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bionik und ecodesign untersuchung biogener materialien ... - Biokon

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

BIONIK UND ECODESIGN<br />

UNTERSUCHUNG BIOGENER MATERIALIEN IM HINBLICK<br />

AUF PRINZIPIEN, DIE FÜR EINE UMWELTGERECHTE<br />

PRODUKTGESTALTUNG NUTZBAR SIND<br />

1


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Dissertation<br />

Bionik <strong>und</strong> Ecodesign<br />

Untersuchung <strong>biogener</strong> Materialien im Hinblick auf Prinzipien,<br />

die für eine umweltgerechte Produktgestaltung nutzbar sind<br />

Ausgeführt zum Zwecke der Erlangung des akademischen Grades<br />

»Doktor der Naturwissenschaften«<br />

Betreuer<br />

Prof. Dr. Roland Albert, Inst. f. Ökologie <strong>und</strong> Naturschutz der Universität Wien<br />

Doz. Dr. Andreas Windsperger, Inst. f. Industrielle Ökologie <strong>und</strong> TU Wien<br />

Mag. Manfred Drack<br />

Wien, September 2002<br />

2


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

3


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

KURZFASSUNG<br />

In der Diskussion über eine Nachhaltige Entwicklung bei der Gestaltung von Produkten <strong>und</strong><br />

Dienstleistungen (Ecodesign) tauchen immer wieder Begriffe wie erneuerbare Ressourcen,<br />

Energieeffizienz <strong>und</strong> Recycling auf. Zudem wird davon ausgegangen, dass alle diese Dinge<br />

<strong>und</strong> Vorgänge auch in der Biosphäre zu finden sind. Den biologischen Systemen wird also<br />

Nachhaltigkeit unterstellt. Wenn das so ist, dann sollte man sich daranmachen, die dahinter<br />

stehenden Prinzipien genauer zu untersuchen, auch im Hinblick auf die Materialverwendung.<br />

Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, Prinzipien <strong>und</strong> Muster in der Biosphäre zu finden, die im<br />

Ecodesign angewendet werden können.<br />

In dieser Arbeit werden strukturelle Bio<strong>materialien</strong> wie Knochen, Holz, Horn <strong>und</strong> Chitin<br />

untersucht. Das Ziel ist es, Prinzipien <strong>und</strong> Korrelationen zwischen dem Energieaufwand, der<br />

von Organismen zum Aufbau von Materialien geleistet werden muss, <strong>und</strong> deren Einsatzdauer<br />

zu finden. Zudem werden Zusammenhänge zwischen diesen beiden Parametern <strong>und</strong> der<br />

Dauer des Recyclings untersucht. Theoretisch sollten Organismen − überall, wo dies möglich<br />

ist − Energie effizient einsetzen, daher kann angenommen werden, dass Materialien mit<br />

hohem Energieinhalt auch lange eingesetzt werden. In vielen Fällen trifft das zu, aber nicht<br />

immer. Die Zeiträume, in denen Bio<strong>materialien</strong> in Funktion stehen, sind sehr unterschiedlich<br />

mit Extremen von wenigen Tagen bis zu tausenden Jahren. Auch die Energie, die zum<br />

Aufbau von Materialien eingesetzt werden muss, variiert stark, u.a. weil einige Organismen<br />

Vorleistungen von anderen nutzen können. Es wurde auch erwartet, dass Materialien mit<br />

hohem Energieinhalt eher strukturerhaltend recycliert werden als andere.<br />

Tatsächlich stellte sich jedoch heraus, dass keine statistisch signifikanten Korrelationen<br />

zwischen den drei untersuchten Parametern gef<strong>und</strong>en werden konnten. Dennoch lassen einige<br />

Prinzipien, die im Zusammenhang mit der Materialverwendung in der Biologie nachgewiesen<br />

wurden, Rückschlüsse für eine Nachhaltige Entwicklung zu.<br />

4


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

ABSTRACT<br />

In the recent discussion about sustainable products and services (Ecodesign) keywords like<br />

renewable resources, energy efficiency and recycling are ubiquitous. All these things are<br />

argued to be fo<strong>und</strong> in biological systems as well. These systems are supposed to be<br />

sustainable, for they have been existing for h<strong>und</strong>reds of millions of years. If this is true one<br />

should find out how biological systems really work in terms of sustainable material usage.<br />

The emphasis of this dissertation thus is to find out correlations and patterns that can be<br />

applied in sustainable product design.<br />

The thesis is concerned with stiff structural biomaterials like bone, wood, horn and chitin. It’s<br />

objective is to find out if there are correlations between the energy effort to build up these<br />

materials in situ and the time period in which they are used (turnover time). Also the relations<br />

between these two parameters and the time it takes to recycle the materials is treated. In<br />

theory organisms have to be energy efficient and therefore it can be expected that those<br />

materials storing more energy are used for a longer period. Most of the time this is true, but<br />

not always. There is a broad range in the time period in which different biomaterials are used<br />

in organisms with extremes from a few days to thousands of years. Also, the energy needed to<br />

build up materials is varying considerably and preformed resources are used to a certain<br />

extent. It was expected that materials with a high energy content are more likely to be reused<br />

as such.<br />

In fact no statistically significant correlations have been fo<strong>und</strong> within the three parameters.<br />

Nevertheless some principles emerged which have a potential for being applied in sustainable<br />

development.<br />

5


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

DANKSAGUNG<br />

An erster Stelle möchte ich mich bei meinen Betreuern Prof. Roland Albert <strong>und</strong><br />

Doz. Dr. Andreas Windsperger bedanken, die mich bei der Ausführung meiner Arbeit<br />

unterstützt <strong>und</strong> begleitet haben. Prof. George Jeronimidis sei dafür gedankt, dass er mir im<br />

Rahmen meiner Dissertation einen sechsmonatigen Auslandsaufenthalt am Centre for<br />

Biomimetics (Reading, UK) ermöglicht hat. Bei den Recherchen standen mir neben anderen<br />

ganz besonders Ing. Gustav Mahringer, DI Luise Janisch, Dr. Karl Kleemann,<br />

Dr. Michael Stachowitsch, Prof. Heribert Insam, Prof. Julian F.V. Vincent,<br />

Prof. Thomas Speck <strong>und</strong> Dr. Jim Evans mit Rat <strong>und</strong> Tat zur Seite. Bei der Überarbeitung des<br />

Inhaltes unterstützten mich Gabriela Nowotny, DI Lothar Rehse, Prof. Willem Riedijk,<br />

Dr. Robert Wimmer, Dr. Hannelore Hlawatsch <strong>und</strong> Mag. Wilhelm Autischer, sie lieferten<br />

auch wertvolle Ideen. Auch durch die Bücher von Prof. Werner Nachtigall <strong>und</strong> im<br />

persönlichen Gespräch mit ihm sind einige Ideen für die Arbeit entstanden. Nicht zuletzt<br />

möchte ich meinen Eltern danken, die meinen Ausbildungsweg ermöglicht haben.<br />

6


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

1 Einleitung......................................................................................................................14<br />

2 Thesen...........................................................................................................................16<br />

3 Bionik <strong>und</strong> Technische Biologie ...................................................................................17<br />

4 Ecodesign......................................................................................................................19<br />

5 Verteilung der Elemente................................................................................................21<br />

6 Materialien im technischen Gebrauch............................................................................24<br />

7 Ausgewählte biogene Materialien..................................................................................30<br />

8 Evolution der ausgewählten biogenen Materialien.........................................................32<br />

8.1 Mineralische Materialien........................................................................................34<br />

Karbonate............................................................................................................34<br />

Phosphate............................................................................................................36<br />

Silikate................................................................................................................38<br />

8.2 Organische Materialien...........................................................................................39<br />

Cellulose.............................................................................................................39<br />

Lignin.................................................................................................................40<br />

Chitin..................................................................................................................40<br />

Keratin................................................................................................................41<br />

Seide...................................................................................................................42<br />

9 Häufigkeit der vorkommenden Bio<strong>materialien</strong>...............................................................43<br />

10 Datenerhebung.............................................................................................................46<br />

10.1 Energetischer Aufwand der Biomaterialproduktion..............................................46<br />

10.1.1 Methodik der Berechnung des Energieinhaltes von Bio<strong>materialien</strong>...............46<br />

10.1.2 Knochen........................................................................................................50<br />

Energieinhalt im organischen Teil.......................................................................52<br />

Energieinhalt im anorganischen Teil...................................................................52<br />

10.1.3 Dentin...........................................................................................................54<br />

10.1.4 Zahnschmelz.................................................................................................54<br />

10.1.5 Mineralisches Geweih...................................................................................55<br />

10.1.6 Silikatschalen................................................................................................56<br />

10.1.7 Molluskenschalen.........................................................................................58<br />

Organisch............................................................................................................58<br />

Anorganisch........................................................................................................58<br />

7


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

10.1.8 Korallenmaterial...........................................................................................59<br />

10.1.9 Schwämme...................................................................................................61<br />

10.1.10 Holz............................................................................................................62<br />

10.1.11 Cellulosematerial........................................................................................63<br />

10.1.12 Keratin<strong>materialien</strong>.......................................................................................63<br />

10.1.13 Seide...........................................................................................................65<br />

10.1.14 Chitinmaterial.............................................................................................66<br />

10.1.15 Auflistung der Energiedaten........................................................................67<br />

10.2 Einsatzdauer.........................................................................................................71<br />

10.2.1 Turnover-Theorie..........................................................................................71<br />

Materialerneuerung 0. Ordnung (linear)..............................................................72<br />

Materialerneuerung 1. Ordnung (exponentiell)....................................................72<br />

Kontinuierliche Materialakkumulation................................................................73<br />

10.2.2 Knochen........................................................................................................74<br />

10.2.3 Dentin...........................................................................................................75<br />

10.2.4 Zahnschmelz.................................................................................................75<br />

10.2.5 Mineralisches Geweih...................................................................................76<br />

10.2.6 Silikatschalen................................................................................................76<br />

10.2.7 Molluskenschalen.........................................................................................77<br />

10.2.8 Korallenmaterial...........................................................................................77<br />

10.2.9 Schwämme...................................................................................................78<br />

10.2.10 Holz............................................................................................................79<br />

10.2.11 Cellulosematerial .......................................................................................80<br />

10.2.12 Keratin<strong>materialien</strong>.......................................................................................80<br />

Menschliche Haut................................................................................................80<br />

Menschliche Nägel..............................................................................................81<br />

Horn....................................................................................................................81<br />

10.2.13 Seide...........................................................................................................82<br />

10.2.14 Chitin<strong>materialien</strong>........................................................................................82<br />

Insekten...............................................................................................................83<br />

Krustazeen..........................................................................................................84<br />

10.2.15 Auflistung der Einsatzdauerdaten................................................................85<br />

10.3 Recyclingprozesse <strong>und</strong> Abbauzeiten.....................................................................89<br />

10.3.1 Biologischer Abbau......................................................................................91<br />

8


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Definition der biologischen Abbaubarkeit...........................................................92<br />

Bestimmungsmethoden.......................................................................................93<br />

Beteiligte Mikroorganismen <strong>und</strong> Enzyme...........................................................93<br />

10.3.2 Organische Materialien.................................................................................95<br />

10.3.3 Knochen........................................................................................................98<br />

10.3.4 Dentin.........................................................................................................101<br />

10.3.5 Zahnschmelz...............................................................................................101<br />

10.3.6 Mineralisches Geweih.................................................................................102<br />

10.3.7 Silikatschalen..............................................................................................102<br />

10.3.8 Mollusken / Kalziumhaltige Schalen...........................................................104<br />

10.3.9 Korallen......................................................................................................105<br />

10.3.10 Schwämme................................................................................................108<br />

10.3.11 Auflistung der Abbauzeiten.......................................................................109<br />

11 Ergebnisse..................................................................................................................111<br />

11.1 Materialfunktionen <strong>und</strong> -einsatzbereiche............................................................111<br />

11.1.1 Form- od. Materialwechsel?........................................................................112<br />

Fallbeispiel Schildkrötenpanzer.........................................................................115<br />

11.1.2 Funktionen der Bio<strong>materialien</strong>....................................................................117<br />

11.1.3 Wachstumsstrategien...................................................................................118<br />

11.1.4 Einteilung der Materialien nach Organismengruppen..................................119<br />

11.1.5 Einteilung der Materialien nach Einsatzumgebung......................................120<br />

11.2 Auswertung der Beziehungen.............................................................................121<br />

11.3 Beziehung Energieaufwand - Einsatzdauer.........................................................122<br />

Autotrophe <strong>und</strong> Heterotrophe............................................................................123<br />

Stützfunktion.....................................................................................................125<br />

Schutzfunktion..................................................................................................126<br />

Resümee............................................................................................................126<br />

11.4 Beziehung Energieaufwand - Abbaubarkeit........................................................127<br />

Stützfunktion.....................................................................................................129<br />

Schutzfunktion..................................................................................................130<br />

Resümee............................................................................................................131<br />

11.5 Beziehung Einsatzdauer - Abbaubarkeit.............................................................132<br />

Stützfunktion.....................................................................................................132<br />

Schutzfunktion..................................................................................................133<br />

9


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Resümee............................................................................................................134<br />

11.6 Energie - Einsatzdauer Fallbeispiel: Geweih - Horn...........................................135<br />

12 Diskussion.................................................................................................................136<br />

12.1 Genauigkeit der Daten........................................................................................138<br />

12.2 Energieinhalt......................................................................................................139<br />

12.3 Einsatzdauer.......................................................................................................141<br />

12.4 Recyclingprozesse..............................................................................................142<br />

12.5 Ressourcennutzung.............................................................................................143<br />

12.6 Möglichkeiten für Ecodesign..............................................................................144<br />

13 Literatur.....................................................................................................................148<br />

10


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

ABBILDUNGSVERZEICHNIS<br />

Abbildung 1: Die Evolution der technisch gebrauchten Materialien (Ashby 1992, S.3).........25<br />

Abbildung 2: Auftreten <strong>und</strong> Verbreitung der Organismen in der Erdgeschichte (Vogel /<br />

Angermann 1998, S.520).......................................................................................................33<br />

Abbildung 3: Gesammelte Aufstellung der Daten zum Energieinhalt (von unbelebten<br />

Verbindungen zu Bio<strong>materialien</strong>)..........................................................................................69<br />

Abbildung 4: Gesammelte Aufstellung der Daten zum Energieinhalt (Reaktionsenthalpie im<br />

Organismus)..........................................................................................................................70<br />

Abbildung 5: Gesammelte Zahlen zum Turnover..................................................................86<br />

Abbildung 6: Anzahl der Turnover........................................................................................87<br />

Abbildung 7: Vereinfachte Darstellung von Ressourcen <strong>und</strong> Abbauprodukten einiger<br />

Bio<strong>materialien</strong>.......................................................................................................................89<br />

Abbildung 8: Aufstellung der Abbauzeiten der Bio<strong>materialien</strong>............................................110<br />

Abbildung 9: Materialeinteilung nach Organismengruppen.................................................119<br />

Abbildung 10: Energie - Einsatzdauer - Beziehung (alle Materialien).................................122<br />

Abbildung 11: Energie - Einsatzdauer - Beziehung (Autotrophe)........................................124<br />

Abbildung 12: Energie - Einsatzdauer - Beziehung (Heterotrophe).....................................124<br />

Abbildung 13: Energie - Einsatzdauer - Beziehung (Stützfunktion)....................................125<br />

Abbildung 14: Energie - Einsatzdauer - Beziehung (Schutzfunktion)..................................126<br />

Abbildung 15: Energie (im Organismus) - Abbauzeit - Beziehung (alle Materialien)..........128<br />

Abbildung 16: Energie (von unbelebten Ressourcen zu Bio<strong>materialien</strong>) - Abbauzeit -<br />

Beziehung (alle Materialien)...............................................................................................129<br />

Abbildung 17: Energie (im Organismus) - Abbauzeit - Beziehung (Stützfunktion).............130<br />

Abbildung 18: Energie (im Organismus) - Abbauzeit - Beziehung (Schutzfunktion)...........131<br />

Abbildung 19: Einsatzdauer - Abbauzeit - Beziehung (alle Materialien).............................132<br />

Abbildung 20: Einsatzdauer - Abbauzeit - Beziehung (Stützfunktion).................................133<br />

Abbildung 21: Einsatzdauer - Abbauzeit - Beziehung (Schutzfunktion)..............................134<br />

Abbildung 22: Energiestufen <strong>biogener</strong> Materialien..............................................................140<br />

Abbildung 23: Energiestufen bei industriellen Materialien..................................................141<br />

11


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

TABELLENVERZEICHNIS<br />

Tabelle 1: Elemente in der Erdkruste (Chermicoff 1997, S.29).............................................21<br />

Tabelle 2: Häufigkeit der Elemente in verschiedenen Organismen (Morowitz 1968 in: Raven<br />

1992, S.48)............................................................................................................................21<br />

Tabelle 3: Häufigkeit der Elemente im menschlichen Körper (Campbell 1999, S. 24)..........22<br />

Tabelle 4: Häufigkeit von Molekülen im menschlichen Körper (Rose 1970, S. 29)...............22<br />

Tabelle 5: Materialien im technischen Gebrauch a(Gordon 1968, S.42ff), b(Lexikon der<br />

Biologie 1999, S.444ff), *(Ashby 1992, S.28ff, 245), ** ...............27<br />

Tabelle 6: Weltproduktion verschiedener Wirtschaftsgüter Ende der 1990er bzw. 1983.<br />

Quelle: (Baratta 2000, S.1153ff), * Zahlen von 1983 aus: (Lüttig / Walter / Merian, in:<br />

Schmidt-Bleek 1993, S. 22)...................................................................................................28<br />

Tabelle 7: Statische Lebensdauer ausgewählter Rohstoffe (Baratta 2000, S.1152).................29<br />

Tabelle 8: Kohlenstoffmengen in verschiedenen Kompartimenten (nach Stevenson 1985 in<br />

Gisi 1990, S.179)..................................................................................................................44<br />

Tabelle 9: Jährliche Produktionsmenge ausgewählter <strong>biogener</strong> Materialien (Quellen: siehe<br />

Text)......................................................................................................................................45<br />

Tabelle 10: Abschätzung der Volumensarbeit; Basisdaten aus: (Vincent 1990) (Bender /<br />

Bender 1997, S.129ff)...........................................................................................................49<br />

Tabelle 11: Standardbildungsenthalpie natürlich vorkommender Ressourcen (Linde CRC<br />

1996, S.5-1ff)........................................................................................................................49<br />

Tabelle 12: Zusammensetzung von Knochen (Fourman et al. 1968, S.294)...........................51<br />

Tabelle 13: Zusammensetzung von biogenen Kalziumphosphat-Verb<strong>und</strong>stoffen...................51<br />

Tabelle 14: Aminosäuren-Zusammensetzung verschiedener Keratin<strong>materialien</strong> beim Schaf<br />

(Marshall / Gillespie 1977)....................................................................................................64<br />

Tabelle 15: Aminosäuren-Zusammensetzung von Bombyx-Seide (Vincent 1990).................65<br />

Tabelle 16: Gesammelte Zahlen zum Energieeinsatz.............................................................68<br />

Tabelle 17: Gesammelte Zahlen zum Turnover.....................................................................86<br />

Tabelle 18: Abbaubarkeit verschiedener Naturstoffe (Bilitewski et al. 2000, S.296).............95<br />

Tabelle 19: Erreichbarer Abbaugrad <strong>biogener</strong> Produkte (Bidlingmaier 2000, S.48 / Krogmann<br />

1994, S.137)..........................................................................................................................96<br />

Tabelle 20: Abbauzeiten von organischen Bio<strong>materialien</strong>.....................................................98<br />

Tabelle 21: Gesammelte Zahlen zum Abbau der Bio<strong>materialien</strong>.........................................109<br />

Tabelle 22: Materialfunktionen <strong>und</strong> mechanische Parameter; wo nicht anders angegeben,<br />

12


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

stammen die Werte aus: (Lexikon der Biologie 1999, S.444), wobei (b)=Biegebelastung,<br />

(d)=Druckbelastung, a(Currey 1970, S.30)..........................................................................118<br />

Tabelle 23: Habitate <strong>und</strong> Einsatzorte der biogenen Materialien...........................................120<br />

Tabelle 24: Energetischer Vergleich zwischen mineralischem Geweih <strong>und</strong> Horn................135<br />

Tabelle 25: Recyclingkonzepte in der Technik (Hübner / Simon-Hübner 1991 in:<br />

Schmidt-Bleek / Tischner 1995, S.112)...............................................................................142<br />

13


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

1 EINLEITUNG<br />

Die Lebewesen auf dieser Erde bilden <strong>und</strong> nutzen Materialien schon seit mehreren<br />

H<strong>und</strong>ertmillionen von Jahren. Damit verb<strong>und</strong>en sind auch ökologische Kreisläufe entstanden.<br />

Vom Menschen geschaffene technische Produkte <strong>und</strong> Prozesse gibt es hingegen erst seit<br />

wenigen Zehntausenden Jahren. Es liegt daher nahe, Prinzipien, die sich seit langem in der<br />

Biosphäre bewähren, im Hinblick auf Anwendungsmöglichkeiten in der Technik zu<br />

untersuchen. Die Implementierung der Gr<strong>und</strong>lagen natürlicher Prozesse verspricht in vielen<br />

Bereichen ein großes Potenzial für eine Nachhaltige Entwicklung.<br />

Nachhaltige Entwicklung stellt den Rahmen für Ecodesign dar. Darin werden soziale,<br />

ökologische <strong>und</strong> ökonomische Ziele verfolgt. In dieser Arbeit wird der ökologische Bereich<br />

herausgegriffen. Speziell anhand der Materialverwendung (Knochen, Holz, Horn, Seide etc.)<br />

bei Organismen werden Fragestellungen untersucht, die für eine umweltgerechte<br />

Produktgestaltung relevant sind.<br />

Nun ergeben sich bei der Betrachtung von natürlichen <strong>und</strong> technischen Prozessen bereits im<br />

Vorfeld einige Analogien. Die Ausgangsbasis in beiden Systemen stellen begrenzte<br />

Ressourcen dar. Sowohl Organismen als auch Ingenieure müssen sich auf diese<br />

Rahmenbedingung einstellen, die in verschiedenen Strategien der Materialverwendung<br />

Ausdruck findet.<br />

Für Produkte, die nachhaltig gestaltet werden sollen, stellt sich daher immer wieder die<br />

Frage, was die optimale Produktlebensdauer ausmacht <strong>und</strong> wie die Produkte recycliert<br />

werden sollen. Ein Ansatz, Antworten darauf zu finden, ist das Studium der Biosphäre.<br />

Organismen verwenden ebenfalls Materialien, die verschiedenste Funktionen erfüllen. Daher<br />

kann man die Frage stellen, wovon die Langlebigkeit von Materialien in der Biosphäre<br />

abhängt. Ein sehr plausibel erscheinender Zusammenhang ist der zwischen dem Energieinhalt<br />

<strong>und</strong> der Einsatzdauer von Bio<strong>materialien</strong>. Eine weitere Forderung aus dem Ecodesign ist die<br />

nach optimalen Recyclingprozessen. Da die Zeitspanne, bis ein Material wieder in den<br />

Kreislauf zurückgeführt wird, von zentraler Bedeutung dafür ist, wird auch die Abbauzeit von<br />

biogenen Materialien untersucht. Mittels dieser Daten soll festgestellt werden, ob es<br />

Korrelationen zwischen Energieinhalt, Einsatzdauer <strong>und</strong> Abbauzeit von Bio<strong>materialien</strong> gibt<br />

<strong>und</strong> welche Prinzipien dem zu Gr<strong>und</strong>e liegen.<br />

14


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Für die Biologie ist das Wissen um die angeführten Zusammenhänge ebenfalls von Interesse.<br />

Eine primäre Annahme in der Biologie basiert darauf, dass überall dort, wo Energie<br />

eingespart bzw. effizient genutzt werden kann, diese Einsparung auch erfolgt.<br />

In den Anfangskapiteln der Arbeit finden sich die Thesen, die der Fragestellung zu Gr<strong>und</strong>e<br />

liegen. Darauf folgend werden die Begriffe Bionik <strong>und</strong> Ecodesign kurz umrissen. Das Kapitel<br />

über die Verteilung der Elemente soll einen Überblick über die Ressourcen auf der Erde<br />

liefern. Danach werden Menge, Art <strong>und</strong> Eigenschaften der technischen Materialien, die heute<br />

genutzt werden, aufgeführt.<br />

Der zentrale Bereich der Untersuchung beginnt mit der Festlegung des Arbeitsfeldes, in dem<br />

die Kriterien für die Auswahl der Bio<strong>materialien</strong> beschrieben werden. Darauf folgt eine<br />

dynamische Betrachtung der Materialverwendung in der Biosphäre. Hier wird festgestellt,<br />

wann welche Materialien das erste Mal in der Stammesgeschichte aufgetaucht sind <strong>und</strong> von<br />

welchen Organismengruppen sie eingesetzt werden. Um einen Vergleich zu den im<br />

technischen Bereich eingesetzten Materialmassen herzustellen, wird auch hier die Häufigkeit<br />

einzelner Bio<strong>materialien</strong> aufgezeigt.<br />

Im Kern der Arbeit werden Daten zu Energieinhalt, Einsatzdauer <strong>und</strong> Abbauzeiten von<br />

biogenen Materialien erhoben. Sie sind am jeweiligen Kapitelende zusammengefasst<br />

aufgelistet. Mittels dieser Daten wird nach Korrelationen gesucht, die im Ergebnisteil<br />

dargestellt sind. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden dann im Rahmen der<br />

Ecodesign-Kriterien diskutiert.<br />

Die Untersuchung stellt somit einen wichtigen Schritt für das Verständnis der<br />

Materialverwendung in der Biosphäre dar, zumal es Untersuchungen dieser Art bis dato nicht<br />

gegeben hat. Dieses Wissen ist für eine Integration von natürlichem <strong>und</strong> technischem<br />

Materialeinsatz von großer Bedeutung.<br />

15


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

2 THESEN<br />

Schon der Begriff Nachhaltigkeit leitete sich von biologischen Gegebenheiten ab, <strong>und</strong> man<br />

ging davon aus, dass sich durch ein Fließgleichgewicht in Ökosystemen eine fortdauernde<br />

Lebensgemeinschaft bildet. Im Laufe der Zeit erfuhr der Begriff Nachhaltige Entwicklung<br />

allerdings einen Wandel <strong>und</strong> er umfasst heute sowohl ökologische als auch soziale <strong>und</strong><br />

wirtschaftliche Bereiche auf einer ethischen Basis. (Sustain 2001, S.9ff) Trotz der<br />

Erweiterung des Begriffes liegt es nahe − auch mit der Methode der Bionik − nach Prinzipien<br />

für nachhaltige Lösungen in der Ökosphäre zu suchen, die auf die Technosphäre übertragen<br />

werden können.<br />

Die gr<strong>und</strong>legende These lautet daher, dass in der Biologie Prinzipien zu finden sind, die zur<br />

Gestaltung einer Nachhaltigen Entwicklung beitragen können. Eine Anpassung bzw.<br />

Übertragung der Prinzipien von biologischen auf technische Systeme wird daher zu einer<br />

nachhaltigeren Gestaltung menschlicher Eingriffe führen.<br />

Lebewesen werden in diesem Zusammenhang als Produkte der Natur betrachtet <strong>und</strong> somit<br />

analog zu technischen Produkten gesehen. Eine Hypothese ist, dass biogene Produkte<br />

nachhaltig gestaltet sind bzw. dass sie in ein nachhaltiges System eingegliedert sind <strong>und</strong> dass<br />

die zu Gr<strong>und</strong>e liegenden Prinzipien, auf technische Produkte übertragen, helfen können,<br />

nachhaltigere Produkte zu erzeugen.<br />

Eine Analogie lässt sich also auf der Ebene der Materialeigenschaften finden. Die Art des<br />

Materialeinsatzes ist allerdings sehr unterschiedlich. Die Materialwahl unterliegt im<br />

technischen Bereich einem rational nachvollziehbaren Auswahlverfahren. Die Organismen<br />

hingegen wählen keine Materialien aus. An dieser Stelle stößt die Analogie also an ihre<br />

Grenzen.<br />

16


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

3 BIONIK UND TECHNISCHE BIOLOGIE<br />

Bionik wird wie folgt definiert: Der Begriff Bionik (im englischsprachigen Raum bionics<br />

oder biomimetics) setzt sich aus der ersten Silbe des Wortes „Biologie“ <strong>und</strong> der zweiten Silbe<br />

des Wortes „Technik“ zusammen, wodurch schon eine gr<strong>und</strong>sätzliche Definition der<br />

Forschungsrichtung gegeben ist. Geprägt wurde der Begriff „bionics“ 1958 von J.E. Steele,<br />

wobei für ihn das „Lernen der Technik von der Natur“ im Vordergr<strong>und</strong> stand. Heute werden<br />

dem Vorschlag W. Nachtigalls folgend − zumindest im deutschsprachigen Raum − die<br />

komplementären Forschungsansätze der Technischen Biologie <strong>und</strong> der Bionik unterschieden.<br />

Die Technische Biologie beschäftigt sich mit der Erforschung des<br />

Form-Struktur-Funktions-Zusammenhangs lebender Organismen unter der Verwendung<br />

physikalischer <strong>und</strong> technischer Methoden, d.h., hier findet ein (Methoden-)Transfer von der<br />

Technik in die biologische Forschung statt. In der Bionik hingegen wird versucht, Verfahren,<br />

Konstruktions- <strong>und</strong> Entwicklungsprinzipien der Natur in technische Anwendungen<br />

umzusetzen; hier findet in umgekehrter Richtung ein (Erkenntnis-)Transfer von der Biologie<br />

in die Technik statt. Es muss hierbei betont werden, dass in der Bionik keine identischen<br />

Kopien von der Natur zur Technik möglich sind, sondern dass es sich um ein häufig über<br />

mehrere Abstraktions- <strong>und</strong> Modifikationsprozesse laufendes kreatives Umsetzen in die<br />

Technik handelt, d.h. um ein eigenständiges Weitergestalten, welches eher ein durch die<br />

Natur angeregtes „Neuerfinden“ darstellt als eine „Blaupause“ der Natur. Der ursprünglich<br />

anstelle von „Technischer Biologie“ verwendete Begriff der Biotechnik ist heute eindeutig<br />

mit mikro- <strong>und</strong> molekularbiologischen sowie biochemischen Inhalten belegt <strong>und</strong> sollte, um<br />

Begriffsverwirrungen zu vermeiden, nur noch in diesem Sinne verwendet werden. (Speck<br />

1999, S.447ff)<br />

Bionik stellt also ein Werkzeug oder eine Methode dar, die bei technischen Problemen eine<br />

Hilfestellung leistet. So kann sie auch zur Auffindung konstruktiver Lösungen im Bereich der<br />

umweltgerechten Produktgestaltung eingesetzt werden.<br />

Die Bionik wird in eine Reihe von Teilgebieten unterteilt. Nachfolgend soll der<br />

Gliederungsversuch von Nachtigall angeführt werden (Nachtigall 1998, S.9, 17ff):<br />

• Struktur<strong>bionik</strong> (Vergleichsprinzipien <strong>und</strong> Materialnutzung)<br />

• Bau<strong>bionik</strong> (»Natürliches Bauen«)<br />

• Klima<strong>bionik</strong> (Passive Lüftung, Kühlung <strong>und</strong> Heizung)<br />

• Konstruktions<strong>bionik</strong> (Konstruktionselemente <strong>und</strong> Mechanismen)<br />

17


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

• Bewegungs<strong>bionik</strong> (Laufen, Schwimmen, Fliegen)<br />

• Geräte<strong>bionik</strong> (Gesamtkonstruktionen)<br />

• Anthropo<strong>bionik</strong> (Mensch-Maschine-Interaktion, Robotik)<br />

• Sensor<strong>bionik</strong> (Sensoren <strong>und</strong> Ortung)<br />

• Neuro<strong>bionik</strong> (Datenanalyse <strong>und</strong> Informationsverarbeitung)<br />

• Verfahrens<strong>bionik</strong> (Vorgangs- <strong>und</strong> Umsatz<strong>bionik</strong>)<br />

• Evolutions<strong>bionik</strong> (Evolutionstechnik <strong>und</strong> -strategie)<br />

Die Bereiche überschneiden sich teilweise wie bei der Klima- <strong>und</strong> Bau<strong>bionik</strong> <strong>und</strong> sind einmal<br />

weiter <strong>und</strong> einmal enger gefasst. Der Ansatz, der in dieser Arbeit verfolgt wird, lässt sich<br />

nicht eindeutig einem der angeführten Gebiete zuordnen. Am besten passt er wohl wegen<br />

seines Materialbezugs zur Struktur<strong>bionik</strong>. Aber auch Verfahren spielen im Ecodesign eine<br />

wichtige Rolle.<br />

Wie bei allen bionischen Vorhaben wird in der vorliegenden Arbeit mit einer technischen<br />

Fragestellung begonnen, <strong>und</strong> es wird versucht diese mittels der in der Biologie zu findenden<br />

Phänomene zu beantworten. Das entspricht der Technischen Biologie. Dieser Schritt muss<br />

getan werden, um die Prinzipien der Natur zu verstehen, bevor sie angewendet werden<br />

können. Da es im Bezug auf die Themenstellung der vorliegenden Arbeit noch keine<br />

Untersuchungen gegeben hat, muss die bionische Anwendung vorerst im Hintergr<strong>und</strong> stehen.<br />

Mit der Fragestellung aus der Technik, ob in der Biosphäre in Bezug auf den Materialeinsatz<br />

nachhaltig gewirtschaftet wird <strong>und</strong> wenn ja, wie, soll versucht werden, Antworten in der<br />

Natur zu finden, die in einem weiteren Schritt zur Anwendung kommen können.<br />

18


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

4 ECODESIGN<br />

Der Begriff Ecodesign entstand im Rahmen einer Forschungsinitiative des<br />

B<strong>und</strong>esministeriums für Wissenschaft <strong>und</strong> Forschung (Paula 1993). Die Gr<strong>und</strong>lage dafür<br />

bildete eine Eureka-Euroenviron-Aktivität (EUREKA 1991). (Rehse 1996, S.9)<br />

Ähnlich wie bei der Bionik wird im Ecodesign eine Orientierung an Prozessen in der<br />

Biosphäre vorgeschlagen. Produkte sollen dabei so gestaltet werden, dass sie sich in<br />

ökologische Kreisläufe eingliedern <strong>und</strong> möglichst wenig negative Auswirkungen zeigen. Im<br />

Unterschied zur Bionik verfolgt Ecodesign ein klares Ziel, nämlich u.a. die Implementierung<br />

von umweltgerechten Produkten <strong>und</strong> Prozessen. Das Ziel von Ecodesign ist demnach durch<br />

klare Kriterien charakterisiert. Gleichzeitig ist Ecodesign aber auch eine Methode diese<br />

Kriterien zu erreichen.<br />

Derzeit existiert keine einheitliche Definition von Ecodesign. Ein weitgefasster Versuch den<br />

Begriff abzustecken lautet folgendermaßen: Ecodesign ist die Lehre von den Prozessen zur<br />

Schaffung einer neuen Produktkultur aus dem Leitbild »Zukunftsfähige Entwicklung«<br />

.<br />

Durch Ecodesign-Maßnahmen sollen Mängel <strong>und</strong> Defizite von Produkten in Bezug auf<br />

ökologische, wirtschaftliche <strong>und</strong> technische Kriterien verringert werden. Dabei lassen sich die<br />

Aktionsfelder wie folgt unterteilen (Rehse et al. 1998, S.15):<br />

• Produktionsoptimierung<br />

• Produktoptimierung<br />

• Funktionsoptimierung<br />

• Dienstleistungsoptimierung<br />

• Gebrauchsoptimierung<br />

• Regionale Systemoptimierung<br />

An anderer Stelle wird Ecodesign wie folgt beschrieben: Ecodesign liegt der Ansatz<br />

zugr<strong>und</strong>e, bei der Entwicklung, der Produktion, dem Vertrieb, der Verwendung <strong>und</strong><br />

schließlich der Entsorgung eines Produktes stets die zu erwartenden Auswirkungen auf die<br />

Umwelt mit ins Kalkül zu ziehen <strong>und</strong> deutlich zu verringern, um zu einem optimierten,<br />

ganzheitlichen Nutzungskonzept zu gelangen. Dabei inkludiert der Produktbegriff sowohl<br />

19


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Hardware, Software, Dienstleistungen als auch jegliche Art eines zur Bedürfnisbefriedigung<br />

dienenden Gutes. <br />

Ecodesign-Produkte sind: »flexibel, zuverlässig, langlebig, anpassbar, modular,<br />

dematerialisiert«. Sie vereinen wirtschaftliche Sinnhaftigkeit, soziale Verträglichkeit <strong>und</strong><br />

ökologische Notwendigkeit. <br />

Ecodesign entwickelte sich aus der gängigen Umweltpolitik der »End of Pipe«-Lösungen.<br />

Der erste Schritt bestand in der Prävention, also der Vermeidung von Abfällen <strong>und</strong><br />

Schadstoffen dort, wo sie entstehen (Clean Production). Der nächste Schritt ist die<br />

Minimierung der Umweltauswirkungen eines Produktes über den gesamten ökologischen<br />

