Wie bereits weiter oben erwähnt ist die Häufigkeit der Verwendung in<br />
Skeletten (Exo- <strong>und</strong> Endoskelett) von Kalziumkarbonat über Kalziumphosphat hin zu<br />
Silikaten geringer werdend (Currey 1970, S.17).<br />
Auf Gr<strong>und</strong> der Tatsache, dass von Pflanzen hauptsächlich Silikate eingelagert werden, kann<br />
angenommen werden, dass diese auch die mengenmäßig am häufigsten vorkommende<br />
Mineraliengruppe bei biogenen Materialien in der Biosphäre sind, wenngleich auch ihre<br />
Funktion umstritten ist.<br />
R<strong>und</strong> die Hälfte des Kalziums, das jährlich in die Ozeane eingetragen wird, wird temporär in<br />
Korallenriffen geb<strong>und</strong>en. Mit jedem Ca-Atom wird auch ein CO 2 -Molekül aufgenommen,<br />
was zu einer durchschnittlichen Fixierung von 700·10 6 t C führt. (Smith 1978, in: Birkeland<br />
1997, S.1) Das entspricht einer CaCO 3 Menge von 5,8·10 9 t/a. Für die Bildung von<br />
44
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Kalkskeletten im Meer (bes. Coccolithophoriden, Foraminiferen, Kalkalgen <strong>und</strong> Korallen)<br />
wird eine Bildungsrate von 8,5·10 9 t/a angeführt (Ott 1996, S.312), d.h. der größte Teil der<br />
Kalkbildung wird von den Korallen vollzogen.<br />
In Tabelle 9 sind einige der angesprochenen Bio<strong>materialien</strong> mit ihren jährlichen<br />
Produktionsmengen zusammengestellt.<br />
Material<br />
Bildungsrate [10 9 t/a]<br />
Cellulose 2,9<br />
Krustaceen-Chitin 4,9<br />
Korallenkalk 5,8<br />
Gesamter <strong>biogener</strong> Kalk im Meer (bes. Coccolithophoriden,<br />
Foraminiferen, Kalkalgen <strong>und</strong> Korallen) 8,5<br />
Tabelle 9: Jährliche Produktionsmenge ausgewählter <strong>biogener</strong> Materialien (Quellen: siehe Text)<br />
45
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
10 DATENERHEBUNG<br />
In diesem Teil werden die erhobenen Daten festgehalten, die die Basis für die weitere<br />
Auswertung in den folgenden Kapiteln darstellen. Die jeweilige Methodik für die Recherche<br />
bzw. den Umgang mit den Daten ist zu Beginn jedes Unterkapitels angeführt. Die<br />
Zusammensetzung der biogenen Materialien wird − da die Daten für die<br />
Energieberechnungen nötig sind − im jeweils ersten Teil der einzelnen Bio<strong>materialien</strong> mit<br />
behandelt. Am Ende der folgenden drei Unterkapitel werden dann die erhobenen Daten<br />
gesammelt dargestellt.<br />
10.1 Energetischer Aufwand der Biomaterialproduktion<br />
10.1.1 Methodik der Berechnung des Energieinhaltes von Bio<strong>materialien</strong><br />
Der Energieaufwand, den ein Organismus erbringen muss, um strukturelle Materialien<br />
herzustellen, ist nicht immer exakt bestimmbar. Dies liegt daran, dass die Synthesewege noch<br />
nicht detailliert genug erforscht sind <strong>und</strong> somit die Effizienz, mit der die Synthese vollzogen<br />
wird, nur grob geschätzt werden kann. Wegen dieses Umstands ist es zweckmäßig,<br />
vereinfachend die Energie, die für die Herstellung von Bio<strong>materialien</strong> benötigt wird, auf der<br />
Gr<strong>und</strong>lage der Anfangs- <strong>und</strong> Endzustände der Synthesewege zu ermitteln. Bio<strong>materialien</strong><br />
werden aus unterschiedlichen Ressourcen aufgebaut, die zumeist als niedermolekulare<br />
Verbindungen vorliegen. Diesen Verbindungen kann ebenso wie den erzeugten<br />
Bio<strong>materialien</strong> ein Energiewert (Standardbildungsenthalpien) beigemessen werden. Aus den<br />
Standardbildungsenthalpien der Reaktanden <strong>und</strong> Produkte lässt sich dann die<br />
Reaktionsenthalpie berechnen.<br />
Unter dem Begriff des Energieinhaltes wird in der Folge die Summe der Reaktionsenthalpien<br />
jener Komponenten verstanden, aus denen ein biogenes Material zusammengesetzt ist. Das ist<br />
die Energie, die nötig ist, um aus den jeweiligen Ressourcen − bei 100%iger Effizienz −<br />
Bio<strong>materialien</strong> aufzubauen. Mit dieser Annahme können die Energiewerte standardisiert <strong>und</strong><br />
miteinander verglichen werden. Damit ist ein Minimalwert für den energetischen Aufwand<br />
der Herstellung gegeben. Der tatsächliche Aufwand für einen Organismus liegt in jedem Fall<br />
über dem hier berechneten.<br />
Die Ressourcen, aus denen die Materialien gebildet werden, sind je nach Organismengruppe<br />
46
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
unterschiedlich (siehe auch Abbildung 7). Autotrophe Landlebewesen beziehen die für die<br />
Bildung von Bio<strong>materialien</strong> nötigen Ausgangsstoffe aus der Atmosphäre (CO 2 ) <strong>und</strong> dem<br />
2−<br />
Boden (H 2 O, NO 3− ,NH 4+ <strong>und</strong> SO 4 ). Im Meer liegt CO 2 in gelöster Form vor. Der<br />
Kohlenstoff wird von Autotrophen durch die Photosynthese aus dem vorhandenen CO 2<br />
aufgenommen. Der Wasserstoff wird − ebenfalls bei der Photosynthese − vom Wasser, das<br />
von den Wurzeln in die Blätter transportiert wird, abgespalten. Sauerstoff in Bio<strong>materialien</strong><br />
+<br />
stammt vom CO 2 <strong>und</strong> wird in Makromolekülen eingelagert. Stickstoff wird entweder als NH 4<br />
oder NO 3− aufgenommen, wobei die meisten Lebewesen nur Nitrat aufnehmen können.<br />
2−<br />
Schwefel, der Bestandteil einiger Aminosäuren ist, wird von Pflanzen als SO 4 ebenfalls aus<br />
dem Boden aufgenommen. (Heinrich / Hergt 1990, S.62ff)<br />
Bei heterotrophen Organismen wird angenommen, dass sie ihre organischen Bio<strong>materialien</strong><br />
aus Monomeren der in der Nahrung vorkommenden Makromoleküle aufbauen. Zucker,<br />
Proteine, Lipide <strong>und</strong> Nukleinsäuren werden im Gastro-Intestinal-Trakt durch verschiedene<br />
Enzyme in ihre monomeren Bestandteile aufgespalten. Die dabei frei werdende Energie wird<br />
nicht gespeichert, sondern als Wärme abgegeben. Erst wenn die Moleküle als Monomere<br />
vorliegen, können sie vom Körper aufgenommen werden <strong>und</strong> in dieser Form der Produktion<br />
von Bio<strong>materialien</strong> dienen. (Bender / Bender 1997, S.109ff) (Ganong 1999)<br />
Bei organischen Substanzen ist − durch die Annahme der verlustfreien Umwandlung − der<br />
Energieinhalt durch den Brennwert, der kalorimetrisch ermittelt werden kann, berechenbar.<br />
Bei anorganischen Materialien, wie sie in Muschelschalen oder Knochen vorliegen, ist dies<br />
nicht möglich. Die Energieinhalte dieser Materialien können jedoch mit in der Literatur<br />
vorzufindenden Daten kalkuliert werden.<br />
Die Standardbildungsenthalpien werden im Allgemeinen auf eine Temperatur von 298,15 K<br />
<strong>und</strong> einen Druck von 1 bar bezogen. Aus ihnen werden die Reaktionsenthalpien mit folgender<br />
Formel berechnet:<br />
∆H = ∑ n p ∆H f (p) - ∑ n r ∆H f (r) (1)<br />
Dabei sind n p bzw. n r die Molmengen <strong>und</strong> ∆H f(p) bzw. ∆H f (r) die Standardbildungsenthalpien<br />
der Produkte <strong>und</strong> Reaktanden. In der Änderung der Enthalpie finden die innere Energie (U)<br />
<strong>und</strong> die Volumenänderungsarbeit Berücksichtigung:<br />
47
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
∆H = ∆U + p ∆V (2)<br />
Für viele organische Komponenten sind keine Standardbildungsenthalpien in der Literatur<br />
verfügbar. Die Berechnung ihrer Energieinhalte kann aber, wie bereits erwähnt, auch über<br />
den Umweg der bei der Verbrennung frei werdenen Energie − dem Heizwert − vorgenommen<br />
werden. Dazu wurde eine empirische Formel für den unteren Heizwert (Sass et al. 1974,<br />
S.489ff) benutzt, die folgendermaßen lautet:<br />
H u = 8320 c + 22420 h + 2500 s + 1500 n - 2580 o - 585 w [kcal/kg] (3)<br />
Die Kleinbuchstaben geben den Anteil an Kohlenstoff (c), Wasserstoff (h), Schwefel (s),<br />
Stickstoff (n), Sauerstoff (o) <strong>und</strong> Wasser (w) in [g/g] an. Um den oberen Heizwert bzw.<br />
Brennwert der Stoffe zu erhalten, ist noch die Verdampfungsenthalpie von Wasser<br />
(2450 kJ/kg) hinzuzurechnen (Böge 1987, S.1030). Dass die Formel laut Dubbel auf 0°C<br />
bezogen ist, während die in Böge für 20°C gilt, spielt bei der geforderten Genauigkeit<br />
vorliegender Untersuchungen keine Rolle. Die Arbeit, die aus der Volumenänderung der<br />
Gasphase resultiert, ist in der empirischen Formel nicht berücksichtigt. Sie geht aber in die<br />
Enthalpie mit ein. Bei der Verbrennung fester Stoffe ist die Volumensarbeit jedoch relativ<br />
klein. Sie lässt sich durch die Gleichung<br />
∆(p V) = R T ∆n (4)<br />
berechnen, wobei die molare Gaskonstante R = 8,314 J/(mol·K) <strong>und</strong> T = 298,15 K beträgt.<br />
∆n gibt die Differenz in der Molmenge der Gase von Produkten <strong>und</strong> Reaktanden an. Aus<br />
Tabelle 10 kann abgelesen werden, wie groß die Arbeit durch Volumenänderung ist <strong>und</strong> dass<br />
sie vernachlässigt werden kann. Somit können Reaktionsenthalpie <strong>und</strong> Brennwert direkt<br />
miteinander verglichen werden.<br />
48
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Polymer-Verbrennungsreaktion ∆n [mol] R T ∆n<br />
[MJ/kg]<br />
Chitin C 8H 13O 5N + 35/4 O 2 ⇔ 8 CO 2 + 13/2 H 2O + ½ N 2 -0,25 -0,0029<br />
Cellulose C 6H 10O 5 + 6 O 2 ⇔ 6 CO 2 + 5 H 2O 0 0<br />
Seide C 303,6H 461,7O 119,7N 101,3S 0,1 + 359,3 O 2 ⇔ 303,6 CO 2 + -4,93 -0,0016<br />
461,7/2 H 2O + 101,3/2 N 2 + 0,1 SO 2<br />
Keratin C 449,4H 710,9O 155,3N 123,1S 13,6 + 563,1 O 2 ⇔ 449,4 CO 2 +<br />
710,9/2 H 2O + 123,1/2 N 2 + 13,6 SO 2<br />
-38,48 -0,0088<br />
Fett C 560H 1013,3O 70 + 778,3 O 2 ⇔ 560 CO 2 + 1013,3/2 H 2O -218,3 -0,0610<br />
Tabelle 10: Abschätzung der Volumensarbeit; Basisdaten aus: (Vincent 1990) (Bender / Bender 1997, S.129ff)<br />
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass bei der Verbrennung Substanzen entstehen, die nicht den<br />
in der Natur vorkommenden Ressourcen von Lebewesen entsprechen. Die bei der<br />
Verbrennung frei werdende Energie entspricht also nicht immer dem zu ermittelnden<br />
Energieinhalt. Um Energieinhalte zu berechnen, muss daher noch berücksichtigt werden, dass<br />
Stickstoff <strong>und</strong> Schwefel in anderer Form vorkommen, als sie bei der Verbrennung gebildet<br />
werden. Beim Verbrennen entstehen N 2 <strong>und</strong> SO 2 , während die Ressourcen für die Bildung<br />
2−<br />
von Bio<strong>materialien</strong> in Autotrophen NO 3− <strong>und</strong> SO 4 sind (Heinrich / Hergt 1990, S.62ff). Die<br />
folgenden Reaktionen werden angesetzt, um diesen Umstand zu berücksichtigen, wobei die<br />
Standardbildungsenthalpiewerte aus der angeführten Tabelle 11 entnommen wurden, um die<br />
Reaktionsenthalpien zu berechnen:<br />
N 2 + H 2 O + 5/2 O 2 ⇔ 2 NO 3<br />
−<br />
+ 2 H + ∆H = -127,87 kJ/mol (5)<br />
SO 2 + ½ O 2 + H 2 O ⇔ SO 4<br />
2−<br />
+ 2 H + ∆H = -326,71 kJ/mol (6)<br />
N 2 SO 2 H 2O(l) O 2 NO − 3 (aq) SO 2− 4 (aq) H + (aq)<br />
∆ fH 0 [kJ/mol] 0 -296,81 ±0,20 -285,83 0 -206,85 ±0,40 -909,34 ±0,40 0<br />
Tabelle 11: Standardbildungsenthalpie natürlich vorkommender Ressourcen (Linde CRC 1996, S.5-1ff)<br />
Daraus können, mittels Division durch die Molmasse, die auf 1 kg N 2 bzw. SO 2 bezogenen<br />
Reaktionsenthalpien berechnet werden. Sie betragen -4,56 MJ/kg für N 2 <strong>und</strong> -5,10 MJ/kg für<br />
SO 2 . Die so erhaltenen Werte können von den Verbrennungsenergien abgezogen werden.<br />
Damit errechnet sich der Energieinhalt von Bio<strong>materialien</strong>, die aus den natürlich<br />
vorkommenden Ressourcen gebildet wurden.<br />
49
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Die Energiewerte, die mit der empirischen Formel für den Heizwert erhalten werden,<br />
stimmen gut mit den in der Literatur vorhandenen Werten überein. Dies gilt besonders für<br />
Polymere. Die rechnerische Verbrennungsenthalpie von Cellulose beträgt 17,35 MJ/kg <strong>und</strong><br />
weicht somit um 0,8% vom Literaturwert, der 17,49 MJ/kg beträgt, ab. Die Abweichung der<br />
berechneten Werte von einzelnen Aminosäuren ist um einiges größer <strong>und</strong> liegt im Bereich<br />
von ±10%, bei Glycin sogar bei nahe 20%. (Blaxter 1989, S.296ff)<br />
Nachstehend sind die Energieberechnungen für die einzelnen Bio<strong>materialien</strong> angeführt. Bei<br />
den Materialien der Autotrophen wurde lediglich ein Wert für den Energieinhalt berechnet.<br />
Bei den Heterotrophen, die die Vorleistungen der Pflanzen nutzen können, sind zwei<br />
Energieinhalte berechnet worden. Einerseits ist das der Energieinhalt für die Herstellung von<br />
Materialien aus vorgefertigten pflanzlichen Monomeren <strong>und</strong> andererseits der Energieinhalt,<br />
der für die Materialbildung aus Ressourcen der unbelebten Natur eingebracht werden müsste.<br />
Der zweite Wert stellt jene Energie dar, die auch beim Abbau der Bio<strong>materialien</strong> wieder frei<br />
wird.<br />
10.1.2 Knochen<br />
Wie der genaue metabolische Ablauf bei der Knochenbildung funktioniert, ist weitgehend<br />
unklar. Die Mineralbildung kann intra- oder extrazellulär erfolgen (Lowenstam / Weiner<br />
1989, S.8, 27ff). Einige Studien weisen jedoch darauf hin, dass die Mineralisation nicht<br />
extrazellulär abläuft. Stattdessen wird angenommen, dass Kalzium- <strong>und</strong> Phosphat-Ionen<br />
intrazellulär im Golgiapparat der Osteoclasten kalzifizierte Partikel bilden, die dann von<br />
organischen Stoffen ummantelt <strong>und</strong> aktiv von der Zelle nach außen transportiert werden.<br />
Diese Partikel binden sich dann an die Kollagenmatrix (Robertson 1982, S.18ff). Die<br />
Ausfällung von Kalziumphosphat hängt vom pH-Wert, der Sättigung der Lösung, der<br />
Ionenstärke, der Temperatur <strong>und</strong> von den Eigenschaften der bereits vorhandenen festen Phase<br />
ab (Nancollas 1982, S.79).<br />
Die Angaben für die Zusammensetzung von Knochen variieren erheblich. Das resultiert u.a.<br />
daraus, dass unterschiedliche Knochen analysiert wurden <strong>und</strong> auch verschiedene Teile<br />
(massiv <strong>und</strong> porös) in den Knochen. Einige Beispiele sind in der Folge angeführt.<br />
Die Knochensubstanz der Vertebraten besteht aus einem organischen <strong>und</strong> einem<br />
50
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
anorganischen Teil. Die mineralische Fraktion hat einen Masseanteil von r<strong>und</strong> 50% am<br />
Knochen. Der Rest besteht aus Wasser <strong>und</strong> organischem Material (Fourman et al. 1968, S.5).<br />
Fourman führt die in Tabelle 12 aufgelisteten Mengenanteile für die Bestandteile von Kochen<br />
eines Kindes mit 2,5 Jahren an (Fourman et al. 1968, S.294):<br />
Material<br />
Masseanteil im Knochen<br />
[%]<br />
Wasser 11,56<br />
Organisches Material 37,14<br />
Na 0,64<br />
K 0,30<br />
Ca 24,40<br />
Mg 0,10<br />
P 10,93<br />
Karbonat 3,11<br />
Tabelle 12: Zusammensetzung von Knochen (Fourman et al. 1968, S.294)<br />
Einer anderen Quelle ist zu entnehmen, dass die trockene Knochenmasse zu 46% aus<br />
Mineralien, zu 36% aus Proteinen <strong>und</strong> zu 18% aus Fett besteht. Das Aschegewicht setzt sich<br />
aus 36% Ca, 17% P <strong>und</strong> 1% Mg zusammen (trockene Knochenmasse = 100%). (McDonald et<br />
al. 1995, S. 101)<br />
Der Großteil (95%) der organischen Fraktion im Knochen besteht aus Kollagen. Ein Drittel<br />
der im menschlichen Körper vorkommenden Proteine wird durch Kollagen gebildet, wovon<br />
57% im Knochen <strong>und</strong> 34% in der Haut vorliegen. (Fourman et al. 1968, S.6)<br />
Vincent führt folgende Anteile für Materialien, die Mineralien enthalten, an (Vincent 1990,<br />
S.197):<br />
Knochen [%] Dentin [%] Zahnschmelz [%]<br />
Mineralanteil 66 70 95<br />
Organischer Anteil 24 20 0,5<br />
Wasser 10 10 4,5<br />
Tabelle 13: Zusammensetzung von biogenen Kalziumphosphat-Verb<strong>und</strong>stoffen<br />
Für die Berechnung des Energieinhaltes von Knochen werden die von Vincent bzw. Fourman<br />
angegebenen Mengenverhältnisse herangezogen, also 66% Mineralanteil, 24% organischer<br />
51
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Anteil <strong>und</strong> 10% Wasser, wobei 95% der organischen Fraktion aus Kollagen sind. Lässt man<br />
das Wasser unberücksichtigt, so besteht der Knochen also aus 73% Mineralanteil <strong>und</strong> 27%<br />
organischem Anteil (25% Kollagen plus 2% Fett (auf Gr<strong>und</strong> der hohen Angaben der<br />
Fettanteile von anderen Autoren aufger<strong>und</strong>et)). Dies entspricht wohl am ehesten der<br />
Zusammensetzung der massiven <strong>und</strong> mechanisch beanspruchten Teile von Knochen.<br />
Energieinhalt im organischen Teil<br />
Die Verbrennungsenthalpie von Fetten in tierischen Organismen liegt nach Literaturangaben<br />
zwischen 34,0 <strong>und</strong> 39,8 MJ/kg. Die Verbrennungsenthalpie von Kollagen, welches den<br />
Proteinanteil im Knochen bildet, liegt bei 22,05 MJ/kg. (Blaxter 1989, S.297) Diese Werte<br />
stimmen relativ gut mit den in weiterer Folge verwendeten Rechenwerten überein.<br />
Die molekulare Zusammensetzung von polymerem Kollagen kann mit der Summenformel<br />
C 637 H 984 O 231 N 197 S angeschrieben werden (Basisdaten aus: Vincent 1990, S.56). Rechnerisch<br />
ergibt sich für die Bildung von Kollagen aus den unbelebt vorkommenden Ressourcen ein<br />
Energiewert von 24,59 MJ/kg <strong>und</strong> für die Reaktionsenthalpie von Monomeren zu polymerem<br />
Kollagen errechnet sich ein Wert von 3,52 MJ/kg.<br />
Die typischen in der menschlichen Ernährung enthaltenen Fette bestehen aus Glyzerin <strong>und</strong><br />
Fettsäureresten mit 12 bis 18 Kohlenstoffatomen, wobei das Verhältnis der gesättigten zu<br />
einfach ungesättigten zu mehrfach ungesättigten Verbindungen 17 : 12 : 6 beträgt (Bender<br />
/Bender 1997, S.129ff). Die Berechnung für Fett (C 560 H 1013 O 70 ) ergibt eine Verbrennungs<strong>und</strong><br />
in diesem Fall auch gleichzeitig Bildungsenthalpie von 38,39 MJ/kg. Für die Bildung von<br />
Fett aus Fettsäuren <strong>und</strong> Glycerinen ist eine Bildungsenthalpie von 2,29 MJ/kg aufzubringen.<br />
Energieinhalt im anorganischen Teil<br />
Die anorganische Komponente wird aus dem Kalziumphosphat Hydroxyapatit Ca 5 (PO 4 ) 3 (OH)<br />
gebildet. Kalzium liegt sowohl im Meer- als auch im Süßwasser als Ion (Ca 2+ ) vor. Phosphat<br />
2−<br />
kommt ebenfalls gelöst als PO 4 vor, es wird aber auch in jeder Art von Nahrung in Form<br />
von organischen Verbindungen aufgenommen. Die organischen Phosphatverbindungen sind<br />
zumeist energiereicher als das Ion (vgl. ATP), was die Wahrscheinlichkeit, dass das Phosphat<br />
vom ATP kommt, gering erscheinen lässt. Mit der Annahme, dass die gelöste Form<br />
52
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
verwendet wird, wird also mehr Energie für den Knochenaufbau benötigt. Die<br />
Konzentrationen in marinen <strong>und</strong> terrestrischen Systemen sind unterschiedlich. Aktive <strong>und</strong><br />
passive Ionenpumpen im Körper sind erforderlich, um übersättigte Konzentrationen zu<br />
2−<br />
ermöglichen. 85 bis 90% des beim Knochenabbau gelösten PO 4 wird wiederverwendet, was<br />
die Annahme stützt, dass der Phosphor durch dieses Ion zur Verfügung gestellt wird (Ganong<br />
1999, S.366).<br />
Die Reaktionsgleichung lautet daher:<br />
5 Ca 2+ + 3 PO 4<br />
3−<br />
+ OH − ⇔ Ca 5 (PO 4 ) 3 (OH)<br />
Die Bildungsenthalpie für die verschiedenen Reaktanden sind: -542,8 kJ/mol für Ca 2+ ,<br />
3−<br />
-1277,4 kJ/mol für PO 4 , -230,015 kJ/mol für OH − (Linde CRC 1996, S.5-1ff) <strong>und</strong><br />
-6721,600 kJ/mol für Ca 5 (PO 4 ) 3 (OH) (Robie et al. 1978). Die Reaktionsenthalpie errechnet<br />
sich daraus mit:<br />
∆H = -6721,6 - (5(-542,8) + 3(-1277,4) + (-230,015)) = 54,6 kJ/mol<br />
Mit der Molmasse von M(Ca 5 (PO 4 ) 3 (OH)) = 502,317 g/mol ergibt sich eine<br />
Reaktionsenthalpie für die mineralische Phase von ∆H = 0,11 MJ/kg.<br />
Für den gesamten Knochen mit der organischen <strong>und</strong> anorganischen Phase ergibt sich ein<br />
Energieinhalt von:<br />
∆H ges = ∆Η Mineral + ∆Η Collagen + ∆Η Fett<br />
∆H ges = 0,73⋅0,11 + 0,25⋅3,52 + 0,02⋅2,29<br />
= 1,01 MJ/kg<br />
Daraus ist ersichtlich, dass der größte Energieinhalt in den Proteinen steckt (0,88 MJ/kg). Der<br />
Energieinhalt des Fettanteiles (0,05 MJ/kg) spielt auf Gr<strong>und</strong> des geringen Anteils kaum eine<br />
Rolle. Der Energieinhalt von Knochen hängt also stark vom Anteil der organischen Phase ab.<br />
Berechnet man die Reaktionsenthalpie des Knochens aus den in der unbelebten Umwelt<br />
2−<br />
vorkommenden Verbindungen (CO 2 ,H 2 O, NO 3− ,SO 4 <strong>und</strong> den mineralischen Verbindungen,<br />
53
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
die unverändert bleiben ), so ergibt sich für Knochen folgender Wert:<br />
∆H ges = 0,73⋅0,11 + 0,25⋅24,59 + 0,02⋅38,39<br />
= 7,00 MJ/kg<br />
Diese Enthalpie wird auch bei der Mineralisation des Knochens nach dem Absterben des<br />
jeweiligen Organismus wieder frei.<br />
10.1.3 Dentin<br />
Dentin besteht aus denselben Gr<strong>und</strong>substanzen wie Knochen. Im Dentin liegt die<br />
mineralische Phase als Ca 5 (PO 4 ) 3 (OH) vor, <strong>und</strong> der organische Anteil wird aus Kollagen<br />
gebildet (Fett spielt allenfalls eine untergeordnete Rolle). Daher lassen sich die<br />
Enthalpiewerte, die schon beim Knochen eingesetzt wurden, wieder verwenden. Die<br />
Mengenverhältnisse sind jedoch andere (vgl. Tabelle 13): 70% mineralisch, 20% organisch<br />
(Kollagen) <strong>und</strong> 10% Wasser. Lässt man den Wasseranteil unberücksichtigt, so besteht die<br />
Trockenmasse aus 78% mineralischem <strong>und</strong> 22% organischem Material. Daher ergibt sich für<br />
die gesamte Reaktionsenthalpie folgende Gleichung:<br />
∆H ges = ∆Η Mineral + ∆Η Kollagen<br />
∆H ges = 0,78⋅0,11 + 0,22⋅3,52<br />
= 0,86 MJ/kg<br />
Bei Abbau bzw. der Mineralisation wird folgende Enthalpie frei:<br />
∆H ges = 0,78⋅0,11 + 0,22⋅24,59<br />
= 5,50 MJ/kg<br />
10.1.4 Zahnschmelz<br />
Der organische Anteil im Zahnschmelz besteht im Unterschied zu Knochen <strong>und</strong> Dentin nicht<br />
aus Kollagen <strong>und</strong> auch nicht aus Keratin. Es scheint sich um eine spezielle Art von Proteinen<br />
zu handeln, die den Erfordernissen des Zahnschmelzes gerecht werden. (Currey 1970, S.29)<br />
54
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Dennoch kann bei den Anteilen von 95% Mineralien, 0,5% organischem Material <strong>und</strong> 4,5%<br />
Wasser (vgl. Tabelle 13) davon ausgegangen werden, dass die Enthalpiewerte für die<br />
organische Phase denen von Kollagen gleichen. Durch den geringen Anteil ist der mögliche<br />
Fehler klein. Die Trockenmasse besteht aus r<strong>und</strong> 99,5% Ca 5 (PO 4 ) 3 (OH) <strong>und</strong> 0,5% Proteinen.<br />
Daher ergibt sich für die Reaktionsenthalpie folgende Berechnung:<br />
∆H ges = ∆Η Mineral + ∆Η Kollagen<br />
∆H ges = 0,995⋅0,11 + 0,005⋅3,52<br />
= 0,13 MJ/kg<br />
Bei Abbau bzw. Mineralisation wird folgende Enthalpie frei:<br />
∆H ges = 0,995⋅0,11 + 0,005⋅24,59<br />
= 0,23 MJ/kg<br />
10.1.5 Mineralisches Geweih<br />
Cervide (Geweihträger) tragen einen Kopfschmuck aus mineralischem Material, der im<br />
Wesentlichen aus den gleichen Bestandteilen wie die Knochensubstanz aufgebaut ist. Das<br />
trockene, ausgewachsene <strong>und</strong> ausgehärtete Geweih von Hirschen besteht typischerweise aus<br />
60% mineralischem (Aschegewicht) <strong>und</strong> 40% organischem Material (Caton 1877 in: Brown<br />
1990, S.427). Die mineralische Phase besteht vorwiegend aus Kalziumphosphaten mit einem<br />
geringen Anteil an Magnesium, <strong>und</strong> die organische Phase besteht aus Kollagen (Brown 1990,<br />
S.428, 430). Für die Berechnung des Energieinhaltes werden daher wieder die Werte wie<br />
beim Knochen herangezogen. Daraus ergibt sich folgender Energieinhalt:<br />
∆H ges = ∆Η Mineral + ∆Η Kollagen<br />
∆H ges = 0,6⋅0,11 + 0,4⋅3,52<br />
= 1,47 MJ/kg<br />
Bei Abbau bzw. Mineralisation wird folgende Enthalpie frei:<br />
∆H ges = 0,6⋅0,11 + 0,4⋅24,59<br />
= 9,90 MJ/kg<br />
55
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
10.1.6 Silikatschalen<br />
Der Hauptanteil an Silizium, der von Organismen verwendet werden kann, liegt als nicht<br />
dissoziierte, gelöste Kieselsäure Si(OH) 4 im Wasser vor. Dies geht aus der<br />
Dissoziationskonstante der Säure hervor, wonach pK a1 = 9,82 beträgt (K a1 = 1,51⋅10 −10 ).<br />
Kieselsäure stellt ein Verwitterungsprodukt von silikatischen Gesteinen dar <strong>und</strong> kommt in<br />
Konzentrationen von 0,4 - 180 mmol/m³ im Süßwasser <strong>und</strong> 0 - 100 mmol/m³ im Meerwasser<br />
vor. Die kleineren Werte resultieren aus der Aufnahme der Kieselsäure durch Diatomeen. Ob<br />
die Aufnahme von Kieselsäure aktiv oder passiv erfolgt, wird diskutiert. Zumindest in<br />
Mitochondrien von isolierten Rattenleberzellen scheint ein passiver Transport möglich zu<br />
sein. Bei hohen Konzentrationen, wie sie in Diatomeen vorkommen, wird angenommen, dass<br />
eine aktive Aufnahme nötig ist. (Raven 1983, S.179ff)<br />
Diatomeen bauen ihr Exoskelett aus amorphem Opal mit der Formel [SiO 2n/2 (OH) 4−n ] m auf,<br />
wobei n = 0 - 4 <strong>und</strong> m eine große Zahl ist (Mann et al. 1983b in: Lowenstam / Weiner 1989,<br />
S.55). Das heißt, die Zusammensetzung variiert zwischen [Si(OH) 4 ] m <strong>und</strong> [SiO 2 ] m . Es liegen<br />
keine Informationen vor, die das Vorhandensein einer organischen Phase im Silikat<br />
bestätigen oder negieren. Es wird jedoch angenommen, dass Kohlenhydrate <strong>und</strong> Proteine, die<br />
für den Aufbau der Schale nötig sind, auch noch in dem fertig ausgeformten Mineral<br />
vorhanden sind (Lowenstam / Weiner 1989, S.59). Die Tatsache, dass die Schalen toter<br />
Organismen rascher aufgelöst werden als die von lebenden, könnte auf das Vorhandensein<br />
von organischen Einlagerungen zurückzuführen sein (Lewin 1961). Der Silikatanteil in<br />
Diatomeen macht üblicherweise 200 g/kg Trockenmasse aus (Raven 1983, S.183).<br />
Die Kosten für den Aufbau eines Kieselskelettes werden von Raven auf 2% der Kosten des<br />
Energiebudgets für das Zellwachstums beziffert. Dabei wird eine aktive Aufnahme postuliert,<br />
die 1 ATP-Molekül pro SiO 2 kostet. Im Gegensatz dazu kostet der Aufbau von organischer<br />
Masse 5 ATP <strong>und</strong> 2 NADPH pro assimiliertem Kohlenstoffatom (1 ATP entspricht<br />
55 kJ/mol, 1 NADPH entspricht 220 kJ/mol) (Raven 1983, S.186).<br />
Da also nicht genau bekannt ist, ob es sich bei den Schalen der Diatomeen um einen<br />
Verb<strong>und</strong>stoff aus mineralischem <strong>und</strong> organischem Material handelt, wird davon ausgegangen,<br />
dass die Schalen aus reinem Silikat bestehen.<br />
56
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Die Gleichungen für die Herstellung von Silikaten lauten in den Extremfällen:<br />