Lebenszyklus von der Rohstoffherstellung bis zur Entsorgung (Clean Products). In einem<br />

weiteren Schritt wird nun angestrebt, das gesamte sozio-ökonomische System des Produktes<br />

inklusive seiner Nutzung im Sinne einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Entwicklung zu<br />

optimieren (Ecodesign). Ecodesign soll also mehr Wohlstand bei gleichzeitiger Reduktion des<br />

Umweltverbrauches bewirken! <br />

In der vorliegenden Arbeit wird nur auf einen Aspekt von Ecodesign eingegangen, nämlich<br />

den Produktbereich. Ecodesign ist aber wie bereits erwähnt wesentlich umfangreicher. Da der<br />

bionische Ansatz im Ecodesign noch neu ist, muss jedoch zuerst mit einer einfachen<br />

Sondierung versucht werden Anwendungsmöglichkeiten aufzuzeigen, bevor auf weitere<br />

Details eingegangen werden kann. Daher steht die Materialnutzung im Mittelpunkt dieser<br />

Arbeit.<br />

20


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

5 VERTEILUNG DER ELEMENTE<br />

Um die Verwendung von Materialien besser zu verstehen, ist es nützlich sich anzusehen, wie<br />

häufig die Ausgangs<strong>materialien</strong> bzw. Ressourcen in der Natur vorkommen. Prinzipiell<br />

können für Organismen drei Rohstoffquellen unterschieden werden: Lithosphäre,<br />

Hydrosphäre <strong>und</strong> Atmosphäre.<br />

Die häufigsten Elemente in der kontinentalen Erdkruste sind in Tabelle 1 zusammengefasst.<br />

Element Massenanteil [%]<br />

Sauerstoff (O) 45,20<br />

Silizium (Si) 27,20<br />

Aluminium (Al) 8,00<br />

Eisen (Fe) 5,80<br />

Kalzium (Ca) 5,06<br />

Magnesium (Mg) 2,77<br />

Natrium (Na) 2,32<br />

Kalium (K) 1,68<br />

Andere 1,97<br />

Gesamt 100,00<br />

Tabelle 1: Elemente in der Erdkruste (Chermicoff 1997, S.29)<br />

Die häufigsten Elemente in ausgewählten Organismen werden in Tabelle 2 veranschaulicht.<br />

Element Massenanteil (Frischgewicht) [%]<br />

Mensch Alfalfa Bakterium<br />

Sauerstoff (O) 62,81 77,90 73,68<br />

Kohlenstoff (C) 19,37 11,34 12,14<br />

Wasserstoff (H) 9,31 8,72 9,94<br />

Stickstoff (N) 5,14 0,83 3,04<br />

Phosphor (P) 0,63 0,71 0,60<br />

Schwefel (S) 0,64 0,10 0,32<br />

Andere 2,10 0,40 0,28<br />

Gesamt 100,00 100,00 100,00<br />

Tabelle 2: Häufigkeit der Elemente in verschiedenen Organismen (Morowitz 1968 in: Raven 1992, S.48)<br />

Die häufigsten Elemente im Menschen sind in ausführlicherer Form noch einmal in Tabelle 3<br />

dargestellt.<br />

21


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Element<br />

Massenanteil<br />

(Frischgewicht) [%]<br />

Sauerstoff (O) 65,0<br />

Kohlenstoff (C) 18,5<br />

Wasserstoff (H) 9,5<br />

Stickstoff (N) 3,3<br />

Kalzium (Ca) 1,5<br />

Phosphor (P) 1,0<br />

Kalium (K) 0,4<br />

Schwefel (S) 0,3<br />

Natrium (Na) 0,2<br />

Chlor (Cl) 0,2<br />

Magnesium (Mg) 0,1<br />

Σ 100,0<br />

weniger als 0,01% Anteil haben: B, Cr, Co,<br />

Cu, F, I, Fe, Mn, Mo, Se, Si, Sn, V, Zn.<br />

Tabelle 3: Häufigkeit der Elemente im menschlichen Körper (Campbell 1999, S. 24)<br />

Der Wert für Stickstoff weicht hier etwas ab. Sonst stimmen die Zahlen von Tabelle 2 <strong>und</strong> 3<br />

weitgehend überein.<br />

Es zeigt sich, dass sich die Häufigkeit der Ressourcen nicht in den von Lebewesen<br />

eingesetzten Materialien widerspiegelt. Vor allem die häufigen Metalle Silizium, Aluminium<br />

<strong>und</strong> Eisen spielen in den biogenen Materialien eine sehr untergeordnete Rolle. Sauerstoff,<br />

Kohlenstoff <strong>und</strong> Wasserstoff werden hingegen in großen Mengen eingesetzt.<br />

Weiters sollen die wichtigsten Molekülgruppen, die bei Säugetieren Einsatz finden, angeführt<br />

werden. Der menschliche Körper besteht zu 60 bis 80% aus Wasser <strong>und</strong> den in Tabelle 4<br />

angeführten Molekülen.<br />

Molekül<br />

Massenanteil<br />

(Frischgewicht) [%]<br />

Proteine 15 - 20<br />

Lipide 3 - 20<br />

Kohlenhydrate 1 - 15<br />

Kleine organische Moleküle 0 - 1<br />

Anorganische Moleküle 1<br />

Tabelle 4: Häufigkeit von Molekülen im menschlichen Körper (Rose 1970, S. 29)<br />

22


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

R<strong>und</strong> 98%(Gew.) der Biosphäre können auf den Gr<strong>und</strong>baustein mit der Summenformel<br />

zurückgeführt werden, so sind z.B. Glucose (C 6 H 12 O 6 ) <strong>und</strong> Cellulose Polymere von<br />

(Heinrich 1990, S. 31). Hierbei handelt es sich vermutlich um die Trockenmasse.<br />

Interessanterweise wird der Kohlenstoff − der einen sehr großen Anteil an der trockenen<br />

Biomasse ausmacht − hauptsächlich aus der Atmosphäre bzw. Hydrosphäre genutzt, obwohl<br />

in der Lithosphäre wesentlich mehr von dieser Ressource vorhanden ist (Heinrich 1990,<br />

S.30). Vergleiche dazu auch Tabelle 8.<br />

23


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

6 MATERIALIEN IM TECHNISCHEN GEBRAUCH<br />

Die Materialien im technischen Einsatz lassen sich grob in die Bereiche Metalle, Polymere,<br />

Verb<strong>und</strong>stoffe <strong>und</strong> Keramiken unterteilen. Abbildung 1 gibt einen Überblick über die relative<br />

Wichtigkeit der Materialien in diesen Gruppen im Laufe der letzten 12000 Jahre. In den<br />

Jahren nach 1960 nahm die Bedeutung der Metalle stetig ab. Vor allem die Verb<strong>und</strong>stoffe<br />

haben seither einen hohen Zuwachs erlebt, aber auch Polymere <strong>und</strong> Keramiken kommen<br />

wieder verstärkt zum Einsatz. Die Zahl der heute ingenieurmäßig eingesetzten Materialien ist<br />

groß, <strong>und</strong> Schätzungen reichen von 40000 bis 80000 (Ashby 1992, S.4). Wie sich weiter<br />

unten zeigen wird, ist die Anzahl der in der Biosphäre eingesetzten strukturellen Materialien<br />

dagegen verschwindend gering.<br />

24


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Abbildung 1: Die Evolution der technisch gebrauchten Materialien (Ashby 1992, S.3)<br />

25


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Der Energieinhalt von Materialien im technischen Gebrauch ist in Tabelle 5 angeführt. Er<br />

setzt sich aus Aufwändungen beim Bergbau, der Reinstoffherstellung <strong>und</strong> der Formgebung<br />

zusammen (Ashby 1992, S.244).<br />

Zusätzlich ist in Tabelle 5 der Kumulierte Energie-Aufwand angeführt. Dieser ist wie folgt<br />

definiert: KEA ist der Kumulierte Energie-Aufwand, eine Maßzahl für den gesamten<br />

Aufwand an Energieressourcen zur Bereitstellung eines Produkts oder einer Dienstleistung.<br />

Der KEA kann unterteilt werden in die Anteile erneuerbarer <strong>und</strong> nichterneuerbarer (fossiler<br />

<strong>und</strong> nuklearer) Primärenergien sowie sonstiger Anteile, in denen z.B. Abwärme oder<br />

Reststoffe bilanziert werden. Im KEA ist außerdem der ggf. erforderliche energetische<br />

Aufwand zur Bereitstellung benötigter Stoffe enthalten − der Energieinhalt (Heizwert) von<br />

Stoffen wird jedoch nur berücksichtigt, soweit diese als Energieträger Verwendung finden.<br />

<br />

Die Angaben zum Energieinhalt divergieren teilweise erheblich. Dies könnte auf<br />

unterschiedliche Methoden bei der Berechnung zurückzuführen sein, was aber von dieser<br />

Stelle aus schwer zu überprüfen ist.<br />

Zusätzlich zu den Energieinhalten sind in Tabelle 5 auch Zugfestigkeit, Zug-E-Modul <strong>und</strong><br />

Dichte der Materialien angeführt (vergleiche dazu auch Tabelle 22 für biogene Materialien).<br />

26


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Material Zugfestigkeit<br />

[Mpa]<br />

Zug-E-Modul<br />

[Mpa]<br />

Dichte<br />

[kg/dm 3 ]<br />

Energieinhalt<br />

(*) [MJ/kg]<br />

KEA (**)<br />

[MJ/kg]<br />

Magnesium legiert 200 − 280 a 42000 a 1,8 * 410 − 420 247<br />

Gusseisen 140 − 280 a 20000 * ≈ 8 60 − 260 14<br />

Aluminium 70 − 550 (legiert) a 73000 a 2,7 b 290 − 305 196<br />

Stahl 400 − >1000 a 210000 a 7,9 * 110 − 120 28<br />

Kupfer 400 b 120000 b 8,95 b 95 − 115 53<br />

Zink 100 − 200 b 100000 b ≈ 7 b 67 − 73 71<br />

(Kohlenstoff−) Stahl 400 − >1000 a 210000 a 7,9 b 50 − 60 −−<br />

Blei 20 − 70 * 20000 * 10 b 28 − 32 28<br />

Nylon 70 − 100 * 3000 * 1,2 * 170 − 180 −−<br />

Polypropylen 60 − 70 * 1500 * 0,9 * 108 − 113 −−<br />

HD Polyethylen 20 − 40 * 800 * 1,0 * 103 − 120 47<br />

LD Polyethylen 8 − 20 * 300 * 0,9 * 80 − 104 52<br />

Polystyrol 40 − 70 * 3500 * 1,2 * 96 − 140 68<br />

PVC 40 − 60 * 3000 * 1,2 * 67 − 92 40<br />

Gummi (synthetisch) 2 − 30 * 30 − 100 * 0,9 − 1,5 * 120 − 140 −−<br />

Gummi (natürlich) 2 − 30 * 7 a 0,9 − 1,5 * 5,5 − 6,5 −−<br />

Glas 30 − 170 a 70000 a 2,5 b 13 − 23 −−<br />

Ziegel 5 a −− ≈ 3 3,4 − 6,0 2,6<br />

Keramik 30 − 340 a 10000 − 120000 * ≈ 3 * 6 − 15 −−<br />

Beton 4 a 17000 a 0,5 − 5 b 3 − 6 0,5 − 0,9<br />

Stein 40 − 400 * 25000 − 100000 * 2,5 − 3,2 * 1,8 − 4,0 0,5 − 3,4<br />

Schotter, Sand −− −− 2,5 − 3,2 0,1 0,1<br />

Glasfaser verst. 100 − 800 * 12000 − 90000 * 1,3 − 2 * 90 − 120 −−<br />

Kunststoff<br />

Karbonfaser verst. 500 − 1500 * 30000 − 200000 * 1,3 − 2 * 130 − 300 −−<br />

Kunststoff<br />

Holz<br />

100 (längs der<br />

Faser) a 14000 a 0,2 − 1 * 1,8 − 4,0 8,7 − 30,4<br />

Tabelle 5: Materialien im technischen Gebrauch a (Gordon 1968, S.42ff), b (Lexikon der Biologie 1999, S.444ff),<br />

*(Ashby 1992, S.28ff, 245), **<br />

Die Weltproduktion wichtiger vom Menschen eingesetzter Materialien <strong>und</strong> Wirtschaftsgüter<br />

ist in Tabelle 6 angeführt. Dabei spielen Materialien mit einem geringen Energieinhalt, wie<br />

Sand <strong>und</strong> Kies, eine große Rolle. Doch auch Materialien mit höherem energetischen Aufwand<br />

in der Produktion, wie beispielsweise Eisen, werden in großen Mengen produziert.<br />

27


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Weltproduktion [Mio.t/a]<br />

Wirtschaftsgut, Material<br />

bis 1 Platin, Gold, Silber, Zinn<br />

von 1 bis 10 Titandioxid * , Feldspat * , Blei, Fluorit * , Asbest * , Betonit * ,Baryt * , Zink, Talk * ,<br />

Pyrophyllit * , Chromit *<br />

von 10 bis 100 Kupfer, Magnesit * , Kaolin * , Manganerz * , Kalisalz * , Schwefel * , Gips * ,<br />

Kunstfasern (auf Cellulose− <strong>und</strong> Synthetikbasis), Mineraldünger, syn.<br />

Kautschuk<br />

von 100 bis 1000 Bauxit, Phosphat * , Steinsalz * , Eisen, Tonstein * , Lehm * , Papier <strong>und</strong> Pappe<br />

von 1000 bis 10000 Zement, Braunkohle, Erdöl, Steinkohle, Natursteine * , Sand * <strong>und</strong> Kies *<br />

Tabelle 6: Weltproduktion verschiedener Wirtschaftsgüter Ende der 1990er bzw. 1983. Quelle: (Baratta 2000,<br />

S.1153ff), * Zahlen von 1983 aus: (Lüttig / Walter / Merian, in: Schmidt-Bleek 1993, S. 22)<br />

Doch auch der weltweite Holzeinschlag stellt mit 3354·10 6 m³ im Jahre 1996 eine wichtige<br />

technische Ressource dar. Davon werden 1490·10 6 m³ als Industrieholz eingesetzt, der Rest<br />

entfällt auf Brennholz. (Baratta 2000, S.1139)<br />

Betrachtet man die anthropogenen Materialströme während der Menschheitsgeschichte, so ist<br />

ein stetiges Anwachsen zu bemerken. In frühen Jäger- <strong>und</strong> Sammler-Gesellschaften betrug<br />

der Materialinput fester Stoffe r<strong>und</strong> 1 t/(Kopf·a) (Trockensubstanz), wobei die zur<br />

Herstellung von Nahrung <strong>und</strong> Energie (Feuer) benötigten Materialien hauptsächlich aus<br />

pflanzlicher Biomasse gewonnen wurden. In Agrargesellschaften der gemäßigten Breiten<br />

wurden um 1875 bereits 4 t/(Kopf·a) verbraucht, wobei 2,7 t für Futterzwecke benötigt<br />

wurden. Der Materialbedarf einer Industriegesellschaft, beispielsweise Österreich um 1990,<br />

betrug r<strong>und</strong> 21,5 t/(Kopf·a). Dieser Bedarf setzte sich aus 3,1 t landwirtschaftlicher Biomasse<br />

(TS), 3,3 t Holz, 9 t Schotter, Sand, etc. <strong>und</strong> 3,2 t anderer Materialien zusammen.<br />

(Fischer-Kowalski et al. 1996, S.30)<br />

Ein Mensch in einer Jäger- <strong>und</strong> Sammler-Gesellschaft benötigt r<strong>und</strong> 3 kg Rohstoffe, 12 kg<br />

Luft <strong>und</strong> 20 kg Wasser pro Tag <strong>und</strong> produziert somit 35 kg Abfälle bzw. Emissionen. In<br />

Industriegesellschaften um 1990 werden pro Kopf <strong>und</strong> Tag 55 kg Rohstoffe, 120 kg Luft <strong>und</strong><br />

1150 kg Wasser benötigt, was eine Abfalls- oder Emissionsmenge von 1320 kg/(Kopf·d)<br />

ergibt. (Fischer-Kowalski et al. 1996, S.34) Der Materialeinsatz ist in Österreich zwischen<br />

1970 <strong>und</strong> 1990 um mehr als 20% gestiegen (Hüttler, Payer, Schandl in: Fischer-Kowalski et<br />

al. 1996, S.116).<br />

28


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Die statische Lebensdauer (= Reichweite der Vorräte bei gleich bleibender Jahresförderung)<br />

einiger ausgewählter Rohstoffe zum Stand 1999/2000 ist in Tabelle 7 angeführt.<br />

Rohstoff statische Lebensdauer<br />

[a]<br />

Rohstoff statische Lebensdauer<br />

[a]<br />

Chrom 350 Eisen 300<br />

Mangan 250 Braunkohle 230<br />

Nickel 160 Steinkohle 200<br />

Zinn 120 Kupfer 90<br />

Blei 90 Erdgas 75<br />

Erdöl 45 Zink 45<br />

Erdöl (+ Teersand /<br />

Ölschiefer) 120<br />

Quecksilber<br />

35<br />

Tabelle 7: Statische Lebensdauer ausgewählter Rohstoffe (Baratta 2000, S.1152)<br />

29


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

7 AUSGEWÄHLTE BIOGENE MATERIALIEN<br />

In der Biosphäre <strong>und</strong> in der Technosphäre werden, wie bereits erwähnt, sehr unterschiedliche<br />

Materialien eingesetzt. Organismen sind auf die verfügbaren Ressourcen angewiesen, <strong>und</strong><br />

dennoch werden nur wenige Elemente in großen Mengen von Organismen verwendet. Dies<br />

ist interessant, da mit den wenigen Ausgangsstoffen die unterschiedlichsten Materialien mit<br />

sehr heterogenen Eigenschaften erzeugt werden. In der Biosphäre werden im Gegensatz zur<br />

Technosphäre nur selten reine Materialien verwendet. Strukturelle Bio<strong>materialien</strong> bestehen<br />

zumeist aus Verbindungen mehrerer Komponenten, wodurch auch eine Anpassung an die<br />

jeweils gegebenen Erfordernisse durch Änderungen in den Mischungsverhältnissen<br />

stattfinden kann. So sind die Bestandteile von Zahnschmelz <strong>und</strong> Knochen die gleichen, doch<br />

die Struktur <strong>und</strong> das Verhältnis der eingesetzten Stoffmengen sind unterschiedlich. Daraus<br />

ergeben sich die Unterschiede in der mechanischen Performance.<br />

Materialien, die in der Technik konstruktiv zum Einsatz kommen, sind oft starr. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> beschäftigt sich diese Arbeit auch nur mit starren, strukturellen Bio<strong>materialien</strong>. Eine<br />

weitere Einschränkung erfolgt auf die Tier- <strong>und</strong> Pflanzenwelt, da in beiden oft in gleichen<br />

Größenordnungen wie in der Technik operiert wird.<br />

Die biogenen Materialien können ganz allgemein in zwei Gruppen eingeteilt werden:<br />

anorganische <strong>und</strong> organische Materialien. Bei den anorganischen Materialien handelt es sich<br />

um Mineralien, meist mit Einlagerungen kleiner Mengen organischer Komponenten.<br />

Organische Materialien sind aus Polymeren verschiedenster Bestandteile, meist<br />

Polysaccharide oder Proteine, aufgebaut.<br />

Drei verschiedene Arten von Mineralien dominieren im Tierreich. Mit geringer werdender<br />

Häufigkeit in Skeletten (Exo- <strong>und</strong> Endoskelett) sind das: Kalziumkarbonat CaCO 3 (als Kalzit<br />

oder Aragonit), Kalziumphosphat Ca 3 (PO 4 ) 2 bzw. Varianten davon <strong>und</strong> Silikat in Form von<br />

Varianten von SiO 2 . Kalzium <strong>und</strong> Silizium stellen also viel verwendete Elemente dar, wohl<br />

auch deshalb, weil sie häufig vorkommen. Die Verwendung von Phosphat ist überraschend,<br />

da es meist nur in geringen Mengen in der Umwelt vorhanden ist. Es wird angenommen, dass<br />

Knochenmaterial, das zu einem Großteil aus Kalziumphosphat aufgebaut ist, am Beginn nicht<br />

aus mechanischen Gründen, sondern aus Gründen der temporären Speicherung von Phosphat<br />

bei Skeletten von frühen Fischformen zum Einsatz kam, um Zeiten des mangelnden<br />

Vorkommens dieser Ressource im Meer besser zu überstehen. (Currey 1970, S.17) Phosphate<br />

30


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

sind aber in Form von ATP u.a. für metabolische Zwecke ubiquitär in der Biosphäre<br />

vorhanden.<br />

Es ist davon auszugehen, dass die Stoffe, die für die Erzeugung von mineralischen<br />

Materialien nötig sind, in gelöster Form aufgenommen werden. Ca 2+ 3−<br />

,HCO 3− <strong>und</strong> PO 4 liegen<br />

in wässeriger Lösung <strong>und</strong> somit im Süßwasser <strong>und</strong> Meerwasser als Ionen vor, während<br />

Si(OH) 4 in Wasser nicht in Ionen dissoziiert. Als Ressource für Phosphate dienen allerdings<br />

nicht nur gelöste Ionen. In jedem Lebewesen <strong>und</strong> damit in der Nahrung von Heterotrophen<br />

kommt Phosphat in organischen Verbindungen vor. Mineralische Bio<strong>materialien</strong> werden im<br />

Rahmen dieser Arbeit anhand der Beispiele Knochen, Dentin, Zahnschmelz, Geweih,<br />

Siliziumschalen, Molluskenschalen, Korallen <strong>und</strong> Kalkschwämme untersucht.<br />

Neben den erwähnten mineralischen Bio<strong>materialien</strong> werden auch organische betrachtet. Die<br />

wesentlichen strukturellen Materialien in diesem Bereich stellen Holz, Cellulose, Keratin,<br />

Seide <strong>und</strong> Chitin dar. Die Ressourcen zu ihrer Herstellung sind größtenteils CO 2 <strong>und</strong> Wasser.<br />

Daneben spielen Stickstoff- <strong>und</strong> Schwefelquellen für die aus Proteinen aufgebauten Stoffe<br />

Keratin, Seide <strong>und</strong> Chitin eine Rolle. Im Wesentlichen werden in der Natur mehr oder<br />

weniger vernetzte Mehrfachzucker <strong>und</strong> Eiweißketten zur Bildung organischer Bio<strong>materialien</strong><br />

verwendet.<br />

Die zur Untersuchung herangezogenen Arten sind meist willkürlich ausgewählt. Das liegt<br />

hauptsächlich daran, dass es im Allgemeinen keine für diese Arbeit verwertbaren,<br />

systematisch aufgelisteten Daten gibt. Die untersuchten Arten, von denen Daten vorliegen,<br />

wurden nach anderen Kriterien ausgewählt, als sie für diese Arbeit wünschenswert wären. Die<br />

meiste diesbezügliche Literatur wurde über den Menschen verfasst <strong>und</strong> über Organismen, die<br />

direkt in Bezug zu ihm stehen. Daraus resultiert die Schwerpunktsetzung in dieser Richtung.<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

8 EVOLUTION DER AUSGEWÄHLTEN BIOGENEN MATERIALIEN<br />

Die ausgewählten Materialien werden für die Evolutionsbetrachtungen wieder in organische<br />

<strong>und</strong> mineralische Materialien unterteilt. Da die Weichteilerhaltung − also die Erhaltung<br />

organischer Stoffe − sehr selten vorkommt, sind die fossilen Überreste, die die mineralischen<br />

Materialen hinterlassen haben, viel ausgeprägter (Thenius 1976, S.12). Es kann auch davon<br />

ausgegangen werden, dass die Datierung der erhaltenen mineralischen Hartteile genauer ist<br />

als die der Weichteile.<br />

Die Betrachtung der organischen Materialien stützt sich demgemäß auf die<br />

Organismengruppe, bei denen diese verwendet wurden <strong>und</strong> werden. Das bedeutet<br />

beispielsweise, dass das Auftreten von Hörnern zeitlich dort angesetzt wird, wo die ersten<br />

Überreste − meist Skelette − von Hornträgern gef<strong>und</strong>en wurden. Es kann also davon<br />

ausgegangen werden, dass Materialien wie Proteine zu den ursprünglichsten überhaupt<br />

zählen, da sie Gr<strong>und</strong>bausteine des Lebens darstellen.<br />

Abbildung 2 gibt einen Überblick über die Stammesgeschichte der Organismen. Die<br />

Zeitachse verläuft dabei vertikal von unten nach oben <strong>und</strong> ist mit den einzelnen Epochen<br />

gekennzeichnet. Es wird ersichtlich, auf welche Wurzeln die heute anzutreffenden Arten<br />

zurückgehen. Anhand dieser Darstellung <strong>und</strong> der folgenden Kapitel soll ein<br />

erdgeschichtlicher Überblick über die in der Biosphäre zum Einsatz gekommenen Materialien<br />

gegeben werden.<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Abbildung 2: Auftreten <strong>und</strong> Verbreitung der Organismen in der Erdgeschichte (Vogel / Angermann 1998,<br />

S.520)<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

8.1 Mineralische Materialien<br />

Biomineralisation ist weit verbreitet <strong>und</strong> findet sowohl bei Prokaryonten als auch<br />

Eukaryonten statt. Über 60 verschiedene Biomineralien sind derzeit bekannt, die unter den<br />

verschiedensten Bedingungen − sowohl in Zellen als auch außerhalb − gebildet werden. Die<br />

Massenbewegungen durch Biomineralisation sind so groß, dass sie die Biosphäre merklich<br />

beeinflussen. (Lowenstam / Weiner 1989, S.227)<br />

Erste fossil erhaltene Skelettteile datieren aus einer Zeit vor 570 Mio.a, nicht skelettale<br />

Makrofossilf<strong>und</strong>e sind bereits vor 670 Mio.a aufgetreten. Mit dem Auftreten von skelettalen<br />

Hartteilen ist auch die Grenze zwischen dem Präkambrium <strong>und</strong> dem Phanerozoikum<br />

definiert. Dennoch gibt es Hinweise auf wesentlich ältere, biogen induzierte Mineralisationen.<br />

So wird angenommen, dass Sulfide bereits vor 2,7 Mrd.a durch den Einfluss von<br />

Mikroorganismen gebildet wurden. Die ältesten fossilen F<strong>und</strong>e, die in direktem<br />

Zusammenhang mit biologischer Aktivität stehen, sind 1,6 Mrd.a alt. Dabei wurde, ähnlich<br />

wie auch bei heute noch lebenden Bakterien, Mangan in Mineralien eingebaut. Es wird<br />

jedoch auch diskutiert, ob gewisse Eisenablagerungen, die bis zu 3,8 Mrd.a alt sind, biogenen<br />

Ursprungs sind. Der Nachweis des biologischen Einflusses ist allerdings schwierig, da<br />

teilweise kaum ein Unterschied zu anorganisch produzierten Mineralien besteht.<br />

(Lowenstam / Weiner 1989, S.228ff)<br />

An der Grenze vom Präkambrium zum Kambrium wurde die biologisch kontrollierte<br />

Mineralisation zu einem der signifikantesten Ereignisse in der Stammesgeschichte.<br />

Organismen aus den verschiedensten Stämmen der Reiche Monera (Organismen ohne<br />

Zellkern), Protista (Einzeller), Animalia (Tierreich) <strong>und</strong> wahrscheinlich auch anderer<br />

begannen größere Mengen an Biomineralien zu produzieren. Die ersten von Organismen so<br />

produzierten Hartteile beinhalteten bereits Karbonate, Phosphate <strong>und</strong> Silikate. Diese<br />

Verbindungen sind auch unter den heute lebenden Organismen die am häufigsten<br />

vorkommenden. (Lowenstam / Weiner 1989, S.232)<br />

Karbonate<br />

Von den sieben verschiedenen biogenen Karbonaten werden nur Kalzit <strong>und</strong> Aragonit, also<br />

zwei Arten von Kalziumkarbonat, in großen Mengen gebildet. Kalzit ist von beiden<br />

thermodynamisch gesehen das stabilere Mineral. Das erklärt auch, warum Aragonit mit<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

größerem Alter der Fossilien immer seltener in Erscheinung tritt. Die große Mehrzahl der<br />

Karbonatfossilien bilden die Animalia (Tierreich) <strong>und</strong> Protista (Einzeller), während die<br />

Monera (zellkernlose Organismen) nicht so häufig vorkommen. Marine Organismen sind im<br />

Allgemeinen in größerem Umfang fossil erhalten als terrestrische, da sie durch die Erosion<br />

nicht so stark angegriffen wurden. (Lowenstam / Weiner 1989, S.232ff)<br />

Die ersten fossilen Karbonate gehen auf eine Zeit vor r<strong>und</strong> 1 Mrd.a zurück. Leicht<br />

mineralisierte Cyanobakterien sind in Gesteinen dieser Zeit erhalten. An der Grenze zum<br />

Kambrium kamen plötzlich starke Verkrustungen bei den Cyanobakterien vor. Mineralhaltige<br />

eukaryontische Algen traten erstmals im späten Präkambrium auf <strong>und</strong> nahmen in ihrer Zahl<br />

an mit Mineralien ausgestatteten Arten schlagartig − zwischen dem späten Präkambrium <strong>und</strong><br />

dem unteren Kambrium − zu. Dieses Phänomen ist auch bei Organismen anderer Phyla, wenn<br />

auch zeitversetzt, zu beobachten. Im unteren Kambrium trat dann eine Vielzahl von Varianten<br />

des Einsatzes von Karbonaten auf, die heute nur schwer systematisch eingeordnet werden<br />

können. Am Ende des Kambriums verschwanden die meisten von ihnen wieder, <strong>und</strong> es<br />

blieben hauptsächlich jene über, deren verwandte Vertreter auch heute noch gef<strong>und</strong>en werden<br />

können. Die Monoplacophora <strong>und</strong> die Gastropoden traten sehr früh im Kambrium auf sowie<br />

auch eine Gruppe von heute ausgestorbenen Kalkschwämmen. Diese Archaeocyatha bildeten<br />

bereits große Skelette, mit denen die ersten biogenen Riffe abgestützt wurden. Gleichfalls im<br />

unteren Kambrium tauchten kalkhaltige Brachiopoden auf <strong>und</strong> die Trilobiten mit teilweise<br />

ebenso mineralisiertem Exoskelett. Im mittleren Kambrium kamen auch noch einige andere<br />

verbreitete kalkbildende Organismen zum Vorschein wie verschiedene Algen <strong>und</strong><br />

Cephalopoden. (Lowenstam / Weiner 1989, S.232ff)<br />

Im Ordovizium nahmen die kalkhaltigen Algen an Dominanz zu, <strong>und</strong> die ersten Korallen mit<br />

Karbonatskelett traten ebenso wie die ersten mineralbildenden Foraminiferen in Erscheinung.<br />

Daneben zeigten auch Echinodermaten ihr erstes Erscheinen. (Lowenstam / Weiner 1989,<br />

S.232ff)<br />

Riffkomplexe finden sich zu allen Zeiten der Erdgeschichte. Die ältesten Riffe wurden durch<br />

die Aktivitäten von Blaugrünalgen im Präkambrium gebildet; hier bauten Stromatolithe das<br />

Riffgerüst auf. Im Paläozoikum sind die Korallen sowie die Stromatoporen die bevorzugten<br />

Riffbildner. In Perm <strong>und</strong> Trias gewinnen die Kalkschwämme vorübergehend größere<br />

Bedeutung. Ab dem Jura beherrschen die Neokorallen das Riffwachstum; nur in der<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Oberkreide werden sie von der Muschelgruppe der Rudisten kurzzeitig verdrängt. (Zeil 1990,<br />

S.92) Die Anthozoa (Korallentiere) sind seit dem Ordovizium bekannt. (Thenius 1976, S.78)<br />

Es wird angenommen, dass die dem Paläozoikum folgenden Epochen, bei stark steigender<br />

Produktion von biogenem Karbonat, eine Verlagerung von Kalzit zu Aragonit bei der<br />

Bildung von Skeletten mit sich brachten (Lowenstam / Weiner 1989, S.236, 238). Am Land<br />

spielte die biogene Karbonatbildung nie eine große Rolle. Die ersten Landschnecken tauchten<br />

allerdings bereits im Karbon auf. Das Süßwasser besiedelten Muscheln ab dem Mesozoikum.<br />

In Bezug auf Volumenmengen an Karbonatbildung im Süßwasser sind die Algen Charophyta<br />

wahrscheinlich die bedeutendsten. Sie haben ihre Wurzeln im frühen Devon. (Lowenstam /<br />

Weiner 1989, S.240)<br />

Die Schalen der Muscheln sind aus dem mittleren Kambrium bekannt, während der Ursprung<br />

der Entwicklungsgeschichte der Schnecken möglicherweise schon im Präkambrium zu suchen<br />

ist. Die Brachiopoden sind ebenfalls noch vor den Bivalven aufgetreten <strong>und</strong> seit Beginn des<br />

Kambriums bekannt. (Thenius 1976, S.78)<br />

Phosphate<br />

Im Gegensatz zu Karbonaten haben Phosphate eine wichtige Bedeutung als Nährstoffe.<br />

Phosphor ist für alle Lebensformen ein essenzielles Element. Es ist daher nicht<br />

verw<strong>und</strong>erlich, dass Phytoplankton <strong>und</strong> Zooplankton Phosphate auch als Hartsubstanzen<br />

verwenden. Es liegt also die Vermutung nahe, dass Phosphate zur temporären Speicherung<br />

von Nährstoffen dienen. Damit könnten Synergien zwischen Konstruktionsmaterial <strong>und</strong><br />

Nährstoffspeicherung angenommen werden. Die am häufigsten angetroffenen Strukturen<br />

werden von amorphem Material gebildet <strong>und</strong> nur wenige − 3 von 22 bekannten − Phyla<br />

bilden kristallines Phosphat. (Lowenstam / Weiner 1989, S.240)<br />

Die fossilen F<strong>und</strong>e von Phosphaten beschränken sich auf das Tierreich. Sie sind jedoch nicht<br />

so gut erhalten wie die Karbonate. Eine Erklärung dafür kann ihr Nährstoffgehalt sein, der<br />

dazu führen kann, dass die Überreste von Tieren rasch wieder in den ökologischen Kreislauf<br />

rückgeführt werden. Fossile <strong>und</strong> rezente Gruppen, die Phosphate in amorpher oder kristalliner<br />

Form enthalten, sind: Problematica (amorph: Präkambrium - Trias); Cnidaria (kristallin:<br />

Kambrium - Trias, amorph evtl.: Kambrium - rezent); Ctenophora (amorph evtl.: Kambrium -<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

rezent); Platyhelmintha (amorph: rezent); Nemertina (amorph: rezent); Ectoprocta (kristallin:<br />

Kambrium - Silur, amorph: rezent); Brachiopoda (kristallin: Kambrium - rezent); Annelida<br />

(kristallin <strong>und</strong> amorph: rezent); Mollusken (kristallin: rezent, amorph: Kreide <strong>und</strong> rezent);<br />

Arthropoden (kristalline: Kambrium, amorph: Jura - rezent); Echinodermaten (amorph evtl.:<br />

Devon - rezent); Chordata (kristallin: Kambrium - rezent, amorph: rezent). (Lowenstam /<br />

Weiner 1989, S.240ff)<br />

Die ersten fossilen Phosphatf<strong>und</strong>e gehen in das Kambrium zurück, wobei die taxonomische<br />

Zusammengehörigkeit ungeklärt ist. Die meisten Organismen mit Phosphaten aus dieser Zeit<br />

fallen in die Gruppe der Problematica, die Ende des Kambriums ausgestorben sind.<br />

Vermutungen werden angestellt, ob es einen Konnex zwischen ihrem Aussterben <strong>und</strong> der<br />

Verwendung von Phosphaten gibt. Dafür spricht ein höherer Phosphatgehalt der Meere an der<br />

Wende vom Präkambrium zum Kambrium. (Lowenstam / Weiner 1989, S.240ff)<br />

Ostracoden (Muschelkrebse) mit Hartschalen aus Phosphat entwickelten sich im unteren<br />

Kambrium. Sie wechselten jedoch nach dem Kambrium zu einem Skelett aus Kalzit.<br />

Ähnliches ist auch von Bryozoen <strong>und</strong> den mit einer dünnen chitinig-phosphatischen Schale<br />

ausgestatteten Conularien (Kambrium - Trias) bekannt. (Lowenstam / Weiner 1989, S.240ff,<br />

243) (Lehmann 1985, S.81) Hydrozoen verwenden heute noch Statolithen aus<br />

Ca-Mg-Phosphat als Teil ihrer Gleichgewichtsorgane. (Lowenstam / Weiner 1989, S.244)<br />

Seit Ende des Kambriums sind auch kieferlose Panzerfische mit phosphatischen Skelettteilen<br />

nachweisbar. Sie stellen die ältesten F<strong>und</strong>e von Vertebraten dar. Bei einem der<br />

phosphatischen Problematica könnte es sich um Bryozoen handeln. Von einigen Bryozoen<br />

aus dem Ordovizium bis Silur ist bekannt, dass sie ein Skelett aus einer äußeren Kalzitschicht<br />

<strong>und</strong> einer inneren Phosphatschicht bilden. (Lowenstam / Weiner 1989, S.240ff)<br />