Si(OH) 4 (aq) ⇔ Si(OH) 4 (s)<br />
Si(OH) 4 (aq) ⇔ SiO 2 (s) + 2H 2 O<br />
Die Standardbildungsenthalpie von Kieselsäure (Si(OH) 4 (aq)) bei 298,15 K <strong>und</strong> 0,101 MPa<br />
beträgt -1457,3 kJ/mol (Nordstrom / Munoz 1994, S.442). H 2 O (l) weist eine<br />
Standardbildungsenthalpie von -285,830 kJ/mol <strong>und</strong> kristalline Orthokieselsäure eine von<br />
-1481,1 kJ/mol auf (Linde CRC 1996, S.5-1ff). Für die Entstehung von amorphem SiO 2 wird<br />
eine Enthalpie von -903,9 kJ/mol (-215,9 kcal/mol) (Ilker 1979, S.6), bzw. -899,6 kJ/mol<br />
(Nordstrom / Munoz 1994, S.442) angegeben.<br />
Für die erste Reaktionsgleichung ergibt sich demnach eine Reaktionsenthalpie von:<br />
∆H = -1481,1 - (-1457,3) = -23,8 kJ/mol<br />
Die Molmasse von Si(OH) 4 beträgt 96,11 g/mol, woraus sich eine auf die Masse bezogene<br />
Reaktionsenthalpie von ∆H = -0,25 MJ/kg ergibt.<br />
Für die zweite Reaktionsgleichung zum SiO 2 erhält man eine Reaktionsenthalpie von:<br />
∆H = -899,6 + 2(-285,83) - (-1457,3) = -13,96 kJ/mol<br />
Mit der Molmasse von SiO 2<br />
(60,084 g/mol) errechnet sich die auf die Masse bezogene<br />
Reaktionsenthalpie von ∆H = -0,23 MJ/kg.<br />
Die Reaktionsenthalpien für die Herstellung von Silikaten für die Schalen von Diatomeen<br />
sind negativ <strong>und</strong> betragen zwischen -0,23 <strong>und</strong> -0,25 MJ/kg. In der Folge wird mit dem<br />
niedrigeren Wert weitergerechnet. Bei Abbau bzw. Auflösung wird der gleiche Energiebetrag<br />
eingesetzt.<br />
Wie jedoch weiter oben bereits angeführt, ist die Aufnahme von gelöstem Silikat in den<br />
Organismus ein energieverbrauchender Prozess (Lewin 1961, S.193), bei dem zusätzlich noch<br />
Natrium vorhanden sein muss (Lowenstam / Weiner 1989, S.59). Deshalb ist der<br />
57
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Energiegewinn, der durch die Ausfällung des Skelettes zustande kommt, ein fiktiver Wert<br />
<strong>und</strong> entspricht den real vorkommenden Verhältnissen nicht.<br />
10.1.7 Molluskenschalen<br />
Die Schalen von Mollusken bestehen wie die meisten biogenen Mineralien aus einer<br />
Mischung zweier Komponenten, nämlich aus organischer <strong>und</strong> anorganischer Substanz in<br />
unterschiedlichen Mengenverhältnissen.<br />
Organisch<br />
Die Protein-Matrix in den Schalen macht nur einen geringen Prozentsatz aus. Zwischen 0,01<br />
<strong>und</strong> 5% der trockenen Schalenmasse werden von organischem Material (Proteine) gebildet<br />
(Vincent 1990, S. 169) (Currey 1970 S.23). Im Schulp des gemeinen Tintenfischs befinden<br />
sich r<strong>und</strong> 5% organisches Material, während in der nahe verwandten Form des gemeinen<br />
Kalmars die Einheit nur mehr aus einem hornigen Schild besteht (Currey 1970, S.23).<br />
Proteine können mit einer Verbrennungsenthalpie von r<strong>und</strong> 22 bis 25 MJ/kg vorkommen. Da<br />
nicht genau bekannt ist, welche Art von Proteinen in Molluskenschalen vorkommt, wird<br />
wieder mit einem Wert von 3,52 MJ/kg für die Bildung von Polymeren aus Monomeren<br />
gerechnet wie beim Kollagen.<br />
Anorganisch<br />
Der mineralische Anteil wird aus Kalziumkarbonat (CaCO 3 ) gebildet, das als Kalzit oder<br />
Aragonit vorliegen kann (Vincent 1990, S.165). Es kann angenommen werden, dass der<br />
Aufbau aus Ionen, die im Wasser zur Verfügung stehen, vorgenommen wird. Diese Ionen<br />
sind Ca 2+ −<br />
<strong>und</strong> HCO 3 (Degens 1991, z.B. S.196). Die Reaktionsgleichung lautet somit:<br />
Ca 2+ + HCO 3<br />
−<br />
⇔ CaCO 3 + H +<br />
Mit den Bildungsenthalpien von Ca 2+ (-542,8 kJ/mol), HCO 3− (-689,93 kJ/mol), CaCO 3<br />
(Kalzit) (-1207,6 kJ/mol) (-1207,8 kJ/mol für Aragonit) <strong>und</strong> H + (0 kJ/mol) (Linde CRC 1996,<br />
S.5-1ff) ergibt sich für die obige Gleichung eine Reaktionsenthalpie von 25,1 kJ/mol. Mit der<br />
58
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Molmasse M(CaCO 3 ) = 100,09 g/mol erhält man eine Reaktionsenthalpie von 0,25 MJ/kg für<br />
die Bildung von CaCO 3 .<br />
Die gesamte Enthalpie, die zur Herstellung einer Molluskenschale nötig ist, setzt sich aus den<br />
organischen <strong>und</strong> anorganischen Anteilen zusammen. Die Reaktionsenthalpie beträgt daher:<br />
∆H ges = ∆Η Mineral + ∆Η Protein<br />
∆H ges = (0,9999...0,95)⋅0,25 + (0,0001...0,05)⋅3,52<br />
= 0,25...0,41 MJ/kg<br />
In der weiteren Analyse wird der höhere Wert von 0,41 MJ/kg herangezogen.<br />
Bei Abbau bzw. Mineralisation wird, mit den Werten, die auch bereits beim Knochen<br />
verwendet wurden, folgende Enthalpie frei:<br />
∆H ges = (0,9999...0,95)⋅0,25 + (0,0001...0,05)⋅24,59<br />
= 0,25...1,47 MJ/kg<br />
Für die Auswertung wird wieder der höhere Wert von 1,47 MJ/kg benützt.<br />
10.1.8 Korallenmaterial<br />
Die Gruppe der Cnidaria (Nesseltiere) zeigt mineralische Einlagerungen sowohl in Medusen<br />
als auch in Polypen. Während die Medusen die Mineralien auch als Gravitationssensoren<br />
benutzen, werden sie in Polypen als mechanische Stütz- <strong>und</strong> Schutzsubstanz verwendet. Die<br />
Art der Mineralien reicht von Mg-Ca-Phosphaten in Medusen der Hydrozoa über Aragonit,<br />
Kalzit <strong>und</strong> Gips bis zu Mg-Kalziten, alles Ca-Mineralien. Der mineralische Anteil von<br />
Skelett<strong>materialien</strong> der sessilen Polypen der Anthozoa − der riffbildenden Formen − besteht<br />
entweder aus Aragonit, Kalzit oder einer Mischung der beiden. Nach ihrem Bau können drei<br />
Formen der Anthozoa unterschieden werden: Spicula beinhaltende Formen,<br />
Spicula-Aggregate bildende Formen <strong>und</strong> massive Formen. (Lowenstam / Weiner 1989,<br />
S.74ff.)<br />
Einige Korallenformen mit pflanzenähnlichem Wuchs weisen Kollageneinlagerungen in der<br />
59
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
mineralischen Phase auf (Lowenstam / Weiner 1989, S.77). So bestehen beispielsweise<br />
Spicula von Leptogorgia virgulata (Gorgoniacea) aus 5,9% (Gew.) organischem Material,<br />
hauptsächlich Proteinen (Kingsley / Watabe 1983 in: Lowenstam / Weiner 1989, S.78). Das<br />
Exoskelett kann aber auch bis zu 100% aus dem Protein Gorgonin bestehen, was ein<br />
Mitbewegen mit den Wellen ermöglicht (Currey 1970 S. 21ff).<br />
Korallen wie z.B. Melithaea ochracea (Gorgoniacea) weisen die eher selten vorkommende<br />
aggregierte Form von Spicula auf. Die »Äste« dieser Art bestehen alternierend aus dichten<br />
Aggregaten von Spicula <strong>und</strong> Kollagenreichen Segmenten, die immer noch mineralische<br />
Einlagerungen aufweisen (Lowenstam / Weiner 1989, S.79).<br />
Riffbildende Korallen mit massiven Skeletten sind empfindlich gegenüber Temperaturen<br />
unter 15°C <strong>und</strong> geringer Salinität. Dennoch kommen Korallen mit massiven Skeletten in<br />
Tiefen bis zu 6000 m vor (Lowenstam / Weiner 1989, S.81). Jene Arten, die symbiotisch auf<br />
photosynthesetreibende Algen (Zooxanthellae) angewiesen sind, kommen jedoch nur in den<br />
obersten Bereichen der Meere vor (Wood 1983). Es wird angenommen, dass die<br />
Zooxanthellae eine Rolle bei der Mineralisation spielen, weil stärker beleuchtete Organismen<br />
rascher mineralisieren (Goreau 1959 in: Lowenstam / Weiner 1989, S.81).<br />
Die hier betrachteten massiven Korallenskelette beinhalten immer kleine Mengen an<br />
organischem Material. Chitin ist dabei die Ausnahme, es wurde nur in der Gattung<br />
Pocillopora gef<strong>und</strong>en (Wainwright 1963; Wilfert / Peters 1969 in: Lowenstam / Weiner<br />
1989, S.83). Der Gewichtsanteil von Lipiden liegt zwischen 0,02 <strong>und</strong> 0,03% der<br />
Trockenmasse. Proteine sind ebenfalls immer vorhanden, sie machen einen Gewichtsanteil<br />
von 0,03% der Trockenmasse aus. Die Aminosäuren-Zusammensetzung kann zu 40 bis<br />
50% (mol) aus Aspargin- <strong>und</strong> Glutaminsäure bestehen, wobei Glutaminsäure den Großteil<br />
ausmacht. (Wilfert / Peters 1969) (Young 1971) (Isa / Okazaki 1987) (Mitterer 1978 in:<br />
Lowenstam / Weiner 1989, S.83)<br />
Für die Berechnung der Energieinhalte wird davon ausgegangen, dass die Proteine aus<br />
Kollagen <strong>und</strong> die Fette aus einer durchschnittlichen Zusammensetzung wie beim Knochen<br />
bestehen. Daher liegt die Bildungsenthalpie der Proteine aus den in der Nahrung<br />
aufgenommenen Monomeren bei 3,52 MJ/kg <strong>und</strong> die von Lipiden bei 2,29 MJ/kg.<br />
60
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Wie schon bei den Mollusken wird angenommen, dass der Aufbau des Materials aus Ionen,<br />
die im Wasser verfügbar sind, vorgenommen wird. Diese Ionen sind Ca 2+ <strong>und</strong> HCO 3− (Degens<br />
1991, z.B. S.196).<br />
Die gesamte Enthalpie, die zur Herstellung eines massiven Korallenskelettes mindestens<br />
aufgewendet werden muss, ergibt sich aus der Addition der Enthalpien des organischen <strong>und</strong><br />
anorganischen Anteils. Die Enthalpie beträgt daher:<br />
∆H ges = ∆Η Mineral + ∆Η Kollagen + ∆Η Fett<br />
∆H ges = 0.99945⋅0,25 + 0,0003⋅3,52 + 0,00025⋅2,29<br />
= 0,25 MJ/kg<br />
Für die Spicula von Leptogorgia virgulata wird unter der Annahme, dass sich der organische<br />
Anteil aus 0,025% Fett <strong>und</strong> 5,875% Kollagen (ergibt insgesamt 5,9% (Gew.) organisches<br />
Material) zusammensetzt, folgender Betrag errechnet:<br />
∆H ges = ∆Η Mineral + ∆Η Kollagen + ∆Η Fett<br />
∆H ges = 0.941⋅0,25 + 0,05875⋅3,52 + 0,00025⋅2,29<br />
= 0,44 MJ/kg<br />
In weiterer Folge wird nur die Reaktionsenthalpie von 0,25 MJ/kg für die massiven Korallen<br />
betrachtet.<br />
Bei Abbau bzw. Mineralisation von massiven Korallen wird folgende Enthalpie frei:<br />
∆H ges = 0.99945⋅0,25 + 0,0003⋅24,59 + 0,00025⋅38,39<br />
= 0,27 MJ/kg<br />
10.1.9 Schwämme<br />
Das Skelettmaterial der Schwämme zeigt die unterschiedlichsten Materialverwendungen,<br />
zwischen Silikaten, Kalk <strong>und</strong> Proteinen (Currey 1970, S. 20). Schwämme werden<br />
taxonomisch nach der verwendeten Zusammensetzung der Spicula, der kleinsten Einheiten<br />
61
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
der Skelette, eingeteilt. Die Gruppe mit den meisten Vertretern (80% aller Schwammarten),<br />
die Demospongiae, verwendet Spongin, ein kollagenartiges Protein, das nur bei Schwämmen<br />
vorkommt (Bergquist 1978, S.84), <strong>und</strong>/oder Silikate. In der Klasse der Calcerae werden<br />
Schwämme mit einem Skelett aus reinem Kalziumcarbonat (CaCO 3 ) zusammengefasst. Die<br />
Klasse der Hexactinellida (Glasschwämme) setzt sich aus Schwämmen mit einem Skelett aus<br />
Silikaten zusammen. (Pechenik 2000, S.80ff)<br />
Die Werte für die Reaktionsenthalpien wurden bereits weiter oben berechnet. Sie betragen<br />
demnach für Schwämme mit reinem Kalkskelett 0,25 MJ/kg, mit reinem Protein (Kollagen)<br />
3,52 MJ/kg <strong>und</strong> mit reinem Silikat -0,25 MJ/kg. Je nach Masseanteilen ergibt sich ein<br />
dazwischenliegender Wert.<br />
Bei Abbau bzw. der Lösung von hier betrachteten Kalkskeletten wird eine Enthalpie von<br />
0,25 MJ/kg frei.<br />
10.1.10 Holz<br />
Der Energieinhalt von Holz ist durch den Brennwert (= oberer Heizwert) gegeben. Für<br />
verschiedene Holzarten variiert der Brennwert zwischen 17,5 <strong>und</strong> 24,5 MJ/kg für trockenes<br />
Material (Hall / Overend 1987, S.205). Zur Herstellung von Holz aus CO 2 <strong>und</strong> H 2 Omussder<br />
Organismus demnach mindestens diesen Energiebetrag aufwenden. Der höhere Wert ergibt<br />
sich aus einem größeren Anteil an Lignin. Lignin hat eine Entstehungsenthalpie von<br />
27,28 MJ/kg, während die Werte für andere Polysacharide zwischen 17 <strong>und</strong> 18 MJ/kg liegen<br />
(Blaxter 1989, S.296). Die Herstellung von Lignin ist also dementsprechend aufwändiger.<br />
Die gewichtsmäßigen Anteile der einzelnen Komponenten im Holz betragen für Cellulose<br />
44,5 - 48,9%, für Hemicellulose 20,4 - 36,6% <strong>und</strong> für Lignin 18,9 - 32,5% (Hall / Overend<br />
1987, S.205).<br />
Der hohe Energieaufwand für Lignin kann auch mit den tatsächlichen Verhältnissen in einer<br />
Pflanze nochmals verdeutlicht werden. Aus 1 g Glukose kann eine Pflanze 0,826 g<br />
Kohlenhydrate oder 0,465 g Lignin herstellen (Penning de Vries 1975, S.460). Das heißt, die<br />
Herstellung von Lignin in situ ist fast doppelt so aufwändig wie die Herstellung anderer<br />
Kohlenhydrate.<br />
62
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Für die weiteren Ausführungen wird der höhere Wert für die Bildungsenthalpie, die hier der<br />
Verbrennungsenthalpie entspricht, von 24,5 MJ/kg verwendet. Das ist gleichfalls der<br />
Energieinhalt, den ein Organismus mindestens für die Bildung aufbringen muss.<br />
10.1.11 Cellulosematerial<br />
Cellulose bildet den Großteil <strong>und</strong> für die Energieberechnungen entscheidenden Anteil der<br />
Zellwände. Der Chemismus der Wandstoffe erfasst neben Proteinen zu 9/10 Polysaccharide.<br />
(Vogel / Angermann 1998, S.30ff) Da die Abweichung durch Vernachlässigen des<br />
Proteinanteiles nicht sehr groß ist <strong>und</strong> die anderen Polysaccharide, von kleinen Mengen an<br />
Mineralstoffeinlagerungen abgesehen, ungefähr die gleichen Verhältnisse bezüglich der<br />
eingesetzten Atome aufweisen, wird in der Folge mit reiner Cellulose weitergerechnet. Aus<br />
der Enthalpie der Verbrennung von Cellulose ergibt sich für die Entstehungsenthalpie ein<br />
Literaturwert von 17,49 MJ/kg (Blaxter 1989, S.296). Hier wird allerdings wieder der bereits<br />
weiter oben angeführte rechnerische Wert von 17,35 MJ/kg verwendet. Da Cellulose von<br />
Pflanzen, also autotroph, gebildet wird muss, mindestens dieser Betrag von der Pflanze<br />
aufgebracht werden.<br />
Für die tatsächliche Biosynthese von 1 g Blatt wird von der Pflanze in situ 1,36 g organisches<br />
Material verbraucht, wovon Sucrose 1,055 g <strong>und</strong> Aminosäuren 0,305 g bilden (Penning de<br />
Vries 1975, S.461).<br />
10.1.12 Keratin<strong>materialien</strong><br />
Keratin ist die Sammelbezeichnung für eine Gruppe von Proteinen mit einer variablen<br />
Anordnung von Aminosäuren, wobei ein hoher Anteil an Schwefel <strong>und</strong> damit<br />
Disulfid-Brückenbindungen vorliegen. Dadurch werden die Peptidsequenzen untereinander<br />
verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> stabilisiert. Keratin kommt hauptsächlich in Vertebraten vor, wo es Horn,<br />
Haare, Nägel, Hufe, Federn <strong>und</strong> Haut aufbaut. Die verschiedenen Keratine können in drei<br />
Gruppen eingeteilt werden: Säugetier-, Vogel- <strong>und</strong> andere Keratine (z.B. Reptilien) (Vincent<br />
1990, S.44).<br />
Untersuchungen von Wolle, Horn <strong>und</strong> Hufen bei Schafen haben gezeigt, dass sich Horn <strong>und</strong><br />
Hufe in Bezug auf den Chemismus (s. Tabelle 14) sehr ähnlich sind, während Wolle zwar aus<br />
63
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
denselben Aminosäuren, aber in anderen Mengenverhältnissen, besteht (Marshall & Gillespie<br />
1977, S.389). Horniges Keratin (Horn <strong>und</strong> Hufe) enthält mehr Mikrofibrillen <strong>und</strong> weniger<br />
Matrix als Wolle, <strong>und</strong> die Matrix von Horn <strong>und</strong> Hufen weist weniger<br />
Disulfid-Brückenbindungen auf. Schafwolle enthält 57% mehr Schwefel als horniges<br />
Material. Obwohl es keine empirischen Daten dazu gibt, darf man vermuten, dass dieser<br />
Unterschied sich in den mechanischen Eigenschaften der Materialien widerspiegelt (Marshall<br />
& Gillespie 1977, S.391, 398), sind doch die Anforderungen sehr unterschiedlich. Horn <strong>und</strong><br />
Hufe werden mechanisch belastet, während Wolle hauptsächlich zur Isolierung dient.<br />
Aminosäure Reste pro 100 Reste<br />
Wolle Horn Huf<br />
Lys 2,66 3,76 3,96<br />
His 0,79 1,33 0,94<br />
Arg 6,24 6,68 7,18<br />
Cys 0,00 0,00 0,00<br />
Asp 5,93 7,80 8,39<br />
Thr 6,53 4,78 4,95<br />
Ser 10,80 9,56 9,54<br />
Glu 11,10 12,90 13,70<br />
Pro 6,60 3,83 3,99<br />
Gly 8,56 11,10 9,10<br />
Ala 5,20 5,90 6,37<br />
½ Cys 13,10 6,24 5,66<br />
Val 5,68 5,21 5,66<br />
Met 0,54 0,81 0,80<br />
Ile 2,98 3,31 3,56<br />
Leu 7,20 9,13 9,51<br />
Tyr 3,78 5,00 4,03<br />
Phe 2,48 2,64 2,65<br />
Σ 100 100 100<br />
Tabelle 14: Aminosäuren-Zusammensetzung verschiedener Keratin<strong>materialien</strong> beim Schaf (Marshall /<br />
Gillespie 1977)<br />
Die Berechnung der Reaktionsenthalpie von Monomeren zu Polymeren für die<br />
unterschiedlichen Zusammensetzungen, aufgelistet in Tabelle 14 (Basisdaten aus: Marshall /<br />
Gillespie 1977), ergibt folgende Werte: Wolle 3,12 MJ/kg; Horn 3,10 MJ/kg; Huf<br />
3,09 MJ/kg.<br />
64
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Die Berechnung der Reaktionsenthalpie von in der unbelebten Natur vorkommenden<br />
Verbindungen zu den Polymeren führt zu nachstehenden Werten: Wolle 25,06 MJ/kg; Horn<br />
25,23 MJ/kg; Huf 25,25 MJ/kg.<br />
10.1.13 Seide<br />
Seide wird von einer Vielzahl von Organismen produziert <strong>und</strong> in den verschiedensten<br />
Bereichen eingesetzt. Sie besteht aus Proteinen, die ihrerseits wieder aus einer mehr oder<br />
weniger konstanten Zusammensetzung von Aminosäuren gebildet werden. Die<br />
Zusammensetzung der Seide von Bombyx ist in Tabelle 15 angeführt (Vincent 1990, S.53).<br />
Mit diesen Zahlen wurde die Bildungsenthalpie berechnet.<br />
Aminosäure Reste pro 100<br />
Reste<br />
Gly 44,5<br />
Ala 29,3<br />
Val 2,2<br />
Leu 0,5<br />
Ile 0,7<br />
Ser 12,1<br />
Thr 0,9<br />
Asp 0,3<br />
Glu 1,0<br />
Lys 0,3<br />
Arg 0,5<br />
His 0,2<br />
Tyr 5,2<br />
Phe 0,6<br />
Pro 0,3<br />
Try 0,2<br />
Met 0,1<br />
Tabelle 15: Aminosäuren-Zusammensetzung von Bombyx-Seide (Vincent 1990)<br />
Der Energieinhalt von Seide, produziert aus den Reaktanden CO 2 ,H 2 O, NO 3− <strong>und</strong> SO<br />
2−<br />
4<br />
,<br />
beträgt 19,68 MJ/kg für die Monomere <strong>und</strong> 23,58 MJ/kg für das Polymer. Die Differenz von<br />
3,90 MJ/kg ist daher jene Energie, die der Organismus mindestens aufbringen muss, um<br />
Seide zu erzeugen. Bei der Mineralisation werden demnach auch 23,58 MJ/kg frei.<br />
65
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
10.1.14 Chitinmaterial<br />
Das Exoskelett von Arthropoden besteht aus verschiedenen Schichten mit unterschiedlichen<br />
Anteilen an Materialkomponenten. Die bedeutendste Rolle spielen Chitin <strong>und</strong> Proteine, die je<br />
nach Verwendung in verschiedenen Mischungsverhältnissen vorkommen <strong>und</strong> damit ein<br />
breites Spektrum an Eigenschaftsanforderungen − von sehr harten Mandibeln bis zu weichen<br />
Membranen an den Gelenken − abdecken können. Die Chitinfasern sind in einer<br />
Proteinmatrix eingebettet. Der Anteil von Chitin in der Cuticula von Insekten beträgt<br />
25 - 60% der Trockenmasse, das Protein Resilin spielt auf Gr<strong>und</strong> seiner elastischen<br />
Eigenschaften, neben einigen anderen Stoffen mit geringem Masseanteil, eine wichtige Rolle<br />
(Richards / Davies 1977, S.13ff.).<br />
Der Unterschied zwischen Insekten <strong>und</strong> anderen Arthropoden liegt hauptsächlich in der<br />
Verwendung von gerbenden Proteinen <strong>und</strong> in dem Vorhandensein von Kalziumkarbonat. So<br />
kann bei Arthropoden außerhalb der Gruppe der Insekten der Anteil an nicht gerbenden<br />
Proteinen stark schwanken, wodurch die Cuticula mehr oder weniger flexibel wird. Dagegen<br />
wird das Exoskelett bei vielen Krustazeen durch die Einlagerung von Kalziumkarbonat hart.<br />
Dabei bleibt der Anteil an Chitin mehr oder weniger konstant, während Proteine durch<br />
CaCO 3 ersetzt werden. Bis zu 80% der Trockenmasse von Krustazeen-Panzern bestehen aus<br />
Chitin (Peter, M.; Universität Potsdam, Institut für Chemie, Abt. Naturstoffchemie;<br />
persönliche Mitteilung; 29.1.2002).<br />
Auch bei Brachiopoden kommt eine chitinähnliche Substanz vor. Bei ihnen gibt es<br />
2 Gruppen, eine mit Schalen aus bis zu 40% organischem chitinähnlichen Material <strong>und</strong><br />
Kalziumphosphat <strong>und</strong> eine andere mit nur 4% organischem Anteil <strong>und</strong> Kalziumkarbonat.<br />
(Currey 1970, S.23ff)<br />
Das Chitin in Krustazeen besteht zu 80 bis 90% aus N-Acetylglucosamin <strong>und</strong> 10 bis 20%<br />
Glucosamin − was auch die Basis der angeführten Berechnung darstellt. In manchen Fällen<br />
können jedoch alle Reste acetyliert sein. (Hackman / Goldberg 1974; in Stevenson 1985,<br />
S.11)<br />
66
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Trotz der unterschiedlichsten Zusammensetzungen von Exoskeletten wird hier nur der<br />
Energiewert für reines Chitin berechnet. Einerseits ist es die wichtigste Komponente im<br />
mechanisch beanspruchten Teil der Cuticula. Andererseits führt der Anteil an Proteinen zu<br />
keiner wesentlichen Veränderung der Kalkulationsergebnisse für die Energieüberlegungen.<br />
Der errechnete Wert für die Reaktionsenthalpie beträgt somit 1,41 MJ/kg. Bei der<br />
Mineralisation werden 20,41 MJ/kg frei.<br />
10.1.15 Auflistung der Energiedaten<br />
Die ermittelten Daten zum Energieinhalt der verschiedenen biogenen Materialien sind<br />
nachstehend sowohl in Tabellenform als auch in Diagrammen dargestellt. Dabei wird<br />
zwischen zwei verschiedenen Energieinhalten unterschieden. Zum einen werden die<br />
−<br />
Energieinhalte oder die Reaktionsenthalpien von den Reaktanden (CO 2 , H 2 O, NO 3 <strong>und</strong> SO<br />
2−<br />
4<br />
bzw. den Ausgangsstoffen der Mineralienbildung) zu den Bio<strong>materialien</strong> aufgelistet. Diese<br />
Werte entsprechen der nötigen Energie zum Aufbau von Materialien aus unbelebten<br />
Ressourcen <strong>und</strong> gleichzeitig der Energie, die beim Abbau bzw. der Zersetzung frei wird. Zum<br />
anderen werden die Energieinhalte bzw. die Reaktionsenthalpien festgehalten, die nötig sind,<br />
um aus den Ressourcen, die dem jeweiligen Organismus zur Verfügung stehen, dessen<br />
Bio<strong>materialien</strong> aufzubauen. Die beiden Werte unterscheiden sich voneinander, wenn<br />
Vorleistungen von anderen Organismen genutzt werden, was bei Pflanzen (autotroph) kaum<br />
möglich, bei Heterotrophen aber die Regel ist.<br />
67
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Material<br />
Reaktionsenthalpie [MJ/kg]<br />
aus den Reaktanden CO2, H2O, NO3 −<br />
2−<br />
<strong>und</strong> SO 4<br />
bzw. Ausgangsstoffen<br />
der Mineralien<br />
Reaktionsenthalpie [MJ/kg]<br />
aus den Ressourcen, die dem<br />
jeweiligen Organismus zur<br />
Verfügung stehen<br />
Knochen 7,00 1,01<br />
Dentin 5,50 0,86<br />
Zahnschmelz 0,23 0,13<br />
Geweih 9,90 1,47<br />
Siliziumschalen -0,25 -0,25<br />
Molluskenschalen 1,47 0,41<br />
Korallenskelett (massiv) 0,27 0,25<br />
Kalkschwamm 0,25 0,25<br />
Holz 24,50 24,50<br />
Cellulosematerial 17,35 17,35<br />
Wolle 25,06 3,12<br />
Horn 25,23 3,10<br />
Huf 25,25 3,09<br />
Seide 23,58 3,90<br />
Chitin 20,41 1,41<br />
Tabelle 16: Gesammelte Zahlen zum Energieeinsatz<br />
Die Unterschiede der Energieinhalte der verschiedenen biogenen Materialen sind teilweise<br />
erheblich. Am unteren Ende der Skala stehen die Exoskelette aus Silikaten (Kieselalgen), bei<br />
denen theoretisch sogar ein Energiegewinn bei der Herstellung möglich ist. Am oberen Ende<br />
der Skala steht Holz.<br />
68
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Reaktionsenthalpie von unbelebten<br />
Verbindungen zu Bio<strong>materialien</strong> [MJ/kg]<br />
Reaktionsenthalpie [MJ/kg]<br />
27,50<br />
25,00<br />
22,50<br />
20,00<br />
17,50<br />
15,00<br />
12,50<br />
10,00<br />
7,50<br />
5,00<br />
2,50<br />
0,00<br />
−2,50<br />
Knochen<br />
Dentin<br />
Zahnschmelz<br />
Geweih<br />
Siliziumschalen<br />
Molluskenschalen<br />
Korallenskelett (massiv)<br />
Kalkschwamm<br />
Holz<br />
Cellulosematerial<br />
Wolle<br />
Horn<br />
Huf<br />
Seide<br />
Chitin<br />
Abbildung 3: Gesammelte Aufstellung der Daten zum Energieinhalt (von unbelebten Verbindungen zu<br />
Bio<strong>materialien</strong>)<br />
Aus Abbildung 3 ist ersichtlich, dass die Größe des Energieinhaltes hauptsächlich durch die<br />
organischen Komponenten in den jeweiligen Materialien bestimmt wird. Von den<br />
Biomineralien enthalten Knochen, Dentin <strong>und</strong> Geweih einen relativ hohen Anteil an<br />
organischen Verbindungen. Bei den rein organischen Materialien hat Cellulose den<br />
vergleichsweise geringsten Energieinhalt. Aus diesem Blickwinkel gesehen ist auch ihr<br />
mengenmäßig breiter Einsatz nicht weiter verw<strong>und</strong>erlich.<br />
69
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Reaktionsenthalpie für den Organismus<br />
25,00<br />
22,50<br />
Reaktionsenthalpie [MJ/kg]<br />
20,00<br />
17,50<br />
15,00<br />
12,50<br />
10,00<br />
7,50<br />
5,00<br />
2,50<br />
0,00<br />
−2,50<br />
Knochen<br />
Dentin<br />
Zahnschmelz<br />
Geweih<br />
Siliziumschalen<br />
Molluskenschalen<br />
Korallenskelett (massiv)<br />
Kalkschwamm<br />
Holz<br />
Cellulosematerial<br />
Wolle<br />
Horn<br />
Huf<br />
Seide<br />
Chitin<br />
Abbildung 4: Gesammelte Aufstellung der Daten zum Energieinhalt (Reaktionsenthalpie im<br />
Organismus)<br />
Cellulose <strong>und</strong> Holz sind für den einzelnen Organismus (Abbildung 4) die energieintensivsten,<br />
gleichzeitig aber auch die am häufigsten in der Biosphäre eingesetzten Materialien. Das<br />
scheint widersprüchlich zu sein. Beide Materialien sind aber vollständig aus den ubiquitär<br />
verfügbaren Ressourcen CO 2 <strong>und</strong> Wasser aufgebaut. Die Herstellung ist also, von den<br />
Elementen, die für die Enzyme im Syntheseweg nötig sind, abgesehen, kaum vom Standort<br />
abhängig. Bei Chitin <strong>und</strong> Proteinen muss zudem noch ein beträchtlicher Anteil an Stickstoff<br />
<strong>und</strong> teilweise Schwefel in den lokalen Ressourcen vorhanden sein.<br />
70
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
10.2 Einsatzdauer<br />
Unter Einsatzdauer wird in dieser Arbeit die Zeit verstanden, in der ein bestimmtes<br />
Biomaterial im Organismus verwendet wird. Es handelt sich also um die Zeitspanne vom<br />
Ende der Synthese des Materiales bis zu seinem Abbau im Organismus oder zum Absterben<br />
des Organismus selbst. Sie wird durch den Stoffumsatz der Bio<strong>materialien</strong> im Lebewesen<br />
bestimmt.<br />
Bio<strong>materialien</strong> weisen, was ihre Erneuerung betrifft, unterschiedliche Spielarten auf. Manche,<br />
wie z.B. die Epidermis der Haut, werden fortlaufend vollständig erneuert. Andere, wie z.B.<br />
Knochen, werden zu einem gewissen Anteil pro Zeiteinheit erneuert. Die verschiedenen<br />
Daten sind also nicht direkt miteinander vergleichbar. Um brauchbare Ergebnisse zu erhalten,<br />
sind die Turnover-Zeiten der möglichen Materialwechsel in einer angebrachten Form zu<br />
vereinheitlichen bzw. zu standardisieren.<br />
Man kann die einzelnen Erneuerungsarten als Wachstumsstrategien bezeichnen, von denen<br />
folgende drei unterschieden werden können: der ständige Zuwachs ohne gleichzeitigen Abbau<br />
(Holz, Mollusken), das ständige Nachwachsen bei konstant gehaltener Masse (Haut) <strong>und</strong> die<br />
kontinuierliche Erneuerung mit gleichzeitigem Abbau (Knochen).<br />
Aus Gründen der Standardisierung wird, wo dies möglich ist, von adulten Organismen<br />
ausgegangen. Zudem wird meist die tendenziell längste Einsatzdauer <strong>und</strong> nicht ein<br />
Durchschnittswert verwendet.<br />
10.2.1 Turnover-Theorie<br />
In der Literatur finden sich verschiedenste Angaben für den Umsatz oder Turnover von<br />
Bio<strong>materialien</strong>. Einerseits werden Zeitspannen für einen vollständigen Materialwechsel<br />
angegeben, andererseits Halbwertszeiten, in denen die Hälfte des Materiales erneuert wird,<br />
oder aber Prozentraten der Erneuerung in einer bestimmten Zeitspanne. Am zweckmäßigsten<br />
ist es, jene Zeitspannen miteinander zu vergleichen, in denen entweder das gesamte Material<br />
ein Mal ausgetauscht oder eine zur vorhandenen Materialmenge äquivalente Menge ein Mal<br />
umgesetzt wird. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen keine Erneuerung, sondern ein ständiger<br />
Zuwachs stattfindet. Diese Fälle sind gesondert zu betrachten.<br />
71
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Materialerneuerung 0. Ordnung (linear)<br />
Im Fall einer Erneuerung 0. Ordnung ist die Rate der Erneuerung nicht von der Änderung der<br />
Menge in der Zeit abhängig, d.h., der Austausch ist linear.<br />
dN<br />
= k (7)<br />
dt<br />
Die Änderung der Menge N in der Zeit t ist konstant. Durch Integration ergibt sich:<br />
N t<br />
= N 0<br />
kt (8)<br />
Ein Körper oder Organismus, der sich im Fließgleichgewicht befindet, baut genau so viel<br />
Material auf, wie er abbaut. Die Erneuerung erfolgt allerdings mit umgekehrten Vorzeichen<br />
von k,<br />
N t<br />
= N 0<br />
kt (9)<br />
wobei N 0 die zu Beginn vorhandene Menge ist. Da ein Fließgleichgewicht herrscht, ist diese<br />
Menge aber immer vorhanden. Wenn N t 50% von N 0 erreicht hat, so ist die dafür benötigte<br />
Zeit die Halbwertszeit.<br />
Daraus folgt:<br />
N t<br />
= N 0<br />
⁄ 2 (10)<br />
t 1⁄2<br />
= N 0<br />
(11)<br />
2k<br />
Ein vollständiger Turnover muss per Definition doppelt so lange dauern wie die<br />
Halbwertszeit.<br />
Daraus ergibt sich:<br />
t 1⁄2<br />
= t t<br />
2<br />
(12)<br />
t t<br />
= N 0<br />
k<br />
(13)<br />
Materialerneuerung 1. Ordnung (exponentiell)<br />
Eine Erneuerung 1. Ordnung ist gegeben, wenn die vorhandene Menge zu einem bestimmten<br />
Prozentsatz in einem Zeitraum ausgetauscht wird.<br />
dN<br />
dt<br />
= kN (14)<br />
72
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Die Integration ergibt:<br />
N t<br />
= N 0<br />
e kt (15)<br />
Da ein sich nicht im Wachstum befindender Teil eines Organismus ständig die gleiche Masse<br />
hat, ist die Änderung in der Zeit, also die erste Ableitung, für den Turnover von Bedeutung:<br />
N t<br />
’<br />
= N 0<br />
e kt k (16)<br />
Die Steigung der Funktion zum Zeitpunkt null gibt somit die Charakteristik des Turnovers<br />
wieder:<br />
N 0<br />
’<br />
= N 0<br />
k (17)<br />
Folglich ergibt sich durch die Geradengleichung (y = ax + d) der Tangente bei t = 0:<br />
N t<br />
= N 0<br />
k t N 0<br />
(18)<br />
Zum Zeitpunkt t t ist N t = 2 N 0 . Das ergibt:<br />
2 N 0<br />
= N 0<br />
k t t<br />
N 0<br />
(19)<br />
N 0<br />
= N 0<br />
k t t<br />
(20)<br />
k = 1 t t<br />
(21)<br />
Der Zusammenhang mit der Halbwertszeit ist durch Gleichung (15) zu erhalten, wobei<br />
N t = 2 N 0 ist. Das ergibt:<br />
2 N 0<br />
= N 0<br />
e kt 1⁄2<br />
(22)<br />
ln2 = kt 1⁄2<br />
(23)<br />
t 1⁄2<br />
= ln2<br />
(24)<br />
k<br />
Durch Einsetzen der Gleichung (21) erhält man eine Beziehung zwischen Halbwertszeit <strong>und</strong><br />
Turnover-Zeit.<br />
t 1⁄2<br />
= t t<br />
ln2 (25)<br />
Die verschiedenen Bio<strong>materialien</strong> lassen sich somit durch die Turnover-Zeit miteinander<br />
vergleichen.<br />
Kontinuierliche Materialakkumulation<br />
Eine kontinuierliche Materialakkumulation ohne -erneuerung lässt sich beispielsweise bei<br />
73
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Holz beobachten. R<strong>und</strong> um die inneren Schichten bilden sich ständig neue Schichten aus,<br />
ohne dass Material ersetzt wird. Unter solchen Umständen kann also nicht direkt von einer<br />
Turnover-Zeit gesprochen werden. Gegebenenfalls kann der Zuwachs pro Zeiteinheit zum<br />
Vergleich herangezogen werden. Bei dieser Art der Materialverwendung wird stets das Alter<br />
der am längsten im Einsatz stehenden Bestandteile für die Analyse verwendet.<br />
10.2.2 Knochen<br />
Die Knochensubstanz wird ständig ab- <strong>und</strong> wieder aufgebaut <strong>und</strong> entspricht damit der<br />
Materialerneuerung 1. Ordnung. So befinden sich 5% der gesamten Knochenmasse zu jedem<br />
Zeitpunkt im Umbau. Das Kalzium im menschlichen Knochen (r<strong>und</strong> 1100 g bei einem jungen<br />
Erwachsenen) wird bei Kindern zu 100% pro Jahr ausgetauscht, bei Erwachsenen zu 18% pro<br />
Jahr. In den Knochen befinden sich 99% des körpereigenen Kalziums. Kalzium im Plasma ist<br />
r<strong>und</strong> zur Hälfte gelöst <strong>und</strong> zur anderen Hälfte an Proteine geb<strong>und</strong>en. Die<br />
Gesamtkonzentration beträgt normalerweise 100 mg/l (2,5 mmol/l). Pro Tag werden 25 mmol<br />
(1000 mg) Ca aufgenommen <strong>und</strong> wieder ausgeschieden. Phosphor macht 500 bis 800 g des<br />
Körpergewichtes aus, wovon sich 85 bis 90% im Skelett befinden. Die Gesamtkonzentration<br />
im Plasma beträgt 120 mg/l, wovon zwei Drittel organisch geb<strong>und</strong>en sind. Pro Tag werden<br />
vom Menschen r<strong>und</strong> 7 mmol (220 mg) Phosphor aufgenommen <strong>und</strong> ausgeschieden.<br />
Die meisten Knochen werden durch eine kompakte äußere Schicht aufgebaut, die den porösen<br />
Innenteil umschließt. Die Erneuerungsraten liegen bei 4% pro Jahr für kompakte <strong>und</strong> 20%<br />
pro Jahr für trabeculare Knochenteile. R<strong>und</strong> 75% des Knochenmaterials sind kompakt <strong>und</strong><br />
25% porös. Der kompakte Teil ist metabolisch wenig aktiv <strong>und</strong> wesentlich dichter als der<br />
poröse Teil <strong>und</strong> übernimmt damit die Stützfunktion. (Ganong, W. 1999, S. 364ff)<br />
In anderen Quellen sind Turnover-Raten von um die 3,5% pro Jahr für das menschliche<br />
Skelett zu finden, aber die Rate ist von Knochen zu Knochen verschieden <strong>und</strong> beträgt von<br />
1,5% in der Mitte des Schaftes des Oberschenkelknochens bis zu 8% in den Wirbeln des<br />
Rückgrates (Fourman 1968, S. 29).<br />
In dieser Arbeit ist der kompakte Knochen von größerer Bedeutung als der poröse, da er die<br />
statische Funktion übernimmt. Daher wird der Turnover mit 4% pro Jahr angesetzt. Die<br />
74
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Turnover-Zeit beträgt daher<br />
oder 9131 Tage.<br />
t t<br />
= 1 k = 1<br />
0,04<br />
= 25 Jahre<br />
10.2.3 Dentin<br />
Die Odontoblasten (Zellen zur Zahnbildung) sind nicht wie die Osteoblasten im Knochen<br />
gleichmäßig verteilt. Sie befinden sich an der Innenseite des Dentins, in der Pulpa, <strong>und</strong><br />
können nur dort neues mineralisches Material erzeugen. Dentin wird während des ganzen<br />
Lebens produziert, wodurch die Pulpa langsam immer kleiner wird. Neben diesem primären<br />
Dentin kann auch sek<strong>und</strong>äres Dentin erzeugt werden. Dieses wird wesentlich rascher<br />
produziert <strong>und</strong> dient der Reparatur von Zahnlöchern. (Ham / Cormack 1979, S.654ff)<br />
Dentin wird demnach in jedem Zahn nur ein Mal erzeugt <strong>und</strong> nicht wie Knochensubstanz<br />
ständig erneuert. Beim Menschen werden zwei Sätze von Zähnen gebildet. Daher ist der<br />
Turnover in der gesamten menschlichen Lebensdauer gleich 2. Die Einsatzdauer ist allerdings<br />
für beide Sätze unterschiedlich, für diese Arbeit wird die längere herangezogen. Somit ergibt<br />
sich für das bleibende Gebiss eine Einsatzdauer von 65 a (vom 10. bis zum 75. Lebensjahr)<br />
bzw. 23741 Tagen.<br />
10.2.4 Zahnschmelz<br />
Was für Dentin gilt, gilt im Bezug auf die Turnover-Zeit in gleichem Maße auch für den<br />
Zahnschmelz. Dieser kann nicht erneuert werden, sondern wird jeweils nur einmal von<br />
Adamantoblasten gebildet. Da die Adamantoblasten zugr<strong>und</strong>e gehen, kann die<br />
Schmelzsubstanz weder vermehrt noch regeneriert werden (Brockhaus Enzyklopädie 1974,<br />
Stichwort: Zahn). Der Turnover <strong>und</strong> die Einsatzdauer des Zahnschmelzes sind gleich denen<br />
von Dentin.<br />
75
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
10.2.5 Mineralisches Geweih<br />
Das Wachstum von Geweihen zeigt eine Charakteristik, die der von Häutungen bei<br />
Arthropoden entspricht. Diese liegt darin, dass der alte Kopfschmuck zuerst abgeworfen<br />
werden muss, bevor ein neuer gebildet werden kann.<br />
Rehe (Capreolus capreolus) bilden bereits im ersten Lebensjahr das so genannte<br />
Erstlingsgeweih. Das jährlich abgeworfene Geweih wird mit zunehmendem Alter größer. Ein<br />
bis zu 12 Jahre alt werdendes Reh (extrem bis 17 Jahre) bildet daher 12-mal ein neues<br />
Geweih aus (Nowak / Paradiso 1983, S.1226).<br />
Für das Rotwild (Cervus elaphus) gilt Ähnliches wie für das Reh, mit dem Unterschied, dass<br />
es (in Gefangenschaft) bis über 28 Jahre alt werden kann (Nowak / Paradiso 1983, S.1210).<br />
Im Durchschnitt werden Rothirsche aber zwischen 18 <strong>und</strong> 20 Jahre alt . Von einem durchschnittlichen Hirsch kann daher angenommen werden,<br />
dass er 20-mal ein neues Geweih bildet.<br />
Für die hier angestellten Überlegungen sei eine durchschnittliche Turnover-Zahl<br />
angenommen, die zwischen der des Rehes <strong>und</strong> der von Rotwild liegt. Der Wert befindet sich<br />
daher zwischen 12 <strong>und</strong> 20 Turnover <strong>und</strong> beträgt 16.<br />
Unabhängig davon wird die Einsatzdauer mit weniger als einem Jahr angesetzt, <strong>und</strong> zwar mit<br />
210 Tagen. Dies berücksichtigt die Zeit zwischen dem Verfegen <strong>und</strong> dem Abwerfen des<br />
Geweihes. Der Zeitraum ist beim Reh <strong>und</strong> beim Rotwild in etwa gleich lang, wenn auch die<br />
Geweihe zu unterschiedlichen Jahreszeiten getragen werden. Das Reh verfegt sein Geweih im<br />
April bis Mai <strong>und</strong> wirft es im November bis Dezember ab, während beim Rotwild von Juli<br />
bis August verfegt wird <strong>und</strong> das Abwerfen im Februar bis März stattfindet. <br />
10.2.6 Silikatschalen<br />
Weder die Zusammensetzung noch die metabolischen Prozesse bei der Bildung von<br />
Diatomeenschalen (Frusteln) sind genau bekannt (vgl. Lowenstam / Weiner 1989, S.54ff).<br />
Daher ist auch nicht erwiesen, ob sich die Schalen, ähnlich wie im Knochen, im ständigen<br />
Umbau befinden oder nicht. Es wird in dieser Arbeit davon ausgegangen, dass ein<br />
76
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Organismus seine Schale nur ein Mal bildet <strong>und</strong> diese dann nicht mehr umgebaut wird. Gegen<br />
diese Annahme spricht, dass das Exoskelett stetig vom Umgebungswasser angelöst wird. Da<br />
die Lebensdauer einer Kieselalge aber vergleichsweise kurz ist, dürfte dieser Mechanismus<br />
kaum eine Rolle spielen. Weiter unten angeführte Untersuchungen haben auch gezeigt, dass<br />
Schalen lebender Diatomeen relativ beständig gegenüber dem Auflösen sind.<br />
Zur Lebensdauer von Diatomeen liegen nur sehr wenige Daten vor. Eine indirekte Messung<br />
wurde an Stephanodiscus durchgeführt <strong>und</strong> ergab eine durchschnittliche Verweildauer der<br />
Zellen in ihrem Süßwasser-Habitat von r<strong>und</strong> einem Monat (Ro<strong>und</strong> 1982b, S.447-459).<br />
Es kann somit die Annahme getroffen werden, dass die Lebensdauer von Kieselalgen r<strong>und</strong><br />
30 Tage beträgt. Der Turnover in der Gesamtlebenszeit liegt bei einer gebildeten Schale. Die<br />
Einsatzdauer der Schale beträgt somit ebenfalls an die 30 Tage.<br />
10.2.7 Molluskenschalen<br />
Muscheln haben unterschiedlich lange Lebenserwartungen. Als Beispiel mag hier die im<br />
Süßwasser lebende Flussperlmuschel Margaritifera margaritifera dienen. Diese Art kann ein<br />
Alter von mehr als 100 Jahren erreichen . Aber auch andere<br />
Arten wie die im Meer lebende Arctica islandica können bis über 100 Jahre alt werden<br />
(Thompson et al. 1980).<br />
Die Schale wird Schicht für Schicht aufgebaut. Das ältere Material wird ähnlich wie das Holz<br />
in einem Baum während des gesamten Lebens funktionell genutzt. Es gibt daher keinen<br />
Turnover, bzw. er liegt bei 1. Die Einsatzdauer entspricht dem Alter des Organismus, das hier<br />
mit 100 Jahren bzw. 36525 Tagen angesetzt wird.<br />
10.2.8 Korallenmaterial<br />
Die riffbildenden Cnidarien, die Klasse der Anthozoa, kommen ausschließlich im Meer vor<br />
(Pechenik 2000, S.111). Über ihre Lebensdauer ist wenig bekannt, zumal zwischen der<br />
Lebensspanne der einzelnen Tiere <strong>und</strong> jener der ganzen Kolonien unterschieden werden kann.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich können Kolonien von einigen Jahrzehnten bis zu Jahrh<strong>und</strong>erten alt werden<br />
.<br />
77
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
In La Parguera kommt die Art Montastrea annularis (Ordnung Scleractinia, Familie<br />
Faviidae) vor. Kolonien können einen Durchmesser von mehr als 5 m aufweisen, woraus sich<br />
bei einer Wachstumsrate von etwas unter 1 cm/Jahr (Goenaga / Winter, nicht publiziert) ein<br />
Alter von mehreren h<strong>und</strong>ert Jahren ergibt. <br />
Da die Riffkorallen in Symbiose mit Grünalgen leben, sind sie lichtbedürftig <strong>und</strong> gedeihen in<br />
den obersten 20 m des Meeres am besten, unterhalb von 90 m nicht mehr. Sie sind also<br />
ausschließlich Bewohner der tropischen Flachmeere. Hier errichten sie, <strong>und</strong> zwar bevorzugt<br />
auf hartem Gr<strong>und</strong>, mit einer Zuwachsrate von 0,5 bis 1 cm/Jahr ihre Bauten, die dank dem<br />
Streben der Kolonien zu besseren Licht- <strong>und</strong> Nahrungsverhältnissen als Riffe mit steiler<br />
Böschung zentrifugal gegen die offene See vorrücken. (Zeil 1990, S.76)<br />
Messungen an Bohrkernen im Bermudariff zeigen einen horizontalen Zuwachs von<br />
0,1 mm/Jahr. Anderswo liegen die diesbezüglichen Durchschnittswerte bei 1 cm/Jahr<br />
(Tardent 1993, S.154). Die Untersuchungen an Bohrkernen scheinen allerdings nicht die<br />
wirkliche Zuwachsrate in einem Jahr widerzuspiegeln, denn es handelt sich hier eher um den<br />
Nettozuwachs, der sich aus aufbauenden <strong>und</strong> (weiter unten angeführten) abbauenden<br />
Prozessen zusammensetzt.<br />
Da nur die oberste Schicht für die lebende Koralle von Bedeutung ist, während die<br />
darunterliegenden stark erodiert sein können, wird die Einsatzdauer des Materials mit nur<br />
einem Jahr angenommen. Anders als bei Bäumen, die die gleiche aggregierende<br />
Wachstumscharakteristik zeigen, müssen die Jahre zuvor gebildeten Skelettteile keine<br />
lebensnotwendige schützende <strong>und</strong> stützende Funktion mehr erfüllen.<br />
10.2.9 Schwämme<br />
Die in Schwämmen vorkommenden Skelettbestandteile sind in die großteils zelllose,<br />
gallertartige Matrix des Mesohyls eingebettet. In dieser Schicht können sich einzelne Zellen<br />
(Archaeocyten) frei bewegen <strong>und</strong> verschiedene Aufgaben erfüllen. Eine Art von<br />
Archaeocyten sind die Sclerocyten, die für die Sekretion der Spicula zuständig sind, eine<br />
andere, die Spongocyten, ist für die Bildung von Spongin zuständig. (Dendy 1926) (Ilan et al.<br />
1996) (Ledger / Johnes 1977) Nur 2% aller Schwammarten leben im Süßwasser, der Rest ist<br />
78
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
auf Meerwasser angewiesen (Pechenik 2000, S.73).<br />
Auf Gr<strong>und</strong> der Tatsache, dass Schwämme fortwährend an Größe zunehmen, kann<br />
angenommen werden, dass bei den Schwammskeletten kein Turnover stattfindet <strong>und</strong> dass das<br />
einmal gebildete Skelett stetig weiterverwendet wird.<br />
Mycale acerata (Klasse Hexactinellida) ist ein Schwamm, der in der Antarktis vorkommt;<br />
aufgr<strong>und</strong> seiner langsamen Wachstumsrate wird angenommen, dass er bis zu einigen h<strong>und</strong>ert<br />
Jahren alt werden kann (Dayton et al. 1974 in: Bergquist 1978, S.188). Es kommen jedoch<br />
auch annuelle Formen vor, wie die in Neuseeland beheimatete Gattung Halisarca (Klasse<br />
Demospongiae). Andere Formen, wie Cliona <strong>und</strong> Ancorina, werden bis zu mehr als 20 Jahre<br />
alt. (Bergquist 1978, S.190) Der zur Familie der Halichondriidae (Klasse Demospongiae)<br />
gehörende Brotkrumenschwamm (Halichondria panicea) ist in Nord- <strong>und</strong> Ostsee verbreitet,<br />
wird meist 1 Jahr alt <strong>und</strong> kann in dieser Zeit fußballgroß werden .<br />
Mit einem hier angenommenen eher hohen mittleren Wert für die Lebensdauer von<br />
Schwämmen von 20 Jahren <strong>und</strong> einem Turnover von 1 ergibt sich auch eine Einsatzdauer von<br />
20 Jahren oder 7305 Tagen.<br />
10.2.10 Holz<br />
Bäume bilden ständig neues verholztes Material an der Außenschicht des bereits vorhandenen<br />
Holzes. Das gesamte Holzmaterial, das während eines Lebens gebildet wird, steht im<br />
funktionellen Einsatz. Die äußeren Schichten sind allerdings von größerer Bedeutung, da sie<br />
die statische Hauptlast tragen <strong>und</strong> für den Wassertransport unerlässlich sind. Ältere Bäume<br />
können innen durchaus hohl sein, ohne dass dadurch andere Funktionen beeinträchtigt<br />
werden.<br />
Der Turnover ist daher gleich 1. Das Alter von Bäumen <strong>und</strong> somit die Einsatzdauer von Holz<br />
kann sehr unterschiedlich sein, zumal sie meist »getötet« werden <strong>und</strong> nicht aus innerer<br />
Ursache sterben (Mohr / Schopfer 1992, S.453). Die Spanne reicht von 80 bis 200 Jahren bei<br />
Pionierhölzern (wie Erle, Pappel, Weide, Robinie, Esche, Birke), über 150 bis 1400 Jahren<br />
bei sommergrünen Waldbäumen (wie Ulme, Ahorn, Buche, Linde, Eiche), bis zu 100 bis<br />
4000 Jahren bei Koniferen (Wacholder, Eibe, Lärche, Tanne, Fichte (200 bis 500 Jahre),<br />
79
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Douglasie, Kiefer) (Larcher 1994, S.229). In dieser Arbeit wird als Einsatzdauer allerdings<br />
ein mittlerer Wert von 200 Jahren angenommen.<br />
10.2.11 Cellulosematerial<br />
Zellwände <strong>und</strong> somit Cellulose<strong>materialien</strong> können unterschiedlich lange Zeiten in Funktion<br />
stehen. Bei annuellen Pflanzen liegt diese Dauer unter einem Jahr, während sie bei den<br />
Nadeln von Koniferen mehrere Jahre betragen kann. Ein Beispiel für den Einsatz von<br />
Cellulosematerial sind die Blätter von Laubbäumen in gemäßigten Breiten, d.h. mit<br />
jährlichem Laubwechsel.<br />
Als Vegetationstage werden Tage bezeichnet, deren mittlere Tagestemperatur mindestens<br />
+5°C beträgt (Harlfinger / Knees 1999). Sind die Tage kühler, zeigen Pflanzen nahezu keine<br />
Wachstumsaktivitäten. Diese Größe hängt eng mit der Dauer der Vegetationsperiode<br />
zusammen, dem Zeitraum zwischen dem durchschnittlichen Überschreiten <strong>und</strong> wieder<br />
Unterschreiten der 5°C-Schwelle. Die Zahl der Vegetationstage für einen Ort ist<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich etwas höher als die Dauer der Vegetationsperiode, da einzelne Vegetationstage<br />
auch vor oder nach der Vegetationsperiode liegen können. <br />
Die durchschnittliche Dauer der Vegetationsperiode beträgt im Flachland Mitteleuropas,<br />
beispielsweise im Saarland, r<strong>und</strong> 160 Tage .<br />
Nimmt man die Dauer der Vegetationsperiode als Maß für das Vorhandensein von Cellulose<br />
in Blättern, so ist diese Zeit sicher zu kurz, da die Blätter zunächst gebildet werden müssen,<br />
<strong>und</strong> im Herbst, erst nachdem die Vegetationsperiode beendet ist, abgeworfen werden.<br />
Dennoch liefert diese Dauer einen Anhaltswert für die Zeit, in der das Blatt <strong>und</strong> somit die<br />
Cellulose seine Funktion ausübt. Sie wird daher als Einsatzdauer angenommen <strong>und</strong> beträgt<br />
für mittlere Breiten 160 Tage.<br />
10.2.12 Keratin<strong>materialien</strong><br />
Menschliche Haut<br />
Die menschliche Haut variiert in ihrer Dicke von weniger als 1 mm (Augenlid) bis zu mehr<br />
80
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
als 3mm (Handfläche <strong>und</strong> Sohle). Die Haut besteht aus mehreren Schichten. Die Epidermis<br />
bildet die äußerste Schicht der Haut <strong>und</strong> ist je nach Exposition 0,1 bis 0,7 mm dick.<br />
(Dulbecco 1997, Vol 8, S. 41) Sie steht in ständigem Kontakt mit der Umwelt <strong>und</strong> wird<br />
laufend neu gebildet. Dabei schieben sich tiefer liegende Zellen an die Oberfläche <strong>und</strong> bilden<br />
die abgestorbene, dehydrierte <strong>und</strong> hornige Schicht des Stratum corneum. Auf ihrem Weg<br />
vom Stratum spinosum zum Stratum corneum werden die Zellen durch die Ausbildung von<br />
Disulfid-Brücken zwischen Cysteinen in der Membran keratinisiert.<br />
Die Turnover-Zeit, also die Zeit, in der die Zelle vom Stratum basale, der untersten Schicht<br />
der Epidermis, bis zum Stratum corneum wandert, beträgt r<strong>und</strong> 27 Tage. Die Epidermis wird<br />
demzufolge alle 27 Tage vollständig erneuert, was der Einsatzdauer entspricht. Bis zu einer<br />
durchschnittlich angenommenen Lebenserwartung von 75 Jahren wird die Epidermis also<br />
r<strong>und</strong> 1000-mal erneuert. Der Mensch verliert somit 5 bis 10 g verhornter Haut pro Tag, die zu<br />
80% aus Proteinen <strong>und</strong> 20% aus strukturellen Lipiden <strong>und</strong> Pigmenten besteht. (Dulbecco<br />
1997, Vol 8, S. 41)<br />
Menschliche Nägel<br />
Die Struktur der Nägel ist mit der von Haaren <strong>und</strong> Stratum corneum verwandt. Normales<br />
Nagel-Gewebe wächst mit 0,1 mm/Tag in Längsrichtung. Ab dem 30. Lebensjahr nimmt die<br />
Wachstumsrate ab. Die abgestorbenen Nägel bestehen aus vielen Schichten plattenartig<br />
angeordneter keratinisierter Zellen, wobei in Nägeln mehr Cystein vorhanden ist als im<br />
Stratum corneum, aber weniger als im Haar. (Dulbecco 1997, Vol 8, S. 44)<br />
Bei einer Nagellänge von 2 cm ergibt sich eine Einsatzdauer von 200 Tagen. Rechnet man<br />
mit einer Lebenserwartung des Menschen von 75 Jahren, so ergibt sich eine Turnoveranzahl<br />
von 137 Erneuerungen während der Lebensspanne.<br />
Horn<br />
Bei den Boviden (Hornträger) haben im Gegensatz zu den meisten Cerviden (Geweihträger)<br />
beide Geschlechter einen Kopfschmuck. Dieser wird nicht abgeworfen, sondern wächst<br />
zeitlebens mehr oder weniger stark. Die Energiewerte von Horn wurden für das Schaf (Ovis<br />
ammon) berechnet. Deshalb soll diese Spezies auch hier wieder behandelt werden.<br />
81
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Schafe werden je nach Populationsdruck verschieden alt. In stabilen oder schrumpfenden<br />
Populationen liegt die durchschnittliche Lebensdauer bei mehr als 10 Jahren, maximal<br />
werden 20 - 24 Jahre erreicht. In wachsenden Populationen hingegen ist die durchschnittliche<br />
Lebensdauer mit 6 - 7 Jahren begrenzt. (Nowak / Paradiso 1983) Hier wird mit der<br />
durchschnittlichen Lebenserwartung einer stabilen Population gerechnet, d.h. mit 10 Jahren.<br />
Damit ergibt sich auch die Einsatzdauer des Horns, bei einmaligem Turnover, mit 10 Jahren<br />
oder 36525 Tagen.<br />
Obwohl im Horn des Rhinoceros keine lebenden Zellen auftreten, scheint es die Fähigkeit zu<br />
haben, kleinere Risse von selbst reparieren zu können (J. Daniel / A, Van Orden in: Benyus<br />
1997, S.143). Inwieweit dieser Mechanismus eine Rolle beim Aufbau von Horn allgemein<br />
spielt, ist nicht bekannt.<br />
10.2.13 Seide<br />
Die Dauer der Verpuppung, für die bei Insekten Seide benötigt wird, ist je nach Spezies<br />
unterschiedlich lang. Sie kann von einer bis 8 Wochen dauern. Die Dörrobstmotte braucht<br />
8 Wochen, um sich zu verpuppen . Die Brennesselraupe<br />
hingegen benötigt nur 10 Tage zur Verpuppung . Der<br />
Apfelschalenwickler hat eine Verpuppungsdauer von 10 - 20 Tagen . Die Metamorphose des Schwalbenschwanzes dauert zwischen 12 <strong>und</strong><br />
25 Tagen für die . Bombyx mori, der Maulbeerspinner, zeigt eine<br />
Verpuppungsdauer von 8 - 12 Tagen .<br />
Ein mittlerer Wert von 20 Tagen kann damit für die Einsatzdauer eines Kokons angesetzt<br />
werden. Die Einsatzdauer von Spinnennetzen kann ebenfalls variieren, sie wird aber hier<br />
nicht bearbeitet.<br />
10.2.14 Chitin<strong>materialien</strong><br />
Da chitinhaltige Materialien im Tierreich zumeist für die Bildung eines Exoskelettes benutzt<br />
werden, muss dieses während des Wachstums mehr oder weniger häufig ausgetauscht werden<br />
(Häutung).<br />
82
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Insekten<br />
Bei Insekten wird nur die äußerste Schicht (Exocuticula) erneuert. Zwischen der alten <strong>und</strong> der<br />
neu entstehenden Cuticula bildet sich beim Häuten ein flüssiger Film, von dem die<br />
abzuwerfende Schicht durch Proteasen <strong>und</strong> Chitinasen angelöst wird. Es wird diskutiert, ob<br />
die gelösten Stoffe der alten Cuticula zum Aufbau der neuen Schicht verwendet werden.<br />
Einige Insekten werfen die alte Hülle nicht ab, sondern verwenden sie als weitere<br />
Schutzschicht, andere wiederum verwenden sie für den hinteren Teil des Körpers weiter. Die<br />
Anzahl der Häutungen variiert innerhalb der Gruppe der Insekten sehr stark. Generell kann<br />
festgestellt werden, dass sich spezialisierte Tiere weniger oft häuten als primitivere Formen.<br />
Es gibt Arten, die sich zeitlebens häuten, <strong>und</strong> andere, die sich, wenn sie ausgewachsen sind,<br />
nicht mehr häuten (z.B. Pterygota). Die meisten Insekten häuten sich zwischen 4- <strong>und</strong> 20-mal<br />
ausgehend von der Larve. (Richards / Davies 1977, S.11ff, 361ff)<br />
Aus anderen Quellen sind ähnliche Daten zu entnehmen. So kann die Anzahl der Häutungen<br />
zwischen den Extremen von 1 bis 60 liegen. Am häufigsten kommen allerdings 4 bis 5<br />
Häutungen im Leben eines Insektes vor. (Gewecke 1995, S.90) Es wird daher mit einem Wert<br />
von 5 Häutungen gerechnet.<br />
Die Lebensdauer von Insekten variiert stark. So können Organismen wie Blattläuse <strong>und</strong><br />
Schmetterlinge mehrere Generationen in einem Jahr hervorbringen, während Larven von<br />