Trotz Schwierigkeiten mit der Zuordnung der F<strong>und</strong>e aus dem Kambrium kann angenommen<br />

werden, dass der Anteil an Organismengruppen, die Phosphatskelette verwendete, zu jener<br />

Zeit am höchsten war. (Lowenstam / Weiner 1989, S.240ff)<br />

Die Vertebraten sind die prominenteste Gruppe von Lebewesen, die Phosphate verwenden.<br />

Als Startpunkt ihrer Entwicklung gilt das mittlere Ordovizium. Die kieferlosen Fische zeigten<br />

eine erhebliche Radiation am Ende des Ordoviziums, dennoch war ihre Zahl am Ende des<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Devons stark zurückgegangen. Die Vorläufer der Knochenfische traten am Beginn des<br />

Devons auf. Sie unterlagen ebenfalls zahlreichen Radiationen. Amphibien, die ersten auch an<br />

Land lebenden Vertebraten, gibt es seit dem späten Devon. Darauf folgten die Reptilien im<br />

späten Karbon, die teilweise im Perm wieder in marine Lebensräume zurückwanderten. Die<br />

ersten Säugetiere sind aus der späten Trias bekannt <strong>und</strong> die ersten Vögel aus dem mittleren<br />

Jura. Aufgr<strong>und</strong> der Tatsache, dass sehr viele rezente Lebewesen Phosphate verwenden, die<br />

fossil nur wenig vorhanden sind, kann man vermuten, dass die Stammesgeschichte der<br />

phosphatmineralisierenden Organismen noch weitgehend ungeklärt ist. (Lowenstam / Weiner<br />

1989, S.243ff)<br />

Bei den Zähnen der Säugetiere dürfte es sich um eine Entwicklung handeln, die am Ende der<br />

Trias eingesetzt hat. Zumindest sind zu dieser Zeit die Mammalenzähne bereits nachweisbar.<br />

(Thenius 1976, S.78) Doch auch bei den früher auftretenden Reptilien sind Zähne bekannt.<br />

Das Organ der Zähne dürfte sich allerdings in verschiedenen Organismengruppen unabhängig<br />

voneinander zur Nahrungszerkleinerung entwickelt haben.<br />

Silikate<br />

Die Verwendung von Silikatskeletten ist heute unter den Einzellern, Pflanzen <strong>und</strong><br />

Schwämmen weit verbreitet. Die Ozeane sind auf Gr<strong>und</strong> der großen Entnahmen an Silikaten<br />

durch Organismen untersättigt. Dabei spielen die planktischen Radiolarien <strong>und</strong> die<br />

Diatomeen, die beide in der photischen, also der obersten Schicht der Meere, leben, die<br />

größte Rolle. Die Untersättigung könnte auch entscheidend bei der raschen Auflösung von<br />

silikatischen Schwämmen <strong>und</strong> „Gastropodenzähnen“ im Seichtwasser sein. Auch im<br />

Süßwasser (Diatomeen, Chrysophyta, Rhizopoda <strong>und</strong> Schwämme) <strong>und</strong> an Land (Pflanzen)<br />

können biogen Silikate gebildet werden. Es ist allerdings auffällig, dass nur einige der<br />

untersten Taxa in den Phyla Silikate bilden können, was die Vermutung nahelegt, dass sich<br />

nur wenige spezialisierte Arten auf Silikate eingestellt haben. (Lowenstam / Weiner 1989,<br />

S.244)<br />

Fossil sind lediglich 8 der heute 22 Phyla, die Silikatbildung betreiben, nachgewiesen. Diese<br />

sind: Actinopoda (Radiolaria) (Kambrium - rezent); Bacillariophyta (Diatomeen) (evtl. Trias,<br />

Kreide - rezent); Chrysophyta (evtl. Kambrium, Tertiär - rezent); Pyrrhophyta (Tertiär -<br />

rezent); Dinoflagellaten (Tertiär - rezent); Schwämme (Kambrium - rezent); Sphenophyta<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

(junges Tertiär - rezent); Angiospermophyta (evtl. Kreide, Tertiär - rezent). Die meisten<br />

dieser Phyla gehören zu den Einzellern, lediglich die Porifera aus dem Tierreich <strong>und</strong> die<br />

Angiospermophyta aus dem Pflanzenreich bilden Ausnahmen. (Lowenstam / Weiner 1989,<br />

S.245)<br />

Die biogene Silikatbildung ist also in der Erdgeschichte bereits aus dem Kambrium bekannt,<br />

wobei es im mittleren Ordovizium zu massenhaften Ablagerungen gekommen ist, die<br />

hauptsächlich aus Radiolarien bestehen. Außer bei den Radiolarien, den Schwämmen <strong>und</strong><br />

evtl. den Chrysophyten sind die biogenen Silikate erst im Mesozoikum oder Känozoikum,<br />

also verhältnismäßig spät, aufgetaucht. Die Entfaltung der Diatomeen im späten Känozoikum<br />

hatte einen weitreichenden Einfluss auf die Sättigung der Meere mit Silikat <strong>und</strong> die<br />

Artenverteilung innerhalb der Biomineralisierer. Gleichzeitig mit der Expansion der<br />

Diatomeen nahmen sowohl die Artenzahl der Radiolarien wie auch die Menge der von ihnen<br />

mineralisierten Materialien ab. Einen ähnlichen Effekt bewirkten die Diatomeen auch<br />

gegenüber den Silikatschwämmen. (Lowenstam / Weiner 1989, S.245ff)<br />

Im Süßwasser sind die Silikatbildner (Diatomeen, Chrysophyten, Rhyzopoden <strong>und</strong><br />

Schwämme) erst seit dem Känozoikum bekannt, wo sie aber teilweise große Ablagerungen<br />

hinterlassen haben. Bei den Pflanzen könnte die Ahnenreihe derer, die Silikate einbauen, bis<br />

ins Ordovizium zurückreichen, <strong>und</strong> sie bezieht sich auf Sphenophyta <strong>und</strong><br />

Angiospermatophyta. Der älteste tatsächliche F<strong>und</strong> geht in das Känozoikum zurück. Bei den<br />

Angiospermen werden die Mineralien vor allem in Samen <strong>und</strong> Vegetationskörpern von<br />

Gräsern eingebaut. Die Einlagerungen in den Gräsern könnten als Fraßschutz entwickelt<br />

worden sein. Ein Kuriosum ist, dass sich die starke Verbreitung der Silikatbildner sowohl im<br />

Meer als auch auf dem Land zur selben Zeit, also in der Mitte des Känozoikums, ereignete.<br />

(Lowenstam / Weiner 1989, S.244ff)<br />

8.2 Organische Materialien<br />

Cellulose<br />

Eines der wohl ältesten biogenen Materialien, das in dieser Arbeit behandelt wird, ist<br />

Cellulose. Sie findet sich bereits in den Protophyten (Einzeller oder lockere Verbände von<br />

Einzellern), die als Vorläufer der höheren Pflanzen angesehen werden können. Hier gibt es<br />

bereits Gattungen wie Chlamydomonas, die zur Klasse der Grünalgen zählen, oder Gattungen<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

aus der Klasse der Dinoflagellaten, die Zellwände aus Cellulose besitzen. (Czihak et al. 1992,<br />

S.556, 566)<br />

Fast alle Prokaryonten besitzen zwar eine Zellwand, jedoch nicht aus Cellulose, sondern aus<br />

Murein, einem Peptidoglycan (Polysaccharidderivat), oder anderen Stoffen . Es<br />

liegt also nahe, das erste Auftreten von Cellulose im Präkambrium anzusetzen. Die heute<br />

existierenden Pflanzen sind stammesgeschichtliche Nachfahren der damals lebenden Algen.<br />

Cellulose kommt aber auch bei Tunicaten vor (Ziegler 1992, S.31).<br />

Lignin<br />

Lignin zur Verfestigung der pflanzlichen Zellwände ist wesentlich später in Erscheinung<br />

getreten <strong>und</strong> wurde erst bei terrestrischen Lebewesen eingesetzt. Im Silur traten die ersten<br />

Landpflanzen auf. Es handelte sich dabei um die zu den Nacktfarnen (Psilophyten) gehörende<br />

Rhynia. Die Nacktfarne sind bereits Ende des Devons wieder ausgestorben, bildeten aber die<br />

direkten Vorläufer der heutigen Palette der Pflanzen mit Ausnahme der Moose. Die<br />

Sumpfpflanze Rhynia zeichnete sich bereits durch einen Wurzelstock mit Rhizoiden,<br />

aufrechte 50 cm hohe Gabelsprosse mit einfachen Spaltöffnungen, Leitbündel, Cutin als<br />

Verdunstungs- <strong>und</strong> UV-Schutz <strong>und</strong> Lignin als Festigungsstoff der Stützzellen aus. (Vogel /<br />

Angermann 1998, S.521)<br />

Chitin<br />

Chitin, das Material, das sowohl bei den Pilzen als auch bei Gliedertieren auftritt, ist<br />

möglicherweise mehrmals unabhängig voneinander entwickelt worden. Pilze stammen wie<br />

auch die Pflanzen von Algen ab. Ihr Auftreten kann im Ordovizium bzw. Silur angenommen<br />

werden. Wesentlich früher traten die Trilobiten auf. Sie lebten vom Kambrium bis ins<br />

Karbon, besaßen Chitin in Form von Kopf-, Rumpf- <strong>und</strong> Schwanzschild <strong>und</strong> wurden von 1<br />

bis 70 cm groß. Trilobiten sind auch die Vorläufer der sich ab dem Silur bzw. Devon<br />

entwickelnden Insekten. Wirbellose Landtiere sind durch das Urinsekt Rhyniella im Devon<br />

belegt. (Vogel / Angermann 1998, S.520ff) Es kann angenommen werden, dass der Einsatz<br />

von Chitin direkt von den Trilobiten auf die Insekten übergegangen ist. Krustazeen, die<br />

häufig ein durch mineralische Einlagerungen gehärtetes Chitinaußenskelett aufweisen, sind<br />

bereits im Kambrium aufgetaucht (Lehmann 1985, S.414). Sowohl Trilobiten als auch<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Krustazeen <strong>und</strong> Insekten haben eine gemeinsame Wurzel in ihrer Entwicklung innerhalb des<br />

Stammes der Arthropoden (Lehmann / Hillmer 1997, S.163).<br />

Chitin fehlt bei den Deuterostomia; es gilt als charakteristisches Merkmal der Protostomia,<br />

von denen einige allerdings sek<strong>und</strong>är die Fähigkeit, es zu bilden, verloren haben (Wickler in:<br />

Heberer 1967, S.445). In der Gruppe der Chitinozoa sind Mikrofossilien mit bis zu 0,3 mm<br />

Größe zusammengefasst, die aus einer chemisch sehr widerstandsfähigen, meist schwarzen,<br />

chitinähnlichen Substanz bestehen. Ihre systematische Stellung ist umstritten. Die<br />

Hauptverbreitung hatten sie im Ordovizium, Silur <strong>und</strong> Devon. (Lehmann / Hillmer 1997,<br />

S.40ff)<br />

Chitin kommt auch bei Algen, Pilzen, Flechten, Cnidariern, Priapuliden, Mollusken,<br />

Anneliden, Onychophoren, Pentastomiden, Arthropoden <strong>und</strong> Tentaculaten vor <strong>und</strong> wird zur<br />

Bildung von Skeletten bei Arthropoden (Trilobiten, Krustazeen, Insekten, usw.), Graptolithen<br />

<strong>und</strong> manchen Brachiopoden benutzt (Ziegler 1992, S.31).<br />

Keratin<br />

Keratin könnte ebenfalls mehrmals unabhängig voneinander entwickelt worden sein. Im<br />

Kambrium sind hornschalige, nur gering mineralisierte Armfüßer häufig vorgekommen. Die<br />

Stammesgeschichte der Armfüßer reicht bereits in präkambrische Zeit zurück. (Vogel /<br />

Angermann 1998, S.520ff) Horngebilde, die durch Einlagerung von Gerüstproteinen<br />

gebildeten abgestorbenen Teile der Oberhaut bei Wirbeltieren, dienen besonders als Schutz<br />

gegen mechanische Einwirkungen <strong>und</strong> Kälte. In dieser Form kommen sie als Hornschuppen<br />

<strong>und</strong> -platten der Kriechtiere, als Federn <strong>und</strong> Schnabel bei Vögeln, als Haare, Krallen, Hufe<br />

<strong>und</strong> Hörner bei Säugetieren <strong>und</strong> Fingernägel bei Wirbeltieren vor. (Lexikon der Biologie<br />

1985, S.279)<br />

Es kann angenommen werden, dass die gemeinsamen Wurzeln einzelner Keratintypen, die<br />

bei verschiedenen Arten wie Haien, Fischen <strong>und</strong> Menschen vorkommen, aus einer Zeit vor<br />

mindestens 450 Mio.a datieren. Die Entwicklung der Keratine muss allerdings nicht immer<br />

einheitlich gewesen sein. Epidermal aus Keratinocyten gebildetes Material unterscheidet sich<br />

beispielsweise von Keratin, das typisch für einfache Epithelien ist. In den einfachen<br />

Epithelien der Mammalen, Vögel, Amphibien, Knorpel- <strong>und</strong> Knochenfische sind jedoch die<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

charakteristischen Keratine verwandt mit denen der menschlichen K8- <strong>und</strong> K18-Form dieses<br />

Proteins. (Schaffeld 1998, S.69ff)<br />

Auch bei den Schwämmen finden sich Proteine als Skelettmaterial. Das Spongin, eine<br />

hornige kollagenähnliche Verbindung (Currey 1970, S.20), steht dem Keratin chemisch sehr<br />

nahe. Die Schwämme als eine sehr ursprüngliche Gruppe im Tierreich haben ihre Wurzeln im<br />

Kambrium (Vogel / Angermann 1998, S.528) oder möglicherweise schon vorher (Lehmann<br />

1985, S.414).<br />

Seide<br />

Seide lässt sich bereits im Unteroligozän nachweisen. In Bernstein blieben Spinnen <strong>und</strong><br />

Fliegen erhalten, die gemeinsam mit Resten des Spinnennetzes eingebettet wurden.<br />

(Kuhn-Schnyder in: Heberer 1967, S.263) Drüsen zur Bildung von seidenartigen Fäden<br />

wurden mehrfach im Laufe der Phylogenie der Insekten entwickelt <strong>und</strong> gingen meistens aus<br />

Labialdrüsen hervor. Die Funktion der Seidenfäden kann durchaus unterschiedlich sein. So<br />

werden sie für Wohngespinste, Schutznetze, Larvenköcher <strong>und</strong> Fanggespinste eingesetzt. Am<br />

bekanntesten sind die aus Seidenfäden gesponnenen Puppenkokons der Hymenoptera, vieler<br />

Coleoptera, der Planipennia, Mecoptera, Trichoptera, Lepidoptera <strong>und</strong> Siphonaptera.<br />

Spinnfäden werden entweder in reiner Form oder vermischt mit Fremdkörpern aus der<br />

Umgebung zum Bau von Wohnröhren oder Kokons verwendet: Beispielsweise nutzen Larven<br />

von Trichoptera (Köcherfliegen) Sandkörner, Schneckenschalen <strong>und</strong> Pflanzenteile, während<br />

Larven von Sackträgermotten <strong>und</strong> Flöhen Schmutzpartikel einbauen. (Dettner 1999, S.49)<br />

Die Seide einer anderen Arthropodengruppe, der Spinnen, ist möglicherweise unabhängig<br />

von jener der Insekten entstanden. Die Arachnida (Spinnen) sind bereits im Silur aufgetaucht<br />

(Lehmann / Hillmer 1997, S.161). Wie bereits erwähnt haben sich die ersten Insekten im<br />

Silur bzw. Devon entwickelt (Vogel / Angermann 1998, S.520ff).<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

9 HÄUFIGKEIT DER VORKOMMENDEN BIOMATERIALIEN<br />

Die Biomasse der Erde − 1841·10 9 t Trockensubstanz (Heinrich 1990, S.31) − verteilt sich zu<br />

r<strong>und</strong> 99% auf die autotrophen Pflanzen, zu 0,9% auf die heterotrophen Pflanzen <strong>und</strong> zu nur<br />

0,1% auf die Tiere (Kalusche 1996, S.238). Die gesamte Nettoprimärproduktion beträgt<br />

172,5·10 9 t/a <strong>und</strong> verteilt sich auf das Meer mit 55,0·10 9 t/a <strong>und</strong> die Kontinente mit<br />

117,5·10 9 t/a. (Heinrich 1990, S.31) Von den rein organischen Materialien kommt Cellulose<br />

am häufigsten vor. Das zweithäufigste biogen gebildete organische Material ist Lignin<br />

(Britannica 2002: Lignin).<br />

An anderer Stelle wird das Chitin als das zweithäufigste organische Material in der Biosphäre<br />

angeführt. Die Menge des organisch geb<strong>und</strong>enen Kohlenstoffes in der Biosphäre beträgt<br />

demnach r<strong>und</strong> 2,7·10 11 t C. Davon sind r<strong>und</strong> 99% (2,6·10 11 t C) in Pflanzen geb<strong>und</strong>en.<br />

Insgesamt liegen 40%, also 1,1·10 11 t C, in Form von Cellulose vor. Der größte Anteil des<br />

Cellulose-Kohlenstoffes ist länger im Einsatz, <strong>und</strong> nur r<strong>und</strong> ein H<strong>und</strong>ertstel (1,3·10 9 t C) wird<br />

jährlich erneuert. Der Chitin-Anteil an der Biomasse liegt unter dem der Cellulose. Die<br />

Nettoprimärproduktion liegt aber mit 2,3·10 9 t C Materialerneuerung pro Jahr alleine beim<br />

Kohlenstoff des Krustazeen-Chitins deutlich über dem der Cellulose. (Peter, M.; Universität<br />

Potsdam, Institut für Chemie, Abt. Naturstoffchemie; persönliche Mitteilung; 29.1.2002)<br />

Umgerechnet auf die gesamte trockene Biomasse liegt die Nettoprimärproduktion von<br />

Cellulose (C 6 H 10 O 5 ) n bei 2,9·10 9 t/a <strong>und</strong> die von Krustazeen-Chitin (C 78 H 128 O 49 N 10 ) n bei<br />

4,9·10 9 t/a.<br />

Der größte Teil des biologisch verfügbaren Kohlenstoffes in Form des Kohlenstoffdioxids ist<br />

in den Ozeanen (3,8·10 13 t C) <strong>und</strong> in der Atmosphäre (7,2·10 11 t C) gespeichert. Jährlich<br />

werden vom CO 2 in der Atmosphäre etwa 15% durch die Photosynthese der Pflanzen<br />

umgesetzt. Zur Hälfte bilden Pflanzen daraus Biomasse, die andere Hälfte wird zur<br />

Energiegewinnung veratmet. Im Vergleich dazu ist in Erdöl, Erdgas, Stein- <strong>und</strong> Braunkohle<br />

sowie Torf eine Menge von 1,2·10 12 t C geb<strong>und</strong>en. (Schwedt 1996, S.8)<br />

Durch Verwesung (Mineralisierung über den Stoffwechsel von Mikroorganismen) werden<br />

aus der lebenden <strong>und</strong> der abgestorbenen Biomasse jährlich 6·10 9 t C in die Atmosphäre<br />

freigesetzt. (Schwedt 1996, S.8)<br />

Um zu veranschaulichen, dass die Angaben teilweise stark voneinander abweichen, sei hier<br />

43


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

noch ein weiterer Wert angeführt: Jedes Jahr werden etwa 10 11 t organische Substanz durch<br />

Photosynthese von Organismen auf der Erde produziert. Im gleichen Zeitraum wird ein etwa<br />

äquivalenter Betrag durch die Atmung zu CO 2 <strong>und</strong> H 2 O zurückoxidiert. (Odum 1983, S.33)<br />

Eine andere Quelle zeigt die in Tabelle 8 dargestellte Verteilung des Kohlenstoffes auf der<br />

Erde.<br />

Kompartiment Kohlenstoffmenge [10 9 t]<br />

Atmosphäre 700<br />

Humus im Boden 2 500<br />

Humus im Meer 1 000<br />

Landlebewesen 830<br />

Meereslebewesen 50<br />

−<br />

Gelöstes HCO 3 im Meer 38 400<br />

Fossile Brennstoffe 10 000<br />

Kalksedimente 60 000 000<br />

Tabelle 8: Kohlenstoffmengen in verschiedenen Kompartimenten (nach Stevenson 1985 in Gisi 1990, S.179)<br />

Etwa 50% der bekannten Biomineralien werden aus Kalziumsalzen gebildet <strong>und</strong> 25% aus<br />

Phosphaten. Weiters enthalten 60% der bekannten Biomineralien Hydroxygruppen bzw.<br />

geb<strong>und</strong>enes Wasser. (Lowenstam / Weiner 1989, S.17) Diese Zahlen geben jedoch keine<br />

Häufigkeit in Bezug auf die biogen gebildeten Massen an. Silikate sind nach<br />

Kalziumkarbonat die am zweithäufigsten von Organismen verwendeten Mineralien (Weiner<br />

et al. 2000, S.4). Wie bereits weiter oben erwähnt ist die Häufigkeit der Verwendung in<br />

Skeletten (Exo- <strong>und</strong> Endoskelett) von Kalziumkarbonat über Kalziumphosphat hin zu<br />

Silikaten geringer werdend (Currey 1970, S.17).<br />

Auf Gr<strong>und</strong> der Tatsache, dass von Pflanzen hauptsächlich Silikate eingelagert werden, kann<br />

angenommen werden, dass diese auch die mengenmäßig am häufigsten vorkommende<br />

Mineraliengruppe bei biogenen Materialien in der Biosphäre sind, wenngleich auch ihre<br />

Funktion umstritten ist.<br />

R<strong>und</strong> die Hälfte des Kalziums, das jährlich in die Ozeane eingetragen wird, wird temporär in<br />

Korallenriffen geb<strong>und</strong>en. Mit jedem Ca-Atom wird auch ein CO 2 -Molekül aufgenommen,<br />

was zu einer durchschnittlichen Fixierung von 700·10 6 t C führt. (Smith 1978, in: Birkeland<br />

1997, S.1) Das entspricht einer CaCO 3 Menge von 5,8·10 9 t/a. Für die Bildung von<br />

44


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Kalkskeletten im Meer (bes. Coccolithophoriden, Foraminiferen, Kalkalgen <strong>und</strong> Korallen)<br />

wird eine Bildungsrate von 8,5·10 9 t/a angeführt (Ott 1996, S.312), d.h. der größte Teil der<br />

Kalkbildung wird von den Korallen vollzogen.<br />

In Tabelle 9 sind einige der angesprochenen Bio<strong>materialien</strong> mit ihren jährlichen<br />

Produktionsmengen zusammengestellt.<br />

Material<br />

Bildungsrate [10 9 t/a]<br />

Cellulose 2,9<br />

Krustaceen-Chitin 4,9<br />

Korallenkalk 5,8<br />

Gesamter <strong>biogener</strong> Kalk im Meer (bes. Coccolithophoriden,<br />

Foraminiferen, Kalkalgen <strong>und</strong> Korallen) 8,5<br />

Tabelle 9: Jährliche Produktionsmenge ausgewählter <strong>biogener</strong> Materialien (Quellen: siehe Text)<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

10 DATENERHEBUNG<br />

In diesem Teil werden die erhobenen Daten festgehalten, die die Basis für die weitere<br />

Auswertung in den folgenden Kapiteln darstellen. Die jeweilige Methodik für die Recherche<br />

bzw. den Umgang mit den Daten ist zu Beginn jedes Unterkapitels angeführt. Die<br />

Zusammensetzung der biogenen Materialien wird − da die Daten für die<br />

Energieberechnungen nötig sind − im jeweils ersten Teil der einzelnen Bio<strong>materialien</strong> mit<br />

behandelt. Am Ende der folgenden drei Unterkapitel werden dann die erhobenen Daten<br />

gesammelt dargestellt.<br />

10.1 Energetischer Aufwand der Biomaterialproduktion<br />

10.1.1 Methodik der Berechnung des Energieinhaltes von Bio<strong>materialien</strong><br />

Der Energieaufwand, den ein Organismus erbringen muss, um strukturelle Materialien<br />

herzustellen, ist nicht immer exakt bestimmbar. Dies liegt daran, dass die Synthesewege noch<br />

nicht detailliert genug erforscht sind <strong>und</strong> somit die Effizienz, mit der die Synthese vollzogen<br />

wird, nur grob geschätzt werden kann. Wegen dieses Umstands ist es zweckmäßig,<br />

vereinfachend die Energie, die für die Herstellung von Bio<strong>materialien</strong> benötigt wird, auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage der Anfangs- <strong>und</strong> Endzustände der Synthesewege zu ermitteln. Bio<strong>materialien</strong><br />

werden aus unterschiedlichen Ressourcen aufgebaut, die zumeist als niedermolekulare<br />

Verbindungen vorliegen. Diesen Verbindungen kann ebenso wie den erzeugten<br />

Bio<strong>materialien</strong> ein Energiewert (Standardbildungsenthalpien) beigemessen werden. Aus den<br />

Standardbildungsenthalpien der Reaktanden <strong>und</strong> Produkte lässt sich dann die<br />

Reaktionsenthalpie berechnen.<br />

Unter dem Begriff des Energieinhaltes wird in der Folge die Summe der Reaktionsenthalpien<br />

jener Komponenten verstanden, aus denen ein biogenes Material zusammengesetzt ist. Das ist<br />

die Energie, die nötig ist, um aus den jeweiligen Ressourcen − bei 100%iger Effizienz −<br />

Bio<strong>materialien</strong> aufzubauen. Mit dieser Annahme können die Energiewerte standardisiert <strong>und</strong><br />

miteinander verglichen werden. Damit ist ein Minimalwert für den energetischen Aufwand<br />

der Herstellung gegeben. Der tatsächliche Aufwand für einen Organismus liegt in jedem Fall<br />

über dem hier berechneten.<br />

Die Ressourcen, aus denen die Materialien gebildet werden, sind je nach Organismengruppe<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

unterschiedlich (siehe auch Abbildung 7). Autotrophe Landlebewesen beziehen die für die<br />

Bildung von Bio<strong>materialien</strong> nötigen Ausgangsstoffe aus der Atmosphäre (CO 2 ) <strong>und</strong> dem<br />

2−<br />

Boden (H 2 O, NO 3− ,NH 4+ <strong>und</strong> SO 4 ). Im Meer liegt CO 2 in gelöster Form vor. Der<br />

Kohlenstoff wird von Autotrophen durch die Photosynthese aus dem vorhandenen CO 2<br />

aufgenommen. Der Wasserstoff wird − ebenfalls bei der Photosynthese − vom Wasser, das<br />

von den Wurzeln in die Blätter transportiert wird, abgespalten. Sauerstoff in Bio<strong>materialien</strong><br />

+<br />

stammt vom CO 2 <strong>und</strong> wird in Makromolekülen eingelagert. Stickstoff wird entweder als NH 4<br />

oder NO 3− aufgenommen, wobei die meisten Lebewesen nur Nitrat aufnehmen können.<br />

2−<br />

Schwefel, der Bestandteil einiger Aminosäuren ist, wird von Pflanzen als SO 4 ebenfalls aus<br />

dem Boden aufgenommen. (Heinrich / Hergt 1990, S.62ff)<br />

Bei heterotrophen Organismen wird angenommen, dass sie ihre organischen Bio<strong>materialien</strong><br />

aus Monomeren der in der Nahrung vorkommenden Makromoleküle aufbauen. Zucker,<br />

Proteine, Lipide <strong>und</strong> Nukleinsäuren werden im Gastro-Intestinal-Trakt durch verschiedene<br />

Enzyme in ihre monomeren Bestandteile aufgespalten. Die dabei frei werdende Energie wird<br />

nicht gespeichert, sondern als Wärme abgegeben. Erst wenn die Moleküle als Monomere<br />

vorliegen, können sie vom Körper aufgenommen werden <strong>und</strong> in dieser Form der Produktion<br />

von Bio<strong>materialien</strong> dienen. (Bender / Bender 1997, S.109ff) (Ganong 1999)<br />

Bei organischen Substanzen ist − durch die Annahme der verlustfreien Umwandlung − der<br />

Energieinhalt durch den Brennwert, der kalorimetrisch ermittelt werden kann, berechenbar.<br />

Bei anorganischen Materialien, wie sie in Muschelschalen oder Knochen vorliegen, ist dies<br />

nicht möglich. Die Energieinhalte dieser Materialien können jedoch mit in der Literatur<br />

vorzufindenden Daten kalkuliert werden.<br />

Die Standardbildungsenthalpien werden im Allgemeinen auf eine Temperatur von 298,15 K<br />

<strong>und</strong> einen Druck von 1 bar bezogen. Aus ihnen werden die Reaktionsenthalpien mit folgender<br />

Formel berechnet:<br />

∆H = ∑ n p ∆H f (p) - ∑ n r ∆H f (r) (1)<br />

Dabei sind n p bzw. n r die Molmengen <strong>und</strong> ∆H f(p) bzw. ∆H f (r) die Standardbildungsenthalpien<br />

der Produkte <strong>und</strong> Reaktanden. In der Änderung der Enthalpie finden die innere Energie (U)<br />

<strong>und</strong> die Volumenänderungsarbeit Berücksichtigung:<br />

47


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

∆H = ∆U + p ∆V (2)<br />

Für viele organische Komponenten sind keine Standardbildungsenthalpien in der Literatur<br />

verfügbar. Die Berechnung ihrer Energieinhalte kann aber, wie bereits erwähnt, auch über<br />

den Umweg der bei der Verbrennung frei werdenen Energie − dem Heizwert − vorgenommen<br />

werden. Dazu wurde eine empirische Formel für den unteren Heizwert (Sass et al. 1974,<br />

S.489ff) benutzt, die folgendermaßen lautet:<br />

H u = 8320 c + 22420 h + 2500 s + 1500 n - 2580 o - 585 w [kcal/kg] (3)<br />

Die Kleinbuchstaben geben den Anteil an Kohlenstoff (c), Wasserstoff (h), Schwefel (s),<br />

Stickstoff (n), Sauerstoff (o) <strong>und</strong> Wasser (w) in [g/g] an. Um den oberen Heizwert bzw.<br />

Brennwert der Stoffe zu erhalten, ist noch die Verdampfungsenthalpie von Wasser<br />

(2450 kJ/kg) hinzuzurechnen (Böge 1987, S.1030). Dass die Formel laut Dubbel auf 0°C<br />

bezogen ist, während die in Böge für 20°C gilt, spielt bei der geforderten Genauigkeit<br />

vorliegender Untersuchungen keine Rolle. Die Arbeit, die aus der Volumenänderung der<br />

Gasphase resultiert, ist in der empirischen Formel nicht berücksichtigt. Sie geht aber in die<br />

Enthalpie mit ein. Bei der Verbrennung fester Stoffe ist die Volumensarbeit jedoch relativ<br />

klein. Sie lässt sich durch die Gleichung<br />

∆(p V) = R T ∆n (4)<br />

berechnen, wobei die molare Gaskonstante R = 8,314 J/(mol·K) <strong>und</strong> T = 298,15 K beträgt.<br />

∆n gibt die Differenz in der Molmenge der Gase von Produkten <strong>und</strong> Reaktanden an. Aus<br />

Tabelle 10 kann abgelesen werden, wie groß die Arbeit durch Volumenänderung ist <strong>und</strong> dass<br />

sie vernachlässigt werden kann. Somit können Reaktionsenthalpie <strong>und</strong> Brennwert direkt<br />

miteinander verglichen werden.<br />

48


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Polymer-Verbrennungsreaktion ∆n [mol] R T ∆n<br />

[MJ/kg]<br />

Chitin C 8H 13O 5N + 35/4 O 2 ⇔ 8 CO 2 + 13/2 H 2O + ½ N 2 -0,25 -0,0029<br />

Cellulose C 6H 10O 5 + 6 O 2 ⇔ 6 CO 2 + 5 H 2O 0 0<br />

Seide C 303,6H 461,7O 119,7N 101,3S 0,1 + 359,3 O 2 ⇔ 303,6 CO 2 + -4,93 -0,0016<br />

461,7/2 H 2O + 101,3/2 N 2 + 0,1 SO 2<br />

Keratin C 449,4H 710,9O 155,3N 123,1S 13,6 + 563,1 O 2 ⇔ 449,4 CO 2 +<br />

710,9/2 H 2O + 123,1/2 N 2 + 13,6 SO 2<br />

-38,48 -0,0088<br />

Fett C 560H 1013,3O 70 + 778,3 O 2 ⇔ 560 CO 2 + 1013,3/2 H 2O -218,3 -0,0610<br />

Tabelle 10: Abschätzung der Volumensarbeit; Basisdaten aus: (Vincent 1990) (Bender / Bender 1997, S.129ff)<br />

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass bei der Verbrennung Substanzen entstehen, die nicht den<br />

in der Natur vorkommenden Ressourcen von Lebewesen entsprechen. Die bei der<br />

Verbrennung frei werdende Energie entspricht also nicht immer dem zu ermittelnden<br />

Energieinhalt. Um Energieinhalte zu berechnen, muss daher noch berücksichtigt werden, dass<br />

Stickstoff <strong>und</strong> Schwefel in anderer Form vorkommen, als sie bei der Verbrennung gebildet<br />

werden. Beim Verbrennen entstehen N 2 <strong>und</strong> SO 2 , während die Ressourcen für die Bildung<br />

2−<br />

von Bio<strong>materialien</strong> in Autotrophen NO 3− <strong>und</strong> SO 4 sind (Heinrich / Hergt 1990, S.62ff). Die<br />

folgenden Reaktionen werden angesetzt, um diesen Umstand zu berücksichtigen, wobei die<br />

Standardbildungsenthalpiewerte aus der angeführten Tabelle 11 entnommen wurden, um die<br />

Reaktionsenthalpien zu berechnen:<br />

N 2 + H 2 O + 5/2 O 2 ⇔ 2 NO 3<br />

−<br />

+ 2 H + ∆H = -127,87 kJ/mol (5)<br />

SO 2 + ½ O 2 + H 2 O ⇔ SO 4<br />

2−<br />

+ 2 H + ∆H = -326,71 kJ/mol (6)<br />

N 2 SO 2 H 2O(l) O 2 NO − 3 (aq) SO 2− 4 (aq) H + (aq)<br />

∆ fH 0 [kJ/mol] 0 -296,81 ±0,20 -285,83 0 -206,85 ±0,40 -909,34 ±0,40 0<br />

Tabelle 11: Standardbildungsenthalpie natürlich vorkommender Ressourcen (Linde CRC 1996, S.5-1ff)<br />

Daraus können, mittels Division durch die Molmasse, die auf 1 kg N 2 bzw. SO 2 bezogenen<br />

Reaktionsenthalpien berechnet werden. Sie betragen -4,56 MJ/kg für N 2 <strong>und</strong> -5,10 MJ/kg für<br />

SO 2 . Die so erhaltenen Werte können von den Verbrennungsenergien abgezogen werden.<br />

Damit errechnet sich der Energieinhalt von Bio<strong>materialien</strong>, die aus den natürlich<br />

vorkommenden Ressourcen gebildet wurden.<br />

49


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Die Energiewerte, die mit der empirischen Formel für den Heizwert erhalten werden,<br />

stimmen gut mit den in der Literatur vorhandenen Werten überein. Dies gilt besonders für<br />

Polymere. Die rechnerische Verbrennungsenthalpie von Cellulose beträgt 17,35 MJ/kg <strong>und</strong><br />

weicht somit um 0,8% vom Literaturwert, der 17,49 MJ/kg beträgt, ab. Die Abweichung der<br />

berechneten Werte von einzelnen Aminosäuren ist um einiges größer <strong>und</strong> liegt im Bereich<br />

von ±10%, bei Glycin sogar bei nahe 20%. (Blaxter 1989, S.296ff)<br />

Nachstehend sind die Energieberechnungen für die einzelnen Bio<strong>materialien</strong> angeführt. Bei<br />

den Materialien der Autotrophen wurde lediglich ein Wert für den Energieinhalt berechnet.<br />

Bei den Heterotrophen, die die Vorleistungen der Pflanzen nutzen können, sind zwei<br />

Energieinhalte berechnet worden. Einerseits ist das der Energieinhalt für die Herstellung von<br />

Materialien aus vorgefertigten pflanzlichen Monomeren <strong>und</strong> andererseits der Energieinhalt,<br />

der für die Materialbildung aus Ressourcen der unbelebten Natur eingebracht werden müsste.<br />

Der zweite Wert stellt jene Energie dar, die auch beim Abbau der Bio<strong>materialien</strong> wieder frei<br />

wird.<br />

10.1.2 Knochen<br />

Wie der genaue metabolische Ablauf bei der Knochenbildung funktioniert, ist weitgehend<br />

unklar. Die Mineralbildung kann intra- oder extrazellulär erfolgen (Lowenstam / Weiner<br />

1989, S.8, 27ff). Einige Studien weisen jedoch darauf hin, dass die Mineralisation nicht<br />

extrazellulär abläuft. Stattdessen wird angenommen, dass Kalzium- <strong>und</strong> Phosphat-Ionen<br />

intrazellulär im Golgiapparat der Osteoclasten kalzifizierte Partikel bilden, die dann von<br />

organischen Stoffen ummantelt <strong>und</strong> aktiv von der Zelle nach außen transportiert werden.<br />