anderen Arten mehrere Jahre im Wasser, tief in der Erde oder im Holz überleben können<br />
(Zikaden, Maikäfer, Bockkäfer, Hirschkäfer). Auch die Imagines einzelner Arten können<br />
mehrere Jahre überleben, wie beispielsweise Schwimmkäfer im Wasser <strong>und</strong> Honigbienen<br />
oder Ameisen im eigenen Bau. Besonders die Weibchen bei Bienen, Termiten <strong>und</strong> Ameisen<br />
können mehrere Saisonen durchhalten. Bei der Mehrzahl der Insekten in gemäßigten Breiten<br />
liegt die Lebensdauer allerdings bei einem Jahr. (Handlirsch 1929, S.28ff.)<br />
Auch bei staatenbildenden Insekten, wie bei der Honigbiene, leben die meisten Individuen<br />
nicht länger als ein Jahr. Ein durchschnittlicher Bienenstock umfasst im Frühsommer 40000<br />
Individuen, während nur knapp über 10000 den Winter überstehen (Gould / Gould 1988,<br />
S.27). Der Lebenszyklus einer Arbeiterin kann wie folgt beschrieben werden: Aus dem<br />
gelegten Ei schlüpft nach 3 Tagen die Larve. Nach 10 Tagen im Larvenstadium wird ein<br />
Kokon gesponnen, in dem die Metamorphose stattfindet <strong>und</strong> nach weiteren 7 Tagen die<br />
fertige Arbeiterin schlüpft. Die Biene arbeitet daraufhin 3 Wochen im Stock, um dann (je<br />
83
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
nach Belastung) für 9 Tage bis 3 Wochen Bestäubungsflüge durchzuführen. Nach r<strong>und</strong><br />
800 Flugkilometern ist die Flugmuskulatur verbraucht. (Gould / Gould 1988, S.26ff) Daraus<br />
ergibt sich eine Lebensspanne einer durchschnittlichen Honigbiene von der Eiablage bis zur<br />
fertigen Arbeiterin von 20 Tagen, worauf 30 bis 42 Tage als aktive Arbeiterin folgen.<br />
Die Schwankungsbreite in der Lebensspanne von Insekten ist also relativ groß. Dennoch wird<br />
hier mit einem durchschnittlichen Wert von einem Jahr gearbeitet. Daraus kann man<br />
schließen, dass bei einer Lebensdauer von 365 Tagen <strong>und</strong> einem Gesamtturnover von 5 die<br />
durchschnittliche Turnover-Zeit bei 73 Tagen liegt. Das ist natürlich nur ein theoretischer<br />
Wert, da die meisten Häutungen zu Beginn der Lebensspanne vorkommen <strong>und</strong> sich viele<br />
Imagines nicht mehr häuten.<br />
Krustazeen<br />
Die Cuticula von Krustazeen ist ähnlich aufgebaut wie die von Insekten. Dennoch gibt es<br />
einige Unterschiede. Die dünne Epicuticula enthält kein Chitin <strong>und</strong> besteht aus Proteinen,<br />
Lipiden <strong>und</strong> Kalziumsalzen. Die Begriffe für Exocuticula (bei Krustazeen: Precdysale<br />
Procuticula od. Primäre Procuticula) <strong>und</strong> Endocuticula (bei Krustazeen: Postecdycale<br />
Procuticula od. Sek<strong>und</strong>äre Procuticula), wie sie für das Insektenintegument üblich sind,<br />
werden von manchen Autoren mit dem Begriff Procuticula zusammengefasst. Die Procuticula<br />
ist durch ihren Gehalt an Chitin charakterisiert. Sie wird in eine preecdysale <strong>und</strong> postecdysale<br />
Schicht unterteilt, je nachdem ob sie schon vor der letzten Häutung oder danach gebildet<br />
wurde. Das Postecdysale wird wiederum in eine obere Schicht <strong>und</strong> eine darunter liegende<br />
Membran unterteilt. Außer der Membran besteht die Procuticula aus Chitin, Proteinen <strong>und</strong><br />
Kalziumverbindungen. Das Exoskelett wird durch Sklerotisation <strong>und</strong> die Einlagerung von<br />
Kalziummineralien (Kalzit, Vaterit <strong>und</strong> Hydroxyapatit) ausgehärtet. Mineralische<br />
Einlagerungen finden sich in allen Schichten der Cuticula mit Ausnahme der äußeren<br />
Epicuticula <strong>und</strong> der inneren Membran. Die Mineralien füllen die Poren, die sonst durch<br />
Proteine besetzt würden. (Stevenson 1985, S.2ff)<br />
Die primäre Procuticula widersteht den Enzymen, die während der Häutung zur Auflösung<br />
der alten Hülle eingesetzt werden. Epicuticula <strong>und</strong> Prokutikula beinhalten keine lebenden<br />
Zellen <strong>und</strong> werden von der darunter liegenden Epidermis versorgt. Die Epidermis bildet die<br />
Cuticula <strong>und</strong> die zur Häutung benötigten Enzyme, die die untere Schicht der alten Cuticula<br />
84
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
lösen. Außerdem können W<strong>und</strong>en in der Cuticula repariert werden. In der Procuticula<br />
kommen Chitin, teilweise netzartig verb<strong>und</strong>ene Proteine <strong>und</strong> Lipide vor. Wie Chitin mit den<br />
Proteinen verb<strong>und</strong>en ist, ist weitgehend unklar. Lipide werden zur Wasserabdichtung<br />
eingesetzt, andere Funktionen wie Strukturmaterial <strong>und</strong> Schutz vor Chemikalien werden<br />
diskutiert. (Stevenson 1985, S.2ff)<br />
Die alte Hülle wird innen durch Chitinase <strong>und</strong> Protease angelöst, <strong>und</strong> die dabei entstehenden<br />
Monomere werden teilweise durch Poren in den Organismus zurücktransportiert <strong>und</strong> können<br />
zur Bildung der neuen Cuticula beitragen. Die genauen Vorgänge sind allerdings nicht<br />
bekannt. Die Cuticula kann auch bei Nahrungsknappheit teilweise dem Metabolismus<br />
zugeführt werden. Dies zeigt sich in dem dünner werdenden Exoskelett in Zeiten mangelnder<br />
Nahrung. Die mineralischen Einlagerungen der alten Cuticula werden teilweise gelöst <strong>und</strong><br />
inkorporiert <strong>und</strong> können für die neue Cuticula verwendet werden. Der Großteil der nötigen<br />
Kalziumminerale muss jedoch aus der Nahrung aufgenommen werden. (Stevenson 1985,<br />
S.2ff)<br />
Der amerikanische Hummer Homarus americanus kann bis zu 45 Jahre alt werden. Er häutet<br />
sich durchschnittlich 10-mal im ersten Lebensjahr, 3- oder 4-mal im zweiten <strong>und</strong> dritten,<br />
2-mal im vierten Lebensjahr <strong>und</strong> danach jährlich einmal (Hughes, J. / Matthiessen, G. 1962).<br />
Am Anfang kommen mehr Häutungen vor, da das Tier noch rasch wächst. Insgesamt wird<br />
das Exoskelett durchschnittlich 60-mal erneuert. Die Einsatzdauer des Exoskelettes liegt also<br />
bei durchschnittlich 274 Tagen.<br />
10.2.15 Auflistung der Einsatzdauerdaten<br />
Nachstehend sind die Einsatzdauer (= Dauer eines Turnover) <strong>und</strong> die Anzahl der Turnover<br />
der untersuchten Materialien tabellarisch <strong>und</strong> in Form von Diagrammen zusammengefasst.<br />
85
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Material<br />
Einsatzdauer (Dauer eines<br />
Anzahl der Turnover<br />
Turnover) [d]<br />
Knochen 9131 3<br />
Dentin 23741 2<br />
Zahnschmelz 23741 2<br />
Geweih 210 16<br />
Siliziumschalen 30 1<br />
Molluskenschalen 36525 1<br />
Korallenskelett (massiv) 365 1<br />
Kalkschwamm 7305 1<br />
Holz 73050 1<br />
Cellulosematerial (Laubblatt) 160 200<br />
Horn 3653 1<br />
Seide 20 1<br />
Chitin (Insekten) 73 5<br />
Chitin (Krustazeen) 274 60<br />
Nägel 200 137<br />
Epidermis 27 1015<br />
Tabelle 17: Gesammelte Zahlen zum Turnover<br />
100000<br />
Einsatzdauer (Dauer eines Turnover)<br />
Dauer eines<br />
Turnover [Tage]<br />
10000<br />
1000<br />
100<br />
10<br />
Knochen<br />
Dentin<br />
Zahnschmelz<br />
Geweih<br />
Siliziumschalen<br />
Molluskenschalen<br />
Korallenskelett<br />
Schwamm<br />
Holz<br />
Cellulosematerial (Laubblatt)<br />
Horn Schaf<br />
Seide<br />
Chitin (Insekten)<br />
Chitin (Krustazeen)<br />
Nägel<br />
Epidermis<br />
Abbildung 5: Gesammelte Zahlen zum Turnover<br />
86
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Die Unterschiede in der Einsatzdauer <strong>biogener</strong> Materialien (Abbildung 5) sind beträchtlich.<br />
Die Werte reichen von 20 Tagen bis zu 200 Jahren. Dabei hat die Materialart − mineralisch<br />
oder organisch − wenig Einfluss auf die Zeitspanne, in der die jeweilige Funktion erfüllt<br />
wird. Aus Tabelle 17 ist auch zu entnehmen, dass es sowohl die Variante kurze Einsatzdauer<br />
mit großer Turnover-Zahl als auch die umgekehrte, lange Einsatzdauer mit kleiner<br />
Turnover-Zahl gibt. Auch bei gleichen Gr<strong>und</strong><strong>materialien</strong> sind die Variationen beträchtlich.<br />
Chitin bei Insekten <strong>und</strong> Krustazeen wird in mehr oder weniger ähnlichen Zeitperioden<br />
eingesetzt. Keratin wird jedoch in Form von Hörnern, Haaren, Nägeln <strong>und</strong> der Epidermis sehr<br />
unterschiedlich lang <strong>und</strong> mit unterschiedlichen Turnover-Zahlen verwendet. Auch bei<br />
Cellulose finden sich größere Unterschiede, denn zum einen wird sie in kurzlebigen Blättern<br />
weniger als ein Jahr eingesetzt, während sie zum anderen als Bestandteil des Holzes bis zu<br />
mehreren h<strong>und</strong>ert Jahren in Gebrauch stehen kann.<br />
10000<br />
Anzahl der Turnover<br />
Anzahl der Turnover in der<br />
Lebenszeit des Organismus<br />
1000<br />
100<br />
10<br />
1<br />
0,1<br />
Knochen<br />
Dentin<br />
Zahnschmelz<br />
Geweih<br />
Siliziumschalen<br />
Molluskenschalen<br />
Korallenskelett<br />
Schwamm<br />
Holz<br />
Cellulosematerial (Laubblatt)<br />
Horn Schaf<br />
Seide<br />
Chitin (Insekten)<br />
Chitin (Krustazeen)<br />
Nägel<br />
Epidermis<br />
Abbildung 6: Anzahl der Turnover<br />
Die Anzahl der Turnover reicht vom Minimalwert von eins bis zu einem Maximum bei 1000<br />
<strong>und</strong> ist bei mineralischen Bio<strong>materialien</strong> eher geringer als bei organischen Stoffen. Das<br />
Keratin, das in der menschlichen Epidermis Einsatz findet, ist das betrachtete Material mit<br />
der größten Turnoveranzahl. Cellulose von Blättern wird 200-mal <strong>und</strong> Keratin in<br />
menschlichen Nägeln etwas über 100-mal ausgetauscht. Die meisten Materialien werden aber<br />
87
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
wesentlich weniger oft gewechselt. Viele weisen eine Turnoveranzahl von eins auf <strong>und</strong><br />
werden somit während der Zeit ihres Gebrauchs nicht erneuert.<br />
88
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
10.3 Recyclingprozesse <strong>und</strong> Abbauzeiten<br />
Nahezu alle biogen produzierten Materialien werden in einem fortwährenden Kreislauf<br />
geführt. Die Abbauprozesse sind jedoch je nach Ausgangsmaterial unterschiedlich. Unter<br />
Abbau seien hier sowohl der biologische Abbau durch Organismen als auch der Abbau bzw.<br />
die Erosion durch physikalische <strong>und</strong> chemische Einflüsse verstanden. In Abbildung 7 sind die<br />
Abbauprodukte der verschiedenen Bio<strong>materialien</strong> aufgezeigt.<br />
Ressourcen Autotrophe Heterotrophe Abbauprodukte<br />
Ca 2+ (aq)<br />
PO 4<br />
3−<br />
(aq)<br />
CO 2<br />
H O<br />
N 2<br />
Ca 2+ (aq)<br />
HCO 3<br />
−<br />
(aq)<br />
Si(OH) 4 (aq)<br />
Org PO 4<br />
Fette<br />
Proteine<br />
Org. Mat.<br />
Silikatschalen<br />
(Diatomeen)<br />
Knochen<br />
Molluskenschale<br />
Ca 2+ (aq)<br />
PO 4<br />
3−<br />
(aq)<br />
CO<br />
H 2<br />
O<br />
N 2<br />
Ca 2+ (aq)<br />
CO 2<br />
H 2<br />
O<br />
Ca 2+ (aq)<br />
Ca 2+ (aq)<br />
Korallen<br />
− HCO (aq HCO<br />
Org. Mat.<br />
3<br />
(aq)<br />
Si(OH) (aq) 4 Andere<br />
Schwämme<br />
Si(OH) 4 (aq)<br />
Si(OH) (aq) 4<br />
Andere<br />
CO 2<br />
H O<br />
CO 2<br />
H 2<br />
O<br />
Cellulose<br />
Holz<br />
CO 2<br />
H 2<br />
O<br />
CO 2<br />
H 2<br />
O<br />
N 2<br />
CO 2<br />
H 2 O<br />
Org. Mat.<br />
Org. Mat.<br />
Pilz−Chitin<br />
N 2<br />
CO 2<br />
H O<br />
CO 2<br />
H 2 O<br />
N 2<br />
Kohlehydrate<br />
Arthropoden−Chitin<br />
Org. Mat.<br />
CO 2<br />
H 2<br />
O<br />
Abbildung 7: Vereinfachte Darstellung von Ressourcen <strong>und</strong> Abbauprodukten<br />
einiger Bio<strong>materialien</strong><br />
N 2<br />
89
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Terrestrische <strong>und</strong> limnische bzw. marine Systeme unterscheiden sich in Bezug auf die dort<br />
stattfindenden Abbauwege. Bei mineralischen Ausgangs<strong>materialien</strong> tritt meist kein<br />
biologischer Abbau auf, sondern ein Auflösen in wässrigem Milieu, während dieser bei<br />
organischen Ausgangs<strong>materialien</strong> eine dominante Rolle spielt.<br />
Einer der wesentlichen Parameter beim Recycling der Stoffe ist die Abbauzeit, also die<br />
Zeitspanne vom Tod des Organismus bzw. dem Ende des funktionalen Einsatzes bis zur<br />
vollständigen Zerstörung der Struktur, der Mineralisation.<br />
Hier soll daher die Abbaurate als wesentlicher Parameter im Recycling-Prozess<br />
herausgegriffen werden. Einerseits soll damit herausgef<strong>und</strong>en werden, wie die Abbaurate mit<br />
dem energetischen Aufwand, ein Biomaterial herzustellen, in Verbindung steht. Andererseits<br />
können so Aussagen getroffen werden, wie die unterschiedlichen Mengen an Bio<strong>materialien</strong><br />
in die Kreisläufe der Ökosysteme zurückgeführt werden.<br />
Zum Erfassen der unterschiedlichen Daten kann wieder die im vorigen Kapitel beschriebene<br />
Turnover-Theorie angewandt werden, mit dem Unterschied, dass statt dem Aufbau ein Abbau<br />
stattfindet (d.h. k wird zu -k). Experimentelle Untersuchungen haben gezeigt, dass der Abbau<br />
von organischem Material weitgehend der Reaktionskinetik erster Ordnung entspricht (Paul /<br />
Clark 1996, S.164). In der Erforschung von persistenten Stoffen hat sich in den letzten Jahren<br />
ein Begriff, der beim Turnover eine Rolle spielt, − die Halbwertszeit − auch für die<br />
Untersuchung organischer Chemikalien vermehrt durchgesetzt (Beek 2001, S.XII).<br />
Die Systemgrenzen für den Abbau biogenen Materials sind auf der einen Seite klar<br />
definierbar durch den Zeitpunkt des Ablebens eines Organismus oder des Funktionsverlustes<br />
des Materials. Das zeitliche Ende des Abbaus ist schwerer zu fassen, zumal die Materialien<br />
nicht plötzlich mineralisiert werden. Vielfach ist der Abbau in eine mehr oder weniger große<br />
Anzahl von Einzelschritten zu unterteilen. Die Materialien können auch unvollständig<br />
abgebaut werden bzw. als Nahrung dienen <strong>und</strong> somit nicht mineralisiert werden. Dieser Fall<br />
wird hier jedoch nicht betrachtet. Von Interesse ist die Zeit zwischen Ende der Funktion <strong>und</strong><br />
vollständiger Strukturzerstörung.<br />
90
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
10.3.1 Biologischer Abbau<br />
Primäre terrestrische, organische Ausgangssubstanzen werden nach dem Absterben durch<br />
Organismen der Bodenflora <strong>und</strong> -fauna angegriffen (= Zersetzung der organischen Substanz)<br />
<strong>und</strong> entweder bis zu molekularen oder ionaren Endprodukten abgebaut (= Mineralisierung)<br />
oder zu neuen sek<strong>und</strong>ären Huminstoffen im Zuge der Humifizierung umgewandelt. Im<br />
Verlauf der Mineralisierung <strong>und</strong> Humifizierung entstehen zahlreiche Zwischenprodukte.<br />
(Blum 1992, S.41)<br />
Die Humifizierung hin zu schwer abbaubaren Huminstoffen wird an dieser Stelle nicht weiter<br />
verfolgt, da sie einen Sonderfall des Abbaues darstellt. Es werden lediglich die häufiger<br />
anzutreffenden Zersetzungsprozesse <strong>und</strong> somit die Umwandlung der Bio<strong>materialien</strong> in neue<br />
Ausgangsressourcen für den Aufbau neuer Stoffe behandelt.<br />
Die Zersetzung im Boden verläuft in drei ineinander übergreifenden Phasen, das sind:<br />
1. Biochemische Initialphase: Hydrolyse <strong>und</strong> Oxidationsvorgänge<br />
2. Phase der mechanischen Zerkleinerung durch Makro- <strong>und</strong> Mesofauna<br />
3. Phase des mikrobiellen Abbaues: enzymatische Aufspaltung<br />
(Blum 1992, S.41)<br />
Für diese Arbeit wären Daten über den Abbau in situ wünschenswert. Diese sind jedoch kaum<br />
verfügbar, da schwer zu verifizieren. Deswegen wird angenommen, dass die terrestrischen<br />
Prozesse im Boden in ähnlicher Weise wie bei der aeroben Kompostierung ablaufen.<br />
Die von Kompostierungsversuchen oder standardisierten Tests gewonnenen Daten sind zwar<br />
nicht notwendigerweise deckungsgleich mit denen in der Natur, dennoch sind keine<br />
praktikableren Methoden in Sicht, um auf quantitative Daten zu schließen. Absolutwerte sind<br />
nicht vorzufinden, es ist daher mit relativen Reihungen vorlieb zu nehmen. Bei<br />
Verb<strong>und</strong>stoffen werden die unterschiedlichen Komponenten verschieden schnell abgebaut.<br />
Für die vorliegende Arbeit wird tendenziell die jeweils größte Abbauzeit verwendet.<br />
Die Abbauraten hängen von einer Vielzahl von Parametern ab. Zu unterscheiden ist zwischen<br />
abiotischen <strong>und</strong> biotischen Parametern. Die abiotischen Faktoren sind:<br />
• Temperatur<br />
• Korngröße (Volumen / Oberfläche - Verhältnis)<br />
91
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
• Sauerstoffverfügbarkeit<br />
• pH-Wert<br />
• Redox-Potenzial<br />
• Mineralstoffangebot<br />
• Feuchtigkeit bzw. Wasserangebot<br />
Die biotischen Faktoren sind:<br />
• Art <strong>und</strong> Zahl der Destruenten (Saprophyten)<br />
• Zustand der Mikroorganismen<br />
• C / N - Verhältnis<br />
• Nährstoffzusammensetzung<br />
Der Einfluss dieser Parameter spiegelt sich auch in der Abbauaktivität unterschiedlicher<br />
Böden wider. So beträgt sie bei hocharktischen Rohböden, subarktischen Podsolen,<br />
mitteleuropäischen Schotterauen <strong>und</strong> mediterranen Rankern knapp über 2 gCO 2 /(m 2·d),<br />
während sie auf Fettwiesen der gemäßigten Breiten <strong>und</strong> auf ornithogenen Böden der<br />
Hocharktis 12 bzw. 15 gCO 2 /(m 2·d) erreichen kann (jeweils bei 12°C). (Lexikon der<br />
Geowissenschaften 2000)<br />
Die biologische Abbaubarkeit ist keine klar definierbare Materialeigenschaft. Vergleiche<br />
können daher nur dort gemacht werden, wo die Messungen unter gleichen Bedingungen<br />
(Standardbedingungen) vorgenommen wurden.<br />
Definition der biologischen Abbaubarkeit<br />
Die biologische Abbaubarkeit (biodegradability) ist die Eigenschaft eines organischen<br />
Stoffes, durch die Einwirkung lebender Organismen einem Zersetzungsprozess zu<br />
unterliegen. Beim biologischen Abbau in Wasser, Schlamm, Sediment oder Boden spielen<br />
Bakterien <strong>und</strong> Pilze eine wesentliche Rolle. Auch Algen <strong>und</strong> ein- u. mehrzellige niedere Tiere<br />
sind an Abbauvorgängen beteiligt. Die biologische Abbaubarkeit ist keine reine<br />
Stoffeigenschaft, sondern von vielerlei Faktoren abhängig. [...] (Hulpke et al. 2000, S. 131)<br />
92
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Bestimmungsmethoden<br />
Zu unterscheiden ist zwischen aeroben <strong>und</strong> anaeroben Methoden. Bei den aeroben<br />
Testverfahren wird die zu untersuchende Substanz in der Regel mit einer mikrobiellen<br />
Mischpopulation unter definierten Bedingungen in Kontakt gebracht. (Hulpke et al. 2000, S.<br />
133) Die Methoden der kontinuierlichen Tests sind hier nicht von Bedeutung.<br />
Damit können verschiedene Indikatoren für die biologische Abbaubarkeit gemessen werden.<br />
Die wichtigsten sind in der Folge aufgelistet:<br />
• Messung der Abnahme des organisch geb<strong>und</strong>enen Kohlenstoffes (DOC)<br />
• Bestimmung des gebildeten Kohlendioxides − CO 2 -Freisetzung<br />
• Sauerstoff - Verbrauchsmessung − biologischer Sauerstoffbedarf (BSB)<br />
(Hulpke et al. 2000, S. 132)<br />
Daneben gibt es auch noch direkte Nachweismethoden des Verschwindens eines Stoffes<br />
(Masseverlust). Ebenso können auftretende Abbauprodukte <strong>und</strong>, wenn die Testsubstanz als<br />
einzige Kohlenstoff-Quelle dient, auch die Zunahmen der Mikroorganismen als Indikator<br />
fungieren. (Bahadir et al. 2000, S.194)<br />
Beteiligte Mikroorganismen <strong>und</strong> Enzyme<br />
Die metabolischen Abbauwege können von einer Organismengruppe zur anderen sehr<br />
verschieden sein. Dabei spielt unter anderem der Unterschied zwischen aeroben <strong>und</strong><br />
anaeroben Verhältnissen eine Rolle. (Reineke 2001, S.1)<br />
Die funktionell selbstständige ökologische Gruppe der abbauenden Mikroorganismen<br />
(Saprophyten oder Mikrokonsumenten) setzen sich aus folgenden vier taxonomischen<br />
Untereinheiten zusammen: Pilze einschließlich Hefen <strong>und</strong> Schimmelpilzen; heterotrophe<br />
Bakterien, Sporenbildner <strong>und</strong> Nicht-Sporenbildner; Actinomyceten, fädige Bakterien; <strong>und</strong><br />
Bodenprotozoen, einschließlich Amöben, Ciliaten <strong>und</strong> farblosen Flagellaten. (Odum 1983,<br />
S.597)<br />
Mikroorganismen können die polymeren Ausgangssubstanzen nicht aufnehmen. Sie scheiden<br />
deshalb Exoenzyme (Proteolyten, Amylolyten, Hemicellulolyten, Pektinolyten, Cellulolyten,<br />
Chitinolyten, Ligninolyten) aus, die eine hydrolytische Spaltung bewirken. (Gisi 1990, S.163)<br />
93
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Praktisch alle Mikroorganismen besitzen proteolytische Fähigkeiten. Ebenso weit verbreitet,<br />
aber wegen der geringeren Ausgangsmengen an Stärke, sind amylolytische Mikroorganismen<br />
in geringeren Zahlen zu finden. Besonders starke Protein- <strong>und</strong> Stärkeabbauer sind die<br />
Bakteriengattungen Bacillus, Pseudomonas, Streptomyces <strong>und</strong> Pilzgattungen wie Penicillum<br />
<strong>und</strong> Aspergilus. Eine große Zahl von Pilzen (z.B. Botrytis, Fusarium, Verticillium), aber auch<br />
Bakterien, wie Erwinia oder Bacillus, sind auch wichtige Hemicellulose- <strong>und</strong> Pektinabbauer.<br />
(Gisi 1990, S.164)<br />
In Anbetracht der großen Mengen an Cellulose kommt den cellulolytischen Organismen<br />
große Bedeutung zu. Unter anaeroben Bedingungen bauen vor allem Bakterien, wie<br />
Clostridium, Cellulose zu organischen Säuren <strong>und</strong> Alkohol ab. Weitaus wichtiger ist der<br />
aerobe Celluloseabbau durch einige wenige Bakterien (Cellulomonas, Cytophaga) <strong>und</strong> eine<br />
große Vielfalt von Pilzen im Boden (Chaetomium, Peziza, Nectaria, Curvularia, Phoma,<br />
Trichoderma, Myrothecium, Aspergillus, Fusarium, Rhizoctonia) <strong>und</strong> sog. Braunfäulepilze<br />
(meist Basidiomyceten, wie Lentinus, Laetiporus, Pitoporus, Merulius) außerhalb des<br />
Bodens. Bei der Braunfäule bleibt das Lignin unabgebaut über. (Gisi 1990, S.164)<br />
Chitinolytische Mikroorganismen findet man unter aeroben Bedingungen vor allem bei den<br />
Streptomyceten <strong>und</strong> Zygomyceten (z.B. Mortierella), in schlecht durchlüfteten Böden bei<br />
Bakterien, wie Achromobacter, Flavobacterium <strong>und</strong> Bacillus. (Gisi 1990, S.164)<br />
Der Abbau von Lignin läuft durch eine Vielzahl von zum Teil unbekannten ligninolytischen<br />
Enzymen relativ kompliziert ab. Der Ligninabbau wird nur von Spezialisten durchgeführt,<br />
selten von Bakterien, vor allem aber von bodenbewohnenden Pilzen, wie Arthrobotrys,<br />
Aureobasidium, Chrysosporium, Clavaria, Humicola, Philaphora, Stachybotrys,<br />
Stemphylium, Tricholoma <strong>und</strong> den sog. Weißfäulepilzen, die außerhalb des Bodens die<br />
Ligninanteile des Holzes abbauen. Bei der Weissfäule bleibt fast reine Cellulose über. Es<br />
handelt sich zumeist um Basidiomyceten (Polystictus, Stereum, Fomes, Trametes), die<br />
teilweise auch Cellulose abbauen können (Pleurotus, Armillaria, Polyporus). (Gisi 1990,<br />
S.165)<br />
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Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Aufgr<strong>und</strong> der Mischung der verschiedenen Ausgangssubstanzen ist immer eine Vielzahl an<br />
Organismen beim Abbau der Biomasse beteiligt. Durchschnittlich besteht z.B. Streu aus 40%<br />
Cellulose, 20% Lignin, 15% Hemicellulose <strong>und</strong> Pektin, 15% Protein <strong>und</strong> Stärke, 2% Lipiden<br />
sowie kleineren Mengen an Chitin <strong>und</strong> mineralischen Stoffen (Gisi 1990, S.169).<br />
Insgesamt sind für das Verschwinden der organischen Ausgangssubstanz abiotische Faktoren<br />
(Licht, chemische Prozesse) zu etwa 50%, mikrobieller Abbau zu etwa 40% <strong>und</strong> durch<br />
Bodentiere bedingte Prozesse zu etwa 10% verantwortlich (Gisi 1990, S.172).<br />
10.3.2 Organische Materialien<br />
Für die Bodenbildung spielen mikrobielle Abbauprozesse eine entscheidende Rolle. Für<br />
diesen Bereich werden häufig Stabilitätsreihen für die Abbauresistenz relevanter Stoffe<br />
angegeben. Die Stabilitätsreihe der für den Boden wichtigsten organischen Verbindungen<br />
lautet:<br />
Zucker, Stärke, Proteine < Proteide < Pektine, Hemicellulose < Cellulose < Lignin, Wachse,<br />
Harze, Gerbstoffe<br />
(Blum 1992, S.43)<br />
Für die Kompostierung werden ähnliche qualitative Angaben gemacht. In Tabelle 18 ist die<br />
Abbaubarkeit einiger für den aeroben Abbau wichtiger Stoffe angeführt:<br />
Stoff<br />
Zucker, Stärke<br />
Hemicellulose<br />
cellulose<br />
Lignin<br />
Fette (nach Erhitzen)<br />
Mucine<br />
Keratine<br />
Abbaubarkeit<br />
sehr gut<br />
sehr gut<br />
gut<br />
schwer<br />
gut<br />
sehr gut<br />
sehr schwer<br />
Tabelle 18: Abbaubarkeit verschiedener Naturstoffe (Bilitewski et al. 2000, S.296)<br />
Es kann davon ausgegangen werden, dass die Schwere der Abbaubarkeit mit der Zeitspanne<br />
für den Abbau in Korrelation steht, d.h. dass schwer abbaubare Stoffe auch lange<br />
Abbauzeiten aufweisen.<br />
95
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Auch der erreichbare Abbaugrad von Abfallsubstraten am Kompost kann als Maß für die<br />
Abbaurate verstanden werden. In Tabelle 19 sind die erreichbaren Abbaugrade verschiedener<br />
organischer Substanzen angeführt. Die Angaben sind nur als Anhalt zu verstehen, da die<br />
Anzahl der Untersuchungen sehr gering ist <strong>und</strong> zudem die Milieubedingungen <strong>und</strong> die<br />
Kompostierungsdauer nicht einheitlich sind. (Krogmann 1994, S.137)<br />
Material<br />
Erreichbarer<br />
Abbaugrad [%]<br />
Cellulose − chemisch aufbereitet 90<br />
Cellulose − mechanisch aufbereitet 50<br />
Hemicellulose 70<br />
Zucker 70<br />
Lignin 0<br />
Fette 40 - 50<br />
Wachse 70<br />
Proteine 50<br />
Tabelle 19: Erreichbarer Abbaugrad <strong>biogener</strong> Produkte (Bidlingmaier 2000, S.48 / Krogmann 1994, S.137)<br />
Dabei ist anzunehmen, dass organische Stoffe am Kompost schneller abgebaut werden als in<br />
der natürlichen Umgebung. Das kommt alleine schon daher, dass der Umsatz durch den<br />
Menschen gesteuert möglichst rasch vonstatten gehen soll. Vor allem das Nährstoffverhältnis<br />
(u.a. das C/N - Verhältnis) wird dabei reguliert. Doch auch pH-Wert, Wassergehalt,<br />
Luftporenvolumen, Sauerstoffbedarf, Belüftung, Temperatur, Stoffwechsel der<br />
Mikroorganismen <strong>und</strong> die aktive Oberfläche sind wesentliche <strong>und</strong> teils gesteuerte<br />
Einflussgrößen für die Abbaugeschwindigkeit. (Bilitewski et al. 2000, S.295ff)<br />
Ein Vergleich verschiedener niedrig- bis hochmolekularer <strong>biogener</strong> Stoffe zeigt, dass<br />
niedermolekulare Stoffe am Kompost rascher abgebaut werden. Die Reihenfolge von<br />
abbaubaren Materialien lautet dabei:<br />
Zucker, Eiweiß, org. Säuren < Chitin < Fette, Öle, Phenole < Cellulose < Keratin, Lignin,<br />
Ligno-Protein<br />
(Grabbe 1988 in: Krogmann 1994, S.124)<br />
Die Disulfidbrücken im vernetzten Keratin halten Säuren mit einem pH-Wert von bis zu 2<br />
96
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
ohne weiteres aus. Deshalb hält Keratin auch einem mikrobiellen Befall recht gut stand,<br />
wenngleich einige Pilze <strong>und</strong> die meisten Actinomyceten diese Bindungen aufspalten können.<br />
(Nicholson 1996, S.528)<br />
In Gartenerde vergrabene menschliche Haare zeigen nach 6 Monaten einen derartig starken<br />
Verrottungsgrad, dass sie nicht mehr nachgewiesen werden können. Sie weisen bereits nach<br />
einem Monat tunnelförmige Aushöhlungen, die durch Pilze verursacht wurden, auf. (Rowe<br />
1997, S.340)<br />
Während des Abbaus von Aromaten (Lignin) gewinnen Pilze wenig, wenn überhaupt,<br />
Energie für ihr Wachstum <strong>und</strong> inkorporieren kaum Kohlenstoff. Daher werden Aromate nur<br />
bei Vorhandensein zusätzlichen Substrates abgebaut. (Paul / Clark 1996, S.165)<br />
Allgemein ist festzustellen, dass unverzweigte Alkyl-Gruppen weniger persistent sind als<br />
verzweigte, Alkene weniger als Alkane. Alkane wiederum sind weniger persistent als<br />
Aromate, mit der Zahl der Substituenten an Aromaten steigt die Persistenz. (Korte 1987,<br />
S.53)<br />
Für den versuchsmäßigen In-situ-Abbau von organischen Materialien im Waldboden der<br />
gemäßigten Breiten werden hier folgende grobe Schätzwerte aus Tests der biologischen<br />
Abbaubarkeit herangezogen: Seide 15 d, Keratin 20 d, Chitin 30 d, Cellulose 40 d <strong>und</strong><br />
Holz 200 d (Insam, H.; Universität Innsbruck; persönliche Mitteilung; 29.10.2001). Diese<br />
Reihenfolge stimmt auch gut mit den oben angeführten Angaben überein. Lediglich bei<br />
Keratin sind größere Unterschiede festzustellen.<br />
Andere Versuche haben ergeben, dass Proteinabkömmlinge <strong>und</strong> lösliche Zucker, aber auch<br />
Pektin <strong>und</strong> Hemicellulose, nach einem Jahr meist vollständig verschw<strong>und</strong>en sind. Von<br />
Cellulose bleiben nach einem Jahr noch 25 bis 35% <strong>und</strong> von Lignin 50 bis 85% der<br />
Ausgangsmenge übrig (Gisi 1990, S.169). Mit diesen Prozentangaben für Cellulose <strong>und</strong><br />
Lignin lassen sich einzelne Turnoverzeiten berechnen. Durch Einsetzen in Gleichung (15)<br />
ergeben sich die k-Werte, wobei t = 1 a; N 0 = 1 <strong>und</strong> N t gleich dem jeweiligen Prozentsatz ist.<br />
Umformung ergibt folgende Gleichung:<br />
k = 1 t<br />
ln N t<br />
N 0<br />
(26)<br />
97
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Die erhaltenen k-Werte (hier negativ, da es sich um Abbauprozesse <strong>und</strong> somit<br />
Massenabnahme handelt) können dann laut Gleichung (21) mittels einfacher Kehrwertbildung<br />
in die Turnoverzeit umgerechnet werden. Dies ergibt für Cellulose:<br />
t t = 263 ... 347 d<br />
Die Turnoverzeit für Holz, bei dem der Ligninanteil am längsten für den Abbau benötigt <strong>und</strong><br />
daher ausschlaggebend ist, beträgt:<br />
t t = 526 ... 2246 d<br />
Vergleicht man diese Zeiten mit denen von Insam, so sind sie bei Cellulose um 6,6- bis<br />
8,7-mal <strong>und</strong> bei Holz um 2,6- bis 11,2-mal höher. Daraus ist schon ersichtlich, dass die<br />
Schwankungsbreite − je nach Versuch − erheblich sein kann. Da es sich bei den Werten von<br />
Insam um Tests für die biologische Abbaubarkeit handelt <strong>und</strong> bei denen von Gisi um<br />
Freilandversuche, sind zweitere eher für diese Arbeit relevant. Es wird angenommen, dass die<br />
Reihung, die aus den Tests der biologischen Abbaubarkeit resultiert, auf die<br />
Freilandverhältnisse übertragen werden kann. Daher werden die Daten aus den<br />
Abbaubarkeitstests mit einem aus obigem Vergleich gewonnenen Durchschnittswert von 7,3<br />
multipliziert. Das ergibt die weiter zu verwendende Reihung der Abbauzeiten der organischen<br />
Bio<strong>materialien</strong> in Tabelle 20.<br />
Material Abbau-Turnoverzeit [d]<br />
Seide 110<br />
Keratin 146<br />
Chitin 220<br />
Cellulose 292<br />
Holz 1460<br />
Tabelle 20: Abbauzeiten von organischen Bio<strong>materialien</strong><br />
10.3.3 Knochen<br />
Die Abbauzeit von Knochen hängt vor allem auch davon ab, wie lange es dauert, bis ein<br />
Kadaver skelettiert ist. Knochen liegen unter einer schützenden Schicht von Haut <strong>und</strong> anderen<br />
98
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Geweben, <strong>und</strong> solange diese nicht durch Fraß oder Verrottung verschw<strong>und</strong>en sind, bleiben<br />
die darunter liegenden Knochen geschützt. Bei großer Trockenheit nach dem Tod können die<br />
Kadaver auch mumifizieren (Weigelt 1999, S.12).<br />
Knochen werden nicht immer an dem Ort abgebaut, an dem ein Tier umkommt. Carnivore<br />
tragen häufig dazu bei, dass es zu allochthonen Akkumulationen von Knochenüberresten<br />
kommt, da sie diese an einen bevorzugten Ort schaffen. (Lyman 1994, S.366)<br />
Versuche mit einem Schwein haben gezeigt, dass die Verwitterung stark vom Fettgehalt <strong>und</strong><br />
der Bestrahlung durch die Sonne abhängt. Im Schatten kann das Fett lange zum Schutz gegen<br />
den Abbau dienen <strong>und</strong> noch nach Jahren konservierend wirken. (Brain 1981, S.115ff, in:<br />
Lyman 1994, S.366)<br />
Der Aufbau von Hydroxiapatiten im Verb<strong>und</strong> mit organischem Material kann den Abbau<br />
auch verzögern. Die mineralische Ummantelung verhindert den Abbau der organischen<br />
Masse, <strong>und</strong> das Kollagen bildet eine Hülle, die den mineralischen Anteil vor chemischer<br />
Lösung schützt. (Lucas / Prévôt 1991, S.393)<br />
Normalerweise werden Knochen nicht sehr lange erhalten <strong>und</strong> sind nach wenigen Jahren<br />
verschw<strong>und</strong>en, darum sind auch in Wäldern kaum Skelettreste zu finden. Als<br />
Einflussfaktoren für die Verwitterung von Knochen sind u.a. auch Verdrängungsprozesse der<br />
Phosphorsäure durch die Kohlen- <strong>und</strong> Salpetersäure des Bodens zu nennen. Viele Knochen<br />
werden aber auch abgenagt <strong>und</strong> abgefressen. So finden sich an Knochen im Wald oft Spuren<br />
von Nagetierzähnen. Sogar Rinder kauen häufig an den Knochen von Artgenossen, die im<br />
Winter eingegangen sind. (Weigelt 1999, S.24)<br />
Die große innere Oberfläche (aufgr<strong>und</strong> kleiner Kristallgröße) <strong>und</strong> die schlecht entwickelten<br />
Kristallformen bei biogenen Hydroxiapatiten resultieren in einer 10 4 -mal größeren<br />
Löslichkeit als bei stöchiometrisch reinem Hydroxiapatit (Nriagu 1983 <strong>und</strong> Posner et al.<br />
1984, in: Lucas / Prévôt 1991, S.393).<br />
Der Ablauf der Verwitterung lässt sich in einzelne Stadien einteilen. Je nach Autor gibt es<br />
verschiedene Kriterien der Unterteilung (Lyman 1994, S.354). Die Stadien werden aber nicht<br />
immer in gleichen Zeitabschnitten durchlaufen <strong>und</strong> können je nach Fall unterschiedliche<br />
Zeitperioden umfassen (Gifford 1977, S.291, in: Lyman 1994, S.360). Es gibt auch<br />
Unterschiede hinsichtlich der Größe der betrachteten Tiere. Knochen kleiner Organismen<br />
99
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
erreichen nach 4 <strong>und</strong> mehr Jahren die letzte Phase ihres Abbaues, bei der die Knochen tiefe<br />
Spalten oder plattiges Abspringen von Segmenten aufweisen (Andrews 1990, in: Lumen<br />
1994, S.354ff).<br />
Bei großen Tieren, die über 5 kg wiegen, wird das letzte Stadium der Verwitterung (exklusive<br />
dem Abnagen durch Carnivore <strong>und</strong> andere (Ubelaker 1997, S.78)) nach 6 bis 15 Jahren<br />
erreicht. Dabei fallen die stark zersplitterten Knochen auseinander. Dies wurde an<br />
verschiedenen Standorten des Amboseli Basin im Süden Kenias untersucht. Es konnte auch<br />
festgestellt werden, dass kleine, aber kompakte Knochen langsamer verwittern als poröse. Am<br />
Boden liegende Knochen zeigen auf der Oberseite einen deutlich höheren Grad der<br />
Verwitterung als auf der Unterseite. Die Zersetzungsprozesse direkt über der<br />
Bodenoberfläche scheinen also am raschesten vonstatten zu gehen. So zeigen auch vergrabene<br />
Knochen noch kaum Merkmale der Verwitterung, wenn Vergleichsexemplare am Boden<br />
liegend bereits fortgeschritten erodiert sind. Die Verwitterung scheint auch an feuchten <strong>und</strong><br />
sumpfigen Standorten langsamer voranzuschreiten. Unter Umständen kann die Verwitterung<br />
durch das Bilden von Salzkristallen in Poren zum Sprengen der Struktur führen. Bakterien,<br />
Wurzeln <strong>und</strong> andere Organismen können dann besser eindringen. (Behrensmeyer 1978,<br />
S.150ff)<br />
Pilze können bei fortgeschrittenem Zerfall die Knochenmatrix durchziehen <strong>und</strong> damit zur<br />
Vergrößerung der inneren Oberfläche beitragen. Durch die sauren Exkretionen werden<br />
tunnelartige Aushöhlungen in die Knochen gebohrt. (Nicholson 1996, S.524)<br />
Die Verwitterungsrate bei Knochen hängt auch mit dem Grad der Mineralisierung <strong>und</strong> mit<br />
dem Alter des Organismus zusammen. Daher verwittern Knochen von Nicht-Adulten<br />
schneller als die von ausgewachsenen Lebewesen. (Nicholson 1996, S.513)<br />
100
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Bei den im Süden Kenias durchgeführten Untersuchungen spielte der Einfluss von Frost<br />
keine Rolle. Gerichtsmedizinische Untersuchungen an Leichenf<strong>und</strong>en in den kalt gemäßigten<br />
Breiten lassen jedoch auf eine raschere Verwitterung schließen. Demnach spielt wohl auch<br />
der Wechsel zwischen Frieren <strong>und</strong> Wieder-Auftauen eine wesentliche Rolle. Bei der<br />
Verrottung der organischen Gewebe ist die Temperatur sogar der ausschlaggebende Faktor,<br />
was auch das Verwittern der Skelette beschleunigt. Eine Abschätzung der von Komar<br />
angeführten Fälle lässt auf eine durchschnittliche Verwitterungsdauer der Skelette von 1 bis<br />
5 Jahren schließen. Bei den angeführten F<strong>und</strong>en handelt es sich um Leichen, die auch von<br />
Carnivoren bearbeitet <strong>und</strong> teilweise zerlegt <strong>und</strong> verstreut wurden. (Komar 1998, S.57ff)<br />
Archäologische F<strong>und</strong>e zeigen, dass Knochen von Vögeln oft wesentlich besser erhalten sind<br />
als die von Säugetieren. Dies kann durch die unterschiedliche Struktur erklärt werden.<br />
(Nicholson 1996, S.526)<br />
Auf Gr<strong>und</strong> der oben erhobenen Daten wird in der Folge von einem Abbauzeitraum für<br />
Knochen von 5 Jahren oder 1826 Tagen ausgegangen.<br />
10.3.4 Dentin<br />
Aufgr<strong>und</strong> der dichteren Kompartimentierung von Dentin, im Vergleich zum Knochen, scheint<br />
auch eine längere Abbauperiode vorzuliegen. Genaue Daten dazu konnten trotz umfassender<br />
Literaturrecherche nicht gef<strong>und</strong>en werden. Es ist jedoch so, dass bei der Verwitterung von<br />
Zähnen oft ein Aushöhlen von innen stattfindet, d.h. das Dentin verwittert schneller als der<br />
Zahnschmelz. Für Dentin wird eine Abbauzeit von 10 Jahren oder 3653 Tagen angenommen.<br />
10.3.5 Zahnschmelz<br />
Zähne von kleinen Organismen zeigen nach 4 <strong>und</strong> mehr Jahren eine extensive Splitterung.<br />
Die unterschiedlichen Wärmedehnungskoeffizienten von Dentin <strong>und</strong> Zahnschmelz können<br />
eine Ursache dafür sein. Die Aufsplitterung erfolgt zwischen den Kollagen-Fasern <strong>und</strong><br />
anderen Strukturen im Zahn. (Andrews 1990, S.10ff, in: Lyman 1994, S.354ff)<br />
Zähne von Tieren mit mehr als 5 kg Körpergewicht verwittern weniger rasch. Dennoch<br />
konnten die Abbauraten, die im Amboseli Basin eruiert wurden, nicht mit denen der Knochen<br />
101
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
in Korrelation gebracht werden. Kieferknochen, die sich schon im fortgeschrittenen Stadium<br />
der Verwitterung befinden, können völlig unbeschadete Zähne tragen. Es wurden aber auch<br />
Kiefer gef<strong>und</strong>en, die noch im ersten Stadium des Abbaues waren, in denen sich aber stark<br />
frakturierte Zähne befanden. Die Verwitterungsrate hängt mit verschiedenen Faktoren der<br />
Zahnausbildung zusammen, von denen wahrscheinlich der Grad der premortalen Abnutzung<br />
oder Beschädigung am entscheidendsten ist. (Behrensmeyer 1978, S.153)<br />
Zahnschmelz ist aufgr<strong>und</strong> des Fehlens signifikanter Mengen an Kollagen <strong>und</strong> der größeren<br />
Dichte gegenüber Knochen <strong>und</strong> Dentin schwerer abbaubar. So bleibt beispielsweise bei Haien<br />
die obere Zahnschmelzschicht lange erhalten, während die knöcherne Basis rasch<br />
verschwindet. (Lucas / Prévôt 1991, S.395)<br />
Obwohl die Verwitterung von Zähnen sehr unterschiedlich lange dauern kann, wird<br />
angenommen, dass Zähne von größeren Tieren, wenn sie nicht schon zu Lebzeiten beschädigt<br />
waren, nach einem Zeitraum von 50 Jahren oder 18263 Tagen vollständig verwittert sind.<br />
10.3.6 Mineralisches Geweih<br />
Totes Wild muss vom Jäger beseitigt werden. Daher können nur Kadaver, die über längere<br />
Zeitspannen zufällig unentdeckt bleiben, für die Erhebung von Daten dienen. Systematische<br />
Untersuchungen zur Verwitterung von Geweihen wurden bislang nicht vorgenommen.<br />
Die Abwurfstangen von Cerviden werden aber in gemäßigten Breiten binnen 1 bis 2 Jahren<br />
durch Mäuse <strong>und</strong> Kleinlebewesen abgebaut (Redl, J.; HBLA Gainfarn; persönliche<br />
Mitteilung; 5.12.2001). Dies scheint aufgr<strong>und</strong> der größeren Porosität im Vergleich zu<br />
Knochen plausibel. In der Folge wird daher mit einer Abbauzeit von 2 Jahren oder 731 Tagen<br />
gerechnet.<br />
10.3.7 Silikatschalen<br />
Der Si-Gehalt des Meerwassers beträgt etwa 2 mg/l <strong>und</strong> liegt damit nur bei 1/10 der<br />
Konzentration, die im Flusswasser vorgef<strong>und</strong>en werden kann. Die dem Meer zugeführten<br />
Si-Mengen werden also sehr rasch aus der Lösung herausgenommen. Teils werden sie beim<br />
Absatz der kolloidalen Hydroxide von Fe, Al usw. gef<strong>und</strong>en, teils von Kieselorganismen, wie<br />
Radiolarien, Kieselschwämmen, Diatomeen, zum Aufbau ihrer Skelette verbraucht. Vor<br />
102
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
allem Auftriebswasser begünstigt eine Massenentwicklung des Planktons. Nach dem<br />
Absterben lösen sich die zarten Gerüste großteils wieder auf, so dass in die Ablagerungen<br />
letzten Endes ungeformte Kieselsäure eingeht. (Zeil 1990, S.69)<br />
Nur selten weiß man Genaueres über die Variabilität der einzelnen Schalenparameter, <strong>und</strong><br />
erst bei einigen wenigen Arten hat man zeigen können, dass Temperatur, pH-Wert, Salinität<br />
sowie Phosphat- <strong>und</strong> Silikatgehalt des Mediums die Form der Schalen merklich beeinflussen.<br />
<br />
Es wird davon ausgegangen, dass Silikatschalen von Diatomeen organisches Material wie<br />
Proteine enthalten, um ein Auflösen zu verhindern (Hecky 1973 in: Lowenstam / Weiner<br />
1989, S.60). Man kann annehmen, dass nach dem Absterben einer Zelle das organische<br />
Material in der Schale nicht mehr erneuert wird <strong>und</strong> dass das Skelett damit leichter im<br />
umgebenden Wasser aufgelöst werden kann. So kommt es auch zur Auflösung des Großteils<br />
der im Schelf abgelagerten Silikatskelette (Diatomeen, Kieselschwämme, u.a.). (Lowenstam /<br />
Weiner 1989, S.244) Dennoch kommt es auch zur Ablagerung von Kieselalgen. Sie können<br />
fossil erhalten werden <strong>und</strong> als Diatomeenerde (Kieselgur), einem leichten <strong>und</strong> porösen<br />
Material, industriell genutzt werden. (Lehmann 1985)<br />
Untersuchungen im Labor haben gezeigt, dass sich Schalen von abgestorbenen Diatomeen<br />
relativ rasch auflösen. Dabei ist ein klarer Unterschied zwischen salzhaltigem Wasser <strong>und</strong><br />
Süsswaßer festzustellen. Im Salzwasser werden die Schalen aufgr<strong>und</strong> des vorhandenen NaCl<br />
schneller aufgelöst. Unter Laborbedingungen erreichte das Salzwasser nach 10 Tagen die<br />
Sättigungsgrenze für SiO 2 . Das Experiment war so angelegt, dass wenig mehr SiO 2 in Form<br />
von Diatomeenschalen eingesetzt wurde als zur Sättigung nötig war. Der Lösungsprozess<br />
fand daher bereits vor der vollständigen Auflösung der Schalen sein Ende. (Lewin 1961,<br />
S.182ff)<br />
Im Meer wird diese Sättigung nicht erreicht. Es kann also aufgr<strong>und</strong> der experimentellen<br />
Anordnung <strong>und</strong> der Verhältnisse in situ angenommen werden, dass auch im Meer das<br />
Auflösen nicht länger als 10 Tage dauert. Man kann sogar davon ausgehen, dass der Prozess<br />
noch rascher vonstatten geht, denn im Experiment hängt die Auflösungsgeschwindigkeit vom<br />
Sättigungsgrad der Lösung ab, d.h. am Beginn ist die Geschwindigkeit, mit der die Auflösung<br />
stattfindet, größer als am Ende, wo die Lösung schon stark gesättigt ist.<br />
103
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Das Auflösen dauert in Süßwasser um einen Faktor 3 bis 4 länger, <strong>und</strong> dementsprechend tritt<br />
die Sättigung im Experiment erst nach 30 bis 40 Tagen ein. Bei dieser Untersuchung wurde<br />
auch dem Einfluss von anderen Parametern, wie pH-Wert, Temperatur <strong>und</strong> dem<br />
vorhandenem organischen Material, nachgegangen. Im neutralen bis hohen pH-Wert-Bereich<br />
lösten sich die Schalen ebenso wie bei höheren Temperaturen rascher auf. Die Auflöserate<br />
hängt wohl auch von der Größe der Schale <strong>und</strong> vom jeweiligen Oberflächen /<br />
Volumen-Verhältnis ab. Die hier untersuchte Art war Navicula pelliculosa. Sie weist eine<br />
Wandstärke von 200 bis 600 Å auf, während andere Arten bis zu 25000 Å dicke Wände<br />
haben können. (Lewin 1961, S184ff)<br />
Diese Angaben werden auch dadurch bestätigt, dass im offenen Meer fragile Silikatschalen<br />
toter Organismen beim Absinken in der Wassersäule vollständig aufgelöst werden<br />
(Lowenstam / Weiner 1989, S.244).<br />
In der weiteren Folge werden die Untersuchungsergebnisse des Laborversuches mit<br />
Salzwasser herangezogen, somit wird mit einer Abbauzeit von 10 Tagen bei Silikatschalen<br />
gerechnet.<br />
10.3.8 Mollusken / Kalziumhaltige Schalen<br />
Mechanischer Abrieb <strong>und</strong> Bioerosion sind die zwei wesentlichen Einflussgrößen beim Abbau<br />
von kalkhaltigem Substrat im Meer. Beide sind im Bereich der Küstenlinie am intensivsten.<br />
Die Bioerosion ist zwischen der mittleren Niedrigwasserhöhe <strong>und</strong> der mittleren<br />
Hochwasserhöhe am größten (Glynn 1997, S.83). Eine rein chemische Auflösung findet auf<br />
Gr<strong>und</strong> der Sättigungsverhältnisse nicht statt. Ozeanische Tiefenwasser <strong>und</strong> die subpolaren<br />
Meere sind an Kalk gesättigt, die 200 bis 400 m mächtige Oberflächenschicht der gemäßigten<br />
<strong>und</strong> tropischen Zonen sind sogar beträchtlich, öfters 2 fach, übersättigt (Zeil 1990, S.68).<br />
Unterhalb der Karbonatkompensationstiefe (CCD) ist Karbonat nicht erhaltungsfähig <strong>und</strong> nur<br />
mehr in Lösung vorhanden. Sie liegt unter 3500 m Meerestiefe (Zeil 1990, S.68).<br />
Die Effekte durch Biokorrosion (innere Gesteinszerstörung durch bohrende Organismen) <strong>und</strong><br />
Bioabrasion (Gesteinsabbau durch an der Oberfläche grasende Organismen) können im<br />
Supra-, Eu- <strong>und</strong> seichten Sublitoral von Kalkküsten die Auswirkungen der hydrodynamischen<br />
104
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Kräfte übertreffen (Ott 1996, S.98).<br />
Es wurde festgestellt, dass sich kalzitische Coccolithe langsamer auflösen als foraminiferische<br />
Kalziummineralien, obwohl die Oberfläche der Erstgenannten wesentlich größer ist (Hojo /<br />
Erez 1978, S.287 in: Lowenstam / Weiner 1989, S.19).<br />
Durch abgelagerte Schalen, Skelette <strong>und</strong> verkalkte Thalli von Algen werden biogene oder<br />
sek<strong>und</strong>äre Hartböden (Bioherme) gebildet (Ott 1996, S.135). Dabei findet ein Inkrustieren<br />
durch Ausfällung aus der übersättigten Lösung statt, woraufhin das Sediment von<br />
Bohrorganismen erodiert wird (Kidwell / Bosence 1991, S.179). Zum Inkrustieren von Riffen<br />
tragen auch Organismen wie Rotalgen <strong>und</strong> Hydrozoen (sek<strong>und</strong>äre Riffbildner) bei (Zeil 1990,<br />
S.91). Die wichtigsten Organismengruppen, die zur Bildung sek<strong>und</strong>ärer Hartböden beitragen,<br />
sind Kalkalgen, Steinkorallen, Polychaeten, Muscheln <strong>und</strong> Bryozoen (Ott 1996, S.209).<br />
Nur wenige Untersuchungen beschäftigen sich mit der Bioerosion an Muscheln. Doch auch<br />
sie können stark erodiert werden. Der Bohrschwamm Cliona aprica bringt es auf Abbauraten<br />
von 6730 kg/m 2 in 350 Tagen (Rützler 1975, S.208).<br />
Es sei hier angenommen, dass der Abbau von Molluskenschalen langsamer vonstatten geht<br />
als der weiter unten angeführte Abbau von Korallen. Der Annahme liegt die Überlegung zu<br />
Gr<strong>und</strong>e, dass die Schalen abgestorbener Mollusken vorerst keine festen Aggregate darstellen.<br />
Daher können Organismen, auch ohne das Material zu erodieren, in Ablagerungen graben.<br />
Bei Korallen ist dies nicht möglich. Erst wenn die Bildung von sek<strong>und</strong>ären Hartböden<br />
einsetzt, müssen Aushöhlungen wieder erodiert werden. Dabei sind die Mikroerodierer, die<br />
aber auch bei massigen Kalkablagerungen kaum eine Rolle spielen, nicht berücksichtigt.<br />
Andererseits zeigen fossile Vorkommen, dass Schalen von Mollusken oft in großen Mengen<br />
auftreten (z.B. Muschelkalk).<br />
Auf Gr<strong>und</strong> dieser Überlegungen sei hier ein Turnover beim Abbau von Molluskenschalen<br />
von 30 Jahren oder 10958 Tagen angenommen.<br />
10.3.9 Korallen<br />
Karbonate werden in großen Mengen von tropischen riffbildenden Ökosystemen geb<strong>und</strong>en.<br />
105
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Im Gegensatz zu Skeletten von Plankton im offenen Meer werden Riffe kaum wieder gelöst<br />
<strong>und</strong> bilden somit eine große Senke für Karbonate. Planktonskelette werden aber rasch wieder<br />
zersetzt <strong>und</strong> von anderen Organismen weiterverwertet. (Lowenstam / Weiner 1989, S.19)<br />
Dennoch spielen bei vielen Korallen Prozesse der Bioerosion eine wichtige Rolle im Abbau.<br />
Die Bohrmuschel Lithophaga lithophaga beispielsweise hat ihre größte Populationsdichte an<br />
steilen, felsigen Küsten, wo bis zu 1500 Individuen/m 2 in 1 bis 2 m Tiefe vorgef<strong>und</strong>en<br />
werden können . Daneben spielen auch<br />
physikalisch-mechanische Prozesse eine Rolle, vor allem im Bereich der Küste. Wie bereits<br />
erwähnt sind rein chemische Lösungsprozesse auf Gr<strong>und</strong> der Sättigung der Meere mit Kalk<br />
unbedeutend.<br />
Die Mächtigkeit von Korallenriffen von bis über 1300 m (Birkeland 1997, S.1) zeigt, dass die<br />
abgestorbenen Skelette oft lange erhalten bleiben können, wenngleich sie dann in Verbindung<br />
mit anderen Kalkablagerungen vorkommen.<br />
Die riffbildenden (hermatypischen) Korallen erzeugen nur das Gr<strong>und</strong>gerüst dieser<br />
unterseeischen Gebirgszüge, während die Hauptmasse des Kalkes in vielen Fällen von Algen,<br />
Foraminiferen, Hydrokorallen, Mollusken, sedentären Polychaeten <strong>und</strong> Bryozoen gebildet<br />
wird. Bis zu 90% der Kalksubstanz in Bohrkernen aus dem Riffuntergr<strong>und</strong> können daher von<br />
Nicht-Steinkorallen stammen. (Ott 1996, S.210)<br />
In dem dynamischen System eines Korallenriffs wird Kalk mit Raten von 400 bis 2000 t/ha·a<br />
produziert (Chave et al. 1972, in: Birkeland 1997, S.1). In etwa die gleiche Menge wird auch<br />
wieder abgebaut. Das Karbonat-Budget in vielen Korallenriffen scheint mehr oder weniger<br />
ausgeglichen zu sein, d.h. dass aufbauende <strong>und</strong> abbauende Prozesse einander die Waage<br />
halten, wobei die konstruktiven Prozesse ganz leicht überwiegen (Glynn 1997, S.69).<br />
Es liegen Schätzungen vor, wonach die Masse der Bioerodierer an jene der an der<br />
Riffoberfläche lebenden Organismen herankommt oder diese sogar übersteigt (Grassle 1973<br />
<strong>und</strong> Ginsburg 1983 in: Glynn 1997, S.69).<br />
106
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Bioerodierende Organismen bauen Riffe mechanisch <strong>und</strong>/oder durch chemisches Lösen ab.<br />
Die Bioerodierer, die in vier von fünf Organismen-Reichen ihre Vertreter finden, bilden eine<br />
sehr heterogene Gruppe. Dazu zählen Bakterien, Pilze, Algen, Schwämme, Polychaeten <strong>und</strong><br />
andere Würmer, Krustazeen, Mollusken, Echinoidea <strong>und</strong> Fische. (Glynn 1997, S.70ff)<br />
Zu den potentesten internen Bioerodierern zählen Schwämme mit Erosionsraten von bis zu<br />
23000 gCaCO 3 /(m 2·a), wobei die niedrigeren Raten bei 180 gCaCO 3 /(m 2·a) liegen.<br />
Cyanobakterien erreichen 350 gCaCO 3 /(m 2·a), Polychaeten zwischen 690 <strong>und</strong><br />
1800 gCaCO 3 /(m 2·a), Krustazeen 14 gCaCO 3 /(m 2·a) <strong>und</strong> Mollusken bis zu<br />
9000 gCaCO 3 /(m 2·a). (Glynn 1997, S.74)<br />
Bei den externen Grasern erreichen Echinodermaten mit 70 bis 22300 gCaCO 3 /(m 2·a) die<br />
größten Abbauraten. Doch auch Fische können zwischen 30 <strong>und</strong> 9000 gCaCO 3 /(m 2·a)<br />
abbauen. Daneben weisen Gastropoden mit 19 bis 154 gCaCO 3 /(m 2·a), Mollusken mit 227 bis<br />
394 gCaCO 3 /(m 2·a) <strong>und</strong> Crustaceen mit 9 bis 103 gCaCO 3 /(m 2·a) wesentlich geringere<br />
Abbauraten auf. (Glynn 1997, S.80ff)<br />
Erhöhte Seewassertemperaturen, ausgelöst durch das El Niño-Ereignis 1982-83, führten zu<br />
einer Mortalität von 50 bis 99% bei den Korallen. Dadurch wurde Lebensraum frei, der auch<br />
umgehend von Bioerodierern besiedelt wurde. Die Folge waren Gesamtraten der Bioerosion<br />
von 10 bis 20 kgCaCO 3 /(m 2·a) in Panama <strong>und</strong> von 20 bis 40 kgCaCO 3 /(m 2·a) bei den<br />
Galapagos Inseln. In beiden Fällen wird die für diese Gebiete geschätzte<br />
Netto-Karbonat-Produktionsrate von 10 kgCaCO 3 /(m 2·a) deutlich überstiegen. (Glynn 1997,<br />
S.91)<br />
Der Abbau findet zwar auch an lebenden Korallen statt, doch hauptsächlich werden hier die<br />
älteren bereits abgestorbenen Skelettteile erodiert. Die Erosion findet bei Korallenstöcken mit<br />
sowohl lebender wie auch abgestorbener Oberfläche in den obersten Zentimetern statt. Ist die<br />
Koralle abgestorben, so ist die Wahrscheinlichkeit der Bioerosion in den obersten 2 cm r<strong>und</strong><br />
doppelt so groß wie in den direkt darunter anschließenden Schichten. In jedem Fall ist die<br />