Diese Partikel binden sich dann an die Kollagenmatrix (Robertson 1982, S.18ff). Die<br />

Ausfällung von Kalziumphosphat hängt vom pH-Wert, der Sättigung der Lösung, der<br />

Ionenstärke, der Temperatur <strong>und</strong> von den Eigenschaften der bereits vorhandenen festen Phase<br />

ab (Nancollas 1982, S.79).<br />

Die Angaben für die Zusammensetzung von Knochen variieren erheblich. Das resultiert u.a.<br />

daraus, dass unterschiedliche Knochen analysiert wurden <strong>und</strong> auch verschiedene Teile<br />

(massiv <strong>und</strong> porös) in den Knochen. Einige Beispiele sind in der Folge angeführt.<br />

Die Knochensubstanz der Vertebraten besteht aus einem organischen <strong>und</strong> einem<br />

50


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

anorganischen Teil. Die mineralische Fraktion hat einen Masseanteil von r<strong>und</strong> 50% am<br />

Knochen. Der Rest besteht aus Wasser <strong>und</strong> organischem Material (Fourman et al. 1968, S.5).<br />

Fourman führt die in Tabelle 12 aufgelisteten Mengenanteile für die Bestandteile von Kochen<br />

eines Kindes mit 2,5 Jahren an (Fourman et al. 1968, S.294):<br />

Material<br />

Masseanteil im Knochen<br />

[%]<br />

Wasser 11,56<br />

Organisches Material 37,14<br />

Na 0,64<br />

K 0,30<br />

Ca 24,40<br />

Mg 0,10<br />

P 10,93<br />

Karbonat 3,11<br />

Tabelle 12: Zusammensetzung von Knochen (Fourman et al. 1968, S.294)<br />

Einer anderen Quelle ist zu entnehmen, dass die trockene Knochenmasse zu 46% aus<br />

Mineralien, zu 36% aus Proteinen <strong>und</strong> zu 18% aus Fett besteht. Das Aschegewicht setzt sich<br />

aus 36% Ca, 17% P <strong>und</strong> 1% Mg zusammen (trockene Knochenmasse = 100%). (McDonald et<br />

al. 1995, S. 101)<br />

Der Großteil (95%) der organischen Fraktion im Knochen besteht aus Kollagen. Ein Drittel<br />

der im menschlichen Körper vorkommenden Proteine wird durch Kollagen gebildet, wovon<br />

57% im Knochen <strong>und</strong> 34% in der Haut vorliegen. (Fourman et al. 1968, S.6)<br />

Vincent führt folgende Anteile für Materialien, die Mineralien enthalten, an (Vincent 1990,<br />

S.197):<br />

Knochen [%] Dentin [%] Zahnschmelz [%]<br />

Mineralanteil 66 70 95<br />

Organischer Anteil 24 20 0,5<br />

Wasser 10 10 4,5<br />

Tabelle 13: Zusammensetzung von biogenen Kalziumphosphat-Verb<strong>und</strong>stoffen<br />

Für die Berechnung des Energieinhaltes von Knochen werden die von Vincent bzw. Fourman<br />

angegebenen Mengenverhältnisse herangezogen, also 66% Mineralanteil, 24% organischer<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Anteil <strong>und</strong> 10% Wasser, wobei 95% der organischen Fraktion aus Kollagen sind. Lässt man<br />

das Wasser unberücksichtigt, so besteht der Knochen also aus 73% Mineralanteil <strong>und</strong> 27%<br />

organischem Anteil (25% Kollagen plus 2% Fett (auf Gr<strong>und</strong> der hohen Angaben der<br />

Fettanteile von anderen Autoren aufger<strong>und</strong>et)). Dies entspricht wohl am ehesten der<br />

Zusammensetzung der massiven <strong>und</strong> mechanisch beanspruchten Teile von Knochen.<br />

Energieinhalt im organischen Teil<br />

Die Verbrennungsenthalpie von Fetten in tierischen Organismen liegt nach Literaturangaben<br />

zwischen 34,0 <strong>und</strong> 39,8 MJ/kg. Die Verbrennungsenthalpie von Kollagen, welches den<br />

Proteinanteil im Knochen bildet, liegt bei 22,05 MJ/kg. (Blaxter 1989, S.297) Diese Werte<br />

stimmen relativ gut mit den in weiterer Folge verwendeten Rechenwerten überein.<br />

Die molekulare Zusammensetzung von polymerem Kollagen kann mit der Summenformel<br />

C 637 H 984 O 231 N 197 S angeschrieben werden (Basisdaten aus: Vincent 1990, S.56). Rechnerisch<br />

ergibt sich für die Bildung von Kollagen aus den unbelebt vorkommenden Ressourcen ein<br />

Energiewert von 24,59 MJ/kg <strong>und</strong> für die Reaktionsenthalpie von Monomeren zu polymerem<br />

Kollagen errechnet sich ein Wert von 3,52 MJ/kg.<br />

Die typischen in der menschlichen Ernährung enthaltenen Fette bestehen aus Glyzerin <strong>und</strong><br />

Fettsäureresten mit 12 bis 18 Kohlenstoffatomen, wobei das Verhältnis der gesättigten zu<br />

einfach ungesättigten zu mehrfach ungesättigten Verbindungen 17 : 12 : 6 beträgt (Bender<br />

/Bender 1997, S.129ff). Die Berechnung für Fett (C 560 H 1013 O 70 ) ergibt eine Verbrennungs<strong>und</strong><br />

in diesem Fall auch gleichzeitig Bildungsenthalpie von 38,39 MJ/kg. Für die Bildung von<br />

Fett aus Fettsäuren <strong>und</strong> Glycerinen ist eine Bildungsenthalpie von 2,29 MJ/kg aufzubringen.<br />

Energieinhalt im anorganischen Teil<br />

Die anorganische Komponente wird aus dem Kalziumphosphat Hydroxyapatit Ca 5 (PO 4 ) 3 (OH)<br />

gebildet. Kalzium liegt sowohl im Meer- als auch im Süßwasser als Ion (Ca 2+ ) vor. Phosphat<br />

2−<br />

kommt ebenfalls gelöst als PO 4 vor, es wird aber auch in jeder Art von Nahrung in Form<br />

von organischen Verbindungen aufgenommen. Die organischen Phosphatverbindungen sind<br />

zumeist energiereicher als das Ion (vgl. ATP), was die Wahrscheinlichkeit, dass das Phosphat<br />

vom ATP kommt, gering erscheinen lässt. Mit der Annahme, dass die gelöste Form<br />

52


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

verwendet wird, wird also mehr Energie für den Knochenaufbau benötigt. Die<br />

Konzentrationen in marinen <strong>und</strong> terrestrischen Systemen sind unterschiedlich. Aktive <strong>und</strong><br />

passive Ionenpumpen im Körper sind erforderlich, um übersättigte Konzentrationen zu<br />

2−<br />

ermöglichen. 85 bis 90% des beim Knochenabbau gelösten PO 4 wird wiederverwendet, was<br />

die Annahme stützt, dass der Phosphor durch dieses Ion zur Verfügung gestellt wird (Ganong<br />

1999, S.366).<br />

Die Reaktionsgleichung lautet daher:<br />

5 Ca 2+ + 3 PO 4<br />

3−<br />

+ OH − ⇔ Ca 5 (PO 4 ) 3 (OH)<br />

Die Bildungsenthalpie für die verschiedenen Reaktanden sind: -542,8 kJ/mol für Ca 2+ ,<br />

3−<br />

-1277,4 kJ/mol für PO 4 , -230,015 kJ/mol für OH − (Linde CRC 1996, S.5-1ff) <strong>und</strong><br />

-6721,600 kJ/mol für Ca 5 (PO 4 ) 3 (OH) (Robie et al. 1978). Die Reaktionsenthalpie errechnet<br />

sich daraus mit:<br />

∆H = -6721,6 - (5(-542,8) + 3(-1277,4) + (-230,015)) = 54,6 kJ/mol<br />

Mit der Molmasse von M(Ca 5 (PO 4 ) 3 (OH)) = 502,317 g/mol ergibt sich eine<br />

Reaktionsenthalpie für die mineralische Phase von ∆H = 0,11 MJ/kg.<br />

Für den gesamten Knochen mit der organischen <strong>und</strong> anorganischen Phase ergibt sich ein<br />

Energieinhalt von:<br />

∆H ges = ∆Η Mineral + ∆Η Collagen + ∆Η Fett<br />

∆H ges = 0,73⋅0,11 + 0,25⋅3,52 + 0,02⋅2,29<br />

= 1,01 MJ/kg<br />

Daraus ist ersichtlich, dass der größte Energieinhalt in den Proteinen steckt (0,88 MJ/kg). Der<br />

Energieinhalt des Fettanteiles (0,05 MJ/kg) spielt auf Gr<strong>und</strong> des geringen Anteils kaum eine<br />

Rolle. Der Energieinhalt von Knochen hängt also stark vom Anteil der organischen Phase ab.<br />

Berechnet man die Reaktionsenthalpie des Knochens aus den in der unbelebten Umwelt<br />

2−<br />

vorkommenden Verbindungen (CO 2 ,H 2 O, NO 3− ,SO 4 <strong>und</strong> den mineralischen Verbindungen,<br />

53


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

die unverändert bleiben ), so ergibt sich für Knochen folgender Wert:<br />

∆H ges = 0,73⋅0,11 + 0,25⋅24,59 + 0,02⋅38,39<br />

= 7,00 MJ/kg<br />

Diese Enthalpie wird auch bei der Mineralisation des Knochens nach dem Absterben des<br />

jeweiligen Organismus wieder frei.<br />

10.1.3 Dentin<br />

Dentin besteht aus denselben Gr<strong>und</strong>substanzen wie Knochen. Im Dentin liegt die<br />

mineralische Phase als Ca 5 (PO 4 ) 3 (OH) vor, <strong>und</strong> der organische Anteil wird aus Kollagen<br />

gebildet (Fett spielt allenfalls eine untergeordnete Rolle). Daher lassen sich die<br />

Enthalpiewerte, die schon beim Knochen eingesetzt wurden, wieder verwenden. Die<br />

Mengenverhältnisse sind jedoch andere (vgl. Tabelle 13): 70% mineralisch, 20% organisch<br />

(Kollagen) <strong>und</strong> 10% Wasser. Lässt man den Wasseranteil unberücksichtigt, so besteht die<br />

Trockenmasse aus 78% mineralischem <strong>und</strong> 22% organischem Material. Daher ergibt sich für<br />

die gesamte Reaktionsenthalpie folgende Gleichung:<br />

∆H ges = ∆Η Mineral + ∆Η Kollagen<br />

∆H ges = 0,78⋅0,11 + 0,22⋅3,52<br />

= 0,86 MJ/kg<br />

Bei Abbau bzw. der Mineralisation wird folgende Enthalpie frei:<br />

∆H ges = 0,78⋅0,11 + 0,22⋅24,59<br />

= 5,50 MJ/kg<br />

10.1.4 Zahnschmelz<br />

Der organische Anteil im Zahnschmelz besteht im Unterschied zu Knochen <strong>und</strong> Dentin nicht<br />

aus Kollagen <strong>und</strong> auch nicht aus Keratin. Es scheint sich um eine spezielle Art von Proteinen<br />

zu handeln, die den Erfordernissen des Zahnschmelzes gerecht werden. (Currey 1970, S.29)<br />

54


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Dennoch kann bei den Anteilen von 95% Mineralien, 0,5% organischem Material <strong>und</strong> 4,5%<br />

Wasser (vgl. Tabelle 13) davon ausgegangen werden, dass die Enthalpiewerte für die<br />

organische Phase denen von Kollagen gleichen. Durch den geringen Anteil ist der mögliche<br />

Fehler klein. Die Trockenmasse besteht aus r<strong>und</strong> 99,5% Ca 5 (PO 4 ) 3 (OH) <strong>und</strong> 0,5% Proteinen.<br />

Daher ergibt sich für die Reaktionsenthalpie folgende Berechnung:<br />

∆H ges = ∆Η Mineral + ∆Η Kollagen<br />

∆H ges = 0,995⋅0,11 + 0,005⋅3,52<br />

= 0,13 MJ/kg<br />

Bei Abbau bzw. Mineralisation wird folgende Enthalpie frei:<br />

∆H ges = 0,995⋅0,11 + 0,005⋅24,59<br />

= 0,23 MJ/kg<br />

10.1.5 Mineralisches Geweih<br />

Cervide (Geweihträger) tragen einen Kopfschmuck aus mineralischem Material, der im<br />

Wesentlichen aus den gleichen Bestandteilen wie die Knochensubstanz aufgebaut ist. Das<br />

trockene, ausgewachsene <strong>und</strong> ausgehärtete Geweih von Hirschen besteht typischerweise aus<br />

60% mineralischem (Aschegewicht) <strong>und</strong> 40% organischem Material (Caton 1877 in: Brown<br />

1990, S.427). Die mineralische Phase besteht vorwiegend aus Kalziumphosphaten mit einem<br />

geringen Anteil an Magnesium, <strong>und</strong> die organische Phase besteht aus Kollagen (Brown 1990,<br />

S.428, 430). Für die Berechnung des Energieinhaltes werden daher wieder die Werte wie<br />

beim Knochen herangezogen. Daraus ergibt sich folgender Energieinhalt:<br />

∆H ges = ∆Η Mineral + ∆Η Kollagen<br />

∆H ges = 0,6⋅0,11 + 0,4⋅3,52<br />

= 1,47 MJ/kg<br />

Bei Abbau bzw. Mineralisation wird folgende Enthalpie frei:<br />

∆H ges = 0,6⋅0,11 + 0,4⋅24,59<br />

= 9,90 MJ/kg<br />

55


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

10.1.6 Silikatschalen<br />

Der Hauptanteil an Silizium, der von Organismen verwendet werden kann, liegt als nicht<br />

dissoziierte, gelöste Kieselsäure Si(OH) 4 im Wasser vor. Dies geht aus der<br />

Dissoziationskonstante der Säure hervor, wonach pK a1 = 9,82 beträgt (K a1 = 1,51⋅10 −10 ).<br />

Kieselsäure stellt ein Verwitterungsprodukt von silikatischen Gesteinen dar <strong>und</strong> kommt in<br />

Konzentrationen von 0,4 - 180 mmol/m³ im Süßwasser <strong>und</strong> 0 - 100 mmol/m³ im Meerwasser<br />

vor. Die kleineren Werte resultieren aus der Aufnahme der Kieselsäure durch Diatomeen. Ob<br />

die Aufnahme von Kieselsäure aktiv oder passiv erfolgt, wird diskutiert. Zumindest in<br />

Mitochondrien von isolierten Rattenleberzellen scheint ein passiver Transport möglich zu<br />

sein. Bei hohen Konzentrationen, wie sie in Diatomeen vorkommen, wird angenommen, dass<br />

eine aktive Aufnahme nötig ist. (Raven 1983, S.179ff)<br />

Diatomeen bauen ihr Exoskelett aus amorphem Opal mit der Formel [SiO 2n/2 (OH) 4−n ] m auf,<br />

wobei n = 0 - 4 <strong>und</strong> m eine große Zahl ist (Mann et al. 1983b in: Lowenstam / Weiner 1989,<br />

S.55). Das heißt, die Zusammensetzung variiert zwischen [Si(OH) 4 ] m <strong>und</strong> [SiO 2 ] m . Es liegen<br />

keine Informationen vor, die das Vorhandensein einer organischen Phase im Silikat<br />

bestätigen oder negieren. Es wird jedoch angenommen, dass Kohlenhydrate <strong>und</strong> Proteine, die<br />

für den Aufbau der Schale nötig sind, auch noch in dem fertig ausgeformten Mineral<br />

vorhanden sind (Lowenstam / Weiner 1989, S.59). Die Tatsache, dass die Schalen toter<br />

Organismen rascher aufgelöst werden als die von lebenden, könnte auf das Vorhandensein<br />

von organischen Einlagerungen zurückzuführen sein (Lewin 1961). Der Silikatanteil in<br />

Diatomeen macht üblicherweise 200 g/kg Trockenmasse aus (Raven 1983, S.183).<br />

Die Kosten für den Aufbau eines Kieselskelettes werden von Raven auf 2% der Kosten des<br />

Energiebudgets für das Zellwachstums beziffert. Dabei wird eine aktive Aufnahme postuliert,<br />

die 1 ATP-Molekül pro SiO 2 kostet. Im Gegensatz dazu kostet der Aufbau von organischer<br />

Masse 5 ATP <strong>und</strong> 2 NADPH pro assimiliertem Kohlenstoffatom (1 ATP entspricht<br />

55 kJ/mol, 1 NADPH entspricht 220 kJ/mol) (Raven 1983, S.186).<br />

Da also nicht genau bekannt ist, ob es sich bei den Schalen der Diatomeen um einen<br />

Verb<strong>und</strong>stoff aus mineralischem <strong>und</strong> organischem Material handelt, wird davon ausgegangen,<br />

dass die Schalen aus reinem Silikat bestehen.<br />

56


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Die Gleichungen für die Herstellung von Silikaten lauten in den Extremfällen:<br />

Si(OH) 4 (aq) ⇔ Si(OH) 4 (s)<br />

Si(OH) 4 (aq) ⇔ SiO 2 (s) + 2H 2 O<br />

Die Standardbildungsenthalpie von Kieselsäure (Si(OH) 4 (aq)) bei 298,15 K <strong>und</strong> 0,101 MPa<br />

beträgt -1457,3 kJ/mol (Nordstrom / Munoz 1994, S.442). H 2 O (l) weist eine<br />

Standardbildungsenthalpie von -285,830 kJ/mol <strong>und</strong> kristalline Orthokieselsäure eine von<br />

-1481,1 kJ/mol auf (Linde CRC 1996, S.5-1ff). Für die Entstehung von amorphem SiO 2 wird<br />

eine Enthalpie von -903,9 kJ/mol (-215,9 kcal/mol) (Ilker 1979, S.6), bzw. -899,6 kJ/mol<br />

(Nordstrom / Munoz 1994, S.442) angegeben.<br />

Für die erste Reaktionsgleichung ergibt sich demnach eine Reaktionsenthalpie von:<br />

∆H = -1481,1 - (-1457,3) = -23,8 kJ/mol<br />

Die Molmasse von Si(OH) 4 beträgt 96,11 g/mol, woraus sich eine auf die Masse bezogene<br />

Reaktionsenthalpie von ∆H = -0,25 MJ/kg ergibt.<br />

Für die zweite Reaktionsgleichung zum SiO 2 erhält man eine Reaktionsenthalpie von:<br />

∆H = -899,6 + 2(-285,83) - (-1457,3) = -13,96 kJ/mol<br />

Mit der Molmasse von SiO 2<br />

(60,084 g/mol) errechnet sich die auf die Masse bezogene<br />

Reaktionsenthalpie von ∆H = -0,23 MJ/kg.<br />

Die Reaktionsenthalpien für die Herstellung von Silikaten für die Schalen von Diatomeen<br />

sind negativ <strong>und</strong> betragen zwischen -0,23 <strong>und</strong> -0,25 MJ/kg. In der Folge wird mit dem<br />

niedrigeren Wert weitergerechnet. Bei Abbau bzw. Auflösung wird der gleiche Energiebetrag<br />

eingesetzt.<br />

Wie jedoch weiter oben bereits angeführt, ist die Aufnahme von gelöstem Silikat in den<br />

Organismus ein energieverbrauchender Prozess (Lewin 1961, S.193), bei dem zusätzlich noch<br />

Natrium vorhanden sein muss (Lowenstam / Weiner 1989, S.59). Deshalb ist der<br />

57


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Energiegewinn, der durch die Ausfällung des Skelettes zustande kommt, ein fiktiver Wert<br />

<strong>und</strong> entspricht den real vorkommenden Verhältnissen nicht.<br />

10.1.7 Molluskenschalen<br />

Die Schalen von Mollusken bestehen wie die meisten biogenen Mineralien aus einer<br />

Mischung zweier Komponenten, nämlich aus organischer <strong>und</strong> anorganischer Substanz in<br />

unterschiedlichen Mengenverhältnissen.<br />

Organisch<br />

Die Protein-Matrix in den Schalen macht nur einen geringen Prozentsatz aus. Zwischen 0,01<br />

<strong>und</strong> 5% der trockenen Schalenmasse werden von organischem Material (Proteine) gebildet<br />

(Vincent 1990, S. 169) (Currey 1970 S.23). Im Schulp des gemeinen Tintenfischs befinden<br />

sich r<strong>und</strong> 5% organisches Material, während in der nahe verwandten Form des gemeinen<br />

Kalmars die Einheit nur mehr aus einem hornigen Schild besteht (Currey 1970, S.23).<br />

Proteine können mit einer Verbrennungsenthalpie von r<strong>und</strong> 22 bis 25 MJ/kg vorkommen. Da<br />

nicht genau bekannt ist, welche Art von Proteinen in Molluskenschalen vorkommt, wird<br />

wieder mit einem Wert von 3,52 MJ/kg für die Bildung von Polymeren aus Monomeren<br />

gerechnet wie beim Kollagen.<br />

Anorganisch<br />

Der mineralische Anteil wird aus Kalziumkarbonat (CaCO 3 ) gebildet, das als Kalzit oder<br />

Aragonit vorliegen kann (Vincent 1990, S.165). Es kann angenommen werden, dass der<br />

Aufbau aus Ionen, die im Wasser zur Verfügung stehen, vorgenommen wird. Diese Ionen<br />

sind Ca 2+ −<br />

<strong>und</strong> HCO 3 (Degens 1991, z.B. S.196). Die Reaktionsgleichung lautet somit:<br />

Ca 2+ + HCO 3<br />

−<br />

⇔ CaCO 3 + H +<br />

Mit den Bildungsenthalpien von Ca 2+ (-542,8 kJ/mol), HCO 3− (-689,93 kJ/mol), CaCO 3<br />

(Kalzit) (-1207,6 kJ/mol) (-1207,8 kJ/mol für Aragonit) <strong>und</strong> H + (0 kJ/mol) (Linde CRC 1996,<br />

S.5-1ff) ergibt sich für die obige Gleichung eine Reaktionsenthalpie von 25,1 kJ/mol. Mit der<br />

58


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Molmasse M(CaCO 3 ) = 100,09 g/mol erhält man eine Reaktionsenthalpie von 0,25 MJ/kg für<br />

die Bildung von CaCO 3 .<br />

Die gesamte Enthalpie, die zur Herstellung einer Molluskenschale nötig ist, setzt sich aus den<br />

organischen <strong>und</strong> anorganischen Anteilen zusammen. Die Reaktionsenthalpie beträgt daher:<br />

∆H ges = ∆Η Mineral + ∆Η Protein<br />

∆H ges = (0,9999...0,95)⋅0,25 + (0,0001...0,05)⋅3,52<br />

= 0,25...0,41 MJ/kg<br />

In der weiteren Analyse wird der höhere Wert von 0,41 MJ/kg herangezogen.<br />

Bei Abbau bzw. Mineralisation wird, mit den Werten, die auch bereits beim Knochen<br />

verwendet wurden, folgende Enthalpie frei:<br />

∆H ges = (0,9999...0,95)⋅0,25 + (0,0001...0,05)⋅24,59<br />

= 0,25...1,47 MJ/kg<br />

Für die Auswertung wird wieder der höhere Wert von 1,47 MJ/kg benützt.<br />

10.1.8 Korallenmaterial<br />

Die Gruppe der Cnidaria (Nesseltiere) zeigt mineralische Einlagerungen sowohl in Medusen<br />

als auch in Polypen. Während die Medusen die Mineralien auch als Gravitationssensoren<br />

benutzen, werden sie in Polypen als mechanische Stütz- <strong>und</strong> Schutzsubstanz verwendet. Die<br />

Art der Mineralien reicht von Mg-Ca-Phosphaten in Medusen der Hydrozoa über Aragonit,<br />

Kalzit <strong>und</strong> Gips bis zu Mg-Kalziten, alles Ca-Mineralien. Der mineralische Anteil von<br />

Skelett<strong>materialien</strong> der sessilen Polypen der Anthozoa − der riffbildenden Formen − besteht<br />

entweder aus Aragonit, Kalzit oder einer Mischung der beiden. Nach ihrem Bau können drei<br />

Formen der Anthozoa unterschieden werden: Spicula beinhaltende Formen,<br />

Spicula-Aggregate bildende Formen <strong>und</strong> massive Formen. (Lowenstam / Weiner 1989,<br />

S.74ff.)<br />

Einige Korallenformen mit pflanzenähnlichem Wuchs weisen Kollageneinlagerungen in der<br />

59


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

mineralischen Phase auf (Lowenstam / Weiner 1989, S.77). So bestehen beispielsweise<br />

Spicula von Leptogorgia virgulata (Gorgoniacea) aus 5,9% (Gew.) organischem Material,<br />

hauptsächlich Proteinen (Kingsley / Watabe 1983 in: Lowenstam / Weiner 1989, S.78). Das<br />

Exoskelett kann aber auch bis zu 100% aus dem Protein Gorgonin bestehen, was ein<br />

Mitbewegen mit den Wellen ermöglicht (Currey 1970 S. 21ff).<br />

Korallen wie z.B. Melithaea ochracea (Gorgoniacea) weisen die eher selten vorkommende<br />

aggregierte Form von Spicula auf. Die »Äste« dieser Art bestehen alternierend aus dichten<br />

Aggregaten von Spicula <strong>und</strong> Kollagenreichen Segmenten, die immer noch mineralische<br />

Einlagerungen aufweisen (Lowenstam / Weiner 1989, S.79).<br />

Riffbildende Korallen mit massiven Skeletten sind empfindlich gegenüber Temperaturen<br />

unter 15°C <strong>und</strong> geringer Salinität. Dennoch kommen Korallen mit massiven Skeletten in<br />

Tiefen bis zu 6000 m vor (Lowenstam / Weiner 1989, S.81). Jene Arten, die symbiotisch auf<br />

photosynthesetreibende Algen (Zooxanthellae) angewiesen sind, kommen jedoch nur in den<br />

obersten Bereichen der Meere vor (Wood 1983). Es wird angenommen, dass die<br />

Zooxanthellae eine Rolle bei der Mineralisation spielen, weil stärker beleuchtete Organismen<br />

rascher mineralisieren (Goreau 1959 in: Lowenstam / Weiner 1989, S.81).<br />

Die hier betrachteten massiven Korallenskelette beinhalten immer kleine Mengen an<br />

organischem Material. Chitin ist dabei die Ausnahme, es wurde nur in der Gattung<br />

Pocillopora gef<strong>und</strong>en (Wainwright 1963; Wilfert / Peters 1969 in: Lowenstam / Weiner<br />

1989, S.83). Der Gewichtsanteil von Lipiden liegt zwischen 0,02 <strong>und</strong> 0,03% der<br />

Trockenmasse. Proteine sind ebenfalls immer vorhanden, sie machen einen Gewichtsanteil<br />

von 0,03% der Trockenmasse aus. Die Aminosäuren-Zusammensetzung kann zu 40 bis<br />

50% (mol) aus Aspargin- <strong>und</strong> Glutaminsäure bestehen, wobei Glutaminsäure den Großteil<br />

ausmacht. (Wilfert / Peters 1969) (Young 1971) (Isa / Okazaki 1987) (Mitterer 1978 in:<br />

Lowenstam / Weiner 1989, S.83)<br />

Für die Berechnung der Energieinhalte wird davon ausgegangen, dass die Proteine aus<br />

Kollagen <strong>und</strong> die Fette aus einer durchschnittlichen Zusammensetzung wie beim Knochen<br />

bestehen. Daher liegt die Bildungsenthalpie der Proteine aus den in der Nahrung<br />

aufgenommenen Monomeren bei 3,52 MJ/kg <strong>und</strong> die von Lipiden bei 2,29 MJ/kg.<br />

60


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Wie schon bei den Mollusken wird angenommen, dass der Aufbau des Materials aus Ionen,<br />

die im Wasser verfügbar sind, vorgenommen wird. Diese Ionen sind Ca 2+ <strong>und</strong> HCO 3− (Degens<br />

1991, z.B. S.196).<br />

Die gesamte Enthalpie, die zur Herstellung eines massiven Korallenskelettes mindestens<br />

aufgewendet werden muss, ergibt sich aus der Addition der Enthalpien des organischen <strong>und</strong><br />

anorganischen Anteils. Die Enthalpie beträgt daher:<br />

∆H ges = ∆Η Mineral + ∆Η Kollagen + ∆Η Fett<br />

∆H ges = 0.99945⋅0,25 + 0,0003⋅3,52 + 0,00025⋅2,29<br />

= 0,25 MJ/kg<br />

Für die Spicula von Leptogorgia virgulata wird unter der Annahme, dass sich der organische<br />

Anteil aus 0,025% Fett <strong>und</strong> 5,875% Kollagen (ergibt insgesamt 5,9% (Gew.) organisches<br />

Material) zusammensetzt, folgender Betrag errechnet:<br />

∆H ges = ∆Η Mineral + ∆Η Kollagen + ∆Η Fett<br />

∆H ges = 0.941⋅0,25 + 0,05875⋅3,52 + 0,00025⋅2,29<br />

= 0,44 MJ/kg<br />

In weiterer Folge wird nur die Reaktionsenthalpie von 0,25 MJ/kg für die massiven Korallen<br />

betrachtet.<br />

Bei Abbau bzw. Mineralisation von massiven Korallen wird folgende Enthalpie frei:<br />

∆H ges = 0.99945⋅0,25 + 0,0003⋅24,59 + 0,00025⋅38,39<br />

= 0,27 MJ/kg<br />

10.1.9 Schwämme<br />

Das Skelettmaterial der Schwämme zeigt die unterschiedlichsten Materialverwendungen,<br />

zwischen Silikaten, Kalk <strong>und</strong> Proteinen (Currey 1970, S. 20). Schwämme werden<br />

taxonomisch nach der verwendeten Zusammensetzung der Spicula, der kleinsten Einheiten<br />

61


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

der Skelette, eingeteilt. Die Gruppe mit den meisten Vertretern (80% aller Schwammarten),<br />

die Demospongiae, verwendet Spongin, ein kollagenartiges Protein, das nur bei Schwämmen<br />

vorkommt (Bergquist 1978, S.84), <strong>und</strong>/oder Silikate. In der Klasse der Calcerae werden<br />

Schwämme mit einem Skelett aus reinem Kalziumcarbonat (CaCO 3 ) zusammengefasst. Die<br />

Klasse der Hexactinellida (Glasschwämme) setzt sich aus Schwämmen mit einem Skelett aus<br />

Silikaten zusammen. (Pechenik 2000, S.80ff)<br />

Die Werte für die Reaktionsenthalpien wurden bereits weiter oben berechnet. Sie betragen<br />

demnach für Schwämme mit reinem Kalkskelett 0,25 MJ/kg, mit reinem Protein (Kollagen)<br />

3,52 MJ/kg <strong>und</strong> mit reinem Silikat -0,25 MJ/kg. Je nach Masseanteilen ergibt sich ein<br />

dazwischenliegender Wert.<br />

Bei Abbau bzw. der Lösung von hier betrachteten Kalkskeletten wird eine Enthalpie von<br />

0,25 MJ/kg frei.<br />

10.1.10 Holz<br />

Der Energieinhalt von Holz ist durch den Brennwert (= oberer Heizwert) gegeben. Für<br />

verschiedene Holzarten variiert der Brennwert zwischen 17,5 <strong>und</strong> 24,5 MJ/kg für trockenes<br />

Material (Hall / Overend 1987, S.205). Zur Herstellung von Holz aus CO 2 <strong>und</strong> H 2 Omussder<br />

Organismus demnach mindestens diesen Energiebetrag aufwenden. Der höhere Wert ergibt<br />

sich aus einem größeren Anteil an Lignin. Lignin hat eine Entstehungsenthalpie von<br />

27,28 MJ/kg, während die Werte für andere Polysacharide zwischen 17 <strong>und</strong> 18 MJ/kg liegen<br />

(Blaxter 1989, S.296). Die Herstellung von Lignin ist also dementsprechend aufwändiger.<br />

Die gewichtsmäßigen Anteile der einzelnen Komponenten im Holz betragen für Cellulose<br />

44,5 - 48,9%, für Hemicellulose 20,4 - 36,6% <strong>und</strong> für Lignin 18,9 - 32,5% (Hall / Overend<br />

1987, S.205).<br />

Der hohe Energieaufwand für Lignin kann auch mit den tatsächlichen Verhältnissen in einer<br />

Pflanze nochmals verdeutlicht werden. Aus 1 g Glukose kann eine Pflanze 0,826 g<br />

Kohlenhydrate oder 0,465 g Lignin herstellen (Penning de Vries 1975, S.460). Das heißt, die<br />

Herstellung von Lignin in situ ist fast doppelt so aufwändig wie die Herstellung anderer<br />

Kohlenhydrate.<br />

62


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Für die weiteren Ausführungen wird der höhere Wert für die Bildungsenthalpie, die hier der<br />

Verbrennungsenthalpie entspricht, von 24,5 MJ/kg verwendet. Das ist gleichfalls der<br />

Energieinhalt, den ein Organismus mindestens für die Bildung aufbringen muss.<br />

10.1.11 Cellulosematerial<br />

Cellulose bildet den Großteil <strong>und</strong> für die Energieberechnungen entscheidenden Anteil der<br />

Zellwände. Der Chemismus der Wandstoffe erfasst neben Proteinen zu 9/10 Polysaccharide.<br />

(Vogel / Angermann 1998, S.30ff) Da die Abweichung durch Vernachlässigen des<br />

Proteinanteiles nicht sehr groß ist <strong>und</strong> die anderen Polysaccharide, von kleinen Mengen an<br />

Mineralstoffeinlagerungen abgesehen, ungefähr die gleichen Verhältnisse bezüglich der<br />

eingesetzten Atome aufweisen, wird in der Folge mit reiner Cellulose weitergerechnet. Aus<br />

der Enthalpie der Verbrennung von Cellulose ergibt sich für die Entstehungsenthalpie ein<br />

Literaturwert von 17,49 MJ/kg (Blaxter 1989, S.296). Hier wird allerdings wieder der bereits<br />

weiter oben angeführte rechnerische Wert von 17,35 MJ/kg verwendet. Da Cellulose von<br />

Pflanzen, also autotroph, gebildet wird muss, mindestens dieser Betrag von der Pflanze<br />

aufgebracht werden.<br />

Für die tatsächliche Biosynthese von 1 g Blatt wird von der Pflanze in situ 1,36 g organisches<br />

Material verbraucht, wovon Sucrose 1,055 g <strong>und</strong> Aminosäuren 0,305 g bilden (Penning de<br />

Vries 1975, S.461).<br />

10.1.12 Keratin<strong>materialien</strong><br />

Keratin ist die Sammelbezeichnung für eine Gruppe von Proteinen mit einer variablen<br />

Anordnung von Aminosäuren, wobei ein hoher Anteil an Schwefel <strong>und</strong> damit<br />

Disulfid-Brückenbindungen vorliegen. Dadurch werden die Peptidsequenzen untereinander<br />

verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> stabilisiert. Keratin kommt hauptsächlich in Vertebraten vor, wo es Horn,<br />

Haare, Nägel, Hufe, Federn <strong>und</strong> Haut aufbaut. Die verschiedenen Keratine können in drei<br />

Gruppen eingeteilt werden: Säugetier-, Vogel- <strong>und</strong> andere Keratine (z.B. Reptilien) (Vincent<br />

1990, S.44).<br />

Untersuchungen von Wolle, Horn <strong>und</strong> Hufen bei Schafen haben gezeigt, dass sich Horn <strong>und</strong><br />

Hufe in Bezug auf den Chemismus (s. Tabelle 14) sehr ähnlich sind, während Wolle zwar aus<br />

63


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

denselben Aminosäuren, aber in anderen Mengenverhältnissen, besteht (Marshall & Gillespie<br />

1977, S.389). Horniges Keratin (Horn <strong>und</strong> Hufe) enthält mehr Mikrofibrillen <strong>und</strong> weniger<br />

Matrix als Wolle, <strong>und</strong> die Matrix von Horn <strong>und</strong> Hufen weist weniger<br />

Disulfid-Brückenbindungen auf. Schafwolle enthält 57% mehr Schwefel als horniges<br />

Material. Obwohl es keine empirischen Daten dazu gibt, darf man vermuten, dass dieser<br />

Unterschied sich in den mechanischen Eigenschaften der Materialien widerspiegelt (Marshall<br />

& Gillespie 1977, S.391, 398), sind doch die Anforderungen sehr unterschiedlich. Horn <strong>und</strong><br />

Hufe werden mechanisch belastet, während Wolle hauptsächlich zur Isolierung dient.<br />

Aminosäure Reste pro 100 Reste<br />

Wolle Horn Huf<br />

Lys 2,66 3,76 3,96<br />

His 0,79 1,33 0,94<br />

Arg 6,24 6,68 7,18<br />

Cys 0,00 0,00 0,00<br />

Asp 5,93 7,80 8,39<br />

Thr 6,53 4,78 4,95<br />

Ser 10,80 9,56 9,54<br />

Glu 11,10 12,90 13,70<br />

Pro 6,60 3,83 3,99<br />

Gly 8,56 11,10 9,10<br />

Ala 5,20 5,90 6,37<br />

½ Cys 13,10 6,24 5,66<br />

Val 5,68 5,21 5,66<br />

Met 0,54 0,81 0,80<br />

Ile 2,98 3,31 3,56<br />

Leu 7,20 9,13 9,51<br />

Tyr 3,78 5,00 4,03<br />

Phe 2,48 2,64 2,65<br />

Σ 100 100 100<br />

Tabelle 14: Aminosäuren-Zusammensetzung verschiedener Keratin<strong>materialien</strong> beim Schaf (Marshall /<br />