Erosion aber höher als bei noch lebenden Korallen. Hier erreicht die Wahrscheinlichkeit eines<br />
Abbaues 2 cm unter der Oberfläche ihr höchstes Ausmaß. Die Kurve (Distanz von der<br />
Oberfläche zur Wahrscheinlichkeit der Erosion) ist flacher als bei den abgestorbenen Tieren.<br />
(Glynn 1997, S.85ff)<br />
107
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Aus diesen Bef<strong>und</strong>en kann eine grobe Abschätzung der Abbau-Turnoverzeit vorgenommen<br />
werden. Dabei sei angenommen, dass bei einem lebenden Korallenstock gleich viel Material<br />
akkumuliert wie abgebaut wird, <strong>und</strong> weiters, dass der Abbau gleichmäßig nur in den obersten<br />
10 cm des Riffes stattfindet. Mit der auch schon weiter oben angenommenen Zuwachsrate<br />
von 1 cm/a lässt sich abschätzen, wie lange das Skelettmaterial nach dem Absterben noch<br />
erhalten bleibt. Daraus ergibt sich, dass in der 10 cm dicken unbelebten Schicht pro Jahr 1/10<br />
der Substanz erodiert wird <strong>und</strong> zwar solange, bis die Koralle so weit gewachsen ist, dass diese<br />
Schichten mehr als 10 cm unter der Oberfläche liegen. Es wird wie erwähnt davon<br />
ausgegangen, dass kein Abbau unterhalb von 10 cm unter der Oberfläche stattfindet. Mit<br />
diesen Annahmen kann die Turnoverzeit mittels Gleichung (15) abgeschätzt werden.<br />
k = 1 t<br />
ln N t<br />
N 0<br />
Dabei ist für t = 1 a die Masse N t = 9/10. Die Ausgangsmasse N 0 wird dabei gleich 1 gesetzt.<br />
Es ergibt sich also:<br />
k = 1 1<br />
ln<br />
9⁄10<br />
1<br />
=0,105 a 1<br />
Der k-Wert ist hier negativ, da es sich um einen Abbauprozess handelt. Aus dem Kehrwert<br />
des Betrages von k ergibt sich laut Gleichung (21) die Turnoverzeit für den Abbau von 9,5 a<br />
oder 3470 Tagen.<br />
10.3.10 Schwämme<br />
Zum Abbau von Schwämmen sind kaum Untersuchungen durchgeführt worden. Es kann<br />
jedoch auf Gr<strong>und</strong> der Sättigungsverhältnisse im Meer davon ausgegangen werden, dass<br />
Kieselschwämme (<strong>und</strong> Hornschwämme) wesentlich rascher abgebaut werden als<br />
Kalkschwämme.<br />
Für Kalkschwämme wird die gleiche Überlegung, die auch schon bei den Mollusken<br />
angestellt wurde, übernommen. Daher wird auch die Turnoverzeit des Abbaus wieder mit<br />
30 Jahren (10958 Tage) angenommen.<br />
108
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Die Löslichkeitsverhältnisse von Kieselsäure wurden bereits bei den Silikatschalen<br />
besprochen. Da auch zu den Kieselschwämmen konkrete Untersuchungen fehlen, wird<br />
geschätzt, dass der Abbau ähnlich rasch wie bei den Silikatschalen vor sich geht. Da das<br />
Oberflächen/Volumen-Verhältnis bei Schwämmen aber kleiner ist, wird angenommen, dass<br />
die Abbauzeit größer als 10 Tage ist. Geschätzt werden 100 Tage.<br />
10.3.11 Auflistung der Abbauzeiten<br />
Nachstehend wird die Zeit, die es braucht, um biogene Materialien abzubauen, sowohl<br />
tabellarisch als auch in Form eines Diagrammes zusammengefasst. Abbildung 8 zeigt, dass<br />
alle Abbauzeiten bis auf die von Silikatschalen über 100 Tagen liegen. Die größte Persistenz<br />
hat Zahnschmelz, was insoferne einsichtig ist, als er auch schon zu Lebzeiten starken<br />
Umwelteinflüssen standhalten muss. Auch die anderen mineralischen Bio<strong>materialien</strong> sind im<br />
Schnitt beständiger als organische Substanzen. Interessanterweise haben die auf Zucker<br />
basierenden Materialien Holz, Cellulose <strong>und</strong> Chitin eine längere Abbauzeit als die<br />
Protein<strong>materialien</strong> Seide <strong>und</strong> Keratin. Am widerstandsfähigsten unter ihnen ist das Holz.<br />
Material<br />
Abbauzeit [d]<br />
Knochen 1826<br />
Dentin 3653<br />
Zahnschmelz 18263<br />
Geweih 731<br />
Siliziumschalen 10<br />
Molluskenschalen 10958<br />
Korallenskelett (massiv) 3470<br />
Kalkschwamm 10958<br />
Holz 1460<br />
Cellulosematerial 292<br />
Keratin 146<br />
Seide 110<br />
Chitin 219<br />
Tabelle 21: Gesammelte Zahlen zum Abbau der Bio<strong>materialien</strong><br />
109
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Abbauzeit<br />
100000<br />
10000<br />
Abbauzeit [d]<br />
1000<br />
100<br />
10<br />
1<br />
Knochen<br />
Dentin<br />
Zahnschmelz<br />
Mineralisches Geweih<br />
Silikatschalen<br />
Molluskenschalen<br />
Korallenmaterial<br />
Schwämme<br />
Holz<br />
Cellulosematerial<br />
Keratin<strong>materialien</strong><br />
Seide<br />
Chitinmaterial<br />
Abbildung 8: Aufstellung der Abbauzeiten der Bio<strong>materialien</strong><br />
110
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
11 ERGEBNISSE<br />
In folgendem Teil der Arbeit geht es hauptsächlich um eine Auswertung der erhobenen<br />
Daten. Davor müssen jedoch noch einige Zusammenhänge beschrieben werden, die der<br />
gezielten Auswertung dienen. Dazu zählen die Einsatzbereiche <strong>und</strong> Materialfunktionen. Sie<br />
sind anschließend beschrieben.<br />
11.1 Materialfunktionen <strong>und</strong> -einsatzbereiche<br />
Diverse Organismen setzen unterschiedlichste Materialien in ihren Bauplänen ein. Obgleich<br />
sich die eingesetzten Materialien in nur wenige Gruppen einteilen lassen, werden sie fast nie<br />
in reiner Form verwendet. Bei den meisten mineralischen Substanzen in einem Organismus<br />
sind auch organische Verbindungen eingelagert. Umgekehrt ist das eher die Ausnahme, denn<br />
in organischen Materialien finden sich kaum Mineralien.<br />
Nach ihrer Verteilung bzw. Verfügbarkeit kann zwischen lokal <strong>und</strong> ubiquitär verfügbaren<br />
Ressourcen für biogene Materialien unterschieden werden. Ubiquitäre Ressourcen sind<br />
solche, die überall vorhanden sind. Dazu zählen im terrestrischen Bereich CO 2 , N 2 <strong>und</strong><br />
eingeschränkt auch Wasser, also hauptsächlich jene Ausgangs<strong>materialien</strong>, die bei der<br />
Photosynthese zu Zuckermolekülen aufgebaut werden. Im marinen Bereich stellen die<br />
gelösten Formen der Karbonate, Phosphate <strong>und</strong> Silikate, aber auch CO 2 <strong>und</strong> natürlich Wasser<br />
die ubiquitären Ressourcen für biogene Materialien dar. Davon zu unterscheiden sind die<br />
lokalen Ressourcen, wie beispielsweise Mineralsalze, die nur in bestimmten Böden<br />
vorkommen. Daraus ergeben sich verschiedene Bedingungen für Organismen, die etwa auf<br />
Kalk- oder Silikatböden leben. Die Flora auf diesen beiden Böden unterscheidet sich deutlich<br />
voneinander. Auch Schnecken mit ihrem großteils aus Kalk aufgebautem Gehäuse kommen<br />
auf Kalkböden häufiger vor (Vincent 1995, S.175).<br />
Kollagen ist das vorwiegend eingesetzte strukturelle Protein im Tierreich, es kommt<br />
vorwiegend in Fasern mit geringen Variationen bezüglich Struktur <strong>und</strong> Komponenten vor<br />
(Bergquist 1978, S.84).<br />
111
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
11.1.1 Form- od. Materialwechsel?<br />
Die Tatsache, dass die vielen Arten auf der Erde aus relativ wenigen strukturellen<br />
Bio<strong>materialien</strong> aufgebaut sind, zeigt, dass dabei eher die Struktur <strong>und</strong> die Konstruktion<br />
verändert wird <strong>und</strong> nicht das Material.<br />
Es wird angenommen, dass an der Grenze vom Präkambrium zum Kambrium, vor<br />
540 Millionen Jahren, die Materialwahl der meisten Phyla festgelegt wurde. Dies fand freilich<br />
nicht in einem Prozess der aktiven Wahl statt, sondern innerhalb der durch die Evolution<br />
vorgegebenen Mechanismen. Diese waren <strong>und</strong> sind es auch heute noch, die den jeweiligen<br />
Phyla zugehörige Materialien fest vorgegeben. (Weiner et al. 2000, S.7) Dieser evolutionäre<br />
Zwang (Constraint) führte einerseits dazu, dass die Bio<strong>materialien</strong> nicht immer homogen<br />
verwendet wurden <strong>und</strong> werden, sondern dass sie oft als Gemische oder Verb<strong>und</strong>stoffe<br />
vorkommen. Dies zeigt sich sowohl bei den mineralischen als auch bei den organischen<br />
Materialien. Andererseits führte die Beschränkung bei der Materialverwendung zu mehr<br />
strukturellen oder formmäßigen Anpassungen.<br />
Ein ähnlicher evolutionärer Zwang ist beispielsweise auch beim Bauplan der Skelette von<br />
Mammalen zu beobachten. So haben alle Tiere dieser Gruppe immer 7 Halswirbel, egal ob<br />
Delfin oder Giraffe. Dies zeigt, dass es in der Evolution gewisse Zwänge gibt, denn die<br />
Giraffe mit ihrem langen Hals könnte durchaus auch mehr Halswirbel gebrauchen, während<br />
der Delfin mit seinen plattenartigen Halswirbeln mit weniger auskäme. (Riedl, Rupert<br />
Vorlesung zur Evolutionstheorie) (vgl. auch Riedl 1976) Somit sind nicht nur die Materialien<br />
vorgegeben, sondern auch Strukturen können teilweise nicht mehr verändert werden.<br />
Möglicherweise wäre es besser, wenn Vertebraten Kalziumkarbonat im Skelett nutzen<br />
würden, um nicht so stark auf die knappe Ressource Phosphor angewiesen zu sein. Hier<br />
scheint aber der angesprochene Constraint vorzuliegen, der die Verwendung von<br />
Kalziumphosphat zwingend vorgibt. Dieses hat aber andererseits wieder den Vorteil, dass<br />
Phosphate, die für den Metabolismus benötigt werden, gespeichert werden können.<br />
Interessanterweise finden sich in Pflanzen kaum Mineralien, die Stützfunktionen erfüllen,<br />
während dies in der Tierwelt Usus ist. In Gräsern kommen zwar häufig silikatische<br />
Einlagerungen vor, die aber keine tragende Funktion haben. Dabei gehören Silikate zu den<br />
wenigen Bio<strong>materialien</strong>, die isotrop vorkommen, <strong>und</strong> daher keine höheren<br />
112
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Organisationsebenen erfordern (Weiner et al. 2000, S.6). Neben den Silikateinlagerungen in<br />
den Zellwänden von Gräsern, Riedgräsern <strong>und</strong> Schachtelhalmen finden sich auch<br />
Kalziumkarbonateinlagerungen in den basalen Zellwandbereichen von pflanzlichen<br />
Brennhaaren. Bei Schirmalgen kommt Kalziumkarbonat zusammen mit Kalziumoxalat vor.<br />
(Nultsch 1991, S.151) Diese Einlagerungen dürften aber mengenmäßig nur eine geringe Rolle<br />
spielen.<br />
Die meisten Bestandteile von biogenen Materialien werden auch anderweitig von Organismen<br />
eingesetzt. Bei den Diatomeen ist das Silizium nicht nur Bestandteil der Schale, es ist auch<br />
integraler Teil des Metabolismus (im Gegensatz zu den Pflanzen). Es ist unter anderem für<br />
Enzyme nötig, die für die DNA-Synthese eine Rolle spielen. (Lowenstam / Weiner 1989,<br />
S.58ff) Auch eine größere Anzahl von Spurenelementen, wie beispielsweise Eisen, ist für<br />
metabolische Zwecke in Enzymen essenziell.<br />
In höheren Pflanzen sind drei Arten von Biomineralisation von größerer Bedeutung. Die<br />
dabei gebildeten Mineralien sind: intrazellulares Kalziumoxalat in Vakuolen,<br />
Kalziumkarbonat in Cystolithen (tritt in Verbindung mit siliziumhaltiger Cellulose auf) <strong>und</strong><br />
hydratisiertes Siliziumdioxid. (Arnott 1982, S.199)<br />
In terrestrischen Pflanzen, vor allem in Gräsern, können bis zu 20% silikatische Phytolithe<br />
enthalten sein (Weiner et al. 2000, S.2). Dennoch ist die Funktion dieser Einlagerungen, vor<br />
allem in den Zellwänden, nicht bekannt. Einerseits werden mechanische Funktionen<br />
andererseits ihre Verwendung als Fraßschutz diskutiert (vgl. Hammond / Ennos 2000). Die<br />
Verfügbarkeit von Si(OH) 4 für Pflanzen hängt stark vom pH-Wert <strong>und</strong> dem Vorhandensein<br />
von Fe 2 O 3 <strong>und</strong> Al 2 O 3 ab. Es lassen sich drei Gruppen von landwirtschaftlich genutzten<br />
Pflanzen in Bezug auf Siliziumgehalt unterscheiden. Gräser aus Feuchtgebieten weisen<br />
10 - 15% SiO 2 in der Trockensubstanz auf, Trockenlandgräser 1 - 3% <strong>und</strong> Dicotyledone<br />
weniger als 1%. (Raven 1983, S.188)<br />
Die Rolle von Kieselsäureeinlagerungen in Zellwänden kann analog jener von Lignin gesehen<br />
werden, als Komponente, die mechanische Belastungen durch Druck aufnehmen kann. Unter<br />
der Annahme, dass 1 Molekül ATP nötig ist, um 1 Molekül SiO 2 in einer Pflanze einzubauen<br />
können pro 1 g Glukose 12,67 g SiO 2 eingebettet werden, während mit der gleichen Menge<br />
Glukose nur 0,465 g Lignin hergestellt werden können (Raven 1983, S.196) (Penning de<br />
113
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Vries 1975, S.460). Auf gleiches Volumen bezogen ist der Energieaufwand für Lignin r<strong>und</strong><br />
20-mal größer als der für SiO 2 . Würde in Pflanzen statt des Lignins Kieselsäure verwendet, so<br />
würden sie stark von den verfügbaren lokalen Ressourcen <strong>und</strong> somit vom Boden abhängig<br />
sein. Es kann angenommen werden, dass diese Abhängigkeit durch die Verwendung von<br />
Lignin geringer ist. Ein weiterer Nachteil wäre das höhere Gewicht, würde SiO 2 eingesetzt,<br />
<strong>und</strong> neben schlechteren mechanischen Eigenschaften wird auch die Toxizität von Silikaten<br />
diskutiert. Die Verwendung von organischem Material ist auch in Bezug auf die<br />
Stoffwechselwege vielseitiger, da Silizium im Metabolismus kaum eine Rolle spielt. (Raven<br />
1983, S.196) Im Gegensatz dazu wird Silizium von Diatomeen nicht nur in der Schale<br />
verwendet, sondern auch für metabolische Zwecke (Lowenstam / Weiner 1989, S.58).<br />
Die Verwendung von Exoskeletten ist, mit Ausnahme der Schildkröten, auf kleinere<br />
Lebewesen beschränkt. Mit zunehmendem Volumen wird ein Exoskelett größeren Kräften<br />
ausgesetzt, <strong>und</strong> ein ausreichender Schutz (gegen äußere <strong>und</strong> innere Kräfte) kann nur bis zu<br />
einer bestimmten Größe gewährleistet werden, ohne das Skelett zu schwer zu machen <strong>und</strong><br />
damit die anderen Körperfunktionen negativ zu beeinflussen. Exoskelette finden sich also fast<br />
ausschließlich bei kleinen Lebensformen, die zudem Probleme mit hohen Wasserverlusten<br />
hätten. (Currey 1970, S.5ff)<br />
Nach ihrem Verhalten gegenüber Schwankungen des Salzgehaltes unterscheidet man<br />
stenohaline Lebewesen, wie Korallen <strong>und</strong> Cephalopoden, die schon Wasser mit weniger als<br />
3% Salz meiden, von euryhalinen, wie manchen niederen Krebsen, die bei 0,1% ebenso gut<br />
wie bei 7% Salzgehalt gedeihen. Ins brackige Wasser wandert daher nur ein Bruchteil der<br />
marinen Fauna ein. Zugleich nimmt die Fähigkeit zum Aufbau kalkiger Skelette ab. Die<br />
Muschelschalen bleiben kleiner <strong>und</strong> dünner. Die Foraminiferen <strong>und</strong> Bryozoen bilden im<br />
Brackwasser nur ein Chitingerüst aus. (Zeil 1990, S.72)<br />
Es gibt aber auch andere ungewöhnliche Beispiele von biogenen Materialien. Von einigen<br />
Organismen werden Materialien gebildet, die sich ohne deren Einfluss nicht bilden würden.<br />
Eines der bekanntesten Beispiele ist Acantharia. Dieser im marinen Bereich lebende,<br />
heterotrophe Einzeller bildet Hartteile aus Stronziumsulfat, ein Mineral, das in der unbelebten<br />
Natur nicht vorkommt. (Lowenstam / Weiner 1989, S. 31) Als Ressource dient eine<br />
hochgradig untersättigte Lösung der einzelnen Komponenten (Odum 1951).<br />
114
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Fallbeispiel Schildkrötenpanzer<br />
Die Schildkröten sind sehr wahrscheinlich die ältesten, ursprünglichsten Landwirbeltiere<br />
unseres Planeten, die bis in die Gegenwart überdauert haben (Obst 1985, S.78). Der<br />
Schildkrötenpanzer ist zwar ein stabiles Konstrukt, das vor vielen Fraßfeinden Schutz bietet.<br />
Dennoch ist er relativ empfindlich auf kleinflächige Druckbelastungen <strong>und</strong> kann bereits bei<br />
einem Sturz aus geringer Höhe brechen. (Obst 1985, S.134)<br />
Der Panzer der Schildkröten ist aus einer inneren Schicht von Knochenplatten aufgebaut.<br />
Diese trägt die äußere Schicht der Hornplatten, die den Reptilien ihr charakteristisches<br />
Aussehen geben. Der Panzer stammt nicht, wie oft angenommen, aus dem Skelett der<br />
Wirbeltiere, sondern aus Verknöcherungen in der Haut.<br />
Der knöcherne Panzer stellt ein Tonnengewölbe dar, das auf einer ebenen Gr<strong>und</strong>platte basiert.<br />
Diese Verbindung erhöht die Festigkeit beträchtlich. Die Gewölbekonstruktion besteht im<br />
Normalfall aus kompakten Knochenplatten, die im First durch wesentlich kleinere, jeweils<br />
den Schlussstein eines Bogens bildende Platten verankert ist. Die meisten Landschildkröten,<br />
aber auch zahlreiche Süßwasserschildkröten folgen diesem ursprünglichen Bauplan des<br />
starren, hochgewölbten <strong>und</strong> massiven Panzers. (Obst 1985, S.135)<br />
Über die Ursachen, die zur Ausbildung des Panzers geführt haben, gibt es verschiedene<br />
Hypothesen. Die meist verbreitete Ansicht bringt die Entwicklung des Panzers mit der<br />
grabenden Lebensweise der Urschildkröten in Zusammenhang. Die Panzerung soll nach<br />
dieser Meinung eine spezielle Form der Anpassung an das unterirdische Leben darstellen.<br />
(Obst 1985, S.135)<br />
Der massive Panzer der Schildkröte erwies sich in der weiteren Evolution der Tiere sehr bald<br />
als hinderlich, <strong>und</strong> zahlreiche Modifikationen versuchten, unterschiedlichen Ansprüchen<br />
gerecht zu werden. Zunächst musste bei großen Arten die beträchtliche Knochenmasse<br />
verringert werden. Besonders Wasserschildkröten konnten den massiven Panzer nicht mehr<br />
gebrauchen. Sowohl bei Süßwasserbewohnern als auch bei Meeresschildkröten kann man<br />
deshalb die stärksten Umwandlungen des Panzers finden. Bei Meeresschildkröten besteht der<br />
Panzer im Wesentlichen nur noch aus starken Streben, zwischen denen sich leichte<br />
Füllflächen aus dünnwandigem Knochenmaterial oder große offene Stellen, die<br />
Knochenlücken oder Fontanellen, befinden. Die einzige Landschildkröte, die in ganz<br />
115
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
ähnlicher Weise ihren Panzer reduzierte, ist die Spaltenschildkröte Malacochersus. Die<br />
Ursache liegt hier aber weniger in der Notwendigkeit der Gewichtsverringerung als vielmehr<br />
in der Rückgewinnung eines Teiles der Elastizität des Körpers, um sich zwischen<br />
Gesteinsplatten zu verschanzen. (Obst 1985, S.135)<br />
Eine Gewichtsverringerung des Panzers kann auch durch Veränderung der Knochenstruktur<br />
erreicht werden. So bestehen die Knochenplatten des Panzers großer Landschildkröten-Arten<br />
aus luftgefüllten Kammern, die, ineinander geschachtelt, von unterschiedlich starken<br />
Trennwänden <strong>und</strong> Streben gestützt werden. Die verminderte Verknöcherung einiger<br />
Entwicklungslinien ist meist nicht von außen zu erkennen, da die Hornplatten nicht reduziert<br />
wurden. (Obst 1985, S.135ff, 80)<br />
Wasserschildkröten verschiedener Verwandtschaftsgruppen haben mitunter weitgehend auf<br />
die Schutzfunktion des Panzers verzichtet. Das bezieht sich vor allem auf die deutliche<br />
Reduktion des Bauchpanzers. Der Rückenpanzer wurde von diesen Tieren hingegen nicht<br />
preisgegeben. Als Ausgleich für den verlorenen Schutz sind die meisten großwüchsigen Tiere<br />
wehrhafter geworden <strong>und</strong> verteidigen sich aktiv. Meeresschildkröten können durch ihre<br />
Schwimmkünste auch leichter die Flucht ergreifen. (Obst 1985, S.163ff)<br />
Die rätselhaftesten aller Meeresschildkröten sind wohl die Lederschildkröten (Fam.<br />
Dermochelydidae). Sie haben sich vermutlich bereits in der Kreide oder noch früher<br />
entwickelt, sind uns aber erst aus Ablagerungen des Eozäns fossil bekannt. Lederschildkröten<br />
sind nicht nur die Meeresschildkröten mit einem nahezu total auf Rudimente<br />
zusammengeschrumpften Knochenpanzer, sondern auch diejenigen, die in ihrer<br />
Entwicklungsgeschichte mehrfach den Lebensraum zwischen litoralen <strong>und</strong> pelagialen<br />
Meeresbereichen gewechselt haben. Die Rückbildung des Panzers erfolgte, als die Vorfahren<br />
der heutigen Lederschildkröten zum ersten Mal Hochseebewohner wurden. Nach längerer<br />
Zeit haben die Tiere aber wieder die Küstenbereiche der Meere bevorzugt, <strong>und</strong> ein stabiler<br />
Panzer erschien wieder nützlicher. Der rückgebildete ursprüngliche Panzer war aber nicht in<br />
der Lage, sich erneut zu einem funktionsfähigen Organ zu entwickeln. Daher entstanden neue<br />
Hautknochen, die einen mosaikartig strukturierten Knochenpanzer ergaben. Doch auch die<br />
Existenz des Mosaikpanzers war nicht von Dauer. Die Lederschildkröten wechselten aus dem<br />
Litoral erneut ins Pelagial über, <strong>und</strong> der Mosaikpanzer wurde genauso verzichtbar wie sein<br />
Vorgänger. Die Überreste des sek<strong>und</strong>ären Panzers bestehen bei erwachsenen echten<br />
116
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Lederschildkröten nur noch aus sieben Längskielen, die der Lederschwarte besseren Halt<br />
geben. Anhand dieses Beispieles wurde von Dollo die Regel vom nicht umkehrbaren Verlauf<br />
der Evolution der Organismen formuliert. (Obst 1985, S.81ff)<br />
11.1.2 Funktionen der Bio<strong>materialien</strong><br />
Die in der Natur verwendeten Materialien sowie auch die technisch genutzten erfüllen eine<br />
Vielzahl von Funktionen. Dort wo strukturelle Bio<strong>materialien</strong> von Organismen eingesetzt<br />
werden, sind folgende Funktionen von Bedeutung:<br />
• Stützfunktion<br />
• Schutzfunktion (vor Umwelteinflüssen)<br />
• Verdunstungsschutz<br />
• Speicherfunktion<br />
• Andere mechanische Funktion (z.B. Verteidigung)<br />
Die Zuordnung der behandelten Bio<strong>materialien</strong> zu den angeführten Funktionen ist in<br />
Tabelle 22 ersichtlich. Die dort getroffene Einteilung spielt auch bei der Auswertung der<br />
Ergebnisse nach Gruppen gleicher Funktion eine Rolle. Außerdem sind in Tabelle 22 auch<br />
wesentliche physikalische Parameter (Zugfestigkeit, Elastizitäts-Modul <strong>und</strong> Dichte)<br />
angeführt. Vergleiche dazu auch Tabelle 5<br />
117
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Material Stützfunktion<br />
Schutzfunktion<br />
Verdunstungsschutsche<br />
Speicherfunktion<br />
Andere<br />
mechani-<br />
Zugfestigkeit<br />
Zug-<br />
E-Modul<br />
Dichte<br />
[kg/dm 3 ]<br />
Funktion<br />
[Mpa] [Mpa]<br />
Knochen x x 140, 210(d) 19000 2,0<br />
Dentin x -- -- --<br />
Zahnschmelz x -- 75000 2,9<br />
Geweih x 180(b) 7400 1,9<br />
Siliziumschalen x x -- -- --<br />
Molluskenschalen x x bis 95, ≈ 60000 2,7<br />
198(d)<br />
Korallenskelett x -- ≈ 160000 ≈ 3,0<br />
Kalkschwamm x -- ≈ 160000 ≈ 3,0<br />
Holz x 90 bis 135 10000(b) ≈ 1,0<br />
Cellulosematerial x ? 1080 a 49000 a 1,6 a<br />
Keratin x x 200 3500 1,3<br />
Seide x x 500,<br />
(Spinnfaden<br />
1200)<br />
10000, 1,3<br />
(Spinnfaden<br />
4000)<br />
Chitin x x x x 570 a 44000 a 1,6 a<br />
Tabelle 22: Materialfunktionen <strong>und</strong> mechanische Parameter; wo nicht anders angegeben, stammen die Werte<br />
aus: (Lexikon der Biologie 1999, S.444), wobei (b)=Biegebelastung, (d)=Druckbelastung, a<br />
(Currey 1970,<br />
S.30)<br />
11.1.3 Wachstumsstrategien<br />
Wie sich im Kapitel über die Einsatzdauer herausgestellt hat, gibt es unterschiedliche<br />
Wachstums- bzw. Erneuerungsstrategien bei Bio<strong>materialien</strong>. So werden bei Bäumen oder<br />
Mollusken die Materialien einmal aufgebaut <strong>und</strong> danach kaum mehr verändert. Der Aufbau<br />
erfolgt schichtförmig. Insekten nutzen eine andere Strategie. Sie bauen ihr Exoskelett immer<br />
wieder neu auf, <strong>und</strong> die alte Chitinhülle wird abgeworfen <strong>und</strong> meist nicht mehr vom Insekt<br />
genutzt. Wieder eine andere Strategie ist beim Knochen zu erkennen. Dieser behält seine<br />
Form im adulten Stadium mehr oder weniger bei. Allerdings wird er ständig ab- <strong>und</strong> wieder<br />
aufgebaut. Es zeigen sich also verschiedene Möglichkeiten, mit Bio<strong>materialien</strong> umzugehen.<br />
Der Knochen kann unter Beibehaltung der ursprünglichen Form repariert werden, während<br />
Holz nur durch Anlagerung zusätzlichen Materials repariert werden kann. Interessant ist auch<br />
das Faktum, dass die Erneuerung der Knochen während ihres Einsatzes erfolgt. Dies ist bei<br />
technischen Anwendungen kaum möglich.<br />
118
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Bei den Zähnen gibt es einige interessante Entwicklungslinien. Sie werden von<br />
kegelförmigen sich aus Hautzähnchen entwickelnden Gebilden zunehmend differenzierter,<br />
<strong>und</strong> ihre Anzahl nimmt ab. Auch der Zahnwechsel ist nicht einheitlich. So wachsen die<br />
wurzellosen Schneidezähne der Nager oder die Backenzähne vieler Huftiere beständig nach.<br />
(Lehmann 1985, S.407ff)<br />
11.1.4 Einteilung der Materialien nach Organismengruppen<br />
In den verschiedenen Organismengruppen werden spezifische Skelett-Materialien verwendet,<br />
die nur wenig variieren. Eine Ausnahme bilden die Schwämme, bei denen drei verschiedene<br />
Materialien, nämlich Kalziumkarbonat, Silikat <strong>und</strong>/oder Proteine vorkommen (Currey, J.<br />
1970 S.19ff). Abbildung 9 gibt einen Überblick darüber, welche Materialien von welchen<br />
Organismengruppen eingesetzt werden. Dabei sind die einzelnen Materialien in drei Gruppen<br />
zusammengefasst. Diese sind die mineralische Stoffgruppe, Proteine <strong>und</strong> Mehrfachzucker.<br />
Tierisch<br />
Korallen<br />
Mollusken<br />
Echinoderme<br />
Mineralien<br />
Ca−Karbonat<br />
Ca−Phosphat<br />
Silikat<br />
Pflanzlich<br />
Sphenophyta<br />
Angiospermophyta<br />
Spongi<br />
Diatomeen<br />
Vertebrata<br />
Proteine<br />
Kollagen<br />
Keratin<br />
Artropoden<br />
Mehrfachzucker<br />
Cellulose<br />
Lignin<br />
Hemicellulose<br />
Chitin<br />
Höhere Pflanzen<br />
Funghi<br />
Abbildung 9: Materialeinteilung nach Organismengruppen<br />
119
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Niedere Organismengruppen verwenden demnach verschiedene Materialien, während höhere<br />
zumeist auf eines beschränkt sind. So bestehen die Knochen von Mammalen immer aus<br />
CaPO 4 <strong>und</strong> Kollagen. Es kommen zwar auch andere Mineralien vor, aber nur zu einem<br />
geringen Anteil.<br />
11.1.5 Einteilung der Materialien nach Einsatzumgebung<br />
Die Einsatzumgebung (Habitat) kann grob zwischen terrestrischem <strong>und</strong> aquatischem<br />
Lebensraum unterteilt werden, wobei auch Übergangsformen (z.B. Amphibien) auftreten<br />
können. Im Organismus kann zwischen externem <strong>und</strong> internem Einsatzort unterschieden<br />
werden. Die verwendeten Materialien sind allerdings nicht immer streng nach Einsatzorten<br />
getrennt.<br />
Material Habitat Einsatzort<br />
terrestrisch aquatisch extern intern<br />
Knochen x x x<br />
Dentin x x x<br />
Zahnschmelz x x x<br />
Geweihmaterial x x<br />
Siliziumschalen x x<br />
Molluskenschalen x x<br />
Korallenskelett x x<br />
Kalkschwamm x x<br />
Holz x x<br />
Cellulosematerial x x x<br />
Keratin x x x<br />
Seide x x x<br />
Chitin x x x<br />
Tabelle 23: Habitate <strong>und</strong> Einsatzorte der biogenen Materialien<br />
Im aquatischen Bereich spielt eine höhere Dichte eine geringere Rolle, speziell bei<br />
festsitzenden Organismen. Hier wird auch oft Kalziumkarbonat eingesetzt. Bei den<br />
Säugetieren sind die Knochen poröser <strong>und</strong> damit nicht so schwer, was auch bei den sek<strong>und</strong>är<br />
wieder in den aquatischen Lebensraum vorgedrungenen Säugern kein Nachteil gewesen sein<br />
dürfte. Zudem bestehen sie aus einem anderen Material (Kalziumphosphat). Siliziumschalen<br />
kommen ausschließlich aquatisch vor, wenngleich die Gräser Silikate einlagern können. Am<br />
120
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Land spielen organische Verbindungen eine vordringliche Rolle, wenn es darum geht,<br />
stützende Strukturen zu bilden. Im Wasser kommen hingegen auch mineralische Materialien<br />
beim Aufbau von stützenden Strukturen vor.<br />
Bei der Einteilung nach externem oder internem (Exo- <strong>und</strong> Endo-) Skelett in Tabelle 23 wird<br />
sichtbar, dass Kalziumphosphat, in Form von Knochen, Dentin, Zahnschmelz <strong>und</strong> Geweih,<br />
sowohl außen, also in direktem Kontakt zur Umwelt, als auch intern Verwendung findet.<br />
Weitere Materialien in den äußeren Bereichen von Organismen sind: Silikatschalen,<br />
Molluskenschalen <strong>und</strong> Korallenmaterial, aber auch die organischen Materialien Keratin,<br />
Seide <strong>und</strong> Chitin. Im Unterschied dazu werden Cellulose <strong>und</strong> Holz nur intern eingesetzt.<br />
Definitionsgemäß wird alles vom Kambium nach innen erzeugte Gewebe als Holz bezeichnet,<br />
alles nach außen abgeschiedene als Bast (Nultsch 1991, S.198). Da aber auch der Bast<br />
verhärtet ist, könnte argumentiert werden, dass holzartige Strukturen auch im Außenbereich<br />
eingesetzt werden. Das Material der Schwämme ist bei den internen Einsatzorten angeführt,<br />
da die Skelettnadeln in einer Zellmatrix eingebettet sind.<br />
Es stellt sich die Frage, warum Kalziumverbindungen so viel häufiger in strukturellen<br />
Bio<strong>materialien</strong> vorkommen als die mechanisch belastbareren Siliziumverbindungen. Ein<br />
Gr<strong>und</strong> könnte in der geringeren Löslichkeit von Silikaten liegen. Kalziumkarbonat <strong>und</strong><br />
-phosphat sind wesentlich leichter löslich <strong>und</strong> daher nach Absterben eines Organismus<br />
schneller wieder verfügbar. Es zeigt sich auch, dass die Ressource Silizium im Meer<br />
wesentlich rarer ist als Kalzium. Damit könnte auf eine mangelbedingte Bevorzugung von<br />
Kalziumverbindungen geschlossen werden. (Vincent 1990, S.167)<br />
11.2 Auswertung der Beziehungen<br />
Die Beziehungen der Parameter (Energieinhalt, Einsatzdauer <strong>und</strong> Abbauzeit) untereinander<br />
werden in Streudiagrammen dargestellt. Die statistische Auswertung wurde mittels<br />
Korrelationsmaßen (2-seitig) <strong>und</strong> linearer Regression (2-seitig) vorgenommen. In den<br />
Diagrammen stellt die Ordinate stets das abhängige Merkmal <strong>und</strong> die Abszisse das<br />
unabhängige Merkmal dar. Als Signifikanzniveau sei α = 5% (für den Fehler 1. Art) gewählt.<br />
Wo die Nullhypothese auf diesem Niveau ausgeschlossen werden kann, sind die Werte mit<br />
(*) bezeichnet, <strong>und</strong> nicht signifikante Werte werden mit (ns) gekennzeichnet. Für die<br />
121
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Beziehungen wurden die Rohdaten von Knochen, Dentin, Zahnschmelz, Geweih,<br />
Siliziumschalen, Molluskenschalen, Korallen, Kalkschwamm, Holz, Cellulose, Keratin, Seide<br />
<strong>und</strong> Insektenchitin herangezogen.<br />
Die Auswertung der erhobenen Daten erfolgt zunächst generell für alle Materialien. Je nach<br />
Beziehung wird danach versucht herauszufinden, ob innerhalb der funktionalen Einheiten<br />
strengere Beziehungen bestehen. Dabei werden allerdings lediglich die Stütz- <strong>und</strong> die<br />
Schutzfunktion betrachtet, denn nur bei ihnen erscheint eine Auswertung auf Gr<strong>und</strong> der<br />
geringen Anzahl der Daten sinnvoll (vgl. Tabelle 22).<br />
11.3 Beziehung Energieaufwand - Einsatzdauer<br />
Zur Prüfung des Zusammenhanges wird versucht, die Reaktionsenthalpie, die der Organismus<br />
aufbringen muss, mit der Einsatzdauer in Beziehung zu setzen. Damit erhält man das<br />
Streudiagramm in Abbildung 10.<br />
80000<br />
70000<br />
Energie−Einsatzdauer<br />
Einsatzdauer [d]<br />
60000<br />
50000<br />
40000<br />
30000<br />
20000<br />
10000<br />
0<br />
−2,5 0,0 2,5 5,0 7,5 10,0 12,5 15,0 17,5 20,0 22,5 25,0<br />
Reaktionsenthalpie für den Organismus [MJ/kg]<br />
Abbildung 10: Energie - Einsatzdauer - Beziehung (alle Materialien)<br />
Die Analyse der Daten (n = 13) ergibt folgende Werte: Rangkorrelationskoeffizient nach<br />
Spearsman r s =-0,05(ns); Pearsonscher Korrelationskoeffizient r xy = 0,56(*); <strong>und</strong><br />
y = 1574(*)x + 7108(ns) mit Bestimmtheitsmaß B = 0,32(*).<br />
122
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Die Hypothese dabei ist, dass Materialien, die eine hohe Reaktionsenthalpie zur Bildung im<br />
Organismus benötigen, auch länger eingesetzt werden. Dies kann bedingt bestätigt werden.<br />
Das Bestimmtheitsmaß gibt allerdings an, dass nur r<strong>und</strong> 30% der Variabilität der<br />
Einsatzdauer aus der Reaktionsenthalpie erklärt werden können. Die Steigung der<br />
Regressionsgeraden ist positiv <strong>und</strong> signifikant. Der niedrige Wert des von einer<br />
Normalverteilung unabhängigen r s <strong>und</strong> der weit außen liegende Punkt für Holz im eher<br />
heterogenen Streudiagramm lassen den Zusammenhang allerdings als fragwürdig erscheinen.<br />
Dennoch weist der Koeffizient r xy auf eine mittlere Korrelation hin. Der Versuch, eine andere<br />
als eine lineare Regression in das Streudiagramm einzuschreiben, führte zu keinen<br />
befriedigenden Ergebnissen, obgleich der lineare Zusammenhang, durch r xy ausgedrückt,<br />
nicht sehr hoch ist. Regressionen mit Polynomen zeigen zwar eine bessere Anpassung, sie<br />
verursachen aber einen zusätzlichen Erklärungsbedarf, der nicht abgedeckt werden kann.<br />
Für die Extremwerte in dieser Beziehung (Silikatschalen <strong>und</strong> Holz) kann die Hypothese, dass<br />
höherer Energieaufwand eine längere Einsatzdauer bedingt, bestätigt werden. Für die<br />
dazwischen liegenen Punkte ist dies nicht eindeutig möglich.<br />
Autotrophe <strong>und</strong> Heterotrophe<br />
Es stellt sich daher die Frage, ob autotrophe <strong>und</strong> heterotrophe Organismen nicht getrennt<br />
betrachtet werden sollen. Unter dieser Voraussetzung ergibt sich für Autotrophe das<br />
Streudiagramm in Abbildung 11.<br />
123
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Energie−Einsatzdauer (Autotrophe)<br />
80000<br />
70000<br />
Einsatzdauer [d]<br />
60000<br />
50000<br />
40000<br />
30000<br />
20000<br />
10000<br />
0<br />
−2,5 0,0 2,5 5,0 7,5 10,0 12,5 15,0 17,5 20,0 22,5 25,0<br />
Reaktionsenthalpie für den Organismus [MJ/kg]<br />
Abbildung 11: Energie - Einsatzdauer - Beziehung (Autotrophe)<br />
Problematisch dabei ist, dass nur 3 Wertepaare für die Auswertung vorliegen. Die<br />
statistischen Parameter lauten wie folgt: r s = 1(*); r xy = 0,72(ns); <strong>und</strong><br />
y = 2394(ns)x - 8787(ns) mit B = 0,52(ns). Die Wertepaare zeigen einen monotonen<br />
Zusammenhang, wenngleich die Linearität, ausgedrückt durch r xy nicht eindeutig ist.<br />
Für die Heterotrophen ergibt sich mit den n = 10 Wertepaaren folgendes Diagramm:<br />
Energie−Einsatzdauer (Heterotrophe)<br />
40000<br />
35000<br />
Einsatzdauer [d]<br />
30000<br />
25000<br />
20000<br />
15000<br />
10000<br />
5000<br />
0<br />
0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0<br />
Reaktionsenthalpie für den Organismus [MJ/kg]<br />
Abbildung 12: Energie - Einsatzdauer - Beziehung (Heterotrophe)<br />
124
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Die statistischen Parameter errechnen sich wie folgt: r s = -0,59(ns); r xy = -0,49(ns); <strong>und</strong><br />
y = -4940(ns)x + 16797(*) mit B = 0,23(ns). Die Korrelation <strong>und</strong> die Regression sind nicht<br />
signifikant. Erstaunlicherweise geht der Trend aber hin zu einer negativen Korrelation, sodass<br />
Materialien mit hohem Energieaufwand bei Heterotrophen eher kürzer eingesetzt werden.<br />
Stützfunktion<br />
Aus Tabelle 22 sind die Materialien mit Stützfunktion entnommen (n = 8). Diese sind:<br />
Knochen, Silikatschalen, Molluskenschalen, Korallen- <strong>und</strong> Schwammmaterial, Holz,<br />
Cellulose <strong>und</strong> Chitin. Abbildung 13 gibt die Auswertung dieser Daten wider.<br />
Energie−Einsatzdauer (Stützfunktion)<br />
80000<br />
70000<br />
Einsatzdauer [d]<br />
60000<br />
50000<br />
40000<br />
30000<br />
20000<br />
10000<br />
0<br />
−2,5 0,0 2,5 5,0 7,5 10,0 12,5 15,0 17,5 20,0 22,5 25,0<br />
Reaktionsenthalpie für den Organismus [MJ/kg]<br />
Abbildung 13: Energie - Einsatzdauer - Beziehung (Stützfunktion)<br />
Die statistischen Parameter ergeben sich wie folgt: r s = 0,35(ns); r xy = 0,63(ns); <strong>und</strong><br />
y = 1698(ns)x + 6294(ns) mit B = 0,39(ns). Die Korrelation <strong>und</strong> die Regression sind nicht<br />
signifikant. Die Auswertung führt zu keinerlei statistisch signifikanten Aussagen. Obwohl die<br />
Regressionsgerade einen positiven Anstieg zeigt, ist sie, wie schon bei der Auswertung der<br />
Energie - Einsatzdauer - Beziehung aller Materialien, von dem weit außen liegenden Punkt<br />
des Holzes geprägt, ohne den die Regressionsgerade einen negativen Anstieg hätte.<br />
125
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Schutzfunktion<br />
Die Materialien, mit denen eine Schutzfunktion erfüllt wird, sind: Silikatschalen,<br />
Molluskenschalen, Keratin, Seide <strong>und</strong> Chitin (n = 5). Das führt zu dem in Abbildung 14<br />
dargestellten Streudiagramm.<br />
Energie−Einsatzdauer (Schutzfunktion)<br />
40000<br />
35000<br />
Einsatzdauer [d]<br />
30000<br />
25000<br />
20000<br />
15000<br />
10000<br />
5000<br />
0<br />
−0,5 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0<br />
Reaktionsenthalpie für den Organismus [MJ/kg]<br />
Abbildung 14: Energie - Einsatzdauer - Beziehung (Schutzfunktion)<br />
Die statistischen Parameter sind: r s = -0,30(ns); r xy = -0,38(ns); <strong>und</strong><br />
y = -3448(ns)x + 13973(ns) mit B = 0,14(ns). Die Korrelation <strong>und</strong> die Regression sind auch<br />
hier nicht signifikant.<br />
Die Funktionen der verschiedenen Materialien haben somit keinen erkennbaren<br />
Zusammenhang im Bezug auf die Energie - Einsatzdauer - Beziehung.<br />
Resümee<br />
Die Ergebnisse zeigen, dass kaum nennenswerte Korrelationen zwischen dem<br />
Energieaufwand <strong>und</strong> der Einsatzdauer bestehen. Weder bei der Betrachtung aller behandelten<br />
Materialien noch bei der Aufsplittung in Autotrophe <strong>und</strong> Heterotrophe zeigen sich eindeutige<br />
Zusammenhänge, auch das Clustering nach Funktionen liefert diese nicht.<br />
Die Energieaufwände für die Bildung von Bio<strong>materialien</strong> sind wohl nicht allzu groß, im<br />
Vergleich zu anderen Aufwänden des Organismus. Damit könnten die betrachteten<br />
126
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Energieeinsätze eine untergeordnete Rolle spielen. Wahrscheinlich ist aber auch der<br />
Energieeinsatz nicht die einzig relevante Einflussgröße für die Einsatzdauer. Monokausale<br />
Zusammenhänge sind in der Biologie eher selten. Interessant sind allerdings die Extremfälle<br />
Epidermis <strong>und</strong> Zähne, die beide in engem Kontakt zur Außenwelt des Organismus stehen.<br />
Auch in der Technik ist die Einsatzdauer im Bezug auf ihren Energieinhalt kein alleiniges<br />
Kriterium. Andere Einflussgrößen spielen auch hier eine wichtige Rolle. Vor allem sind aber<br />
in der Technik Zielvorgaben von Bedeutung, die es in der belebten Natur nicht gib. Da die<br />
Ergebnisse nicht eindeutig sind, können kaum Anwendungsmöglichkeiten für das Ecodesign<br />
abgeleitet werden.<br />
11.4 Beziehung Energieaufwand - Abbaubarkeit<br />
Hier sind beide erhobenen Energieaufwände interessant, der, den ein Organismus zum<br />
Aufbau eines Biomaterials benötigt, <strong>und</strong> der, der zum Aufbau aus den in der nicht belebten<br />
Natur vorkommenden Ressourcen − zu denen die Materialien auch wieder abgebaut werden −<br />
nötig ist.<br />
Vorerst wird die Beziehung der Reaktionsenthalpie im Organismus mit der Abbauzeit<br />
geprüft. Damit erhält man das Diagramm in Abbildung 15 (n = 13).<br />
127
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Energie (im Organismus)−Abbauzeit<br />
20000<br />
17500<br />
15000<br />
Abbauzeit [d]<br />
12500<br />
10000<br />
7500<br />
5000<br />
2500<br />
0<br />
−2,5 0,0 2,5 5,0 7,5 10,0 12,5 15,0 17,5 20,0 22,5 25,0<br />
Reaktionsenthalpie für den Organismus [MJ/kg]<br />
Abbildung 15: Energie (im Organismus) - Abbauzeit - Beziehung<br />
(alle Materialien)<br />
Die dazugehörigen Korrelationskoeffizienten lauten: r s = -0,41(ns); r xy = -0,30(ns). Die<br />
Parameter für die lineare Regression nehmen sich wie folgt aus: y = -226(ns)x + 4953(*), <strong>und</strong><br />
das Bestimmtheitsmaß beträgt B = 0,09(ns). Auch hier können keine abgesicherten Aussagen<br />
getroffen werden. Das Streudiagramm legt jedoch eine negative Korrelation nahe. Dies<br />
würde, der Hypothese, dass Materialien mit hohem Energieaufwand rascher abgebaut würden<br />
Vorschub leisten. Plausibel wird die Hypothese dadurch, dass der Energiegewinn für<br />
Zersetzer bei energiereichen Materialien größer ist, <strong>und</strong> dass diese daher auch rascher<br />
abgebaut werden.<br />
Die den Zersetzern zur Verfügung stehende Energie entspricht jedoch eher der<br />
Reaktionsenthalpie von unbelebten Ausgangs<strong>materialien</strong> zu Bio<strong>materialien</strong>. Daher ist eine<br />
Korrelation zu erwarten, wenn man die Reaktionsenthalpie von unbelebten Verbindungen zu<br />
Bio<strong>materialien</strong> mit der Abbauzeit in Beziehung setzt. Somit ergibt sich folgendes Bild<br />
(Abbildung 16):<br />
128
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Energie (unbel. zu Biomaterial)−Abbauzeit<br />
20000<br />
17500<br />
Abbauzeit [d]<br />
15000<br />
12500<br />
10000<br />
7500<br />
5000<br />
2500<br />
0<br />
−2,<br />
5<br />
0,0 2,5 5,0 7,5 10,<br />
0<br />
12,<br />
5<br />
15,<br />
0<br />
17,<br />
5<br />
20,<br />
0<br />
22,<br />
5<br />
25,<br />
0<br />
27,<br />
5<br />
Reaktionsenthalpie von unbelebten Verbindungen<br />
zu Bio<strong>materialien</strong> [MJ/kg]<br />
Abbildung 16: Energie (von unbelebten Ressourcen zu<br />
Bio<strong>materialien</strong>) - Abbauzeit - Beziehung (alle Materialien)<br />
Die dazugehörigen statistischen Daten lauten wie folgt (n = 13): r s = -0,44(ns); r xy = -0,60(*);<br />
<strong>und</strong> y = -334(*)x + 7487(*) mit B = 0,36(*). Der Zusammenhang ist hier eindeutiger, was die<br />
Annahme bestätigt, Materialien mit großem Energieinhalt werden rascher abgebaut als solche<br />
mit geringem.<br />
Stützfunktion<br />
Es soll wiederum geprüft werden, ob Materialien, die die gleiche Funktion erfüllen,<br />
eindeutigere Ergebnisse mit sich bringen. Daher werden vorerst wieder die Materialien mit<br />
einer Stützfunktion (n = 8) in einem Cluster betrachtet (Abbildung 17).<br />
129
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Energie (im Organismus)−Abbauzeit<br />
(Stützfunktion)<br />
12000<br />
10000<br />
Abbauzeit [d]<br />
8000<br />
6000<br />
4000<br />
2000<br />
0<br />
−2,5 0,0 2,5 5,0 7,5 10,0 12,5 15,0 17,5 20,0 22,5 25,0<br />
Reaktionsenthalpie für den Organismus [MJ/kg]<br />
Abbildung 17: Energie (im Organismus) - Abbauzeit - Beziehung<br />
(Stützfunktion)<br />
Die statistischen Parameter errechnen sich wie folgt: r s = -0,17(ns); r xy = -0,36(ns); <strong>und</strong><br />
y = -173(ns)x + 4621(ns) mit B = 0,13(ns). Weder die Korrelation noch die Regression sind<br />
statistisch signifikant. Das Streudiagramm legt jedoch eine negative Korrelation nahe.<br />
Schutzfunktion<br />
Von Materialien mit Schutzfunktion (n = 5) kann angenommen werden, dass sie auch nach<br />
dem Ableben eines Individuums noch eine schützende Wirkung vor Umwelteinflüssen haben.<br />
Die energetische Investition in die Schutzfunktion sollte auch dazu führen, dass die<br />
Materialien schwerer abgebaut werden. Das Streudiagramm lässt diesen Schluss allerdings<br />
nicht zu (Abbildung 18).<br />
130
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Energie (im Organismus)−Abbauzeit<br />
(Schutzfunktion)<br />
12000<br />
10000<br />
Abbauzeit [d]<br />
8000<br />
6000<br />
4000<br />
2000<br />
0<br />
−0,5 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0<br />
Reaktionsenthalpie für den Organismus [MJ/kg]<br />
Abbildung 18: Energie (im Organismus) - Abbauzeit - Beziehung<br />
(Schutzfunktion)<br />
Die statistischen Parameter der Energie - Abbauzeit - Beziehung für Materialien mit einer<br />
Schutzfunktion ergeben sich wie folgt: r s = 0,00(*); r xy = -0,41(ns); <strong>und</strong><br />
y = -1128(ns)x + 4222(ns) mit B = 0,17(ns). Der einzig signifikante r s -Wert gibt an, dass<br />
keinerlei Rangkorrelation besteht.<br />
Resümee<br />
Die hier wenig signifikante, sondern eher negative Korrelation zwischen Energieeinsatz <strong>und</strong><br />
Abbauzeit zeigt, dass Materialien mit einem hohen Energieinhalt rascher abgebaut werden.<br />
Daraus kann abgeleitet werden, dass ein höherer Energieeinsatz nicht dazu verwendet wird,<br />
resistentere Materialien zu schaffen. Der Schutz vor Zersetzung ist daher möglicherweise kein<br />
wesentlicher Faktor für den Materialeinsatz bzw. die Materialauswahl.<br />
Das Clustering nach verschiedenen Funktionen zeigte keine zusätzlichen<br />
Informationsgewinne. Auch von der Beziehung Energieeinsatz - Abbauzeit ausgehend<br />
können daher keine Anwendungsvorschläge für Ecodesign gemacht werden.<br />
131
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
11.5 Beziehung Einsatzdauer - Abbaubarkeit<br />
Bei dieser Beziehung wird die Einsatzdauer als unabhängiges <strong>und</strong> die Abbauzeit als<br />
abhängiges Merkmal angenommen. Damit ergibt sich für alle betrachteten Materialien<br />
(n = 13) das Diagramm in Abbildung 19.<br />
20000<br />
Einsatzdauer−Abbauzeit<br />
17500<br />
15000<br />
12500<br />
10000<br />
7500<br />
5000<br />
2500<br />
0<br />
0<br />
5000<br />
10000<br />
15000<br />
20000<br />
25000<br />
30000<br />
35000<br />
40000<br />
45000<br />
50000<br />
55000<br />
60000<br />
65000<br />
70000<br />
75000<br />
Abbauzeit [d]<br />
Einsatzdauer [d]<br />
Abbildung 19: Einsatzdauer - Abbauzeit - Beziehung (alle<br />
Materialien)<br />
Relevante statistische Parameter dazu lauten: r s = 0,76(*); r xy = 0,28(ns); <strong>und</strong><br />
y = 0,07(ns)x + 2982(ns) mit Bestimmtheitsmaß B = 0,08(ns). Der einzige statistisch<br />
signifikante Wert ist jener für die Rangkorrelation. Hier zeigt sich sogar ein hoher<br />
Korrelationskoeffizient. Das Streudiagramm lässt auch auf einen eindeutigen Zusammenhang<br />
schließen, wonach Materialien mit langer Einsatzdauer auch lange brauchen, um abgebaut zu<br />
werden.<br />
Stützfunktion<br />
Auch hier soll wieder eine Betrachtung in Clustern nach Einsatz in verschiedenen Funktionen<br />
vorgenommen werden. Für die Stützfunktion (n = 8) ergibt sich somit das in Abbildung 20<br />
dargestellte Streudiagramm.<br />
132
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Einsatzdauer−Abbauzeit (Stützfunktion)<br />
12000<br />
10000<br />
Abbauzeit [d]<br />
8000<br />
6000<br />
4000<br />
2000<br />
0<br />
0<br />
5000<br />
10000<br />
15000<br />
20000<br />
25000<br />
30000<br />
35000<br />
40000<br />
45000<br />
50000<br />
55000<br />
60000<br />
65000<br />
70000<br />
75000<br />
Einsatzdauer [d]<br />
Abbildung 20: Einsatzdauer - Abbauzeit - Beziehung (Stützfunktion)<br />
Die statistischen Parameter errechnen sich wie folgt: r s = 0,70(ns); r xy = 0,17(ns); <strong>und</strong><br />
y = 0,03(ns)x + 3178(ns) mit B = 0,03(ns). Die Werte sind allesamt nicht statistisch<br />
signifikant, <strong>und</strong> die Punkte im Streudiagramm erscheinen auch eher willkürlich verteilt als<br />
einer Gesetzmäßigkeit zu gehorchen.<br />
Schutzfunktion<br />
Die Analyse der Einsatzdauer - Abbauzeit - Beziehung in Bezug auf die Schutzfunktion<br />
(n = 5) liefert das Diagramm in Abbildung 21.<br />
133
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Einsatzdauer−Abbauzeit (Schutzfunktion)<br />
12000<br />
10000<br />
Abbauzeit [d]<br />
8000<br />
6000<br />
4000<br />
2000<br />
0<br />
0<br />
2500<br />
5000<br />
7500<br />
10000<br />
12500<br />
15000<br />
17500<br />
20000<br />
22500<br />
25000<br />
27500<br />
30000<br />
32500<br />
35000<br />
37500<br />
Einsatzdauer [d]<br />
Abbildung 21: Einsatzdauer - Abbauzeit - Beziehung<br />
(Schutzfunktion)<br />
Die statistischen Parameter lauten: r s = 0,80(ns); r xy = 0,99(*); <strong>und</strong> y = 0,3(*)x - 144(ns) mit<br />
B = 0,99(*). Somit scheint hier ein linearer Zusammenhang zwischen der Einsatzdauer <strong>und</strong><br />
der Abbauzeit vorzuliegen. Dies ist auch plausibel erklärbar, da Materialien, die im Einsatz<br />
eine Schutzfunktion erfüllen, wohl auch nach dem Ableben des jeweiligen Organismus noch<br />
Schutz vor Zersetzung bieten. Dennoch ist die Schlussfolgerung auf Gr<strong>und</strong> des weit außen<br />
liegenden Punktes, der die Werte von Molluskenschalen aufzeigt, fragwürdig.<br />
Der zeitliche Horizont sowohl von der Einsatzdauer als auch von der Abbauzeit umfasst eine<br />
große Spanne. Die Einsatzdauer von Silikatschalen liegt bei 30 Tagen, ihre Abbauzeit bei<br />
10 Tagen. Dagegen können Molluskenschalen bis zu 100 Jahren im Einsatz sein, <strong>und</strong> es wird<br />
angenommen, dass sie erst nach 30 Jahren vollständig zersetzt werden.<br />
Resümee<br />
Die Einsatzdauer - Abbauzeit - Beziehung zeigt eine eher positive Korrelation. Dies zeichnet<br />
sich bei der Betrachtung aller Materialien ab, wird aber bei dem gesondert untersuchten Teil<br />
der Materialien mit Schutzfunktion sehr deutlich. Das ist auch gut begründbar, da Materialien<br />
die bereits während des Einsatzes im Organismus Schutz bieten müssen, auch nach ihrem<br />
Gebrauch noch resistent gegenüber Umwelteinflüssen sind. Es zeigt sich aber auch, dass<br />
Materialien mit Schutzfunktionen sehr unterschiedliche Einsatz- <strong>und</strong> auch Abbauzeiten<br />
haben.<br />
134
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
11.6 Energie - Einsatzdauer Fallbeispiel: Geweih - Horn<br />
Unter der Annahme, dass mineralisches Geweih <strong>und</strong> Horn die gleiche Masse haben, kann<br />
berechnet werden, wie vielen Neubildungen des Geweihs die einmalige Bildung von Horn<br />
energetisch gleichkommt. (vgl. Vincent 1995, S.170)<br />
Geweih Horn<br />
Energieaufwand für den Organismus [MJ/kg] 1,47 3,10<br />
Energieinhalt von unbelebten Ressourcen zu<br />
Bio<strong>materialien</strong> [MJ/kg] 9,60 24,39<br />
Tabelle 24: Energetischer Vergleich zwischen mineralischem Geweih <strong>und</strong> Horn<br />
Dividiert man den Energieaufwand zur Bildung von Horn durch den von mineralischem<br />
Geweih, so erhält man den »Break-even«, bei dem der Energieaufwand für beide<br />
Geweihformen gleich groß ist. Dieser Wert liegt bei 2,11; d.h. bereits nach der zweiten<br />
Bildung eines mineralischen Geweihs wäre es günstiger, in ein Horngeweih zu investieren.<br />
Es müssen also noch andere Faktoren eine Rolle spielen. Der Energieaufwand alleine ist nicht<br />
ausschlaggebend. Ein Faktor könnte sein, dass das Geweih nicht immer benötigt wird <strong>und</strong> es<br />
daher günstiger ist, wenn alljährlich ein neues gebildet wird. Hier sind die Funktionen eines<br />
Geweihes zu betrachten, um Rückschlüsse zu ziehen. Das Geweih dient einerseits zur<br />
Verteidigung vor Carnivoren <strong>und</strong> andererseits als Statussymbol für die Partnerwahl bzw. auch<br />
zum Ausfechten der Hierarchie in einer Population.<br />
Doch ein Geweih kann auch hinderlich sein <strong>und</strong> beispielsweise die Fortbewegung in dichtem<br />
Gestrüpp einschränken. Hier muss ein Optimum gef<strong>und</strong>en werden, in dem die Vor- <strong>und</strong><br />
Nachteile aufgewogen werden. Erschwerend kommt allerdings dazu, dass sich der einzelne<br />
Organismus das Material, aus dem sein Kopfschmuck besteht, nicht aussuchen kann.<br />
Es darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass sich im Horn ein knöcherner Skelettteil befindet,<br />
der den Kopfschmuck stützt. Dieser wird wohl ebenso wie das restliche Skelett ständig<br />
erneuert.<br />
135
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
12 DISKUSSION<br />
Die Ergebnisse der Untersuchung sind eine Bestätigung der Vielfalt der Zusammenhänge in<br />
der Biologie. Das Herausgreifen einzelner Parameter <strong>und</strong> die Suche nach Abhängigkeiten<br />
zwischen ihnen ist, aufgr<strong>und</strong> der großen Zahl von Einflussfaktoren, kaum möglich. Dies gilt<br />
auch für die Untersuchung der − in dieser Arbeit − gestellten Fragen. Zwischen den<br />
Parametern (energetischer Aufwand, den ein Organismus betreiben muss, um Materialien zu<br />
bilden; deren Einsatzdauer; die Zeit der Rückführung in ökologische Kreisläufe − Abbauzeit)<br />
bestehen keine einfachen Zusammenhänge.<br />
Die Gründe dafür liegen wahrscheinlich in einem Zusammenwirken verschiedenster<br />
Einflussfaktoren auf die untersuchten Eigenschaften. Es ist mit Sicherheit so, dass der<br />
energetische Einsatz für ein Material nicht nur von der Einsatzdauer abhängt. Vielmehr<br />
spielen andere Einflussgrößen eine Rolle, wie beispielsweise die Multifunktionalität als<br />
statisch tragende Substanz <strong>und</strong> als Speicherort für knappe Ressourcen. Energie kann auch<br />
durch Leichtbaukonstruktionen eingespart werden, selbst wenn das Material vorgegeben ist.<br />
Die Variabilität der Beziehungen zwischen Energieaufwand, Einsatzdauer <strong>und</strong> Abbauzeit ist<br />
so groß, dass keine klaren Korrelationen erkennbar sind. Die Korrelationen werden auch bei<br />
den nach Materialfunktionen in Clustern untersuchten Teilen nicht eindeutiger. Bei der<br />
Beziehung zwischen Energieaufwand für die Materialherstellung <strong>und</strong> Einsatzdauer lässt sich<br />
eine eher positive Korrelation erkennen, was den Erwartungen entspricht. (Sehr deutlich wird<br />
dies bei den Extremfällen Holz <strong>und</strong> Silikatschalen.) Die Beziehung Energieeinsatz-Abbauzeit<br />