Gillespie 1977)<br />

Die Berechnung der Reaktionsenthalpie von Monomeren zu Polymeren für die<br />

unterschiedlichen Zusammensetzungen, aufgelistet in Tabelle 14 (Basisdaten aus: Marshall /<br />

Gillespie 1977), ergibt folgende Werte: Wolle 3,12 MJ/kg; Horn 3,10 MJ/kg; Huf<br />

3,09 MJ/kg.<br />

64


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Die Berechnung der Reaktionsenthalpie von in der unbelebten Natur vorkommenden<br />

Verbindungen zu den Polymeren führt zu nachstehenden Werten: Wolle 25,06 MJ/kg; Horn<br />

25,23 MJ/kg; Huf 25,25 MJ/kg.<br />

10.1.13 Seide<br />

Seide wird von einer Vielzahl von Organismen produziert <strong>und</strong> in den verschiedensten<br />

Bereichen eingesetzt. Sie besteht aus Proteinen, die ihrerseits wieder aus einer mehr oder<br />

weniger konstanten Zusammensetzung von Aminosäuren gebildet werden. Die<br />

Zusammensetzung der Seide von Bombyx ist in Tabelle 15 angeführt (Vincent 1990, S.53).<br />

Mit diesen Zahlen wurde die Bildungsenthalpie berechnet.<br />

Aminosäure Reste pro 100<br />

Reste<br />

Gly 44,5<br />

Ala 29,3<br />

Val 2,2<br />

Leu 0,5<br />

Ile 0,7<br />

Ser 12,1<br />

Thr 0,9<br />

Asp 0,3<br />

Glu 1,0<br />

Lys 0,3<br />

Arg 0,5<br />

His 0,2<br />

Tyr 5,2<br />

Phe 0,6<br />

Pro 0,3<br />

Try 0,2<br />

Met 0,1<br />

Tabelle 15: Aminosäuren-Zusammensetzung von Bombyx-Seide (Vincent 1990)<br />

Der Energieinhalt von Seide, produziert aus den Reaktanden CO 2 ,H 2 O, NO 3− <strong>und</strong> SO<br />

2−<br />

4<br />

,<br />

beträgt 19,68 MJ/kg für die Monomere <strong>und</strong> 23,58 MJ/kg für das Polymer. Die Differenz von<br />

3,90 MJ/kg ist daher jene Energie, die der Organismus mindestens aufbringen muss, um<br />

Seide zu erzeugen. Bei der Mineralisation werden demnach auch 23,58 MJ/kg frei.<br />

65


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

10.1.14 Chitinmaterial<br />

Das Exoskelett von Arthropoden besteht aus verschiedenen Schichten mit unterschiedlichen<br />

Anteilen an Materialkomponenten. Die bedeutendste Rolle spielen Chitin <strong>und</strong> Proteine, die je<br />

nach Verwendung in verschiedenen Mischungsverhältnissen vorkommen <strong>und</strong> damit ein<br />

breites Spektrum an Eigenschaftsanforderungen − von sehr harten Mandibeln bis zu weichen<br />

Membranen an den Gelenken − abdecken können. Die Chitinfasern sind in einer<br />

Proteinmatrix eingebettet. Der Anteil von Chitin in der Cuticula von Insekten beträgt<br />

25 - 60% der Trockenmasse, das Protein Resilin spielt auf Gr<strong>und</strong> seiner elastischen<br />

Eigenschaften, neben einigen anderen Stoffen mit geringem Masseanteil, eine wichtige Rolle<br />

(Richards / Davies 1977, S.13ff.).<br />

Der Unterschied zwischen Insekten <strong>und</strong> anderen Arthropoden liegt hauptsächlich in der<br />

Verwendung von gerbenden Proteinen <strong>und</strong> in dem Vorhandensein von Kalziumkarbonat. So<br />

kann bei Arthropoden außerhalb der Gruppe der Insekten der Anteil an nicht gerbenden<br />

Proteinen stark schwanken, wodurch die Cuticula mehr oder weniger flexibel wird. Dagegen<br />

wird das Exoskelett bei vielen Krustazeen durch die Einlagerung von Kalziumkarbonat hart.<br />

Dabei bleibt der Anteil an Chitin mehr oder weniger konstant, während Proteine durch<br />

CaCO 3 ersetzt werden. Bis zu 80% der Trockenmasse von Krustazeen-Panzern bestehen aus<br />

Chitin (Peter, M.; Universität Potsdam, Institut für Chemie, Abt. Naturstoffchemie;<br />

persönliche Mitteilung; 29.1.2002).<br />

Auch bei Brachiopoden kommt eine chitinähnliche Substanz vor. Bei ihnen gibt es<br />

2 Gruppen, eine mit Schalen aus bis zu 40% organischem chitinähnlichen Material <strong>und</strong><br />

Kalziumphosphat <strong>und</strong> eine andere mit nur 4% organischem Anteil <strong>und</strong> Kalziumkarbonat.<br />

(Currey 1970, S.23ff)<br />

Das Chitin in Krustazeen besteht zu 80 bis 90% aus N-Acetylglucosamin <strong>und</strong> 10 bis 20%<br />

Glucosamin − was auch die Basis der angeführten Berechnung darstellt. In manchen Fällen<br />

können jedoch alle Reste acetyliert sein. (Hackman / Goldberg 1974; in Stevenson 1985,<br />

S.11)<br />

66


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Trotz der unterschiedlichsten Zusammensetzungen von Exoskeletten wird hier nur der<br />

Energiewert für reines Chitin berechnet. Einerseits ist es die wichtigste Komponente im<br />

mechanisch beanspruchten Teil der Cuticula. Andererseits führt der Anteil an Proteinen zu<br />

keiner wesentlichen Veränderung der Kalkulationsergebnisse für die Energieüberlegungen.<br />

Der errechnete Wert für die Reaktionsenthalpie beträgt somit 1,41 MJ/kg. Bei der<br />

Mineralisation werden 20,41 MJ/kg frei.<br />

10.1.15 Auflistung der Energiedaten<br />

Die ermittelten Daten zum Energieinhalt der verschiedenen biogenen Materialien sind<br />

nachstehend sowohl in Tabellenform als auch in Diagrammen dargestellt. Dabei wird<br />

zwischen zwei verschiedenen Energieinhalten unterschieden. Zum einen werden die<br />

−<br />

Energieinhalte oder die Reaktionsenthalpien von den Reaktanden (CO 2 , H 2 O, NO 3 <strong>und</strong> SO<br />

2−<br />

4<br />

bzw. den Ausgangsstoffen der Mineralienbildung) zu den Bio<strong>materialien</strong> aufgelistet. Diese<br />

Werte entsprechen der nötigen Energie zum Aufbau von Materialien aus unbelebten<br />

Ressourcen <strong>und</strong> gleichzeitig der Energie, die beim Abbau bzw. der Zersetzung frei wird. Zum<br />

anderen werden die Energieinhalte bzw. die Reaktionsenthalpien festgehalten, die nötig sind,<br />

um aus den Ressourcen, die dem jeweiligen Organismus zur Verfügung stehen, dessen<br />

Bio<strong>materialien</strong> aufzubauen. Die beiden Werte unterscheiden sich voneinander, wenn<br />

Vorleistungen von anderen Organismen genutzt werden, was bei Pflanzen (autotroph) kaum<br />

möglich, bei Heterotrophen aber die Regel ist.<br />

67


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Material<br />

Reaktionsenthalpie [MJ/kg]<br />

aus den Reaktanden CO2, H2O, NO3 −<br />

2−<br />

<strong>und</strong> SO 4<br />

bzw. Ausgangsstoffen<br />

der Mineralien<br />

Reaktionsenthalpie [MJ/kg]<br />

aus den Ressourcen, die dem<br />

jeweiligen Organismus zur<br />

Verfügung stehen<br />

Knochen 7,00 1,01<br />

Dentin 5,50 0,86<br />

Zahnschmelz 0,23 0,13<br />

Geweih 9,90 1,47<br />

Siliziumschalen -0,25 -0,25<br />

Molluskenschalen 1,47 0,41<br />

Korallenskelett (massiv) 0,27 0,25<br />

Kalkschwamm 0,25 0,25<br />

Holz 24,50 24,50<br />

Cellulosematerial 17,35 17,35<br />

Wolle 25,06 3,12<br />

Horn 25,23 3,10<br />

Huf 25,25 3,09<br />

Seide 23,58 3,90<br />

Chitin 20,41 1,41<br />

Tabelle 16: Gesammelte Zahlen zum Energieeinsatz<br />

Die Unterschiede der Energieinhalte der verschiedenen biogenen Materialen sind teilweise<br />

erheblich. Am unteren Ende der Skala stehen die Exoskelette aus Silikaten (Kieselalgen), bei<br />

denen theoretisch sogar ein Energiegewinn bei der Herstellung möglich ist. Am oberen Ende<br />

der Skala steht Holz.<br />

68


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Reaktionsenthalpie von unbelebten<br />

Verbindungen zu Bio<strong>materialien</strong> [MJ/kg]<br />

Reaktionsenthalpie [MJ/kg]<br />

27,50<br />

25,00<br />

22,50<br />

20,00<br />

17,50<br />

15,00<br />

12,50<br />

10,00<br />

7,50<br />

5,00<br />

2,50<br />

0,00<br />

−2,50<br />

Knochen<br />

Dentin<br />

Zahnschmelz<br />

Geweih<br />

Siliziumschalen<br />

Molluskenschalen<br />

Korallenskelett (massiv)<br />

Kalkschwamm<br />

Holz<br />

Cellulosematerial<br />

Wolle<br />

Horn<br />

Huf<br />

Seide<br />

Chitin<br />

Abbildung 3: Gesammelte Aufstellung der Daten zum Energieinhalt (von unbelebten Verbindungen zu<br />

Bio<strong>materialien</strong>)<br />

Aus Abbildung 3 ist ersichtlich, dass die Größe des Energieinhaltes hauptsächlich durch die<br />

organischen Komponenten in den jeweiligen Materialien bestimmt wird. Von den<br />

Biomineralien enthalten Knochen, Dentin <strong>und</strong> Geweih einen relativ hohen Anteil an<br />

organischen Verbindungen. Bei den rein organischen Materialien hat Cellulose den<br />

vergleichsweise geringsten Energieinhalt. Aus diesem Blickwinkel gesehen ist auch ihr<br />

mengenmäßig breiter Einsatz nicht weiter verw<strong>und</strong>erlich.<br />

69


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Reaktionsenthalpie für den Organismus<br />

25,00<br />

22,50<br />

Reaktionsenthalpie [MJ/kg]<br />

20,00<br />

17,50<br />

15,00<br />

12,50<br />

10,00<br />

7,50<br />

5,00<br />

2,50<br />

0,00<br />

−2,50<br />

Knochen<br />

Dentin<br />

Zahnschmelz<br />

Geweih<br />

Siliziumschalen<br />

Molluskenschalen<br />

Korallenskelett (massiv)<br />

Kalkschwamm<br />

Holz<br />

Cellulosematerial<br />

Wolle<br />

Horn<br />

Huf<br />

Seide<br />

Chitin<br />

Abbildung 4: Gesammelte Aufstellung der Daten zum Energieinhalt (Reaktionsenthalpie im<br />

Organismus)<br />

Cellulose <strong>und</strong> Holz sind für den einzelnen Organismus (Abbildung 4) die energieintensivsten,<br />

gleichzeitig aber auch die am häufigsten in der Biosphäre eingesetzten Materialien. Das<br />

scheint widersprüchlich zu sein. Beide Materialien sind aber vollständig aus den ubiquitär<br />

verfügbaren Ressourcen CO 2 <strong>und</strong> Wasser aufgebaut. Die Herstellung ist also, von den<br />

Elementen, die für die Enzyme im Syntheseweg nötig sind, abgesehen, kaum vom Standort<br />

abhängig. Bei Chitin <strong>und</strong> Proteinen muss zudem noch ein beträchtlicher Anteil an Stickstoff<br />

<strong>und</strong> teilweise Schwefel in den lokalen Ressourcen vorhanden sein.<br />

70


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

10.2 Einsatzdauer<br />

Unter Einsatzdauer wird in dieser Arbeit die Zeit verstanden, in der ein bestimmtes<br />

Biomaterial im Organismus verwendet wird. Es handelt sich also um die Zeitspanne vom<br />

Ende der Synthese des Materiales bis zu seinem Abbau im Organismus oder zum Absterben<br />

des Organismus selbst. Sie wird durch den Stoffumsatz der Bio<strong>materialien</strong> im Lebewesen<br />

bestimmt.<br />

Bio<strong>materialien</strong> weisen, was ihre Erneuerung betrifft, unterschiedliche Spielarten auf. Manche,<br />

wie z.B. die Epidermis der Haut, werden fortlaufend vollständig erneuert. Andere, wie z.B.<br />

Knochen, werden zu einem gewissen Anteil pro Zeiteinheit erneuert. Die verschiedenen<br />

Daten sind also nicht direkt miteinander vergleichbar. Um brauchbare Ergebnisse zu erhalten,<br />

sind die Turnover-Zeiten der möglichen Materialwechsel in einer angebrachten Form zu<br />

vereinheitlichen bzw. zu standardisieren.<br />

Man kann die einzelnen Erneuerungsarten als Wachstumsstrategien bezeichnen, von denen<br />

folgende drei unterschieden werden können: der ständige Zuwachs ohne gleichzeitigen Abbau<br />

(Holz, Mollusken), das ständige Nachwachsen bei konstant gehaltener Masse (Haut) <strong>und</strong> die<br />

kontinuierliche Erneuerung mit gleichzeitigem Abbau (Knochen).<br />

Aus Gründen der Standardisierung wird, wo dies möglich ist, von adulten Organismen<br />

ausgegangen. Zudem wird meist die tendenziell längste Einsatzdauer <strong>und</strong> nicht ein<br />

Durchschnittswert verwendet.<br />

10.2.1 Turnover-Theorie<br />

In der Literatur finden sich verschiedenste Angaben für den Umsatz oder Turnover von<br />

Bio<strong>materialien</strong>. Einerseits werden Zeitspannen für einen vollständigen Materialwechsel<br />

angegeben, andererseits Halbwertszeiten, in denen die Hälfte des Materiales erneuert wird,<br />

oder aber Prozentraten der Erneuerung in einer bestimmten Zeitspanne. Am zweckmäßigsten<br />

ist es, jene Zeitspannen miteinander zu vergleichen, in denen entweder das gesamte Material<br />

ein Mal ausgetauscht oder eine zur vorhandenen Materialmenge äquivalente Menge ein Mal<br />

umgesetzt wird. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen keine Erneuerung, sondern ein ständiger<br />

Zuwachs stattfindet. Diese Fälle sind gesondert zu betrachten.<br />

71


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Materialerneuerung 0. Ordnung (linear)<br />

Im Fall einer Erneuerung 0. Ordnung ist die Rate der Erneuerung nicht von der Änderung der<br />

Menge in der Zeit abhängig, d.h., der Austausch ist linear.<br />

dN<br />

= k (7)<br />

dt<br />

Die Änderung der Menge N in der Zeit t ist konstant. Durch Integration ergibt sich:<br />

N t<br />

= N 0<br />

kt (8)<br />

Ein Körper oder Organismus, der sich im Fließgleichgewicht befindet, baut genau so viel<br />

Material auf, wie er abbaut. Die Erneuerung erfolgt allerdings mit umgekehrten Vorzeichen<br />

von k,<br />

N t<br />

= N 0<br />

kt (9)<br />

wobei N 0 die zu Beginn vorhandene Menge ist. Da ein Fließgleichgewicht herrscht, ist diese<br />

Menge aber immer vorhanden. Wenn N t 50% von N 0 erreicht hat, so ist die dafür benötigte<br />

Zeit die Halbwertszeit.<br />

Daraus folgt:<br />

N t<br />

= N 0<br />

⁄ 2 (10)<br />

t 1⁄2<br />

= N 0<br />

(11)<br />

2k<br />

Ein vollständiger Turnover muss per Definition doppelt so lange dauern wie die<br />

Halbwertszeit.<br />

Daraus ergibt sich:<br />

t 1⁄2<br />

= t t<br />

2<br />

(12)<br />

t t<br />

= N 0<br />

k<br />

(13)<br />

Materialerneuerung 1. Ordnung (exponentiell)<br />

Eine Erneuerung 1. Ordnung ist gegeben, wenn die vorhandene Menge zu einem bestimmten<br />

Prozentsatz in einem Zeitraum ausgetauscht wird.<br />

dN<br />

dt<br />

= kN (14)<br />

72


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Die Integration ergibt:<br />

N t<br />

= N 0<br />

e kt (15)<br />

Da ein sich nicht im Wachstum befindender Teil eines Organismus ständig die gleiche Masse<br />

hat, ist die Änderung in der Zeit, also die erste Ableitung, für den Turnover von Bedeutung:<br />

N t<br />

’<br />

= N 0<br />

e kt k (16)<br />

Die Steigung der Funktion zum Zeitpunkt null gibt somit die Charakteristik des Turnovers<br />

wieder:<br />

N 0<br />

’<br />

= N 0<br />

k (17)<br />

Folglich ergibt sich durch die Geradengleichung (y = ax + d) der Tangente bei t = 0:<br />

N t<br />

= N 0<br />

k t N 0<br />

(18)<br />

Zum Zeitpunkt t t ist N t = 2 N 0 . Das ergibt:<br />

2 N 0<br />

= N 0<br />

k t t<br />

N 0<br />

(19)<br />

N 0<br />

= N 0<br />

k t t<br />

(20)<br />

k = 1 t t<br />

(21)<br />

Der Zusammenhang mit der Halbwertszeit ist durch Gleichung (15) zu erhalten, wobei<br />

N t = 2 N 0 ist. Das ergibt:<br />

2 N 0<br />

= N 0<br />

e kt 1⁄2<br />

(22)<br />

ln2 = kt 1⁄2<br />

(23)<br />

t 1⁄2<br />

= ln2<br />

(24)<br />

k<br />

Durch Einsetzen der Gleichung (21) erhält man eine Beziehung zwischen Halbwertszeit <strong>und</strong><br />

Turnover-Zeit.<br />

t 1⁄2<br />

= t t<br />

ln2 (25)<br />

Die verschiedenen Bio<strong>materialien</strong> lassen sich somit durch die Turnover-Zeit miteinander<br />

vergleichen.<br />

Kontinuierliche Materialakkumulation<br />

Eine kontinuierliche Materialakkumulation ohne -erneuerung lässt sich beispielsweise bei<br />

73


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Holz beobachten. R<strong>und</strong> um die inneren Schichten bilden sich ständig neue Schichten aus,<br />

ohne dass Material ersetzt wird. Unter solchen Umständen kann also nicht direkt von einer<br />

Turnover-Zeit gesprochen werden. Gegebenenfalls kann der Zuwachs pro Zeiteinheit zum<br />

Vergleich herangezogen werden. Bei dieser Art der Materialverwendung wird stets das Alter<br />

der am längsten im Einsatz stehenden Bestandteile für die Analyse verwendet.<br />

10.2.2 Knochen<br />

Die Knochensubstanz wird ständig ab- <strong>und</strong> wieder aufgebaut <strong>und</strong> entspricht damit der<br />

Materialerneuerung 1. Ordnung. So befinden sich 5% der gesamten Knochenmasse zu jedem<br />

Zeitpunkt im Umbau. Das Kalzium im menschlichen Knochen (r<strong>und</strong> 1100 g bei einem jungen<br />

Erwachsenen) wird bei Kindern zu 100% pro Jahr ausgetauscht, bei Erwachsenen zu 18% pro<br />

Jahr. In den Knochen befinden sich 99% des körpereigenen Kalziums. Kalzium im Plasma ist<br />

r<strong>und</strong> zur Hälfte gelöst <strong>und</strong> zur anderen Hälfte an Proteine geb<strong>und</strong>en. Die<br />

Gesamtkonzentration beträgt normalerweise 100 mg/l (2,5 mmol/l). Pro Tag werden 25 mmol<br />

(1000 mg) Ca aufgenommen <strong>und</strong> wieder ausgeschieden. Phosphor macht 500 bis 800 g des<br />

Körpergewichtes aus, wovon sich 85 bis 90% im Skelett befinden. Die Gesamtkonzentration<br />

im Plasma beträgt 120 mg/l, wovon zwei Drittel organisch geb<strong>und</strong>en sind. Pro Tag werden<br />

vom Menschen r<strong>und</strong> 7 mmol (220 mg) Phosphor aufgenommen <strong>und</strong> ausgeschieden.<br />

Die meisten Knochen werden durch eine kompakte äußere Schicht aufgebaut, die den porösen<br />

Innenteil umschließt. Die Erneuerungsraten liegen bei 4% pro Jahr für kompakte <strong>und</strong> 20%<br />

pro Jahr für trabeculare Knochenteile. R<strong>und</strong> 75% des Knochenmaterials sind kompakt <strong>und</strong><br />

25% porös. Der kompakte Teil ist metabolisch wenig aktiv <strong>und</strong> wesentlich dichter als der<br />

poröse Teil <strong>und</strong> übernimmt damit die Stützfunktion. (Ganong, W. 1999, S. 364ff)<br />

In anderen Quellen sind Turnover-Raten von um die 3,5% pro Jahr für das menschliche<br />

Skelett zu finden, aber die Rate ist von Knochen zu Knochen verschieden <strong>und</strong> beträgt von<br />

1,5% in der Mitte des Schaftes des Oberschenkelknochens bis zu 8% in den Wirbeln des<br />

Rückgrates (Fourman 1968, S. 29).<br />

In dieser Arbeit ist der kompakte Knochen von größerer Bedeutung als der poröse, da er die<br />

statische Funktion übernimmt. Daher wird der Turnover mit 4% pro Jahr angesetzt. Die<br />

74


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Turnover-Zeit beträgt daher<br />

oder 9131 Tage.<br />

t t<br />

= 1 k = 1<br />

0,04<br />

= 25 Jahre<br />

10.2.3 Dentin<br />

Die Odontoblasten (Zellen zur Zahnbildung) sind nicht wie die Osteoblasten im Knochen<br />

gleichmäßig verteilt. Sie befinden sich an der Innenseite des Dentins, in der Pulpa, <strong>und</strong><br />

können nur dort neues mineralisches Material erzeugen. Dentin wird während des ganzen<br />

Lebens produziert, wodurch die Pulpa langsam immer kleiner wird. Neben diesem primären<br />

Dentin kann auch sek<strong>und</strong>äres Dentin erzeugt werden. Dieses wird wesentlich rascher<br />

produziert <strong>und</strong> dient der Reparatur von Zahnlöchern. (Ham / Cormack 1979, S.654ff)<br />

Dentin wird demnach in jedem Zahn nur ein Mal erzeugt <strong>und</strong> nicht wie Knochensubstanz<br />

ständig erneuert. Beim Menschen werden zwei Sätze von Zähnen gebildet. Daher ist der<br />

Turnover in der gesamten menschlichen Lebensdauer gleich 2. Die Einsatzdauer ist allerdings<br />

für beide Sätze unterschiedlich, für diese Arbeit wird die längere herangezogen. Somit ergibt<br />

sich für das bleibende Gebiss eine Einsatzdauer von 65 a (vom 10. bis zum 75. Lebensjahr)<br />

bzw. 23741 Tagen.<br />

10.2.4 Zahnschmelz<br />

Was für Dentin gilt, gilt im Bezug auf die Turnover-Zeit in gleichem Maße auch für den<br />

Zahnschmelz. Dieser kann nicht erneuert werden, sondern wird jeweils nur einmal von<br />

Adamantoblasten gebildet. Da die Adamantoblasten zugr<strong>und</strong>e gehen, kann die<br />

Schmelzsubstanz weder vermehrt noch regeneriert werden (Brockhaus Enzyklopädie 1974,<br />

Stichwort: Zahn). Der Turnover <strong>und</strong> die Einsatzdauer des Zahnschmelzes sind gleich denen<br />

von Dentin.<br />

75


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

10.2.5 Mineralisches Geweih<br />

Das Wachstum von Geweihen zeigt eine Charakteristik, die der von Häutungen bei<br />

Arthropoden entspricht. Diese liegt darin, dass der alte Kopfschmuck zuerst abgeworfen<br />

werden muss, bevor ein neuer gebildet werden kann.<br />

Rehe (Capreolus capreolus) bilden bereits im ersten Lebensjahr das so genannte<br />

Erstlingsgeweih. Das jährlich abgeworfene Geweih wird mit zunehmendem Alter größer. Ein<br />

bis zu 12 Jahre alt werdendes Reh (extrem bis 17 Jahre) bildet daher 12-mal ein neues<br />

Geweih aus (Nowak / Paradiso 1983, S.1226).<br />

Für das Rotwild (Cervus elaphus) gilt Ähnliches wie für das Reh, mit dem Unterschied, dass<br />

es (in Gefangenschaft) bis über 28 Jahre alt werden kann (Nowak / Paradiso 1983, S.1210).<br />

Im Durchschnitt werden Rothirsche aber zwischen 18 <strong>und</strong> 20 Jahre alt . Von einem durchschnittlichen Hirsch kann daher angenommen werden,<br />

dass er 20-mal ein neues Geweih bildet.<br />

Für die hier angestellten Überlegungen sei eine durchschnittliche Turnover-Zahl<br />

angenommen, die zwischen der des Rehes <strong>und</strong> der von Rotwild liegt. Der Wert befindet sich<br />

daher zwischen 12 <strong>und</strong> 20 Turnover <strong>und</strong> beträgt 16.<br />

Unabhängig davon wird die Einsatzdauer mit weniger als einem Jahr angesetzt, <strong>und</strong> zwar mit<br />

210 Tagen. Dies berücksichtigt die Zeit zwischen dem Verfegen <strong>und</strong> dem Abwerfen des<br />

Geweihes. Der Zeitraum ist beim Reh <strong>und</strong> beim Rotwild in etwa gleich lang, wenn auch die<br />

Geweihe zu unterschiedlichen Jahreszeiten getragen werden. Das Reh verfegt sein Geweih im<br />

April bis Mai <strong>und</strong> wirft es im November bis Dezember ab, während beim Rotwild von Juli<br />

bis August verfegt wird <strong>und</strong> das Abwerfen im Februar bis März stattfindet. <br />

10.2.6 Silikatschalen<br />

Weder die Zusammensetzung noch die metabolischen Prozesse bei der Bildung von<br />

Diatomeenschalen (Frusteln) sind genau bekannt (vgl. Lowenstam / Weiner 1989, S.54ff).<br />

Daher ist auch nicht erwiesen, ob sich die Schalen, ähnlich wie im Knochen, im ständigen<br />

Umbau befinden oder nicht. Es wird in dieser Arbeit davon ausgegangen, dass ein<br />

76


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Organismus seine Schale nur ein Mal bildet <strong>und</strong> diese dann nicht mehr umgebaut wird. Gegen<br />

diese Annahme spricht, dass das Exoskelett stetig vom Umgebungswasser angelöst wird. Da<br />

die Lebensdauer einer Kieselalge aber vergleichsweise kurz ist, dürfte dieser Mechanismus<br />

kaum eine Rolle spielen. Weiter unten angeführte Untersuchungen haben auch gezeigt, dass<br />

Schalen lebender Diatomeen relativ beständig gegenüber dem Auflösen sind.<br />

Zur Lebensdauer von Diatomeen liegen nur sehr wenige Daten vor. Eine indirekte Messung<br />

wurde an Stephanodiscus durchgeführt <strong>und</strong> ergab eine durchschnittliche Verweildauer der<br />

Zellen in ihrem Süßwasser-Habitat von r<strong>und</strong> einem Monat (Ro<strong>und</strong> 1982b, S.447-459).<br />

Es kann somit die Annahme getroffen werden, dass die Lebensdauer von Kieselalgen r<strong>und</strong><br />

30 Tage beträgt. Der Turnover in der Gesamtlebenszeit liegt bei einer gebildeten Schale. Die<br />

Einsatzdauer der Schale beträgt somit ebenfalls an die 30 Tage.<br />

10.2.7 Molluskenschalen<br />

Muscheln haben unterschiedlich lange Lebenserwartungen. Als Beispiel mag hier die im<br />

Süßwasser lebende Flussperlmuschel Margaritifera margaritifera dienen. Diese Art kann ein<br />

Alter von mehr als 100 Jahren erreichen . Aber auch andere<br />

Arten wie die im Meer lebende Arctica islandica können bis über 100 Jahre alt werden<br />

(Thompson et al. 1980).<br />

Die Schale wird Schicht für Schicht aufgebaut. Das ältere Material wird ähnlich wie das Holz<br />

in einem Baum während des gesamten Lebens funktionell genutzt. Es gibt daher keinen<br />

Turnover, bzw. er liegt bei 1. Die Einsatzdauer entspricht dem Alter des Organismus, das hier<br />

mit 100 Jahren bzw. 36525 Tagen angesetzt wird.<br />

10.2.8 Korallenmaterial<br />

Die riffbildenden Cnidarien, die Klasse der Anthozoa, kommen ausschließlich im Meer vor<br />

(Pechenik 2000, S.111). Über ihre Lebensdauer ist wenig bekannt, zumal zwischen der<br />

Lebensspanne der einzelnen Tiere <strong>und</strong> jener der ganzen Kolonien unterschieden werden kann.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich können Kolonien von einigen Jahrzehnten bis zu Jahrh<strong>und</strong>erten alt werden<br />

.<br />

77


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

In La Parguera kommt die Art Montastrea annularis (Ordnung Scleractinia, Familie<br />

Faviidae) vor. Kolonien können einen Durchmesser von mehr als 5 m aufweisen, woraus sich<br />

bei einer Wachstumsrate von etwas unter 1 cm/Jahr (Goenaga / Winter, nicht publiziert) ein<br />

Alter von mehreren h<strong>und</strong>ert Jahren ergibt. <br />

Da die Riffkorallen in Symbiose mit Grünalgen leben, sind sie lichtbedürftig <strong>und</strong> gedeihen in<br />

den obersten 20 m des Meeres am besten, unterhalb von 90 m nicht mehr. Sie sind also<br />

ausschließlich Bewohner der tropischen Flachmeere. Hier errichten sie, <strong>und</strong> zwar bevorzugt<br />

auf hartem Gr<strong>und</strong>, mit einer Zuwachsrate von 0,5 bis 1 cm/Jahr ihre Bauten, die dank dem<br />

Streben der Kolonien zu besseren Licht- <strong>und</strong> Nahrungsverhältnissen als Riffe mit steiler<br />

Böschung zentrifugal gegen die offene See vorrücken. (Zeil 1990, S.76)<br />

Messungen an Bohrkernen im Bermudariff zeigen einen horizontalen Zuwachs von<br />

0,1 mm/Jahr. Anderswo liegen die diesbezüglichen Durchschnittswerte bei 1 cm/Jahr<br />

(Tardent 1993, S.154). Die Untersuchungen an Bohrkernen scheinen allerdings nicht die<br />

wirkliche Zuwachsrate in einem Jahr widerzuspiegeln, denn es handelt sich hier eher um den<br />

Nettozuwachs, der sich aus aufbauenden <strong>und</strong> (weiter unten angeführten) abbauenden<br />

Prozessen zusammensetzt.<br />

Da nur die oberste Schicht für die lebende Koralle von Bedeutung ist, während die<br />

darunterliegenden stark erodiert sein können, wird die Einsatzdauer des Materials mit nur<br />

einem Jahr angenommen. Anders als bei Bäumen, die die gleiche aggregierende<br />

Wachstumscharakteristik zeigen, müssen die Jahre zuvor gebildeten Skelettteile keine<br />

lebensnotwendige schützende <strong>und</strong> stützende Funktion mehr erfüllen.<br />

10.2.9 Schwämme<br />

Die in Schwämmen vorkommenden Skelettbestandteile sind in die großteils zelllose,<br />

gallertartige Matrix des Mesohyls eingebettet. In dieser Schicht können sich einzelne Zellen<br />

(Archaeocyten) frei bewegen <strong>und</strong> verschiedene Aufgaben erfüllen. Eine Art von<br />

Archaeocyten sind die Sclerocyten, die für die Sekretion der Spicula zuständig sind, eine<br />

andere, die Spongocyten, ist für die Bildung von Spongin zuständig. (Dendy 1926) (Ilan et al.<br />

1996) (Ledger / Johnes 1977) Nur 2% aller Schwammarten leben im Süßwasser, der Rest ist<br />

78


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

auf Meerwasser angewiesen (Pechenik 2000, S.73).<br />

Auf Gr<strong>und</strong> der Tatsache, dass Schwämme fortwährend an Größe zunehmen, kann<br />

angenommen werden, dass bei den Schwammskeletten kein Turnover stattfindet <strong>und</strong> dass das<br />

einmal gebildete Skelett stetig weiterverwendet wird.<br />

Mycale acerata (Klasse Hexactinellida) ist ein Schwamm, der in der Antarktis vorkommt;<br />

aufgr<strong>und</strong> seiner langsamen Wachstumsrate wird angenommen, dass er bis zu einigen h<strong>und</strong>ert<br />

Jahren alt werden kann (Dayton et al. 1974 in: Bergquist 1978, S.188). Es kommen jedoch<br />

auch annuelle Formen vor, wie die in Neuseeland beheimatete Gattung Halisarca (Klasse<br />

Demospongiae). Andere Formen, wie Cliona <strong>und</strong> Ancorina, werden bis zu mehr als 20 Jahre<br />

alt. (Bergquist 1978, S.190) Der zur Familie der Halichondriidae (Klasse Demospongiae)<br />

gehörende Brotkrumenschwamm (Halichondria panicea) ist in Nord- <strong>und</strong> Ostsee verbreitet,<br />

wird meist 1 Jahr alt <strong>und</strong> kann in dieser Zeit fußballgroß werden .<br />

Mit einem hier angenommenen eher hohen mittleren Wert für die Lebensdauer von<br />

Schwämmen von 20 Jahren <strong>und</strong> einem Turnover von 1 ergibt sich auch eine Einsatzdauer von<br />

20 Jahren oder 7305 Tagen.<br />

10.2.10 Holz<br />

Bäume bilden ständig neues verholztes Material an der Außenschicht des bereits vorhandenen<br />

Holzes. Das gesamte Holzmaterial, das während eines Lebens gebildet wird, steht im<br />

funktionellen Einsatz. Die äußeren Schichten sind allerdings von größerer Bedeutung, da sie<br />

die statische Hauptlast tragen <strong>und</strong> für den Wassertransport unerlässlich sind. Ältere Bäume<br />

können innen durchaus hohl sein, ohne dass dadurch andere Funktionen beeinträchtigt<br />

werden.<br />

Der Turnover ist daher gleich 1. Das Alter von Bäumen <strong>und</strong> somit die Einsatzdauer von Holz<br />

kann sehr unterschiedlich sein, zumal sie meist »getötet« werden <strong>und</strong> nicht aus innerer<br />

Ursache sterben (Mohr / Schopfer 1992, S.453). Die Spanne reicht von 80 bis 200 Jahren bei<br />

Pionierhölzern (wie Erle, Pappel, Weide, Robinie, Esche, Birke), über 150 bis 1400 Jahren<br />

bei sommergrünen Waldbäumen (wie Ulme, Ahorn, Buche, Linde, Eiche), bis zu 100 bis<br />

4000 Jahren bei Koniferen (Wacholder, Eibe, Lärche, Tanne, Fichte (200 bis 500 Jahre),<br />

79


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Douglasie, Kiefer) (Larcher 1994, S.229). In dieser Arbeit wird als Einsatzdauer allerdings<br />

ein mittlerer Wert von 200 Jahren angenommen.<br />

10.2.11 Cellulosematerial<br />

Zellwände <strong>und</strong> somit Cellulose<strong>materialien</strong> können unterschiedlich lange Zeiten in Funktion<br />

stehen. Bei annuellen Pflanzen liegt diese Dauer unter einem Jahr, während sie bei den<br />

Nadeln von Koniferen mehrere Jahre betragen kann. Ein Beispiel für den Einsatz von<br />

Cellulosematerial sind die Blätter von Laubbäumen in gemäßigten Breiten, d.h. mit<br />

jährlichem Laubwechsel.<br />

Als Vegetationstage werden Tage bezeichnet, deren mittlere Tagestemperatur mindestens<br />

+5°C beträgt (Harlfinger / Knees 1999). Sind die Tage kühler, zeigen Pflanzen nahezu keine<br />

Wachstumsaktivitäten. Diese Größe hängt eng mit der Dauer der Vegetationsperiode<br />

zusammen, dem Zeitraum zwischen dem durchschnittlichen Überschreiten <strong>und</strong> wieder<br />

Unterschreiten der 5°C-Schwelle. Die Zahl der Vegetationstage für einen Ort ist<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich etwas höher als die Dauer der Vegetationsperiode, da einzelne Vegetationstage<br />

auch vor oder nach der Vegetationsperiode liegen können. <br />

Die durchschnittliche Dauer der Vegetationsperiode beträgt im Flachland Mitteleuropas,<br />

beispielsweise im Saarland, r<strong>und</strong> 160 Tage .<br />

Nimmt man die Dauer der Vegetationsperiode als Maß für das Vorhandensein von Cellulose<br />

in Blättern, so ist diese Zeit sicher zu kurz, da die Blätter zunächst gebildet werden müssen,<br />

<strong>und</strong> im Herbst, erst nachdem die Vegetationsperiode beendet ist, abgeworfen werden.<br />

Dennoch liefert diese Dauer einen Anhaltswert für die Zeit, in der das Blatt <strong>und</strong> somit die<br />

Cellulose seine Funktion ausübt. Sie wird daher als Einsatzdauer angenommen <strong>und</strong> beträgt<br />

für mittlere Breiten 160 Tage.<br />

10.2.12 Keratin<strong>materialien</strong><br />

Menschliche Haut<br />

Die menschliche Haut variiert in ihrer Dicke von weniger als 1 mm (Augenlid) bis zu mehr<br />

80


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

als 3mm (Handfläche <strong>und</strong> Sohle). Die Haut besteht aus mehreren Schichten. Die Epidermis<br />

bildet die äußerste Schicht der Haut <strong>und</strong> ist je nach Exposition 0,1 bis 0,7 mm dick.<br />

(Dulbecco 1997, Vol 8, S. 41) Sie steht in ständigem Kontakt mit der Umwelt <strong>und</strong> wird<br />

laufend neu gebildet. Dabei schieben sich tiefer liegende Zellen an die Oberfläche <strong>und</strong> bilden<br />

die abgestorbene, dehydrierte <strong>und</strong> hornige Schicht des Stratum corneum. Auf ihrem Weg<br />

vom Stratum spinosum zum Stratum corneum werden die Zellen durch die Ausbildung von<br />

Disulfid-Brücken zwischen Cysteinen in der Membran keratinisiert.<br />

Die Turnover-Zeit, also die Zeit, in der die Zelle vom Stratum basale, der untersten Schicht<br />

der Epidermis, bis zum Stratum corneum wandert, beträgt r<strong>und</strong> 27 Tage. Die Epidermis wird<br />

demzufolge alle 27 Tage vollständig erneuert, was der Einsatzdauer entspricht. Bis zu einer<br />

durchschnittlich angenommenen Lebenserwartung von 75 Jahren wird die Epidermis also<br />

r<strong>und</strong> 1000-mal erneuert. Der Mensch verliert somit 5 bis 10 g verhornter Haut pro Tag, die zu<br />

80% aus Proteinen <strong>und</strong> 20% aus strukturellen Lipiden <strong>und</strong> Pigmenten besteht. (Dulbecco<br />

1997, Vol 8, S. 41)<br />

Menschliche Nägel<br />

Die Struktur der Nägel ist mit der von Haaren <strong>und</strong> Stratum corneum verwandt. Normales<br />

Nagel-Gewebe wächst mit 0,1 mm/Tag in Längsrichtung. Ab dem 30. Lebensjahr nimmt die<br />

Wachstumsrate ab. Die abgestorbenen Nägel bestehen aus vielen Schichten plattenartig<br />

angeordneter keratinisierter Zellen, wobei in Nägeln mehr Cystein vorhanden ist als im<br />

Stratum corneum, aber weniger als im Haar. (Dulbecco 1997, Vol 8, S. 44)<br />

Bei einer Nagellänge von 2 cm ergibt sich eine Einsatzdauer von 200 Tagen. Rechnet man<br />

mit einer Lebenserwartung des Menschen von 75 Jahren, so ergibt sich eine Turnoveranzahl<br />

von 137 Erneuerungen während der Lebensspanne.<br />

Horn<br />

Bei den Boviden (Hornträger) haben im Gegensatz zu den meisten Cerviden (Geweihträger)<br />

beide Geschlechter einen Kopfschmuck. Dieser wird nicht abgeworfen, sondern wächst<br />

zeitlebens mehr oder weniger stark. Die Energiewerte von Horn wurden für das Schaf (Ovis<br />

ammon) berechnet. Deshalb soll diese Spezies auch hier wieder behandelt werden.<br />

81


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Schafe werden je nach Populationsdruck verschieden alt. In stabilen oder schrumpfenden<br />

Populationen liegt die durchschnittliche Lebensdauer bei mehr als 10 Jahren, maximal<br />

werden 20 - 24 Jahre erreicht. In wachsenden Populationen hingegen ist die durchschnittliche<br />

Lebensdauer mit 6 - 7 Jahren begrenzt. (Nowak / Paradiso 1983) Hier wird mit der<br />

durchschnittlichen Lebenserwartung einer stabilen Population gerechnet, d.h. mit 10 Jahren.<br />

Damit ergibt sich auch die Einsatzdauer des Horns, bei einmaligem Turnover, mit 10 Jahren<br />

oder 36525 Tagen.<br />

Obwohl im Horn des Rhinoceros keine lebenden Zellen auftreten, scheint es die Fähigkeit zu<br />

haben, kleinere Risse von selbst reparieren zu können (J. Daniel / A, Van Orden in: Benyus<br />

1997, S.143). Inwieweit dieser Mechanismus eine Rolle beim Aufbau von Horn allgemein<br />

spielt, ist nicht bekannt.<br />

10.2.13 Seide<br />

Die Dauer der Verpuppung, für die bei Insekten Seide benötigt wird, ist je nach Spezies<br />

unterschiedlich lang. Sie kann von einer bis 8 Wochen dauern. Die Dörrobstmotte braucht<br />

8 Wochen, um sich zu verpuppen . Die Brennesselraupe<br />

hingegen benötigt nur 10 Tage zur Verpuppung . Der<br />

Apfelschalenwickler hat eine Verpuppungsdauer von 10 - 20 Tagen . Die Metamorphose des Schwalbenschwanzes dauert zwischen 12 <strong>und</strong><br />

25 Tagen für die . Bombyx mori, der Maulbeerspinner, zeigt eine<br />

Verpuppungsdauer von 8 - 12 Tagen .<br />

Ein mittlerer Wert von 20 Tagen kann damit für die Einsatzdauer eines Kokons angesetzt<br />

werden. Die Einsatzdauer von Spinnennetzen kann ebenfalls variieren, sie wird aber hier<br />

nicht bearbeitet.<br />

10.2.14 Chitin<strong>materialien</strong><br />

Da chitinhaltige Materialien im Tierreich zumeist für die Bildung eines Exoskelettes benutzt<br />

werden, muss dieses während des Wachstums mehr oder weniger häufig ausgetauscht werden<br />

(Häutung).<br />

82


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Insekten<br />

Bei Insekten wird nur die äußerste Schicht (Exocuticula) erneuert. Zwischen der alten <strong>und</strong> der<br />

neu entstehenden Cuticula bildet sich beim Häuten ein flüssiger Film, von dem die<br />

abzuwerfende Schicht durch Proteasen <strong>und</strong> Chitinasen angelöst wird. Es wird diskutiert, ob<br />

die gelösten Stoffe der alten Cuticula zum Aufbau der neuen Schicht verwendet werden.<br />

Einige Insekten werfen die alte Hülle nicht ab, sondern verwenden sie als weitere<br />

Schutzschicht, andere wiederum verwenden sie für den hinteren Teil des Körpers weiter. Die<br />

Anzahl der Häutungen variiert innerhalb der Gruppe der Insekten sehr stark. Generell kann<br />

festgestellt werden, dass sich spezialisierte Tiere weniger oft häuten als primitivere Formen.<br />

Es gibt Arten, die sich zeitlebens häuten, <strong>und</strong> andere, die sich, wenn sie ausgewachsen sind,<br />

nicht mehr häuten (z.B. Pterygota). Die meisten Insekten häuten sich zwischen 4- <strong>und</strong> 20-mal<br />

ausgehend von der Larve. (Richards / Davies 1977, S.11ff, 361ff)<br />

Aus anderen Quellen sind ähnliche Daten zu entnehmen. So kann die Anzahl der Häutungen<br />

zwischen den Extremen von 1 bis 60 liegen. Am häufigsten kommen allerdings 4 bis 5<br />

Häutungen im Leben eines Insektes vor. (Gewecke 1995, S.90) Es wird daher mit einem Wert<br />

von 5 Häutungen gerechnet.<br />

Die Lebensdauer von Insekten variiert stark. So können Organismen wie Blattläuse <strong>und</strong><br />

Schmetterlinge mehrere Generationen in einem Jahr hervorbringen, während Larven von<br />

anderen Arten mehrere Jahre im Wasser, tief in der Erde oder im Holz überleben können<br />

(Zikaden, Maikäfer, Bockkäfer, Hirschkäfer). Auch die Imagines einzelner Arten können<br />

mehrere Jahre überleben, wie beispielsweise Schwimmkäfer im Wasser <strong>und</strong> Honigbienen<br />

oder Ameisen im eigenen Bau. Besonders die Weibchen bei Bienen, Termiten <strong>und</strong> Ameisen<br />

können mehrere Saisonen durchhalten. Bei der Mehrzahl der Insekten in gemäßigten Breiten<br />

liegt die Lebensdauer allerdings bei einem Jahr. (Handlirsch 1929, S.28ff.)<br />

Auch bei staatenbildenden Insekten, wie bei der Honigbiene, leben die meisten Individuen<br />

nicht länger als ein Jahr. Ein durchschnittlicher Bienenstock umfasst im Frühsommer 40000<br />

Individuen, während nur knapp über 10000 den Winter überstehen (Gould / Gould 1988,<br />

S.27). Der Lebenszyklus einer Arbeiterin kann wie folgt beschrieben werden: Aus dem<br />

gelegten Ei schlüpft nach 3 Tagen die Larve. Nach 10 Tagen im Larvenstadium wird ein<br />

Kokon gesponnen, in dem die Metamorphose stattfindet <strong>und</strong> nach weiteren 7 Tagen die<br />

fertige Arbeiterin schlüpft. Die Biene arbeitet daraufhin 3 Wochen im Stock, um dann (je<br />

83


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

nach Belastung) für 9 Tage bis 3 Wochen Bestäubungsflüge durchzuführen. Nach r<strong>und</strong><br />

800 Flugkilometern ist die Flugmuskulatur verbraucht. (Gould / Gould 1988, S.26ff) Daraus<br />

ergibt sich eine Lebensspanne einer durchschnittlichen Honigbiene von der Eiablage bis zur<br />

fertigen Arbeiterin von 20 Tagen, worauf 30 bis 42 Tage als aktive Arbeiterin folgen.<br />

Die Schwankungsbreite in der Lebensspanne von Insekten ist also relativ groß. Dennoch wird<br />

hier mit einem durchschnittlichen Wert von einem Jahr gearbeitet. Daraus kann man<br />

schließen, dass bei einer Lebensdauer von 365 Tagen <strong>und</strong> einem Gesamtturnover von 5 die<br />

durchschnittliche Turnover-Zeit bei 73 Tagen liegt. Das ist natürlich nur ein theoretischer<br />

Wert, da die meisten Häutungen zu Beginn der Lebensspanne vorkommen <strong>und</strong> sich viele<br />

Imagines nicht mehr häuten.<br />

Krustazeen<br />

Die Cuticula von Krustazeen ist ähnlich aufgebaut wie die von Insekten. Dennoch gibt es<br />

einige Unterschiede. Die dünne Epicuticula enthält kein Chitin <strong>und</strong> besteht aus Proteinen,<br />

Lipiden <strong>und</strong> Kalziumsalzen. Die Begriffe für Exocuticula (bei Krustazeen: Precdysale<br />

Procuticula od. Primäre Procuticula) <strong>und</strong> Endocuticula (bei Krustazeen: Postecdycale<br />

Procuticula od. Sek<strong>und</strong>äre Procuticula), wie sie für das Insektenintegument üblich sind,<br />

werden von manchen Autoren mit dem Begriff Procuticula zusammengefasst. Die Procuticula<br />

ist durch ihren Gehalt an Chitin charakterisiert. Sie wird in eine preecdysale <strong>und</strong> postecdysale<br />

Schicht unterteilt, je nachdem ob sie schon vor der letzten Häutung oder danach gebildet<br />

wurde. Das Postecdysale wird wiederum in eine obere Schicht <strong>und</strong> eine darunter liegende<br />

Membran unterteilt. Außer der Membran besteht die Procuticula aus Chitin, Proteinen <strong>und</strong><br />

Kalziumverbindungen. Das Exoskelett wird durch Sklerotisation <strong>und</strong> die Einlagerung von<br />

Kalziummineralien (Kalzit, Vaterit <strong>und</strong> Hydroxyapatit) ausgehärtet. Mineralische<br />

Einlagerungen finden sich in allen Schichten der Cuticula mit Ausnahme der äußeren<br />

Epicuticula <strong>und</strong> der inneren Membran. Die Mineralien füllen die Poren, die sonst durch<br />

Proteine besetzt würden. (Stevenson 1985, S.2ff)<br />

Die primäre Procuticula widersteht den Enzymen, die während der Häutung zur Auflösung<br />

der alten Hülle eingesetzt werden. Epicuticula <strong>und</strong> Prokutikula beinhalten keine lebenden<br />

Zellen <strong>und</strong> werden von der darunter liegenden Epidermis versorgt. Die Epidermis bildet die<br />

Cuticula <strong>und</strong> die zur Häutung benötigten Enzyme, die die untere Schicht der alten Cuticula<br />

84


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

lösen. Außerdem können W<strong>und</strong>en in der Cuticula repariert werden. In der Procuticula<br />

kommen Chitin, teilweise netzartig verb<strong>und</strong>ene Proteine <strong>und</strong> Lipide vor. Wie Chitin mit den<br />

Proteinen verb<strong>und</strong>en ist, ist weitgehend unklar. Lipide werden zur Wasserabdichtung<br />

eingesetzt, andere Funktionen wie Strukturmaterial <strong>und</strong> Schutz vor Chemikalien werden<br />

diskutiert. (Stevenson 1985, S.2ff)<br />

Die alte Hülle wird innen durch Chitinase <strong>und</strong> Protease angelöst, <strong>und</strong> die dabei entstehenden<br />

Monomere werden teilweise durch Poren in den Organismus zurücktransportiert <strong>und</strong> können<br />

zur Bildung der neuen Cuticula beitragen. Die genauen Vorgänge sind allerdings nicht<br />

bekannt. Die Cuticula kann auch bei Nahrungsknappheit teilweise dem Metabolismus<br />

zugeführt werden. Dies zeigt sich in dem dünner werdenden Exoskelett in Zeiten mangelnder<br />

Nahrung. Die mineralischen Einlagerungen der alten Cuticula werden teilweise gelöst <strong>und</strong><br />

inkorporiert <strong>und</strong> können für die neue Cuticula verwendet werden. Der Großteil der nötigen<br />

Kalziumminerale muss jedoch aus der Nahrung aufgenommen werden. (Stevenson 1985,<br />

S.2ff)<br />

Der amerikanische Hummer Homarus americanus kann bis zu 45 Jahre alt werden. Er häutet<br />

sich durchschnittlich 10-mal im ersten Lebensjahr, 3- oder 4-mal im zweiten <strong>und</strong> dritten,<br />

2-mal im vierten Lebensjahr <strong>und</strong> danach jährlich einmal (Hughes, J. / Matthiessen, G. 1962).<br />

Am Anfang kommen mehr Häutungen vor, da das Tier noch rasch wächst. Insgesamt wird<br />

das Exoskelett durchschnittlich 60-mal erneuert. Die Einsatzdauer des Exoskelettes liegt also<br />

bei durchschnittlich 274 Tagen.<br />

10.2.15 Auflistung der Einsatzdauerdaten<br />

Nachstehend sind die Einsatzdauer (= Dauer eines Turnover) <strong>und</strong> die Anzahl der Turnover<br />

der untersuchten Materialien tabellarisch <strong>und</strong> in Form von Diagrammen zusammengefasst.<br />

85


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Material<br />

Einsatzdauer (Dauer eines<br />

Anzahl der Turnover<br />

Turnover) [d]<br />

Knochen 9131 3<br />

Dentin 23741 2<br />

Zahnschmelz 23741 2<br />

Geweih 210 16<br />

Siliziumschalen 30 1<br />

Molluskenschalen 36525 1<br />

Korallenskelett (massiv) 365 1<br />

Kalkschwamm 7305 1<br />

Holz 73050 1<br />

Cellulosematerial (Laubblatt) 160 200<br />

Horn 3653 1<br />

Seide 20 1<br />

Chitin (Insekten) 73 5<br />

Chitin (Krustazeen) 274 60<br />

Nägel 200 137<br />

Epidermis 27 1015<br />

Tabelle 17: Gesammelte Zahlen zum Turnover<br />

100000<br />

Einsatzdauer (Dauer eines Turnover)<br />

Dauer eines<br />

Turnover [Tage]<br />

10000<br />

1000<br />

100<br />

10<br />

Knochen<br />

Dentin<br />

Zahnschmelz<br />

Geweih<br />

Siliziumschalen<br />

Molluskenschalen<br />

Korallenskelett<br />

Schwamm<br />

Holz<br />

Cellulosematerial (Laubblatt)<br />

Horn Schaf<br />

Seide<br />

Chitin (Insekten)<br />

Chitin (Krustazeen)<br />

Nägel<br />

Epidermis<br />

Abbildung 5: Gesammelte Zahlen zum Turnover<br />

86


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Die Unterschiede in der Einsatzdauer <strong>biogener</strong> Materialien (Abbildung 5) sind beträchtlich.<br />

Die Werte reichen von 20 Tagen bis zu 200 Jahren. Dabei hat die Materialart − mineralisch<br />

oder organisch − wenig Einfluss auf die Zeitspanne, in der die jeweilige Funktion erfüllt<br />

wird. Aus Tabelle 17 ist auch zu entnehmen, dass es sowohl die Variante kurze Einsatzdauer<br />

mit großer Turnover-Zahl als auch die umgekehrte, lange Einsatzdauer mit kleiner<br />

Turnover-Zahl gibt. Auch bei gleichen Gr<strong>und</strong><strong>materialien</strong> sind die Variationen beträchtlich.<br />

Chitin bei Insekten <strong>und</strong> Krustazeen wird in mehr oder weniger ähnlichen Zeitperioden<br />

eingesetzt. Keratin wird jedoch in Form von Hörnern, Haaren, Nägeln <strong>und</strong> der Epidermis sehr<br />

unterschiedlich lang <strong>und</strong> mit unterschiedlichen Turnover-Zahlen verwendet. Auch bei<br />

Cellulose finden sich größere Unterschiede, denn zum einen wird sie in kurzlebigen Blättern<br />

weniger als ein Jahr eingesetzt, während sie zum anderen als Bestandteil des Holzes bis zu<br />

mehreren h<strong>und</strong>ert Jahren in Gebrauch stehen kann.<br />

10000<br />

Anzahl der Turnover<br />

Anzahl der Turnover in der<br />

Lebenszeit des Organismus<br />

1000<br />

100<br />

10<br />

1<br />

0,1<br />

Knochen<br />

Dentin<br />

Zahnschmelz<br />

Geweih<br />

Siliziumschalen<br />

Molluskenschalen<br />

Korallenskelett<br />

Schwamm<br />

Holz<br />

Cellulosematerial (Laubblatt)<br />

Horn Schaf<br />

Seide<br />

Chitin (Insekten)<br />

Chitin (Krustazeen)<br />

Nägel<br />

Epidermis<br />

Abbildung 6: Anzahl der Turnover<br />

Die Anzahl der Turnover reicht vom Minimalwert von eins bis zu einem Maximum bei 1000<br />

<strong>und</strong> ist bei mineralischen Bio<strong>materialien</strong> eher geringer als bei organischen Stoffen. Das<br />

Keratin, das in der menschlichen Epidermis Einsatz findet, ist das betrachtete Material mit<br />

der größten Turnoveranzahl. Cellulose von Blättern wird 200-mal <strong>und</strong> Keratin in<br />

menschlichen Nägeln etwas über 100-mal ausgetauscht. Die meisten Materialien werden aber<br />

87


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

wesentlich weniger oft gewechselt. Viele weisen eine Turnoveranzahl von eins auf <strong>und</strong><br />

werden somit während der Zeit ihres Gebrauchs nicht erneuert.<br />

88


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

10.3 Recyclingprozesse <strong>und</strong> Abbauzeiten<br />

Nahezu alle biogen produzierten Materialien werden in einem fortwährenden Kreislauf<br />

geführt. Die Abbauprozesse sind jedoch je nach Ausgangsmaterial unterschiedlich. Unter<br />

Abbau seien hier sowohl der biologische Abbau durch Organismen als auch der Abbau bzw.<br />

die Erosion durch physikalische <strong>und</strong> chemische Einflüsse verstanden. In Abbildung 7 sind die<br />

Abbauprodukte der verschiedenen Bio<strong>materialien</strong> aufgezeigt.<br />

Ressourcen Autotrophe Heterotrophe Abbauprodukte<br />

Ca 2+ (aq)<br />

PO 4<br />

3−<br />

(aq)<br />

CO 2<br />

H O<br />

N 2<br />

Ca 2+ (aq)<br />

HCO 3<br />

−<br />

(aq)<br />

Si(OH) 4 (aq)<br />

Org PO 4<br />

Fette<br />

Proteine<br />

Org. Mat.<br />

Silikatschalen<br />

(Diatomeen)<br />

Knochen<br />

Molluskenschale<br />

Ca 2+ (aq)<br />

PO 4<br />

3−<br />

(aq)<br />

CO<br />

H 2<br />

O<br />

N 2<br />

Ca 2+ (aq)<br />

CO 2<br />

H 2<br />

O<br />

Ca 2+ (aq)<br />

Ca 2+ (aq)<br />

Korallen<br />

− HCO (aq HCO<br />

Org. Mat.<br />

3<br />

(aq)<br />

Si(OH) (aq) 4 Andere<br />

Schwämme<br />

Si(OH) 4 (aq)<br />

Si(OH) (aq) 4<br />

Andere<br />

CO 2<br />

H O<br />

CO 2<br />

H 2<br />

O<br />

Cellulose<br />

Holz<br />

CO 2<br />

H 2<br />

O<br />

CO 2<br />

H 2<br />

O<br />

N 2<br />

CO 2<br />

H 2 O<br />

Org. Mat.<br />

Org. Mat.<br />

Pilz−Chitin<br />

N 2<br />

CO 2<br />

H O<br />

CO 2<br />

H 2 O<br />

N 2<br />

Kohlehydrate<br />

Arthropoden−Chitin<br />

Org. Mat.<br />

CO 2<br />

H 2<br />

O<br />

Abbildung 7: Vereinfachte Darstellung von Ressourcen <strong>und</strong> Abbauprodukten<br />

einiger Bio<strong>materialien</strong><br />

N 2<br />

89


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Terrestrische <strong>und</strong> limnische bzw. marine Systeme unterscheiden sich in Bezug auf die dort<br />

stattfindenden Abbauwege. Bei mineralischen Ausgangs<strong>materialien</strong> tritt meist kein<br />

biologischer Abbau auf, sondern ein Auflösen in wässrigem Milieu, während dieser bei<br />

organischen Ausgangs<strong>materialien</strong> eine dominante Rolle spielt.<br />

Einer der wesentlichen Parameter beim Recycling der Stoffe ist die Abbauzeit, also die<br />

Zeitspanne vom Tod des Organismus bzw. dem Ende des funktionalen Einsatzes bis zur<br />

vollständigen Zerstörung der Struktur, der Mineralisation.<br />

Hier soll daher die Abbaurate als wesentlicher Parameter im Recycling-Prozess<br />

herausgegriffen werden. Einerseits soll damit herausgef<strong>und</strong>en werden, wie die Abbaurate mit<br />

dem energetischen Aufwand, ein Biomaterial herzustellen, in Verbindung steht. Andererseits<br />

können so Aussagen getroffen werden, wie die unterschiedlichen Mengen an Bio<strong>materialien</strong><br />

in die Kreisläufe der Ökosysteme zurückgeführt werden.<br />

Zum Erfassen der unterschiedlichen Daten kann wieder die im vorigen Kapitel beschriebene<br />

Turnover-Theorie angewandt werden, mit dem Unterschied, dass statt dem Aufbau ein Abbau<br />

stattfindet (d.h. k wird zu -k). Experimentelle Untersuchungen haben gezeigt, dass der Abbau<br />

von organischem Material weitgehend der Reaktionskinetik erster Ordnung entspricht (Paul /<br />

Clark 1996, S.164). In der Erforschung von persistenten Stoffen hat sich in den letzten Jahren<br />

ein Begriff, der beim Turnover eine Rolle spielt, − die Halbwertszeit − auch für die<br />

Untersuchung organischer Chemikalien vermehrt durchgesetzt (Beek 2001, S.XII).<br />

Die Systemgrenzen für den Abbau biogenen Materials sind auf der einen Seite klar<br />

definierbar durch den Zeitpunkt des Ablebens eines Organismus oder des Funktionsverlustes<br />

des Materials. Das zeitliche Ende des Abbaus ist schwerer zu fassen, zumal die Materialien<br />

nicht plötzlich mineralisiert werden. Vielfach ist der Abbau in eine mehr oder weniger große<br />

Anzahl von Einzelschritten zu unterteilen. Die Materialien können auch unvollständig<br />

abgebaut werden bzw. als Nahrung dienen <strong>und</strong> somit nicht mineralisiert werden. Dieser Fall<br />

wird hier jedoch nicht betrachtet. Von Interesse ist die Zeit zwischen Ende der Funktion <strong>und</strong><br />

vollständiger Strukturzerstörung.<br />

90


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

10.3.1 Biologischer Abbau<br />

Primäre terrestrische, organische Ausgangssubstanzen werden nach dem Absterben durch<br />

Organismen der Bodenflora <strong>und</strong> -fauna angegriffen (= Zersetzung der organischen Substanz)<br />

<strong>und</strong> entweder bis zu molekularen oder ionaren Endprodukten abgebaut (= Mineralisierung)<br />

oder zu neuen sek<strong>und</strong>ären Huminstoffen im Zuge der Humifizierung umgewandelt. Im<br />

Verlauf der Mineralisierung <strong>und</strong> Humifizierung entstehen zahlreiche Zwischenprodukte.<br />

(Blum 1992, S.41)<br />

Die Humifizierung hin zu schwer abbaubaren Huminstoffen wird an dieser Stelle nicht weiter<br />

verfolgt, da sie einen Sonderfall des Abbaues darstellt. Es werden lediglich die häufiger<br />

anzutreffenden Zersetzungsprozesse <strong>und</strong> somit die Umwandlung der Bio<strong>materialien</strong> in neue<br />

Ausgangsressourcen für den Aufbau neuer Stoffe behandelt.<br />

Die Zersetzung im Boden verläuft in drei ineinander übergreifenden Phasen, das sind:<br />

1. Biochemische Initialphase: Hydrolyse <strong>und</strong> Oxidationsvorgänge<br />

2. Phase der mechanischen Zerkleinerung durch Makro- <strong>und</strong> Mesofauna<br />

3. Phase des mikrobiellen Abbaues: enzymatische Aufspaltung<br />

(Blum 1992, S.41)<br />

Für diese Arbeit wären Daten über den Abbau in situ wünschenswert. Diese sind jedoch kaum<br />

verfügbar, da schwer zu verifizieren. Deswegen wird angenommen, dass die terrestrischen<br />

Prozesse im Boden in ähnlicher Weise wie bei der aeroben Kompostierung ablaufen.<br />

Die von Kompostierungsversuchen oder standardisierten Tests gewonnenen Daten sind zwar<br />

nicht notwendigerweise deckungsgleich mit denen in der Natur, dennoch sind keine<br />

praktikableren Methoden in Sicht, um auf quantitative Daten zu schließen. Absolutwerte sind<br />

nicht vorzufinden, es ist daher mit relativen Reihungen vorlieb zu nehmen. Bei<br />

Verb<strong>und</strong>stoffen werden die unterschiedlichen Komponenten verschieden schnell abgebaut.<br />

Für die vorliegende Arbeit wird tendenziell die jeweils größte Abbauzeit verwendet.<br />

Die Abbauraten hängen von einer Vielzahl von Parametern ab. Zu unterscheiden ist zwischen<br />

abiotischen <strong>und</strong> biotischen Parametern. Die abiotischen Faktoren sind:<br />

• Temperatur<br />

• Korngröße (Volumen / Oberfläche - Verhältnis)<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

• Sauerstoffverfügbarkeit<br />

• pH-Wert<br />

• Redox-Potenzial<br />

• Mineralstoffangebot<br />

• Feuchtigkeit bzw. Wasserangebot<br />

Die biotischen Faktoren sind:<br />

• Art <strong>und</strong> Zahl der Destruenten (Saprophyten)<br />

• Zustand der Mikroorganismen<br />

• C / N - Verhältnis<br />

• Nährstoffzusammensetzung<br />

Der Einfluss dieser Parameter spiegelt sich auch in der Abbauaktivität unterschiedlicher<br />

Böden wider. So beträgt sie bei hocharktischen Rohböden, subarktischen Podsolen,<br />

mitteleuropäischen Schotterauen <strong>und</strong> mediterranen Rankern knapp über 2 gCO 2 /(m 2·d),<br />

während sie auf Fettwiesen der gemäßigten Breiten <strong>und</strong> auf ornithogenen Böden der<br />

Hocharktis 12 bzw. 15 gCO 2 /(m 2·d) erreichen kann (jeweils bei 12°C). (Lexikon der<br />

Geowissenschaften 2000)<br />

Die biologische Abbaubarkeit ist keine klar definierbare Materialeigenschaft. Vergleiche<br />

können daher nur dort gemacht werden, wo die Messungen unter gleichen Bedingungen<br />

(Standardbedingungen) vorgenommen wurden.<br />

Definition der biologischen Abbaubarkeit<br />

Die biologische Abbaubarkeit (biodegradability) ist die Eigenschaft eines organischen<br />

Stoffes, durch die Einwirkung lebender Organismen einem Zersetzungsprozess zu<br />

unterliegen. Beim biologischen Abbau in Wasser, Schlamm, Sediment oder Boden spielen<br />

Bakterien <strong>und</strong> Pilze eine wesentliche Rolle. Auch Algen <strong>und</strong> ein- u. mehrzellige niedere Tiere<br />

sind an Abbauvorgängen beteiligt. Die biologische Abbaubarkeit ist keine reine<br />

Stoffeigenschaft, sondern von vielerlei Faktoren abhängig. [...] (Hulpke et al. 2000, S. 131)<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Bestimmungsmethoden<br />

Zu unterscheiden ist zwischen aeroben <strong>und</strong> anaeroben Methoden. Bei den aeroben<br />

Testverfahren wird die zu untersuchende Substanz in der Regel mit einer mikrobiellen<br />

Mischpopulation unter definierten Bedingungen in Kontakt gebracht. (Hulpke et al. 2000, S.<br />

133) Die Methoden der kontinuierlichen Tests sind hier nicht von Bedeutung.<br />

Damit können verschiedene Indikatoren für die biologische Abbaubarkeit gemessen werden.<br />

Die wichtigsten sind in der Folge aufgelistet:<br />

• Messung der Abnahme des organisch geb<strong>und</strong>enen Kohlenstoffes (DOC)<br />

• Bestimmung des gebildeten Kohlendioxides − CO 2 -Freisetzung<br />

• Sauerstoff - Verbrauchsmessung − biologischer Sauerstoffbedarf (BSB)<br />

(Hulpke et al. 2000, S. 132)<br />

Daneben gibt es auch noch direkte Nachweismethoden des Verschwindens eines Stoffes<br />

(Masseverlust). Ebenso können auftretende Abbauprodukte <strong>und</strong>, wenn die Testsubstanz als<br />

einzige Kohlenstoff-Quelle dient, auch die Zunahmen der Mikroorganismen als Indikator<br />

fungieren. (Bahadir et al. 2000, S.194)<br />

Beteiligte Mikroorganismen <strong>und</strong> Enzyme<br />

Die metabolischen Abbauwege können von einer Organismengruppe zur anderen sehr<br />

verschieden sein. Dabei spielt unter anderem der Unterschied zwischen aeroben <strong>und</strong><br />

anaeroben Verhältnissen eine Rolle. (Reineke 2001, S.1)<br />

Die funktionell selbstständige ökologische Gruppe der abbauenden Mikroorganismen<br />

(Saprophyten oder Mikrokonsumenten) setzen sich aus folgenden vier taxonomischen<br />

Untereinheiten zusammen: Pilze einschließlich Hefen <strong>und</strong> Schimmelpilzen; heterotrophe<br />

Bakterien, Sporenbildner <strong>und</strong> Nicht-Sporenbildner; Actinomyceten, fädige Bakterien; <strong>und</strong><br />

Bodenprotozoen, einschließlich Amöben, Ciliaten <strong>und</strong> farblosen Flagellaten. (Odum 1983,<br />

S.597)<br />

Mikroorganismen können die polymeren Ausgangssubstanzen nicht aufnehmen. Sie scheiden<br />

deshalb Exoenzyme (Proteolyten, Amylolyten, Hemicellulolyten, Pektinolyten, Cellulolyten,<br />

Chitinolyten, Ligninolyten) aus, die eine hydrolytische Spaltung bewirken. (Gisi 1990, S.163)<br />

93


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Praktisch alle Mikroorganismen besitzen proteolytische Fähigkeiten. Ebenso weit verbreitet,<br />

aber wegen der geringeren Ausgangsmengen an Stärke, sind amylolytische Mikroorganismen<br />

in geringeren Zahlen zu finden. Besonders starke Protein- <strong>und</strong> Stärkeabbauer sind die<br />

Bakteriengattungen Bacillus, Pseudomonas, Streptomyces <strong>und</strong> Pilzgattungen wie Penicillum<br />

<strong>und</strong> Aspergilus. Eine große Zahl von Pilzen (z.B. Botrytis, Fusarium, Verticillium), aber auch<br />

Bakterien, wie Erwinia oder Bacillus, sind auch wichtige Hemicellulose- <strong>und</strong> Pektinabbauer.<br />

(Gisi 1990, S.164)<br />

In Anbetracht der großen Mengen an Cellulose kommt den cellulolytischen Organismen<br />

große Bedeutung zu. Unter anaeroben Bedingungen bauen vor allem Bakterien, wie<br />

Clostridium, Cellulose zu organischen Säuren <strong>und</strong> Alkohol ab. Weitaus wichtiger ist der<br />

aerobe Celluloseabbau durch einige wenige Bakterien (Cellulomonas, Cytophaga) <strong>und</strong> eine<br />

große Vielfalt von Pilzen im Boden (Chaetomium, Peziza, Nectaria, Curvularia, Phoma,<br />

Trichoderma, Myrothecium, Aspergillus, Fusarium, Rhizoctonia) <strong>und</strong> sog. Braunfäulepilze<br />

(meist Basidiomyceten, wie Lentinus, Laetiporus, Pitoporus, Merulius) außerhalb des<br />

Bodens. Bei der Braunfäule bleibt das Lignin unabgebaut über. (Gisi 1990, S.164)<br />

Chitinolytische Mikroorganismen findet man unter aeroben Bedingungen vor allem bei den<br />

Streptomyceten <strong>und</strong> Zygomyceten (z.B. Mortierella), in schlecht durchlüfteten Böden bei<br />

Bakterien, wie Achromobacter, Flavobacterium <strong>und</strong> Bacillus. (Gisi 1990, S.164)<br />

Der Abbau von Lignin läuft durch eine Vielzahl von zum Teil unbekannten ligninolytischen<br />

Enzymen relativ kompliziert ab. Der Ligninabbau wird nur von Spezialisten durchgeführt,<br />

selten von Bakterien, vor allem aber von bodenbewohnenden Pilzen, wie Arthrobotrys,<br />

Aureobasidium, Chrysosporium, Clavaria, Humicola, Philaphora, Stachybotrys,<br />

Stemphylium, Tricholoma <strong>und</strong> den sog. Weißfäulepilzen, die außerhalb des Bodens die<br />

Ligninanteile des Holzes abbauen. Bei der Weissfäule bleibt fast reine Cellulose über. Es<br />

handelt sich zumeist um Basidiomyceten (Polystictus, Stereum, Fomes, Trametes), die<br />

teilweise auch Cellulose abbauen können (Pleurotus, Armillaria, Polyporus). (Gisi 1990,<br />

S.165)<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Mischung der verschiedenen Ausgangssubstanzen ist immer eine Vielzahl an<br />

Organismen beim Abbau der Biomasse beteiligt. Durchschnittlich besteht z.B. Streu aus 40%<br />

Cellulose, 20% Lignin, 15% Hemicellulose <strong>und</strong> Pektin, 15% Protein <strong>und</strong> Stärke, 2% Lipiden<br />

sowie kleineren Mengen an Chitin <strong>und</strong> mineralischen Stoffen (Gisi 1990, S.169).<br />

Insgesamt sind für das Verschwinden der organischen Ausgangssubstanz abiotische Faktoren<br />

(Licht, chemische Prozesse) zu etwa 50%, mikrobieller Abbau zu etwa 40% <strong>und</strong> durch<br />

Bodentiere bedingte Prozesse zu etwa 10% verantwortlich (Gisi 1990, S.172).<br />