korreliert eher negativ. Eine Erklärung dafür ist, dass Zersetzer mehr Energie für den eigenen<br />
Metabolismus gewinnen können, wenn im Material mehr Energie steckt, <strong>und</strong> dieses daher<br />
rascher abgebaut wird. Die Beziehung Einsatzdauer-Abbauzeit zeigt wieder eher eine positive<br />
Korrelation, was wieder den Erwartungen entspricht.<br />
Der in dieser Arbeit verfolgte reduktionistische Ansatz war aber dennoch nötig, um einen<br />
ersten Einblick in die biologische Materialverwendung zu gewinnen. Möglicherweise hätte<br />
die Fragestellung anders lauten müssen. Denn obwohl in der Technik <strong>und</strong> auch in der<br />
Biosphäre Materialien mit ähnlichen Eigenschaften eingesetzt werden, ist doch die Art, wie<br />
die Materialien zum Einsatz kommen, gr<strong>und</strong>legend verschieden. Die Fragestellung ist aus<br />
zielgerichteten technischen Problemen entstanden. Die Entwicklung der Bio<strong>materialien</strong> zeigt<br />
aber keine Ausrichtung auf ein Ziel hin − ein gr<strong>und</strong>legender Unterschied zwischen beiden<br />
136
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Systemen. Damit ist auch die Frage nach einer »Materialauswahl« in der Natur nicht in<br />
einfacher Form relevant für die Technik − es sei denn, man macht das<br />
Trial-and-Error-Prinzip zur Methode der technischen Entwicklung.<br />
Die Aufgabe hätte auch in Bezug auf die Funktionen anders gestellt werden sollen, denn in<br />
den Organismen sind Materialien nicht dazu da, um Funktionen zu erfüllen. Vielmehr<br />
entstehen im Versuchs-Irrtums-Prozess Dinge, die dann auch eine Funktion haben, ohne dass<br />
diese zuvor festgelegt wurde. Ob dieses Trial-and-Error-Prinzip auf Ecodesign übertragbar<br />
ist, scheint fragwürdig, hat es doch auch in der Biosphäre lange Zeit gedauert, bis<br />
Stoffkreisläufe entstanden sind.<br />
Auffallend ist, dass sich die in der Pflanzenwelt verwendeten strukturellen Bio<strong>materialien</strong><br />
deutlich von denen in der Tierwelt unterscheiden. So verwenden Tiere keine<br />
Cellulose<strong>materialien</strong> <strong>und</strong> auch kein Lignin, während Pflanzen nur zu einem geringen Anteil<br />
mineralische Materialien verwenden. Man kann hier die Frage stellen: Warum haben Pflanzen<br />
kein mineralisches Skelett <strong>und</strong> Tiere keines aus Holz? Einerseits liegt das wohl an bereits<br />
erwähnten stammesgeschichtlichen Gegebenheiten. Aber andererseits spielen wahrscheinlich<br />
auch die Mobilität der Organismen <strong>und</strong> somit die Möglichkeiten der Ressourcenbeschaffung<br />
eine wichtige Rolle.<br />
Die Materialien kommen in Organismen je nach Einsatz in verschiedensten<br />
Mischungsvarianten einiger weniger Komponenten vor <strong>und</strong> bilden meist »Verb<strong>und</strong>stoffe«.<br />
Somit werden sie den unterschiedlichsten Erfordernissen angepasst. Die Struktur <strong>und</strong> der<br />
Aufbau von Bio<strong>materialien</strong> bzw. »Bauteilen« sind für mechanische Beanspruchungen <strong>und</strong><br />
Funktionen von größerer Bedeutung als die »Materialwahl« (Jeronimidis 2000).<br />
In der Natur gibt es keine »Materialwahl« wie im technischen Bereich, weder beim einzelnen<br />
Organismus noch in der Stammesgeschichte, da dies einen bewussten Entscheidungsprozess<br />
voraussetzt. Die Evolution funktioniert aber nach anderen Kriterien. Die Art des Materiales,<br />
das einzelne Organismengruppen verwenden, ist in der Stammesgeschichte frühzeitig fixiert<br />
worden. Es ist allerdings nicht immer ersichtlich, warum gerade ein bestimmtes Material <strong>und</strong><br />
nicht ein anderes eingesetzt wird (z.B. CaPO 4 bei Wirbeltieren <strong>und</strong> CaCO 3 bei Mollusken<br />
u.a.). Die meisten in biogenen Materialien anzutreffenden Stoffe finden jedoch auch im<br />
Metabolismus noch eine andere Verwendung (z.B. Ca, C, P etc.). Sie sind also die Basis für<br />
137
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
multifunktionale Einsätze, was zu einer Einschränkung auf einige wenige genutzte<br />
Komponenten geführt haben könnte.<br />
Die Baupläne von Organismen sind zumeist sehr starr, <strong>und</strong> Änderungen kommen nur in<br />
evolutionären Zeiträumen zum Tragen. Die Flexibilität besteht lediglich in der Adaptierung<br />
innerhalb der oft stark limitierenden Grenzen (z.B. 7 Halswirbel bei Säugetieren).<br />
Die Art der Bereitstellung von Materialien ist in der belebten Natur <strong>und</strong> in der industriellen<br />
Technik unterschiedlich. Den Materialaufbau in Organismen kann man als »bottom<br />
up«-Ansatz bezeichnen, bei dem von molekularen Bausteinen ausgehend größere Strukturen<br />
wachsen. In der Technik ist eher ein »top down«-Ansatz zu beobachten in der Gestalt, dass<br />
große homogene Materialmassen fertigungstechnisch so bearbeitet werden, dass die<br />
gewünschte Form zustandekommt.<br />
Die Rahmenbedingungen sind ebenfalls verschieden. In der Technik sind Aufgaben mit einer<br />
klaren Zielvorgabe zu erfüllen, die frei geplant <strong>und</strong> umgesetzt werden können. Im Gegensatz<br />
dazu ist die biologische Evolution <strong>und</strong> damit die »Konstruktion« von Organismen nicht<br />
zielgerichtet. Auf dieser Ebene gibt es in der Biosphäre keine Problemlösungsstrategien.<br />
Daher sind auch Analogien nur bedingt anwendbar.<br />
In der belebten Natur kommen auch keine Materialien vor, die hohe Temperaturen <strong>und</strong><br />
Drücke zu ihrer Bereitstellung benötigen. Es gibt auch kaum eine Nutzung von Metallen. In<br />
der Technik müssen hingegen oft sehr hohe Temperaturen für die Materialherstellung<br />
vorhanden sein. Von Seiten der mechanischen Eigenschaften ist zu bemerken, dass die<br />
Bio<strong>materialien</strong> ausschließlich einen niedrigen Elastizitäts-Modul aufweisen.<br />
12.1 Genauigkeit der Daten<br />
Obgleich die Daten für den Energieaufwand genau berechnet wurden, weichen sie von den<br />
tatsächlichen Aufwendungen im Organismus teilweise sehr stark ab. Beispielsweise wurde<br />
der beträchtliche Energieaufwand für den aktiven Transport von Silikat in die Kieselalgen<br />
nicht berücksichtigt (Raven 1983, S.186). Daraus ergibt sich eine methodische Unsicherheit.<br />
Die wirklichen Energiewerte sind aber, aufgr<strong>und</strong> des Fehlens von wissenschaftlichen<br />
138
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Arbeiten über die genauen biochemischen Vorgänge bei der Materialsynthese, nicht<br />
vorhanden.<br />
Die Daten zur Einsatzdauer <strong>und</strong> zur Abbauzeit sind, was Größenordnung <strong>und</strong> Reihung angeht<br />
<strong>und</strong> bei allen methodischen Schwierigkeiten, verlässlicher. Dennoch sind, speziell bei der<br />
Abbauzeit, divergierende Daten in der Literatur zu finden, die auf unterschiedliche<br />
physikalische <strong>und</strong> biologische Faktoren zurückzuführen sind.<br />
12.2 Energieinhalt<br />
Der ermittelte Energieinhalt für die Herstellung <strong>biogener</strong> Materialien lässt sich nur bedingt<br />
mit den Werten für technische Materialien vergleichen (s. Tabelle 5 <strong>und</strong> 16). Dies liegt daran,<br />
dass für die Berechnungen bei den biogenen Materialien − aus methodischen Gründen − die<br />
Reaktionsenthalpie von Ressourcen zu Bio<strong>materialien</strong> verwendet wurde, während bei den<br />
technischen Materialien der tatsächlich gemessene Energieaufwand in Rechnung gestellt<br />
wurde. Unter diesen Voraussetzungen liegen die Werte für technische Materialien teilweise<br />
weit über denen von Bio<strong>materialien</strong>.<br />
Ein großer Teil der biogenen Materialien wird von Pflanzen aufgebaut. Sie verwenden viel<br />
Energie, um die Stoffe herzustellen. Die darauf aufbauenden Heterotrophen hingegen wenden<br />
weniger Energie auf, da sie die Vorleistungen der Pflanzen nutzen können. Die<br />
Energiestufen, wie sie in Abbildung 22 dargestellt sind, sind daher unterschiedlich groß. Die<br />
Energie für die Pflanzen<strong>materialien</strong> stammt aus Sonnenlicht, das keinen begrenzenden Faktor<br />
darstellt. Das Pflanzenwachstum wird durch den Mangel an stofflichen Ressourcen limitiert.<br />
Im Gegensatz dazu stammen die Energie <strong>und</strong> auch die Stoffe für den Aufbau von Materialien<br />
heterotropher Organismen aus deren Nahrung. Sie können weniger sparsam mit einzelnen<br />
Stoffen umgehen als Pflanzen. Beispielsweise müssen von vielen Tieren<br />
Stickstoffverbindungen ausgeschieden werden. Diese Art von »Verschwendung« kommt bei<br />
Pflanzen nicht vor.<br />
139
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Energiestufen (biogene Materialien)<br />
Energieaufwand<br />
solare Energie<br />
Autotrophe<br />
Heterotrophe<br />
Abbildung 22: Energiestufen <strong>biogener</strong> Materialien<br />
Eine Analogie dazu zeigt sich bei technischen Systemen (Abbildung 23). Dort wird viel<br />
Energie in der Gr<strong>und</strong>stofferzeugung benötigt, während die Finalindustrie einen deutlich<br />
geringen Energiebedarf zeigt. Ähnlich wie bei den Heterotrophen nutzt die Finalindustrie die<br />
Vorleistungen der Gr<strong>und</strong>stofferzeugung. Ein wesentlicher Unterschied zeigt sich allerdings in<br />
der verwendeten Energieform. Die beiden Stufen in der technischen Material- <strong>und</strong><br />
Produkterzeugung werden häufig mit fossiler Energie überw<strong>und</strong>en, wie beispielsweise bei der<br />
Stahlherstellung oder bei chemischen Syntheseprozessen.<br />
Bei biogenen Materialien steckt ein erheblicher Teil der zur Herstellung nötigen Energie im<br />
Produkt selbst. Diese Energie kann beim biologischen Abbau von anderen Lebewesen genutzt<br />
werden. Bei technischen Materialien ist das oft nicht der Fall. Die Prozessenergie, die zur<br />
Erzeugung von Eisen oder Aluminium verbraucht wird, wird beim »Abbau« nicht<br />
zurückgewonnen. Die zweite Stufe (Finalindustrie) geht meist weniger effizient mit<br />
Materialien um, ähnlich wie Heterotrophe.<br />
140
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Energiestufen (industrielle Materialien)<br />
Energieaufwand<br />
meist beide Schritte<br />
aus fossiler Energie<br />
Gr<strong>und</strong>stoff−<br />
industrie<br />
Finalproduktion<br />
Abbildung 23: Energiestufen bei industriellen<br />
Materialien<br />
12.3 Einsatzdauer<br />
Bio<strong>materialien</strong> werden in verschiedenen Zeitspannen genutzt. Da für technische Materialien<br />
keine Zahlen in dieser Richtung erhoben wurden, kann ein direkter Vergleich nicht vollzogen<br />
werden.<br />
Innerhalb der Bio<strong>materialien</strong> finden sich aber einige interessante Erscheinungen. Die Extreme<br />
in Bezug auf die Einsatzdauer bei Säugern sind Zähne <strong>und</strong> Haut. Obwohl beide in direktem<br />
Kontakt zur Umwelt stehen, werden Zähne über Jahrzehnte hinweg eingesetzt, während die<br />
Epidermis (beim Menschen) nach weniger als einem Monat vollständig ersetzt wird. Was ist<br />
der Gr<strong>und</strong> für die verschiedene Einsatzdauer? Vom Energieinhalt hängt sie nicht ab, denn in<br />
den Mineralien der Zähne steckt wesentlich weniger Energie als in den Proteinen der Haut.<br />
Natürlich ist Apatit resistenter gegen Umwelteinflüsse als die Proteine. Aber dennoch stellt<br />
sich die Frage, von welchen Einflussfaktoren die Einsatzdauer sonst noch abhängig ist.<br />
Beim Einsatz der Bio<strong>materialien</strong> sind verschiedene Wachstumsstrategien zu finden.<br />
Strukturen wie Holz oder Muschelschalen wachsen ein ganzes Leben lang durch Anlagerung<br />
an den bereits vorhandenen Materialien. Die ältesten Teile sind daher so alt wie das<br />
Lebewesen selbst. Geweih oder das Exoskelett von Insekten werden mehrmals im Leben<br />
vollständig erneuert. Nochmals eine andere Strategie zeigt sich beim Knochen in adulten<br />
Tieren. Er wird bei konstant bleibender Masse ständig ab- <strong>und</strong> wieder aufgebaut.<br />
141
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
12.4 Recyclingprozesse<br />
Vom Menschen geschaffene Produkte können in verschiedener Weise recycliert werden. Eine<br />
mögliche Einteilung zeigt Tabelle 25. Sie unterscheidet nach Veränderung oder<br />
Nicht-Veränderung von Zweck <strong>und</strong> Struktur beim neuerlichen Einsatz.<br />
Wieder-<br />
Weiter-<br />
-verwenden<br />
gleicher Zweck,<br />
gleiche Struktur<br />
anderer Zweck,<br />
gleiche Struktur<br />
-verwerten<br />
gleicher Zweck,<br />
veränderte Struktur<br />
anderer Zweck,<br />
veränderte Struktur<br />
Tabelle 25: Recyclingkonzepte in der Technik (Hübner / Simon-Hübner 1991 in: Schmidt-Bleek / Tischner<br />
1995, S.112)<br />
Bio<strong>materialien</strong> werden zumeist in ihre molekularen Bestandteile zerlegt, bevor sie wieder als<br />
strukturelle Materialien von Organismen genutzt werden. In einigen wenigen Fällen, wie<br />
beim Knochen <strong>und</strong> Chitin, wird das Material im Körper wiederverwertet. Ein<br />
Wiederverwenden kommt praktisch kaum vor, es sei denn bei der teilweisen Nutzung alter<br />
Exoskelette von Gliedertieren. Das Verwenden von leeren Gastropodenschalen durch<br />
Einsiedlerkrebse entspricht einer Weiterverwendung.<br />
Eine kurzgeschlossene Kreislaufführung ist sehr selten anzutreffen. Interessant ist hier das<br />
direkte Recycling, das Spinnen betreiben können. Vor dem Bau eines neuen Netzes frisst die<br />
Spinne ihr altes Netz, um den Rohstoff dann wieder in einem neuen zu verwenden. Da dieser<br />
Prozess sehr schnell abläuft, wird angenommen, dass die Seide nicht vollständig verdaut,<br />
sondern rasch vom Spinndrüsenepithel absorbiert wird. (Foelix 1992, S.115) Dies entspricht<br />
einer Wiederverwertung.<br />
Bei den Insekten wurde bereits ein Mechanismus angesprochen, der der Wiederverwendung<br />
sehr nahe kommt. So werden Teile des alten Exoskelettes nach der Häutung wieder<br />
eingesetzt. Aber auch die Wiederverwertung von Monomeren oder niedrigmolekularen<br />
chemischen Bauteilen spielt bei der Häutung eine Rolle.<br />
Es trifft nicht immer zu, dass biogene Materialien in zeitlich kurzen Kreisläufen geführt<br />
werden. Kalkgebirge legen wohl das beeindruckendste Zeugnis dafür ab. Aber auch Kohle<strong>und</strong><br />
Erdöllagerstätten sind Belege für nicht in den Kreislauf zurückgeführte Materialien. Die<br />
142
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
großen Kohlevorkommen aus dem Präkambrium sind darauf zurückzuführen, dass zur Zeit,<br />
als das Lignin erstmals in Pflanzen eingesetzt wurde, noch kaum abbauende Organismen<br />
vorhanden waren (Robinson 1990). Damit kam es zu großen Ablagerungen an nicht<br />
abbaubarem Lignin.<br />
Die Systeme der Natur sind also nicht »naturgemäß« auf Recycling, auf gut funktionierende,<br />
weitgehend verlust- oder reibungsfrei arbeitende Kreisläufe angelegt. Den weitaus größten<br />
Teil der Zeitspanne von mehr als drei Milliarden Jahren, die das Leben existiert, funktionierte<br />
die Natur ohne Recyclingprozesse. Stoffe wurden genutzt, umgesetzt <strong>und</strong> Endprodukte<br />
angehäuft. Das Recycling ist eine »Erfindung« der letzten halben Milliarde Jahre <strong>und</strong> ein<br />
Ergebnis von Mangel. (Reichholf 1993, S.177ff)<br />
Im technischen Bereich sind hingegen kurzgeschlossene Kreisläufe möglich, indem<br />
Materialien oder ganze Bauteile wieder eingesetzt werden. Ein Abbau zu molekularen<br />
Substanzen ist bei technischen Recyclingprozessen nicht nötig. Das funktioniert besonders<br />
dann gut, wenn die Materialien aus nur einer Komponente aufgebaut sind. So können die<br />
Bauteile mehrmals mit nur geringen Verlusten eingesetzt werden.<br />
12.5 Ressourcennutzung<br />
Die Reaktion der Natur auf Mangel muss differenziert betrachtet werden. Mangel an<br />
Ressourcen kann sowohl in einer geringeren Populationsdichte (z.B. Schnecken auf<br />
Kalkboden (Vincent 1995, S.175)) als auch in dünner ausgebildeten Materialien (z.B.<br />
Krustazeen (Stevenson 1985, S.2ff)) Ausdruck finden.<br />
Die meisten Rohstoffe für strukturelle Materialien, die von lebenden Organismen genutzt<br />
werden, sind entweder ausreichend als Ressource vorhanden, oder sie werden sehr sparsam<br />
eingesetzt. Die geographische Distribution von Pflanzen <strong>und</strong> Tieren kann durch die lokal<br />
verfügbaren Ressourcen limitiert sein.<br />
Von den in der Natur vorkommenden Ressourcen (chemische Elemente) werden nur sehr<br />
wenige von Organismen in großen Mengen genutzt. Wie bereits weiter oben erwähnt, kann<br />
man zwischen lokal <strong>und</strong> ubiquitär verfügbaren Ressourcen unterscheiden. Lokale Ressourcen<br />
sind solche, die nur an einem begrenzten Ort vorhanden sind, z.B. Mineralien der Erdkruste.<br />
143
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Zu den viel häufiger verwendeten ubiquitären Ressourcen sind die in der Atmosphäre <strong>und</strong><br />
Hydrosphäre vorkommenden Stoffe CO 2 , H 2 O, Ca- <strong>und</strong> Si-Salze zu rechnen. Der<br />
mengenmäßig größte Teil der biogenen organischen Materialien wird aus CO 2 <strong>und</strong> H 2 O<br />
aufgebaut. Der Kohlenstoff für autotroph gebildete Bio<strong>materialien</strong> stammt ausschließlich aus<br />
der Atmosphäre bzw. er kommt gelöst aus der Hydrosphäre, obwohl in der Erdkruste<br />
wesentlich größere Mengen vorhanden sind. Es ist offensichtlich ein Überlebensvorteil, wenn<br />
Organismen nicht auf lokale Ressourcen angewiesen sind <strong>und</strong> sich somit besser ausbreiten<br />
können.<br />
12.6 Möglichkeiten für Ecodesign<br />
Im Bezug auf die Schaffung einer Produktkultur nach dem Leitbild »Zukunftsfähige<br />
Entwicklung« lassen sich einige Anregungen aus der Materialverwendung bei Organismen<br />
ableiten. Die meisten Materialien in der Biosphäre werden aus ubiquitär verfügbaren<br />
Ressourcen aufgebaut. Eine Eingliederung von anthropogen genutzten Materialien in die<br />
ökologischen Kreisläufe ist auch im Sinne einer Nachhaltigen Entwicklung nützlich.<br />
Speziell der Einsatz von Cellulose − einem Material, mit dem die Biosphäre gut »umgehen«<br />
kann − ist sinnvoll. Hier gibt es bereits Ansätze, die dem Ecodesign entsprechen, wie z.B.<br />
Biokunststoffe aus reiner Cellulose. Aber auch der Einsatz von Stroh als Baumaterial zeigt<br />
ein umweltverträgliches Profil. So kann eine integrierte »Zuckerwirtschaft« aufgebaut<br />
werden, bei der keine Abfallprobleme entstehen.<br />
Neben den organischen Materialien spielen in der Biosphäre auch Mineralien eine große<br />
Rolle. Der technische Einsatz von Mineralien, die von Organismen synthetisiert wurden,<br />
könnte auch zu einer nachhaltigen Wirtschaft beitragen. Hier müssten aber völlig neue<br />
Strategien angedacht werden.<br />
Überträgt man die Entwicklungswege der Biologie auf die Technik, so muss man von<br />
vorgegebenen − der Nachhaltigen Entwicklung entsprechenden − Materialien ausgehen <strong>und</strong><br />
die Strukturen den jeweils geforderten Kriterien anpassen. Dabei ist auf eine<br />
Multifunktionalität zu achten, die nicht nur bei einzelnen Parametern hervorragende<br />
Eigenschaften fordert.<br />
144
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Diese Strategie der vorgegebenen Materialien <strong>und</strong> adaptierten Formen ist in der<br />
Technosphäre sogar einfacher zu verfolgen als im natürlichen Vorbild, da viele<br />
Entwicklungsschritte durch ein gezieltes Herangehen übersprungen werden können. So kann<br />
der Vorteil der freien Konstruktionswahl in der Technik mit einer Eingliederung von<br />
Produkten in natürliche Kreisläufe einhergehen. Zudem müssen aber auch geschlossene<br />
technische Kreisläufe geschaffen werden, <strong>und</strong> zwar dort wo Materialien nur schwer in die<br />
Biosphäre eingegliedert werden können (vgl. Braungart / McDonough 1998).<br />
Methoden der Optimierung von Strukturen <strong>und</strong> Systemen sind in der Bionik seit längerem<br />
bekannt. Rechenberg lieferte Optimierungsprinzipien auf der Basis von evolutionären<br />
Algorithmen, die zu Lösungen führen, wo mathematisch analytische Ansätze zu aufwändig<br />
sind, wie z.B. die Ablenkung eines Flüssigkeitsstromes in einer Rohrbiegung mit geringsten<br />
möglichen Strömungsverlusten (Rechenberg 1973). Andere Optimierungsverfahren basieren<br />
auf den Prinzipien des Baum- bzw. Knochenwachstums. In iterativen Verfahren können so<br />
Bauteile konstruiert werden, die wenig Materialverbrauch bei gleichmäßig verteilter<br />
Festigkeit zeigen. (Mattheck 1992)<br />
Am Ende sollen noch einige Ansätze aus dem Bereich der Bionik angesprochen werden, die<br />
ebenfalls Schritte zu einer Nachhaltigen Entwicklung <strong>und</strong> zum Ecodesign sein können. Sie<br />
werden nur in aller Kürze angeführt <strong>und</strong> hier − obgleich einige Punkte dazu Anlass geben<br />
würden − nicht in aller Tiefe diskutiert.<br />
Ein weiteres Feld, in dem sich Bionik <strong>und</strong> Ecodesign überschneiden, ist der<br />
Verpackungsbereich. Auch hier bestehen Problembereiche in der Technik, bei denen gezielt<br />
in der Natur nach Lösungen gesucht wird. Der Bogen der biogenen Verpackungen spannt sich<br />
von Eierschalen über Kokons bis zu Kokosnüssen. (Küppers / Tributsch 2001)<br />
Eine Methodik zur Produktentwicklung durch Naturorientierung wurde von Hill entwickelt.<br />
Dabei geht es um allgemeine Prinzipien des bionischen Lernens <strong>und</strong> der Implementierung.<br />
Sie sind auch für Ecodesign von Bedeutung. (Hill 2001) Ein allgemeines Konzept im<br />
Spannungsfeld von bionischer Forschung <strong>und</strong> umweltrelevanten Innovationen wurde von<br />
Isenmann ausgearbeitet (Isenmann 2001).<br />
145
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Nachtigall führt 10 Gr<strong>und</strong>prinzipien für natürliche Konstruktionen an, die als Basis für<br />
ingenieurmäßiges Konstruieren dienen sollen. Die Prinzipien lauten wie folgt (Nachtigall<br />
1997, S.21ff):<br />
1. Integrierte statt additiver Konstruktionen<br />
2. Optimierung des Ganzen statt Maximierung eines Einzelelements<br />
3. Multifunktionalität statt Monofunktionalität<br />
4. Feinabstimmung gegenüber der Umwelt<br />
5. Energieeinsparung statt Energieverschleuderung<br />
6. Direkte <strong>und</strong> indirekte Nutzung der Sonnenenergie<br />
7. Zeitliche Limitierung statt unnötiger Haltbarkeit<br />
8. Totale Recyclierung statt Abfallanhäufung<br />
9. Vernetzung statt Linearität<br />
10.Entwicklung im Versuchs-Irrtums-Prozess<br />
Nicht allen diesen Prinzipien ist aufgr<strong>und</strong> der vorliegenden Arbeit zuzustimmen. So wurde<br />
weiter oben gezeigt, dass das im Punkt 8 angeführte »Totale Recycling« in der Natur<br />
zumindest kurzfristig nicht immer zu finden ist.<br />
Die im Punkt 5 angeführte »Energieeinsparung« kann durch die Ergebnisse dieser Arbeit<br />
weder bestätigt noch abgelehnt werden. Auf alle energetischen Aufwände eines Organismus<br />
bezogen mag die Aussage richtig sein. Setzt man jedoch den Energieinhalt von<br />
Bio<strong>materialien</strong> mit ihrer Einsatzdauer in Relation, so kann diese Annahme nicht eindeutig<br />
bestätigt werden.<br />
Die 8 Gr<strong>und</strong>regeln der Biokybernetik sind ebenfalls als bionische Anregungen für Ecodesign<br />
anzusehen. Sie lauten (Vester 1999, S.127ff):<br />
1. Negative Rückkopplung muss über positive Rückkopplung dominieren.<br />
2. Die Systemfunktion muss unabhängig vom quantitativen Wachstum sein.<br />
3. Das System muss funktionsorientiert <strong>und</strong> nicht produktorientiert arbeiten.<br />
4. Nutzung vorhandener Kräfte nach dem Jiu-Jitsu-Prinzip statt Bekämpfung nach der<br />
Boxer-Methode.<br />
5. Mehrfachnutzung von Produkten, Funktionen <strong>und</strong> Organisationsstrukturen.<br />
6. Recycling. Nutzung von Kreisprozessen zur Abfall- <strong>und</strong> Abwasserverwertung.<br />
7. Symbiose. Gegenseitige Nutzung von Verschiedenartigkeit durch Kopplung <strong>und</strong><br />
146
Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
Austausch.<br />
8. Biologisches Design von Produkten, Verfahren <strong>und</strong> Organisationsformen durch<br />
Feedback-Planung.<br />
Die Verbindung der Methodik von Ecodesign mit der der Bionik ist also vielversprechend,<br />
gilt es doch, Wirtschaftsweisen zu finden, die die Biosphäre als Rahmen ansehen, innerhalb<br />
dessen nachhaltige Systeme geschaffen werden müssen. Dabei sei aber darauf hingewiesen,<br />
dass technische Anwendungen nicht nur auf ihre Funktionalität hin zu prüfen sind, sondern<br />
dass alle Dimensionen einer Nachhaltigen Entwicklung mitgedacht werden.<br />
Zuletzt noch eine philosophische Bemerkung: Es ist wesentlich, sowohl bei der Bionik als<br />
auch im Ecodesign, nicht dem naturalistischen Fehlschluss zu erliegen. Demnach ist es<br />
unmöglich, aus Aussagen darüber, wie etwas ist, Aussagen darüber abzuleiten, wie etwas sein<br />
soll (Hume 1740 in: Gorke 1999, S.56). Das heißt, ein naturalistischer Fehlschluss liegt vor,<br />
wenn praktische Geltungsansprüche <strong>und</strong> moralische Gr<strong>und</strong>sätze ausschließlich unter<br />
Berufung auf natürliche Tatsachen (z.B. über wissenschaftliche Erkenntnisse aus der<br />
Evolution, der Verhaltensforschung, der Psychologie oder der Ökologie) begründet werden<br />
(Vossenkuhl 1983, Birnbacher 1991 in: Gorke 1999, S.56). Bionik <strong>und</strong> Ecodesign sind als<br />
Werkzeuge bzw. Methoden zu betrachten, die Vorschläge zur Lösung von Problemen liefern<br />
sollen. Der nächste Schritt einer Implementierung muss aber auch andere als rein technische<br />
<strong>und</strong> naturwissenschaftliche Kriterien miteinbeziehen. Dazu zählen die auf einer ethischen<br />
Basis stehenden Kriterien einer Nachhaltigen Entwicklung.<br />
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Manfred Drack<br />
Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />
LEBENSLAUF<br />
Name:<br />
Manfred Drack<br />
Geburtsdatum: 20.8.1972<br />
Geburtsort: Kirchdorf an der Krems<br />
Eltern: Adelheid (*1943) & Erhard Drack (*1941)<br />
Bruder: Alexander Drack (*1971)<br />
Heimatadresse:<br />
Flößerstr. 27, A−4644 Scharnstein<br />
Schulbildung: Volksschule Viechtwang (1978 − 1982)<br />
Hauptschule Scharnstein (1982 − 1986)<br />
HTL−Maschinenbau Wels (1986 − 1991)<br />
Studien:<br />
Seit 1992 Geologie (1. Abschnitt) <strong>und</strong> Ökologie in Innsbruck,<br />
Salzburg, Wien <strong>und</strong> L<strong>und</strong> (Schweden)<br />
1998 Abschluss des Studiums der Ökologie<br />
1999 Beginn der Dissertation<br />
2001 6-monatiger Auslandsaufenthalt am Centre for Biomimetics<br />
(Reading, UK)<br />
Arbeitstätigkeit:<br />
Verschiedene Ferialarbeiten<br />
Seit 1999 freier wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Gruppe zur<br />
Förderung Angepasster Technologie (GrAT) an der Technischen<br />
Universität Wien<br />
165