10.3.2 Organische Materialien<br />

Für die Bodenbildung spielen mikrobielle Abbauprozesse eine entscheidende Rolle. Für<br />

diesen Bereich werden häufig Stabilitätsreihen für die Abbauresistenz relevanter Stoffe<br />

angegeben. Die Stabilitätsreihe der für den Boden wichtigsten organischen Verbindungen<br />

lautet:<br />

Zucker, Stärke, Proteine < Proteide < Pektine, Hemicellulose < Cellulose < Lignin, Wachse,<br />

Harze, Gerbstoffe<br />

(Blum 1992, S.43)<br />

Für die Kompostierung werden ähnliche qualitative Angaben gemacht. In Tabelle 18 ist die<br />

Abbaubarkeit einiger für den aeroben Abbau wichtiger Stoffe angeführt:<br />

Stoff<br />

Zucker, Stärke<br />

Hemicellulose<br />

cellulose<br />

Lignin<br />

Fette (nach Erhitzen)<br />

Mucine<br />

Keratine<br />

Abbaubarkeit<br />

sehr gut<br />

sehr gut<br />

gut<br />

schwer<br />

gut<br />

sehr gut<br />

sehr schwer<br />

Tabelle 18: Abbaubarkeit verschiedener Naturstoffe (Bilitewski et al. 2000, S.296)<br />

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Schwere der Abbaubarkeit mit der Zeitspanne<br />

für den Abbau in Korrelation steht, d.h. dass schwer abbaubare Stoffe auch lange<br />

Abbauzeiten aufweisen.<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Auch der erreichbare Abbaugrad von Abfallsubstraten am Kompost kann als Maß für die<br />

Abbaurate verstanden werden. In Tabelle 19 sind die erreichbaren Abbaugrade verschiedener<br />

organischer Substanzen angeführt. Die Angaben sind nur als Anhalt zu verstehen, da die<br />

Anzahl der Untersuchungen sehr gering ist <strong>und</strong> zudem die Milieubedingungen <strong>und</strong> die<br />

Kompostierungsdauer nicht einheitlich sind. (Krogmann 1994, S.137)<br />

Material<br />

Erreichbarer<br />

Abbaugrad [%]<br />

Cellulose − chemisch aufbereitet 90<br />

Cellulose − mechanisch aufbereitet 50<br />

Hemicellulose 70<br />

Zucker 70<br />

Lignin 0<br />

Fette 40 - 50<br />

Wachse 70<br />

Proteine 50<br />

Tabelle 19: Erreichbarer Abbaugrad <strong>biogener</strong> Produkte (Bidlingmaier 2000, S.48 / Krogmann 1994, S.137)<br />

Dabei ist anzunehmen, dass organische Stoffe am Kompost schneller abgebaut werden als in<br />

der natürlichen Umgebung. Das kommt alleine schon daher, dass der Umsatz durch den<br />

Menschen gesteuert möglichst rasch vonstatten gehen soll. Vor allem das Nährstoffverhältnis<br />

(u.a. das C/N - Verhältnis) wird dabei reguliert. Doch auch pH-Wert, Wassergehalt,<br />

Luftporenvolumen, Sauerstoffbedarf, Belüftung, Temperatur, Stoffwechsel der<br />

Mikroorganismen <strong>und</strong> die aktive Oberfläche sind wesentliche <strong>und</strong> teils gesteuerte<br />

Einflussgrößen für die Abbaugeschwindigkeit. (Bilitewski et al. 2000, S.295ff)<br />

Ein Vergleich verschiedener niedrig- bis hochmolekularer <strong>biogener</strong> Stoffe zeigt, dass<br />

niedermolekulare Stoffe am Kompost rascher abgebaut werden. Die Reihenfolge von<br />

abbaubaren Materialien lautet dabei:<br />

Zucker, Eiweiß, org. Säuren < Chitin < Fette, Öle, Phenole < Cellulose < Keratin, Lignin,<br />

Ligno-Protein<br />

(Grabbe 1988 in: Krogmann 1994, S.124)<br />

Die Disulfidbrücken im vernetzten Keratin halten Säuren mit einem pH-Wert von bis zu 2<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

ohne weiteres aus. Deshalb hält Keratin auch einem mikrobiellen Befall recht gut stand,<br />

wenngleich einige Pilze <strong>und</strong> die meisten Actinomyceten diese Bindungen aufspalten können.<br />

(Nicholson 1996, S.528)<br />

In Gartenerde vergrabene menschliche Haare zeigen nach 6 Monaten einen derartig starken<br />

Verrottungsgrad, dass sie nicht mehr nachgewiesen werden können. Sie weisen bereits nach<br />

einem Monat tunnelförmige Aushöhlungen, die durch Pilze verursacht wurden, auf. (Rowe<br />

1997, S.340)<br />

Während des Abbaus von Aromaten (Lignin) gewinnen Pilze wenig, wenn überhaupt,<br />

Energie für ihr Wachstum <strong>und</strong> inkorporieren kaum Kohlenstoff. Daher werden Aromate nur<br />

bei Vorhandensein zusätzlichen Substrates abgebaut. (Paul / Clark 1996, S.165)<br />

Allgemein ist festzustellen, dass unverzweigte Alkyl-Gruppen weniger persistent sind als<br />

verzweigte, Alkene weniger als Alkane. Alkane wiederum sind weniger persistent als<br />

Aromate, mit der Zahl der Substituenten an Aromaten steigt die Persistenz. (Korte 1987,<br />

S.53)<br />

Für den versuchsmäßigen In-situ-Abbau von organischen Materialien im Waldboden der<br />

gemäßigten Breiten werden hier folgende grobe Schätzwerte aus Tests der biologischen<br />

Abbaubarkeit herangezogen: Seide 15 d, Keratin 20 d, Chitin 30 d, Cellulose 40 d <strong>und</strong><br />

Holz 200 d (Insam, H.; Universität Innsbruck; persönliche Mitteilung; 29.10.2001). Diese<br />

Reihenfolge stimmt auch gut mit den oben angeführten Angaben überein. Lediglich bei<br />

Keratin sind größere Unterschiede festzustellen.<br />

Andere Versuche haben ergeben, dass Proteinabkömmlinge <strong>und</strong> lösliche Zucker, aber auch<br />

Pektin <strong>und</strong> Hemicellulose, nach einem Jahr meist vollständig verschw<strong>und</strong>en sind. Von<br />

Cellulose bleiben nach einem Jahr noch 25 bis 35% <strong>und</strong> von Lignin 50 bis 85% der<br />

Ausgangsmenge übrig (Gisi 1990, S.169). Mit diesen Prozentangaben für Cellulose <strong>und</strong><br />

Lignin lassen sich einzelne Turnoverzeiten berechnen. Durch Einsetzen in Gleichung (15)<br />

ergeben sich die k-Werte, wobei t = 1 a; N 0 = 1 <strong>und</strong> N t gleich dem jeweiligen Prozentsatz ist.<br />

Umformung ergibt folgende Gleichung:<br />

k = 1 t<br />

ln N t<br />

N 0<br />

(26)<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Die erhaltenen k-Werte (hier negativ, da es sich um Abbauprozesse <strong>und</strong> somit<br />

Massenabnahme handelt) können dann laut Gleichung (21) mittels einfacher Kehrwertbildung<br />

in die Turnoverzeit umgerechnet werden. Dies ergibt für Cellulose:<br />

t t = 263 ... 347 d<br />

Die Turnoverzeit für Holz, bei dem der Ligninanteil am längsten für den Abbau benötigt <strong>und</strong><br />

daher ausschlaggebend ist, beträgt:<br />

t t = 526 ... 2246 d<br />

Vergleicht man diese Zeiten mit denen von Insam, so sind sie bei Cellulose um 6,6- bis<br />

8,7-mal <strong>und</strong> bei Holz um 2,6- bis 11,2-mal höher. Daraus ist schon ersichtlich, dass die<br />

Schwankungsbreite − je nach Versuch − erheblich sein kann. Da es sich bei den Werten von<br />

Insam um Tests für die biologische Abbaubarkeit handelt <strong>und</strong> bei denen von Gisi um<br />

Freilandversuche, sind zweitere eher für diese Arbeit relevant. Es wird angenommen, dass die<br />

Reihung, die aus den Tests der biologischen Abbaubarkeit resultiert, auf die<br />

Freilandverhältnisse übertragen werden kann. Daher werden die Daten aus den<br />

Abbaubarkeitstests mit einem aus obigem Vergleich gewonnenen Durchschnittswert von 7,3<br />

multipliziert. Das ergibt die weiter zu verwendende Reihung der Abbauzeiten der organischen<br />

Bio<strong>materialien</strong> in Tabelle 20.<br />

Material Abbau-Turnoverzeit [d]<br />

Seide 110<br />

Keratin 146<br />

Chitin 220<br />

Cellulose 292<br />

Holz 1460<br />

Tabelle 20: Abbauzeiten von organischen Bio<strong>materialien</strong><br />

10.3.3 Knochen<br />

Die Abbauzeit von Knochen hängt vor allem auch davon ab, wie lange es dauert, bis ein<br />

Kadaver skelettiert ist. Knochen liegen unter einer schützenden Schicht von Haut <strong>und</strong> anderen<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Geweben, <strong>und</strong> solange diese nicht durch Fraß oder Verrottung verschw<strong>und</strong>en sind, bleiben<br />

die darunter liegenden Knochen geschützt. Bei großer Trockenheit nach dem Tod können die<br />

Kadaver auch mumifizieren (Weigelt 1999, S.12).<br />

Knochen werden nicht immer an dem Ort abgebaut, an dem ein Tier umkommt. Carnivore<br />

tragen häufig dazu bei, dass es zu allochthonen Akkumulationen von Knochenüberresten<br />

kommt, da sie diese an einen bevorzugten Ort schaffen. (Lyman 1994, S.366)<br />

Versuche mit einem Schwein haben gezeigt, dass die Verwitterung stark vom Fettgehalt <strong>und</strong><br />

der Bestrahlung durch die Sonne abhängt. Im Schatten kann das Fett lange zum Schutz gegen<br />

den Abbau dienen <strong>und</strong> noch nach Jahren konservierend wirken. (Brain 1981, S.115ff, in:<br />

Lyman 1994, S.366)<br />

Der Aufbau von Hydroxiapatiten im Verb<strong>und</strong> mit organischem Material kann den Abbau<br />

auch verzögern. Die mineralische Ummantelung verhindert den Abbau der organischen<br />

Masse, <strong>und</strong> das Kollagen bildet eine Hülle, die den mineralischen Anteil vor chemischer<br />

Lösung schützt. (Lucas / Prévôt 1991, S.393)<br />

Normalerweise werden Knochen nicht sehr lange erhalten <strong>und</strong> sind nach wenigen Jahren<br />

verschw<strong>und</strong>en, darum sind auch in Wäldern kaum Skelettreste zu finden. Als<br />

Einflussfaktoren für die Verwitterung von Knochen sind u.a. auch Verdrängungsprozesse der<br />

Phosphorsäure durch die Kohlen- <strong>und</strong> Salpetersäure des Bodens zu nennen. Viele Knochen<br />

werden aber auch abgenagt <strong>und</strong> abgefressen. So finden sich an Knochen im Wald oft Spuren<br />

von Nagetierzähnen. Sogar Rinder kauen häufig an den Knochen von Artgenossen, die im<br />

Winter eingegangen sind. (Weigelt 1999, S.24)<br />

Die große innere Oberfläche (aufgr<strong>und</strong> kleiner Kristallgröße) <strong>und</strong> die schlecht entwickelten<br />

Kristallformen bei biogenen Hydroxiapatiten resultieren in einer 10 4 -mal größeren<br />

Löslichkeit als bei stöchiometrisch reinem Hydroxiapatit (Nriagu 1983 <strong>und</strong> Posner et al.<br />

1984, in: Lucas / Prévôt 1991, S.393).<br />

Der Ablauf der Verwitterung lässt sich in einzelne Stadien einteilen. Je nach Autor gibt es<br />

verschiedene Kriterien der Unterteilung (Lyman 1994, S.354). Die Stadien werden aber nicht<br />

immer in gleichen Zeitabschnitten durchlaufen <strong>und</strong> können je nach Fall unterschiedliche<br />

Zeitperioden umfassen (Gifford 1977, S.291, in: Lyman 1994, S.360). Es gibt auch<br />

Unterschiede hinsichtlich der Größe der betrachteten Tiere. Knochen kleiner Organismen<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

erreichen nach 4 <strong>und</strong> mehr Jahren die letzte Phase ihres Abbaues, bei der die Knochen tiefe<br />

Spalten oder plattiges Abspringen von Segmenten aufweisen (Andrews 1990, in: Lumen<br />

1994, S.354ff).<br />

Bei großen Tieren, die über 5 kg wiegen, wird das letzte Stadium der Verwitterung (exklusive<br />

dem Abnagen durch Carnivore <strong>und</strong> andere (Ubelaker 1997, S.78)) nach 6 bis 15 Jahren<br />

erreicht. Dabei fallen die stark zersplitterten Knochen auseinander. Dies wurde an<br />

verschiedenen Standorten des Amboseli Basin im Süden Kenias untersucht. Es konnte auch<br />

festgestellt werden, dass kleine, aber kompakte Knochen langsamer verwittern als poröse. Am<br />

Boden liegende Knochen zeigen auf der Oberseite einen deutlich höheren Grad der<br />

Verwitterung als auf der Unterseite. Die Zersetzungsprozesse direkt über der<br />

Bodenoberfläche scheinen also am raschesten vonstatten zu gehen. So zeigen auch vergrabene<br />

Knochen noch kaum Merkmale der Verwitterung, wenn Vergleichsexemplare am Boden<br />

liegend bereits fortgeschritten erodiert sind. Die Verwitterung scheint auch an feuchten <strong>und</strong><br />

sumpfigen Standorten langsamer voranzuschreiten. Unter Umständen kann die Verwitterung<br />

durch das Bilden von Salzkristallen in Poren zum Sprengen der Struktur führen. Bakterien,<br />

Wurzeln <strong>und</strong> andere Organismen können dann besser eindringen. (Behrensmeyer 1978,<br />

S.150ff)<br />

Pilze können bei fortgeschrittenem Zerfall die Knochenmatrix durchziehen <strong>und</strong> damit zur<br />

Vergrößerung der inneren Oberfläche beitragen. Durch die sauren Exkretionen werden<br />

tunnelartige Aushöhlungen in die Knochen gebohrt. (Nicholson 1996, S.524)<br />

Die Verwitterungsrate bei Knochen hängt auch mit dem Grad der Mineralisierung <strong>und</strong> mit<br />

dem Alter des Organismus zusammen. Daher verwittern Knochen von Nicht-Adulten<br />

schneller als die von ausgewachsenen Lebewesen. (Nicholson 1996, S.513)<br />

100


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Bei den im Süden Kenias durchgeführten Untersuchungen spielte der Einfluss von Frost<br />

keine Rolle. Gerichtsmedizinische Untersuchungen an Leichenf<strong>und</strong>en in den kalt gemäßigten<br />

Breiten lassen jedoch auf eine raschere Verwitterung schließen. Demnach spielt wohl auch<br />

der Wechsel zwischen Frieren <strong>und</strong> Wieder-Auftauen eine wesentliche Rolle. Bei der<br />

Verrottung der organischen Gewebe ist die Temperatur sogar der ausschlaggebende Faktor,<br />

was auch das Verwittern der Skelette beschleunigt. Eine Abschätzung der von Komar<br />

angeführten Fälle lässt auf eine durchschnittliche Verwitterungsdauer der Skelette von 1 bis<br />

5 Jahren schließen. Bei den angeführten F<strong>und</strong>en handelt es sich um Leichen, die auch von<br />

Carnivoren bearbeitet <strong>und</strong> teilweise zerlegt <strong>und</strong> verstreut wurden. (Komar 1998, S.57ff)<br />

Archäologische F<strong>und</strong>e zeigen, dass Knochen von Vögeln oft wesentlich besser erhalten sind<br />

als die von Säugetieren. Dies kann durch die unterschiedliche Struktur erklärt werden.<br />

(Nicholson 1996, S.526)<br />

Auf Gr<strong>und</strong> der oben erhobenen Daten wird in der Folge von einem Abbauzeitraum für<br />

Knochen von 5 Jahren oder 1826 Tagen ausgegangen.<br />

10.3.4 Dentin<br />

Aufgr<strong>und</strong> der dichteren Kompartimentierung von Dentin, im Vergleich zum Knochen, scheint<br />

auch eine längere Abbauperiode vorzuliegen. Genaue Daten dazu konnten trotz umfassender<br />

Literaturrecherche nicht gef<strong>und</strong>en werden. Es ist jedoch so, dass bei der Verwitterung von<br />

Zähnen oft ein Aushöhlen von innen stattfindet, d.h. das Dentin verwittert schneller als der<br />

Zahnschmelz. Für Dentin wird eine Abbauzeit von 10 Jahren oder 3653 Tagen angenommen.<br />

10.3.5 Zahnschmelz<br />

Zähne von kleinen Organismen zeigen nach 4 <strong>und</strong> mehr Jahren eine extensive Splitterung.<br />

Die unterschiedlichen Wärmedehnungskoeffizienten von Dentin <strong>und</strong> Zahnschmelz können<br />

eine Ursache dafür sein. Die Aufsplitterung erfolgt zwischen den Kollagen-Fasern <strong>und</strong><br />

anderen Strukturen im Zahn. (Andrews 1990, S.10ff, in: Lyman 1994, S.354ff)<br />

Zähne von Tieren mit mehr als 5 kg Körpergewicht verwittern weniger rasch. Dennoch<br />

konnten die Abbauraten, die im Amboseli Basin eruiert wurden, nicht mit denen der Knochen<br />

101


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

in Korrelation gebracht werden. Kieferknochen, die sich schon im fortgeschrittenen Stadium<br />

der Verwitterung befinden, können völlig unbeschadete Zähne tragen. Es wurden aber auch<br />

Kiefer gef<strong>und</strong>en, die noch im ersten Stadium des Abbaues waren, in denen sich aber stark<br />

frakturierte Zähne befanden. Die Verwitterungsrate hängt mit verschiedenen Faktoren der<br />

Zahnausbildung zusammen, von denen wahrscheinlich der Grad der premortalen Abnutzung<br />

oder Beschädigung am entscheidendsten ist. (Behrensmeyer 1978, S.153)<br />

Zahnschmelz ist aufgr<strong>und</strong> des Fehlens signifikanter Mengen an Kollagen <strong>und</strong> der größeren<br />

Dichte gegenüber Knochen <strong>und</strong> Dentin schwerer abbaubar. So bleibt beispielsweise bei Haien<br />

die obere Zahnschmelzschicht lange erhalten, während die knöcherne Basis rasch<br />

verschwindet. (Lucas / Prévôt 1991, S.395)<br />

Obwohl die Verwitterung von Zähnen sehr unterschiedlich lange dauern kann, wird<br />

angenommen, dass Zähne von größeren Tieren, wenn sie nicht schon zu Lebzeiten beschädigt<br />

waren, nach einem Zeitraum von 50 Jahren oder 18263 Tagen vollständig verwittert sind.<br />

10.3.6 Mineralisches Geweih<br />

Totes Wild muss vom Jäger beseitigt werden. Daher können nur Kadaver, die über längere<br />

Zeitspannen zufällig unentdeckt bleiben, für die Erhebung von Daten dienen. Systematische<br />

Untersuchungen zur Verwitterung von Geweihen wurden bislang nicht vorgenommen.<br />

Die Abwurfstangen von Cerviden werden aber in gemäßigten Breiten binnen 1 bis 2 Jahren<br />

durch Mäuse <strong>und</strong> Kleinlebewesen abgebaut (Redl, J.; HBLA Gainfarn; persönliche<br />

Mitteilung; 5.12.2001). Dies scheint aufgr<strong>und</strong> der größeren Porosität im Vergleich zu<br />

Knochen plausibel. In der Folge wird daher mit einer Abbauzeit von 2 Jahren oder 731 Tagen<br />

gerechnet.<br />

10.3.7 Silikatschalen<br />

Der Si-Gehalt des Meerwassers beträgt etwa 2 mg/l <strong>und</strong> liegt damit nur bei 1/10 der<br />

Konzentration, die im Flusswasser vorgef<strong>und</strong>en werden kann. Die dem Meer zugeführten<br />

Si-Mengen werden also sehr rasch aus der Lösung herausgenommen. Teils werden sie beim<br />

Absatz der kolloidalen Hydroxide von Fe, Al usw. gef<strong>und</strong>en, teils von Kieselorganismen, wie<br />

Radiolarien, Kieselschwämmen, Diatomeen, zum Aufbau ihrer Skelette verbraucht. Vor<br />

102


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

allem Auftriebswasser begünstigt eine Massenentwicklung des Planktons. Nach dem<br />

Absterben lösen sich die zarten Gerüste großteils wieder auf, so dass in die Ablagerungen<br />

letzten Endes ungeformte Kieselsäure eingeht. (Zeil 1990, S.69)<br />

Nur selten weiß man Genaueres über die Variabilität der einzelnen Schalenparameter, <strong>und</strong><br />

erst bei einigen wenigen Arten hat man zeigen können, dass Temperatur, pH-Wert, Salinität<br />

sowie Phosphat- <strong>und</strong> Silikatgehalt des Mediums die Form der Schalen merklich beeinflussen.<br />

<br />

Es wird davon ausgegangen, dass Silikatschalen von Diatomeen organisches Material wie<br />

Proteine enthalten, um ein Auflösen zu verhindern (Hecky 1973 in: Lowenstam / Weiner<br />

1989, S.60). Man kann annehmen, dass nach dem Absterben einer Zelle das organische<br />

Material in der Schale nicht mehr erneuert wird <strong>und</strong> dass das Skelett damit leichter im<br />

umgebenden Wasser aufgelöst werden kann. So kommt es auch zur Auflösung des Großteils<br />

der im Schelf abgelagerten Silikatskelette (Diatomeen, Kieselschwämme, u.a.). (Lowenstam /<br />

Weiner 1989, S.244) Dennoch kommt es auch zur Ablagerung von Kieselalgen. Sie können<br />

fossil erhalten werden <strong>und</strong> als Diatomeenerde (Kieselgur), einem leichten <strong>und</strong> porösen<br />

Material, industriell genutzt werden. (Lehmann 1985)<br />

Untersuchungen im Labor haben gezeigt, dass sich Schalen von abgestorbenen Diatomeen<br />

relativ rasch auflösen. Dabei ist ein klarer Unterschied zwischen salzhaltigem Wasser <strong>und</strong><br />

Süsswaßer festzustellen. Im Salzwasser werden die Schalen aufgr<strong>und</strong> des vorhandenen NaCl<br />

schneller aufgelöst. Unter Laborbedingungen erreichte das Salzwasser nach 10 Tagen die<br />

Sättigungsgrenze für SiO 2 . Das Experiment war so angelegt, dass wenig mehr SiO 2 in Form<br />

von Diatomeenschalen eingesetzt wurde als zur Sättigung nötig war. Der Lösungsprozess<br />

fand daher bereits vor der vollständigen Auflösung der Schalen sein Ende. (Lewin 1961,<br />

S.182ff)<br />

Im Meer wird diese Sättigung nicht erreicht. Es kann also aufgr<strong>und</strong> der experimentellen<br />

Anordnung <strong>und</strong> der Verhältnisse in situ angenommen werden, dass auch im Meer das<br />

Auflösen nicht länger als 10 Tage dauert. Man kann sogar davon ausgehen, dass der Prozess<br />

noch rascher vonstatten geht, denn im Experiment hängt die Auflösungsgeschwindigkeit vom<br />

Sättigungsgrad der Lösung ab, d.h. am Beginn ist die Geschwindigkeit, mit der die Auflösung<br />

stattfindet, größer als am Ende, wo die Lösung schon stark gesättigt ist.<br />

103


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Das Auflösen dauert in Süßwasser um einen Faktor 3 bis 4 länger, <strong>und</strong> dementsprechend tritt<br />

die Sättigung im Experiment erst nach 30 bis 40 Tagen ein. Bei dieser Untersuchung wurde<br />

auch dem Einfluss von anderen Parametern, wie pH-Wert, Temperatur <strong>und</strong> dem<br />

vorhandenem organischen Material, nachgegangen. Im neutralen bis hohen pH-Wert-Bereich<br />

lösten sich die Schalen ebenso wie bei höheren Temperaturen rascher auf. Die Auflöserate<br />

hängt wohl auch von der Größe der Schale <strong>und</strong> vom jeweiligen Oberflächen /<br />

Volumen-Verhältnis ab. Die hier untersuchte Art war Navicula pelliculosa. Sie weist eine<br />

Wandstärke von 200 bis 600 Å auf, während andere Arten bis zu 25000 Å dicke Wände<br />

haben können. (Lewin 1961, S184ff)<br />

Diese Angaben werden auch dadurch bestätigt, dass im offenen Meer fragile Silikatschalen<br />

toter Organismen beim Absinken in der Wassersäule vollständig aufgelöst werden<br />

(Lowenstam / Weiner 1989, S.244).<br />

In der weiteren Folge werden die Untersuchungsergebnisse des Laborversuches mit<br />

Salzwasser herangezogen, somit wird mit einer Abbauzeit von 10 Tagen bei Silikatschalen<br />

gerechnet.<br />

10.3.8 Mollusken / Kalziumhaltige Schalen<br />

Mechanischer Abrieb <strong>und</strong> Bioerosion sind die zwei wesentlichen Einflussgrößen beim Abbau<br />

von kalkhaltigem Substrat im Meer. Beide sind im Bereich der Küstenlinie am intensivsten.<br />

Die Bioerosion ist zwischen der mittleren Niedrigwasserhöhe <strong>und</strong> der mittleren<br />

Hochwasserhöhe am größten (Glynn 1997, S.83). Eine rein chemische Auflösung findet auf<br />

Gr<strong>und</strong> der Sättigungsverhältnisse nicht statt. Ozeanische Tiefenwasser <strong>und</strong> die subpolaren<br />

Meere sind an Kalk gesättigt, die 200 bis 400 m mächtige Oberflächenschicht der gemäßigten<br />

<strong>und</strong> tropischen Zonen sind sogar beträchtlich, öfters 2 fach, übersättigt (Zeil 1990, S.68).<br />

Unterhalb der Karbonatkompensationstiefe (CCD) ist Karbonat nicht erhaltungsfähig <strong>und</strong> nur<br />

mehr in Lösung vorhanden. Sie liegt unter 3500 m Meerestiefe (Zeil 1990, S.68).<br />

Die Effekte durch Biokorrosion (innere Gesteinszerstörung durch bohrende Organismen) <strong>und</strong><br />

Bioabrasion (Gesteinsabbau durch an der Oberfläche grasende Organismen) können im<br />

Supra-, Eu- <strong>und</strong> seichten Sublitoral von Kalkküsten die Auswirkungen der hydrodynamischen<br />

104


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Kräfte übertreffen (Ott 1996, S.98).<br />

Es wurde festgestellt, dass sich kalzitische Coccolithe langsamer auflösen als foraminiferische<br />

Kalziummineralien, obwohl die Oberfläche der Erstgenannten wesentlich größer ist (Hojo /<br />

Erez 1978, S.287 in: Lowenstam / Weiner 1989, S.19).<br />

Durch abgelagerte Schalen, Skelette <strong>und</strong> verkalkte Thalli von Algen werden biogene oder<br />

sek<strong>und</strong>äre Hartböden (Bioherme) gebildet (Ott 1996, S.135). Dabei findet ein Inkrustieren<br />

durch Ausfällung aus der übersättigten Lösung statt, woraufhin das Sediment von<br />

Bohrorganismen erodiert wird (Kidwell / Bosence 1991, S.179). Zum Inkrustieren von Riffen<br />

tragen auch Organismen wie Rotalgen <strong>und</strong> Hydrozoen (sek<strong>und</strong>äre Riffbildner) bei (Zeil 1990,<br />

S.91). Die wichtigsten Organismengruppen, die zur Bildung sek<strong>und</strong>ärer Hartböden beitragen,<br />

sind Kalkalgen, Steinkorallen, Polychaeten, Muscheln <strong>und</strong> Bryozoen (Ott 1996, S.209).<br />

Nur wenige Untersuchungen beschäftigen sich mit der Bioerosion an Muscheln. Doch auch<br />

sie können stark erodiert werden. Der Bohrschwamm Cliona aprica bringt es auf Abbauraten<br />

von 6730 kg/m 2 in 350 Tagen (Rützler 1975, S.208).<br />

Es sei hier angenommen, dass der Abbau von Molluskenschalen langsamer vonstatten geht<br />

als der weiter unten angeführte Abbau von Korallen. Der Annahme liegt die Überlegung zu<br />

Gr<strong>und</strong>e, dass die Schalen abgestorbener Mollusken vorerst keine festen Aggregate darstellen.<br />

Daher können Organismen, auch ohne das Material zu erodieren, in Ablagerungen graben.<br />

Bei Korallen ist dies nicht möglich. Erst wenn die Bildung von sek<strong>und</strong>ären Hartböden<br />

einsetzt, müssen Aushöhlungen wieder erodiert werden. Dabei sind die Mikroerodierer, die<br />

aber auch bei massigen Kalkablagerungen kaum eine Rolle spielen, nicht berücksichtigt.<br />

Andererseits zeigen fossile Vorkommen, dass Schalen von Mollusken oft in großen Mengen<br />

auftreten (z.B. Muschelkalk).<br />

Auf Gr<strong>und</strong> dieser Überlegungen sei hier ein Turnover beim Abbau von Molluskenschalen<br />

von 30 Jahren oder 10958 Tagen angenommen.<br />

10.3.9 Korallen<br />

Karbonate werden in großen Mengen von tropischen riffbildenden Ökosystemen geb<strong>und</strong>en.<br />

105


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Im Gegensatz zu Skeletten von Plankton im offenen Meer werden Riffe kaum wieder gelöst<br />

<strong>und</strong> bilden somit eine große Senke für Karbonate. Planktonskelette werden aber rasch wieder<br />

zersetzt <strong>und</strong> von anderen Organismen weiterverwertet. (Lowenstam / Weiner 1989, S.19)<br />

Dennoch spielen bei vielen Korallen Prozesse der Bioerosion eine wichtige Rolle im Abbau.<br />

Die Bohrmuschel Lithophaga lithophaga beispielsweise hat ihre größte Populationsdichte an<br />

steilen, felsigen Küsten, wo bis zu 1500 Individuen/m 2 in 1 bis 2 m Tiefe vorgef<strong>und</strong>en<br />

werden können . Daneben spielen auch<br />

physikalisch-mechanische Prozesse eine Rolle, vor allem im Bereich der Küste. Wie bereits<br />

erwähnt sind rein chemische Lösungsprozesse auf Gr<strong>und</strong> der Sättigung der Meere mit Kalk<br />

unbedeutend.<br />

Die Mächtigkeit von Korallenriffen von bis über 1300 m (Birkeland 1997, S.1) zeigt, dass die<br />

abgestorbenen Skelette oft lange erhalten bleiben können, wenngleich sie dann in Verbindung<br />

mit anderen Kalkablagerungen vorkommen.<br />

Die riffbildenden (hermatypischen) Korallen erzeugen nur das Gr<strong>und</strong>gerüst dieser<br />

unterseeischen Gebirgszüge, während die Hauptmasse des Kalkes in vielen Fällen von Algen,<br />

Foraminiferen, Hydrokorallen, Mollusken, sedentären Polychaeten <strong>und</strong> Bryozoen gebildet<br />

wird. Bis zu 90% der Kalksubstanz in Bohrkernen aus dem Riffuntergr<strong>und</strong> können daher von<br />

Nicht-Steinkorallen stammen. (Ott 1996, S.210)<br />

In dem dynamischen System eines Korallenriffs wird Kalk mit Raten von 400 bis 2000 t/ha·a<br />

produziert (Chave et al. 1972, in: Birkeland 1997, S.1). In etwa die gleiche Menge wird auch<br />

wieder abgebaut. Das Karbonat-Budget in vielen Korallenriffen scheint mehr oder weniger<br />

ausgeglichen zu sein, d.h. dass aufbauende <strong>und</strong> abbauende Prozesse einander die Waage<br />

halten, wobei die konstruktiven Prozesse ganz leicht überwiegen (Glynn 1997, S.69).<br />

Es liegen Schätzungen vor, wonach die Masse der Bioerodierer an jene der an der<br />

Riffoberfläche lebenden Organismen herankommt oder diese sogar übersteigt (Grassle 1973<br />

<strong>und</strong> Ginsburg 1983 in: Glynn 1997, S.69).<br />

106


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Bioerodierende Organismen bauen Riffe mechanisch <strong>und</strong>/oder durch chemisches Lösen ab.<br />

Die Bioerodierer, die in vier von fünf Organismen-Reichen ihre Vertreter finden, bilden eine<br />

sehr heterogene Gruppe. Dazu zählen Bakterien, Pilze, Algen, Schwämme, Polychaeten <strong>und</strong><br />

andere Würmer, Krustazeen, Mollusken, Echinoidea <strong>und</strong> Fische. (Glynn 1997, S.70ff)<br />

Zu den potentesten internen Bioerodierern zählen Schwämme mit Erosionsraten von bis zu<br />

23000 gCaCO 3 /(m 2·a), wobei die niedrigeren Raten bei 180 gCaCO 3 /(m 2·a) liegen.<br />

Cyanobakterien erreichen 350 gCaCO 3 /(m 2·a), Polychaeten zwischen 690 <strong>und</strong><br />

1800 gCaCO 3 /(m 2·a), Krustazeen 14 gCaCO 3 /(m 2·a) <strong>und</strong> Mollusken bis zu<br />

9000 gCaCO 3 /(m 2·a). (Glynn 1997, S.74)<br />

Bei den externen Grasern erreichen Echinodermaten mit 70 bis 22300 gCaCO 3 /(m 2·a) die<br />

größten Abbauraten. Doch auch Fische können zwischen 30 <strong>und</strong> 9000 gCaCO 3 /(m 2·a)<br />

abbauen. Daneben weisen Gastropoden mit 19 bis 154 gCaCO 3 /(m 2·a), Mollusken mit 227 bis<br />

394 gCaCO 3 /(m 2·a) <strong>und</strong> Crustaceen mit 9 bis 103 gCaCO 3 /(m 2·a) wesentlich geringere<br />

Abbauraten auf. (Glynn 1997, S.80ff)<br />

Erhöhte Seewassertemperaturen, ausgelöst durch das El Niño-Ereignis 1982-83, führten zu<br />

einer Mortalität von 50 bis 99% bei den Korallen. Dadurch wurde Lebensraum frei, der auch<br />

umgehend von Bioerodierern besiedelt wurde. Die Folge waren Gesamtraten der Bioerosion<br />

von 10 bis 20 kgCaCO 3 /(m 2·a) in Panama <strong>und</strong> von 20 bis 40 kgCaCO 3 /(m 2·a) bei den<br />

Galapagos Inseln. In beiden Fällen wird die für diese Gebiete geschätzte<br />

Netto-Karbonat-Produktionsrate von 10 kgCaCO 3 /(m 2·a) deutlich überstiegen. (Glynn 1997,<br />

S.91)<br />

Der Abbau findet zwar auch an lebenden Korallen statt, doch hauptsächlich werden hier die<br />

älteren bereits abgestorbenen Skelettteile erodiert. Die Erosion findet bei Korallenstöcken mit<br />

sowohl lebender wie auch abgestorbener Oberfläche in den obersten Zentimetern statt. Ist die<br />

Koralle abgestorben, so ist die Wahrscheinlichkeit der Bioerosion in den obersten 2 cm r<strong>und</strong><br />

doppelt so groß wie in den direkt darunter anschließenden Schichten. In jedem Fall ist die<br />

Erosion aber höher als bei noch lebenden Korallen. Hier erreicht die Wahrscheinlichkeit eines<br />

Abbaues 2 cm unter der Oberfläche ihr höchstes Ausmaß. Die Kurve (Distanz von der<br />

Oberfläche zur Wahrscheinlichkeit der Erosion) ist flacher als bei den abgestorbenen Tieren.<br />

(Glynn 1997, S.85ff)<br />

107


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Aus diesen Bef<strong>und</strong>en kann eine grobe Abschätzung der Abbau-Turnoverzeit vorgenommen<br />

werden. Dabei sei angenommen, dass bei einem lebenden Korallenstock gleich viel Material<br />

akkumuliert wie abgebaut wird, <strong>und</strong> weiters, dass der Abbau gleichmäßig nur in den obersten<br />

10 cm des Riffes stattfindet. Mit der auch schon weiter oben angenommenen Zuwachsrate<br />

von 1 cm/a lässt sich abschätzen, wie lange das Skelettmaterial nach dem Absterben noch<br />

erhalten bleibt. Daraus ergibt sich, dass in der 10 cm dicken unbelebten Schicht pro Jahr 1/10<br />

der Substanz erodiert wird <strong>und</strong> zwar solange, bis die Koralle so weit gewachsen ist, dass diese<br />

Schichten mehr als 10 cm unter der Oberfläche liegen. Es wird wie erwähnt davon<br />

ausgegangen, dass kein Abbau unterhalb von 10 cm unter der Oberfläche stattfindet. Mit<br />

diesen Annahmen kann die Turnoverzeit mittels Gleichung (15) abgeschätzt werden.<br />

k = 1 t<br />

ln N t<br />

N 0<br />

Dabei ist für t = 1 a die Masse N t = 9/10. Die Ausgangsmasse N 0 wird dabei gleich 1 gesetzt.<br />

Es ergibt sich also:<br />

k = 1 1<br />

ln<br />

9⁄10<br />

1<br />

=0,105 a 1<br />

Der k-Wert ist hier negativ, da es sich um einen Abbauprozess handelt. Aus dem Kehrwert<br />

des Betrages von k ergibt sich laut Gleichung (21) die Turnoverzeit für den Abbau von 9,5 a<br />

oder 3470 Tagen.<br />

10.3.10 Schwämme<br />

Zum Abbau von Schwämmen sind kaum Untersuchungen durchgeführt worden. Es kann<br />

jedoch auf Gr<strong>und</strong> der Sättigungsverhältnisse im Meer davon ausgegangen werden, dass<br />

Kieselschwämme (<strong>und</strong> Hornschwämme) wesentlich rascher abgebaut werden als<br />

Kalkschwämme.<br />

Für Kalkschwämme wird die gleiche Überlegung, die auch schon bei den Mollusken<br />

angestellt wurde, übernommen. Daher wird auch die Turnoverzeit des Abbaus wieder mit<br />

30 Jahren (10958 Tage) angenommen.<br />

108


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Die Löslichkeitsverhältnisse von Kieselsäure wurden bereits bei den Silikatschalen<br />

besprochen. Da auch zu den Kieselschwämmen konkrete Untersuchungen fehlen, wird<br />

geschätzt, dass der Abbau ähnlich rasch wie bei den Silikatschalen vor sich geht. Da das<br />

Oberflächen/Volumen-Verhältnis bei Schwämmen aber kleiner ist, wird angenommen, dass<br />

die Abbauzeit größer als 10 Tage ist. Geschätzt werden 100 Tage.<br />

10.3.11 Auflistung der Abbauzeiten<br />

Nachstehend wird die Zeit, die es braucht, um biogene Materialien abzubauen, sowohl<br />

tabellarisch als auch in Form eines Diagrammes zusammengefasst. Abbildung 8 zeigt, dass<br />

alle Abbauzeiten bis auf die von Silikatschalen über 100 Tagen liegen. Die größte Persistenz<br />

hat Zahnschmelz, was insoferne einsichtig ist, als er auch schon zu Lebzeiten starken<br />

Umwelteinflüssen standhalten muss. Auch die anderen mineralischen Bio<strong>materialien</strong> sind im<br />

Schnitt beständiger als organische Substanzen. Interessanterweise haben die auf Zucker<br />

basierenden Materialien Holz, Cellulose <strong>und</strong> Chitin eine längere Abbauzeit als die<br />

Protein<strong>materialien</strong> Seide <strong>und</strong> Keratin. Am widerstandsfähigsten unter ihnen ist das Holz.<br />

Material<br />

Abbauzeit [d]<br />

Knochen 1826<br />

Dentin 3653<br />

Zahnschmelz 18263<br />

Geweih 731<br />

Siliziumschalen 10<br />

Molluskenschalen 10958<br />

Korallenskelett (massiv) 3470<br />

Kalkschwamm 10958<br />

Holz 1460<br />

Cellulosematerial 292<br />

Keratin 146<br />

Seide 110<br />

Chitin 219<br />

Tabelle 21: Gesammelte Zahlen zum Abbau der Bio<strong>materialien</strong><br />

109


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Abbauzeit<br />

100000<br />

10000<br />

Abbauzeit [d]<br />

1000<br />

100<br />

10<br />

1<br />

Knochen<br />

Dentin<br />

Zahnschmelz<br />

Mineralisches Geweih<br />

Silikatschalen<br />

Molluskenschalen<br />

Korallenmaterial<br />

Schwämme<br />

Holz<br />

Cellulosematerial<br />

Keratin<strong>materialien</strong><br />

Seide<br />

Chitinmaterial<br />

Abbildung 8: Aufstellung der Abbauzeiten der Bio<strong>materialien</strong><br />

110


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

11 ERGEBNISSE<br />

In folgendem Teil der Arbeit geht es hauptsächlich um eine Auswertung der erhobenen<br />

Daten. Davor müssen jedoch noch einige Zusammenhänge beschrieben werden, die der<br />

gezielten Auswertung dienen. Dazu zählen die Einsatzbereiche <strong>und</strong> Materialfunktionen. Sie<br />

sind anschließend beschrieben.<br />

11.1 Materialfunktionen <strong>und</strong> -einsatzbereiche<br />

Diverse Organismen setzen unterschiedlichste Materialien in ihren Bauplänen ein. Obgleich<br />

sich die eingesetzten Materialien in nur wenige Gruppen einteilen lassen, werden sie fast nie<br />

in reiner Form verwendet. Bei den meisten mineralischen Substanzen in einem Organismus<br />

sind auch organische Verbindungen eingelagert. Umgekehrt ist das eher die Ausnahme, denn<br />

in organischen Materialien finden sich kaum Mineralien.<br />

Nach ihrer Verteilung bzw. Verfügbarkeit kann zwischen lokal <strong>und</strong> ubiquitär verfügbaren<br />

Ressourcen für biogene Materialien unterschieden werden. Ubiquitäre Ressourcen sind<br />

solche, die überall vorhanden sind. Dazu zählen im terrestrischen Bereich CO 2 , N 2 <strong>und</strong><br />

eingeschränkt auch Wasser, also hauptsächlich jene Ausgangs<strong>materialien</strong>, die bei der<br />

Photosynthese zu Zuckermolekülen aufgebaut werden. Im marinen Bereich stellen die<br />

gelösten Formen der Karbonate, Phosphate <strong>und</strong> Silikate, aber auch CO 2 <strong>und</strong> natürlich Wasser<br />

die ubiquitären Ressourcen für biogene Materialien dar. Davon zu unterscheiden sind die<br />

lokalen Ressourcen, wie beispielsweise Mineralsalze, die nur in bestimmten Böden<br />

vorkommen. Daraus ergeben sich verschiedene Bedingungen für Organismen, die etwa auf<br />

Kalk- oder Silikatböden leben. Die Flora auf diesen beiden Böden unterscheidet sich deutlich<br />

voneinander. Auch Schnecken mit ihrem großteils aus Kalk aufgebautem Gehäuse kommen<br />

auf Kalkböden häufiger vor (Vincent 1995, S.175).<br />

Kollagen ist das vorwiegend eingesetzte strukturelle Protein im Tierreich, es kommt<br />

vorwiegend in Fasern mit geringen Variationen bezüglich Struktur <strong>und</strong> Komponenten vor<br />

(Bergquist 1978, S.84).<br />

111


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

11.1.1 Form- od. Materialwechsel?<br />

Die Tatsache, dass die vielen Arten auf der Erde aus relativ wenigen strukturellen<br />

Bio<strong>materialien</strong> aufgebaut sind, zeigt, dass dabei eher die Struktur <strong>und</strong> die Konstruktion<br />

verändert wird <strong>und</strong> nicht das Material.<br />

Es wird angenommen, dass an der Grenze vom Präkambrium zum Kambrium, vor<br />

540 Millionen Jahren, die Materialwahl der meisten Phyla festgelegt wurde. Dies fand freilich<br />

nicht in einem Prozess der aktiven Wahl statt, sondern innerhalb der durch die Evolution<br />

vorgegebenen Mechanismen. Diese waren <strong>und</strong> sind es auch heute noch, die den jeweiligen<br />

Phyla zugehörige Materialien fest vorgegeben. (Weiner et al. 2000, S.7) Dieser evolutionäre<br />

Zwang (Constraint) führte einerseits dazu, dass die Bio<strong>materialien</strong> nicht immer homogen<br />

verwendet wurden <strong>und</strong> werden, sondern dass sie oft als Gemische oder Verb<strong>und</strong>stoffe<br />

vorkommen. Dies zeigt sich sowohl bei den mineralischen als auch bei den organischen<br />

Materialien. Andererseits führte die Beschränkung bei der Materialverwendung zu mehr<br />

strukturellen oder formmäßigen Anpassungen.<br />

Ein ähnlicher evolutionärer Zwang ist beispielsweise auch beim Bauplan der Skelette von<br />

Mammalen zu beobachten. So haben alle Tiere dieser Gruppe immer 7 Halswirbel, egal ob<br />

Delfin oder Giraffe. Dies zeigt, dass es in der Evolution gewisse Zwänge gibt, denn die<br />

Giraffe mit ihrem langen Hals könnte durchaus auch mehr Halswirbel gebrauchen, während<br />

der Delfin mit seinen plattenartigen Halswirbeln mit weniger auskäme. (Riedl, Rupert<br />

Vorlesung zur Evolutionstheorie) (vgl. auch Riedl 1976) Somit sind nicht nur die Materialien<br />

vorgegeben, sondern auch Strukturen können teilweise nicht mehr verändert werden.<br />

Möglicherweise wäre es besser, wenn Vertebraten Kalziumkarbonat im Skelett nutzen<br />

würden, um nicht so stark auf die knappe Ressource Phosphor angewiesen zu sein. Hier<br />

scheint aber der angesprochene Constraint vorzuliegen, der die Verwendung von<br />

Kalziumphosphat zwingend vorgibt. Dieses hat aber andererseits wieder den Vorteil, dass<br />

Phosphate, die für den Metabolismus benötigt werden, gespeichert werden können.<br />

Interessanterweise finden sich in Pflanzen kaum Mineralien, die Stützfunktionen erfüllen,<br />

während dies in der Tierwelt Usus ist. In Gräsern kommen zwar häufig silikatische<br />

Einlagerungen vor, die aber keine tragende Funktion haben. Dabei gehören Silikate zu den<br />

wenigen Bio<strong>materialien</strong>, die isotrop vorkommen, <strong>und</strong> daher keine höheren<br />

112


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Organisationsebenen erfordern (Weiner et al. 2000, S.6). Neben den Silikateinlagerungen in<br />

den Zellwänden von Gräsern, Riedgräsern <strong>und</strong> Schachtelhalmen finden sich auch<br />

Kalziumkarbonateinlagerungen in den basalen Zellwandbereichen von pflanzlichen<br />

Brennhaaren. Bei Schirmalgen kommt Kalziumkarbonat zusammen mit Kalziumoxalat vor.<br />

(Nultsch 1991, S.151) Diese Einlagerungen dürften aber mengenmäßig nur eine geringe Rolle<br />

spielen.<br />

Die meisten Bestandteile von biogenen Materialien werden auch anderweitig von Organismen<br />

eingesetzt. Bei den Diatomeen ist das Silizium nicht nur Bestandteil der Schale, es ist auch<br />

integraler Teil des Metabolismus (im Gegensatz zu den Pflanzen). Es ist unter anderem für<br />

Enzyme nötig, die für die DNA-Synthese eine Rolle spielen. (Lowenstam / Weiner 1989,<br />

S.58ff) Auch eine größere Anzahl von Spurenelementen, wie beispielsweise Eisen, ist für<br />

metabolische Zwecke in Enzymen essenziell.<br />

In höheren Pflanzen sind drei Arten von Biomineralisation von größerer Bedeutung. Die<br />

dabei gebildeten Mineralien sind: intrazellulares Kalziumoxalat in Vakuolen,<br />

Kalziumkarbonat in Cystolithen (tritt in Verbindung mit siliziumhaltiger Cellulose auf) <strong>und</strong><br />

hydratisiertes Siliziumdioxid. (Arnott 1982, S.199)<br />

In terrestrischen Pflanzen, vor allem in Gräsern, können bis zu 20% silikatische Phytolithe<br />

enthalten sein (Weiner et al. 2000, S.2). Dennoch ist die Funktion dieser Einlagerungen, vor<br />

allem in den Zellwänden, nicht bekannt. Einerseits werden mechanische Funktionen<br />

andererseits ihre Verwendung als Fraßschutz diskutiert (vgl. Hammond / Ennos 2000). Die<br />

Verfügbarkeit von Si(OH) 4 für Pflanzen hängt stark vom pH-Wert <strong>und</strong> dem Vorhandensein<br />

von Fe 2 O 3 <strong>und</strong> Al 2 O 3 ab. Es lassen sich drei Gruppen von landwirtschaftlich genutzten<br />

Pflanzen in Bezug auf Siliziumgehalt unterscheiden. Gräser aus Feuchtgebieten weisen<br />

10 - 15% SiO 2 in der Trockensubstanz auf, Trockenlandgräser 1 - 3% <strong>und</strong> Dicotyledone<br />

weniger als 1%. (Raven 1983, S.188)<br />

Die Rolle von Kieselsäureeinlagerungen in Zellwänden kann analog jener von Lignin gesehen<br />

werden, als Komponente, die mechanische Belastungen durch Druck aufnehmen kann. Unter<br />

der Annahme, dass 1 Molekül ATP nötig ist, um 1 Molekül SiO 2 in einer Pflanze einzubauen<br />

können pro 1 g Glukose 12,67 g SiO 2 eingebettet werden, während mit der gleichen Menge<br />

Glukose nur 0,465 g Lignin hergestellt werden können (Raven 1983, S.196) (Penning de<br />

113


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Vries 1975, S.460). Auf gleiches Volumen bezogen ist der Energieaufwand für Lignin r<strong>und</strong><br />

20-mal größer als der für SiO 2 . Würde in Pflanzen statt des Lignins Kieselsäure verwendet, so<br />

würden sie stark von den verfügbaren lokalen Ressourcen <strong>und</strong> somit vom Boden abhängig<br />

sein. Es kann angenommen werden, dass diese Abhängigkeit durch die Verwendung von<br />

Lignin geringer ist. Ein weiterer Nachteil wäre das höhere Gewicht, würde SiO 2 eingesetzt,<br />

<strong>und</strong> neben schlechteren mechanischen Eigenschaften wird auch die Toxizität von Silikaten<br />

diskutiert. Die Verwendung von organischem Material ist auch in Bezug auf die<br />

Stoffwechselwege vielseitiger, da Silizium im Metabolismus kaum eine Rolle spielt. (Raven<br />

1983, S.196) Im Gegensatz dazu wird Silizium von Diatomeen nicht nur in der Schale<br />

verwendet, sondern auch für metabolische Zwecke (Lowenstam / Weiner 1989, S.58).<br />

Die Verwendung von Exoskeletten ist, mit Ausnahme der Schildkröten, auf kleinere<br />

Lebewesen beschränkt. Mit zunehmendem Volumen wird ein Exoskelett größeren Kräften<br />

ausgesetzt, <strong>und</strong> ein ausreichender Schutz (gegen äußere <strong>und</strong> innere Kräfte) kann nur bis zu<br />

einer bestimmten Größe gewährleistet werden, ohne das Skelett zu schwer zu machen <strong>und</strong><br />

damit die anderen Körperfunktionen negativ zu beeinflussen. Exoskelette finden sich also fast<br />

ausschließlich bei kleinen Lebensformen, die zudem Probleme mit hohen Wasserverlusten<br />

hätten. (Currey 1970, S.5ff)<br />

Nach ihrem Verhalten gegenüber Schwankungen des Salzgehaltes unterscheidet man<br />

stenohaline Lebewesen, wie Korallen <strong>und</strong> Cephalopoden, die schon Wasser mit weniger als<br />

3% Salz meiden, von euryhalinen, wie manchen niederen Krebsen, die bei 0,1% ebenso gut<br />

wie bei 7% Salzgehalt gedeihen. Ins brackige Wasser wandert daher nur ein Bruchteil der<br />

marinen Fauna ein. Zugleich nimmt die Fähigkeit zum Aufbau kalkiger Skelette ab. Die<br />

Muschelschalen bleiben kleiner <strong>und</strong> dünner. Die Foraminiferen <strong>und</strong> Bryozoen bilden im<br />

Brackwasser nur ein Chitingerüst aus. (Zeil 1990, S.72)<br />

Es gibt aber auch andere ungewöhnliche Beispiele von biogenen Materialien. Von einigen<br />

Organismen werden Materialien gebildet, die sich ohne deren Einfluss nicht bilden würden.<br />

Eines der bekanntesten Beispiele ist Acantharia. Dieser im marinen Bereich lebende,<br />

heterotrophe Einzeller bildet Hartteile aus Stronziumsulfat, ein Mineral, das in der unbelebten<br />

Natur nicht vorkommt. (Lowenstam / Weiner 1989, S. 31) Als Ressource dient eine<br />

hochgradig untersättigte Lösung der einzelnen Komponenten (Odum 1951).<br />

114


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Fallbeispiel Schildkrötenpanzer<br />

Die Schildkröten sind sehr wahrscheinlich die ältesten, ursprünglichsten Landwirbeltiere<br />

unseres Planeten, die bis in die Gegenwart überdauert haben (Obst 1985, S.78). Der<br />

Schildkrötenpanzer ist zwar ein stabiles Konstrukt, das vor vielen Fraßfeinden Schutz bietet.<br />

Dennoch ist er relativ empfindlich auf kleinflächige Druckbelastungen <strong>und</strong> kann bereits bei<br />

einem Sturz aus geringer Höhe brechen. (Obst 1985, S.134)<br />

Der Panzer der Schildkröten ist aus einer inneren Schicht von Knochenplatten aufgebaut.<br />

Diese trägt die äußere Schicht der Hornplatten, die den Reptilien ihr charakteristisches<br />

Aussehen geben. Der Panzer stammt nicht, wie oft angenommen, aus dem Skelett der<br />

Wirbeltiere, sondern aus Verknöcherungen in der Haut.<br />

Der knöcherne Panzer stellt ein Tonnengewölbe dar, das auf einer ebenen Gr<strong>und</strong>platte basiert.<br />

Diese Verbindung erhöht die Festigkeit beträchtlich. Die Gewölbekonstruktion besteht im<br />

Normalfall aus kompakten Knochenplatten, die im First durch wesentlich kleinere, jeweils<br />

den Schlussstein eines Bogens bildende Platten verankert ist. Die meisten Landschildkröten,<br />

aber auch zahlreiche Süßwasserschildkröten folgen diesem ursprünglichen Bauplan des<br />

starren, hochgewölbten <strong>und</strong> massiven Panzers. (Obst 1985, S.135)<br />

Über die Ursachen, die zur Ausbildung des Panzers geführt haben, gibt es verschiedene<br />

Hypothesen. Die meist verbreitete Ansicht bringt die Entwicklung des Panzers mit der<br />

grabenden Lebensweise der Urschildkröten in Zusammenhang. Die Panzerung soll nach<br />

dieser Meinung eine spezielle Form der Anpassung an das unterirdische Leben darstellen.<br />

(Obst 1985, S.135)<br />

Der massive Panzer der Schildkröte erwies sich in der weiteren Evolution der Tiere sehr bald<br />

als hinderlich, <strong>und</strong> zahlreiche Modifikationen versuchten, unterschiedlichen Ansprüchen<br />

gerecht zu werden. Zunächst musste bei großen Arten die beträchtliche Knochenmasse<br />

verringert werden. Besonders Wasserschildkröten konnten den massiven Panzer nicht mehr<br />

gebrauchen. Sowohl bei Süßwasserbewohnern als auch bei Meeresschildkröten kann man<br />

deshalb die stärksten Umwandlungen des Panzers finden. Bei Meeresschildkröten besteht der<br />

Panzer im Wesentlichen nur noch aus starken Streben, zwischen denen sich leichte<br />

Füllflächen aus dünnwandigem Knochenmaterial oder große offene Stellen, die<br />

Knochenlücken oder Fontanellen, befinden. Die einzige Landschildkröte, die in ganz<br />

115


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

ähnlicher Weise ihren Panzer reduzierte, ist die Spaltenschildkröte Malacochersus. Die<br />

Ursache liegt hier aber weniger in der Notwendigkeit der Gewichtsverringerung als vielmehr<br />

in der Rückgewinnung eines Teiles der Elastizität des Körpers, um sich zwischen<br />

Gesteinsplatten zu verschanzen. (Obst 1985, S.135)<br />

Eine Gewichtsverringerung des Panzers kann auch durch Veränderung der Knochenstruktur<br />

erreicht werden. So bestehen die Knochenplatten des Panzers großer Landschildkröten-Arten<br />

aus luftgefüllten Kammern, die, ineinander geschachtelt, von unterschiedlich starken<br />

Trennwänden <strong>und</strong> Streben gestützt werden. Die verminderte Verknöcherung einiger<br />

Entwicklungslinien ist meist nicht von außen zu erkennen, da die Hornplatten nicht reduziert<br />

wurden. (Obst 1985, S.135ff, 80)<br />

Wasserschildkröten verschiedener Verwandtschaftsgruppen haben mitunter weitgehend auf<br />

die Schutzfunktion des Panzers verzichtet. Das bezieht sich vor allem auf die deutliche<br />

Reduktion des Bauchpanzers. Der Rückenpanzer wurde von diesen Tieren hingegen nicht<br />

preisgegeben. Als Ausgleich für den verlorenen Schutz sind die meisten großwüchsigen Tiere<br />

wehrhafter geworden <strong>und</strong> verteidigen sich aktiv. Meeresschildkröten können durch ihre<br />

Schwimmkünste auch leichter die Flucht ergreifen. (Obst 1985, S.163ff)<br />

Die rätselhaftesten aller Meeresschildkröten sind wohl die Lederschildkröten (Fam.<br />

Dermochelydidae). Sie haben sich vermutlich bereits in der Kreide oder noch früher<br />

entwickelt, sind uns aber erst aus Ablagerungen des Eozäns fossil bekannt. Lederschildkröten<br />

sind nicht nur die Meeresschildkröten mit einem nahezu total auf Rudimente<br />

zusammengeschrumpften Knochenpanzer, sondern auch diejenigen, die in ihrer<br />

Entwicklungsgeschichte mehrfach den Lebensraum zwischen litoralen <strong>und</strong> pelagialen<br />

Meeresbereichen gewechselt haben. Die Rückbildung des Panzers erfolgte, als die Vorfahren<br />

der heutigen Lederschildkröten zum ersten Mal Hochseebewohner wurden. Nach längerer<br />

Zeit haben die Tiere aber wieder die Küstenbereiche der Meere bevorzugt, <strong>und</strong> ein stabiler<br />

Panzer erschien wieder nützlicher. Der rückgebildete ursprüngliche Panzer war aber nicht in<br />

der Lage, sich erneut zu einem funktionsfähigen Organ zu entwickeln. Daher entstanden neue<br />

Hautknochen, die einen mosaikartig strukturierten Knochenpanzer ergaben. Doch auch die<br />

Existenz des Mosaikpanzers war nicht von Dauer. Die Lederschildkröten wechselten aus dem<br />

Litoral erneut ins Pelagial über, <strong>und</strong> der Mosaikpanzer wurde genauso verzichtbar wie sein<br />

Vorgänger. Die Überreste des sek<strong>und</strong>ären Panzers bestehen bei erwachsenen echten<br />

116


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Lederschildkröten nur noch aus sieben Längskielen, die der Lederschwarte besseren Halt<br />

geben. Anhand dieses Beispieles wurde von Dollo die Regel vom nicht umkehrbaren Verlauf<br />

der Evolution der Organismen formuliert. (Obst 1985, S.81ff)<br />

11.1.2 Funktionen der Bio<strong>materialien</strong><br />

Die in der Natur verwendeten Materialien sowie auch die technisch genutzten erfüllen eine<br />

Vielzahl von Funktionen. Dort wo strukturelle Bio<strong>materialien</strong> von Organismen eingesetzt<br />

werden, sind folgende Funktionen von Bedeutung:<br />

• Stützfunktion<br />

• Schutzfunktion (vor Umwelteinflüssen)<br />

• Verdunstungsschutz<br />

• Speicherfunktion<br />

• Andere mechanische Funktion (z.B. Verteidigung)<br />

Die Zuordnung der behandelten Bio<strong>materialien</strong> zu den angeführten Funktionen ist in<br />

Tabelle 22 ersichtlich. Die dort getroffene Einteilung spielt auch bei der Auswertung der<br />

Ergebnisse nach Gruppen gleicher Funktion eine Rolle. Außerdem sind in Tabelle 22 auch<br />

wesentliche physikalische Parameter (Zugfestigkeit, Elastizitäts-Modul <strong>und</strong> Dichte)<br />

angeführt. Vergleiche dazu auch Tabelle 5<br />

117


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Material Stützfunktion<br />

Schutzfunktion<br />

Verdunstungsschutsche<br />

Speicherfunktion<br />

Andere<br />

mechani-<br />

Zugfestigkeit<br />

Zug-<br />

E-Modul<br />

Dichte<br />

[kg/dm 3 ]<br />

Funktion<br />

[Mpa] [Mpa]<br />

Knochen x x 140, 210(d) 19000 2,0<br />

Dentin x -- -- --<br />

Zahnschmelz x -- 75000 2,9<br />

Geweih x 180(b) 7400 1,9<br />

Siliziumschalen x x -- -- --<br />

Molluskenschalen x x bis 95, ≈ 60000 2,7<br />

198(d)<br />

Korallenskelett x -- ≈ 160000 ≈ 3,0<br />

Kalkschwamm x -- ≈ 160000 ≈ 3,0<br />

Holz x 90 bis 135 10000(b) ≈ 1,0<br />

Cellulosematerial x ? 1080 a 49000 a 1,6 a<br />

Keratin x x 200 3500 1,3<br />

Seide x x 500,<br />

(Spinnfaden<br />

1200)<br />

10000, 1,3<br />

(Spinnfaden<br />

4000)<br />

Chitin x x x x 570 a 44000 a 1,6 a<br />

Tabelle 22: Materialfunktionen <strong>und</strong> mechanische Parameter; wo nicht anders angegeben, stammen die Werte<br />

aus: (Lexikon der Biologie 1999, S.444), wobei (b)=Biegebelastung, (d)=Druckbelastung, a<br />

(Currey 1970,<br />

S.30)<br />

11.1.3 Wachstumsstrategien<br />

Wie sich im Kapitel über die Einsatzdauer herausgestellt hat, gibt es unterschiedliche<br />

Wachstums- bzw. Erneuerungsstrategien bei Bio<strong>materialien</strong>. So werden bei Bäumen oder<br />

Mollusken die Materialien einmal aufgebaut <strong>und</strong> danach kaum mehr verändert. Der Aufbau<br />

erfolgt schichtförmig. Insekten nutzen eine andere Strategie. Sie bauen ihr Exoskelett immer<br />

wieder neu auf, <strong>und</strong> die alte Chitinhülle wird abgeworfen <strong>und</strong> meist nicht mehr vom Insekt<br />

genutzt. Wieder eine andere Strategie ist beim Knochen zu erkennen. Dieser behält seine<br />

Form im adulten Stadium mehr oder weniger bei. Allerdings wird er ständig ab- <strong>und</strong> wieder<br />

aufgebaut. Es zeigen sich also verschiedene Möglichkeiten, mit Bio<strong>materialien</strong> umzugehen.<br />

Der Knochen kann unter Beibehaltung der ursprünglichen Form repariert werden, während<br />

Holz nur durch Anlagerung zusätzlichen Materials repariert werden kann. Interessant ist auch<br />

das Faktum, dass die Erneuerung der Knochen während ihres Einsatzes erfolgt. Dies ist bei<br />

technischen Anwendungen kaum möglich.<br />

118


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Bei den Zähnen gibt es einige interessante Entwicklungslinien. Sie werden von<br />

kegelförmigen sich aus Hautzähnchen entwickelnden Gebilden zunehmend differenzierter,<br />

<strong>und</strong> ihre Anzahl nimmt ab. Auch der Zahnwechsel ist nicht einheitlich. So wachsen die<br />

wurzellosen Schneidezähne der Nager oder die Backenzähne vieler Huftiere beständig nach.<br />

(Lehmann 1985, S.407ff)<br />

11.1.4 Einteilung der Materialien nach Organismengruppen<br />

In den verschiedenen Organismengruppen werden spezifische Skelett-Materialien verwendet,<br />

die nur wenig variieren. Eine Ausnahme bilden die Schwämme, bei denen drei verschiedene<br />

Materialien, nämlich Kalziumkarbonat, Silikat <strong>und</strong>/oder Proteine vorkommen (Currey, J.<br />

1970 S.19ff). Abbildung 9 gibt einen Überblick darüber, welche Materialien von welchen<br />

Organismengruppen eingesetzt werden. Dabei sind die einzelnen Materialien in drei Gruppen<br />

zusammengefasst. Diese sind die mineralische Stoffgruppe, Proteine <strong>und</strong> Mehrfachzucker.<br />

Tierisch<br />

Korallen<br />

Mollusken<br />

Echinoderme<br />

Mineralien<br />

Ca−Karbonat<br />

Ca−Phosphat<br />

Silikat<br />

Pflanzlich<br />

Sphenophyta<br />

Angiospermophyta<br />

Spongi<br />

Diatomeen<br />

Vertebrata<br />

Proteine<br />

Kollagen<br />

Keratin<br />

Artropoden<br />

Mehrfachzucker<br />

Cellulose<br />

Lignin<br />

Hemicellulose<br />

Chitin<br />

Höhere Pflanzen<br />

Funghi<br />

Abbildung 9: Materialeinteilung nach Organismengruppen<br />

119


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Niedere Organismengruppen verwenden demnach verschiedene Materialien, während höhere<br />

zumeist auf eines beschränkt sind. So bestehen die Knochen von Mammalen immer aus<br />

CaPO 4 <strong>und</strong> Kollagen. Es kommen zwar auch andere Mineralien vor, aber nur zu einem<br />

geringen Anteil.<br />

11.1.5 Einteilung der Materialien nach Einsatzumgebung<br />

Die Einsatzumgebung (Habitat) kann grob zwischen terrestrischem <strong>und</strong> aquatischem<br />

Lebensraum unterteilt werden, wobei auch Übergangsformen (z.B. Amphibien) auftreten<br />

können. Im Organismus kann zwischen externem <strong>und</strong> internem Einsatzort unterschieden<br />

werden. Die verwendeten Materialien sind allerdings nicht immer streng nach Einsatzorten<br />

getrennt.<br />

Material Habitat Einsatzort<br />

terrestrisch aquatisch extern intern<br />

Knochen x x x<br />

Dentin x x x<br />

Zahnschmelz x x x<br />

Geweihmaterial x x<br />

Siliziumschalen x x<br />

Molluskenschalen x x<br />

Korallenskelett x x<br />

Kalkschwamm x x<br />

Holz x x<br />

Cellulosematerial x x x<br />

Keratin x x x<br />

Seide x x x<br />

Chitin x x x<br />

Tabelle 23: Habitate <strong>und</strong> Einsatzorte der biogenen Materialien<br />

Im aquatischen Bereich spielt eine höhere Dichte eine geringere Rolle, speziell bei<br />

festsitzenden Organismen. Hier wird auch oft Kalziumkarbonat eingesetzt. Bei den<br />

Säugetieren sind die Knochen poröser <strong>und</strong> damit nicht so schwer, was auch bei den sek<strong>und</strong>är<br />

wieder in den aquatischen Lebensraum vorgedrungenen Säugern kein Nachteil gewesen sein<br />

dürfte. Zudem bestehen sie aus einem anderen Material (Kalziumphosphat). Siliziumschalen<br />

kommen ausschließlich aquatisch vor, wenngleich die Gräser Silikate einlagern können. Am<br />

120


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Land spielen organische Verbindungen eine vordringliche Rolle, wenn es darum geht,<br />

stützende Strukturen zu bilden. Im Wasser kommen hingegen auch mineralische Materialien<br />

beim Aufbau von stützenden Strukturen vor.<br />

Bei der Einteilung nach externem oder internem (Exo- <strong>und</strong> Endo-) Skelett in Tabelle 23 wird<br />

sichtbar, dass Kalziumphosphat, in Form von Knochen, Dentin, Zahnschmelz <strong>und</strong> Geweih,<br />

sowohl außen, also in direktem Kontakt zur Umwelt, als auch intern Verwendung findet.<br />

Weitere Materialien in den äußeren Bereichen von Organismen sind: Silikatschalen,<br />

Molluskenschalen <strong>und</strong> Korallenmaterial, aber auch die organischen Materialien Keratin,<br />

Seide <strong>und</strong> Chitin. Im Unterschied dazu werden Cellulose <strong>und</strong> Holz nur intern eingesetzt.<br />

Definitionsgemäß wird alles vom Kambium nach innen erzeugte Gewebe als Holz bezeichnet,<br />

alles nach außen abgeschiedene als Bast (Nultsch 1991, S.198). Da aber auch der Bast<br />

verhärtet ist, könnte argumentiert werden, dass holzartige Strukturen auch im Außenbereich<br />

eingesetzt werden. Das Material der Schwämme ist bei den internen Einsatzorten angeführt,<br />

da die Skelettnadeln in einer Zellmatrix eingebettet sind.<br />

Es stellt sich die Frage, warum Kalziumverbindungen so viel häufiger in strukturellen<br />

Bio<strong>materialien</strong> vorkommen als die mechanisch belastbareren Siliziumverbindungen. Ein<br />

Gr<strong>und</strong> könnte in der geringeren Löslichkeit von Silikaten liegen. Kalziumkarbonat <strong>und</strong><br />

-phosphat sind wesentlich leichter löslich <strong>und</strong> daher nach Absterben eines Organismus<br />

schneller wieder verfügbar. Es zeigt sich auch, dass die Ressource Silizium im Meer<br />

wesentlich rarer ist als Kalzium. Damit könnte auf eine mangelbedingte Bevorzugung von<br />

Kalziumverbindungen geschlossen werden. (Vincent 1990, S.167)<br />

11.2 Auswertung der Beziehungen<br />

Die Beziehungen der Parameter (Energieinhalt, Einsatzdauer <strong>und</strong> Abbauzeit) untereinander<br />

werden in Streudiagrammen dargestellt. Die statistische Auswertung wurde mittels<br />

Korrelationsmaßen (2-seitig) <strong>und</strong> linearer Regression (2-seitig) vorgenommen. In den<br />

Diagrammen stellt die Ordinate stets das abhängige Merkmal <strong>und</strong> die Abszisse das<br />

unabhängige Merkmal dar. Als Signifikanzniveau sei α = 5% (für den Fehler 1. Art) gewählt.<br />

Wo die Nullhypothese auf diesem Niveau ausgeschlossen werden kann, sind die Werte mit<br />

(*) bezeichnet, <strong>und</strong> nicht signifikante Werte werden mit (ns) gekennzeichnet. Für die<br />

121


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Beziehungen wurden die Rohdaten von Knochen, Dentin, Zahnschmelz, Geweih,<br />

Siliziumschalen, Molluskenschalen, Korallen, Kalkschwamm, Holz, Cellulose, Keratin, Seide<br />

<strong>und</strong> Insektenchitin herangezogen.<br />

Die Auswertung der erhobenen Daten erfolgt zunächst generell für alle Materialien. Je nach<br />

Beziehung wird danach versucht herauszufinden, ob innerhalb der funktionalen Einheiten<br />

strengere Beziehungen bestehen. Dabei werden allerdings lediglich die Stütz- <strong>und</strong> die<br />

Schutzfunktion betrachtet, denn nur bei ihnen erscheint eine Auswertung auf Gr<strong>und</strong> der<br />

geringen Anzahl der Daten sinnvoll (vgl. Tabelle 22).<br />

11.3 Beziehung Energieaufwand - Einsatzdauer<br />

Zur Prüfung des Zusammenhanges wird versucht, die Reaktionsenthalpie, die der Organismus<br />

aufbringen muss, mit der Einsatzdauer in Beziehung zu setzen. Damit erhält man das<br />

Streudiagramm in Abbildung 10.<br />

80000<br />

70000<br />

Energie−Einsatzdauer<br />

Einsatzdauer [d]<br />

60000<br />

50000<br />

40000<br />

30000<br />

20000<br />

10000<br />

0<br />

−2,5 0,0 2,5 5,0 7,5 10,0 12,5 15,0 17,5 20,0 22,5 25,0<br />

Reaktionsenthalpie für den Organismus [MJ/kg]<br />

Abbildung 10: Energie - Einsatzdauer - Beziehung (alle Materialien)<br />

Die Analyse der Daten (n = 13) ergibt folgende Werte: Rangkorrelationskoeffizient nach<br />

Spearsman r s =-0,05(ns); Pearsonscher Korrelationskoeffizient r xy = 0,56(*); <strong>und</strong><br />

y = 1574(*)x + 7108(ns) mit Bestimmtheitsmaß B = 0,32(*).<br />

122


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Die Hypothese dabei ist, dass Materialien, die eine hohe Reaktionsenthalpie zur Bildung im<br />

Organismus benötigen, auch länger eingesetzt werden. Dies kann bedingt bestätigt werden.<br />

Das Bestimmtheitsmaß gibt allerdings an, dass nur r<strong>und</strong> 30% der Variabilität der<br />

Einsatzdauer aus der Reaktionsenthalpie erklärt werden können. Die Steigung der<br />

Regressionsgeraden ist positiv <strong>und</strong> signifikant. Der niedrige Wert des von einer<br />

Normalverteilung unabhängigen r s <strong>und</strong> der weit außen liegende Punkt für Holz im eher<br />

heterogenen Streudiagramm lassen den Zusammenhang allerdings als fragwürdig erscheinen.<br />

Dennoch weist der Koeffizient r xy auf eine mittlere Korrelation hin. Der Versuch, eine andere<br />

als eine lineare Regression in das Streudiagramm einzuschreiben, führte zu keinen<br />

befriedigenden Ergebnissen, obgleich der lineare Zusammenhang, durch r xy ausgedrückt,<br />

nicht sehr hoch ist. Regressionen mit Polynomen zeigen zwar eine bessere Anpassung, sie<br />

verursachen aber einen zusätzlichen Erklärungsbedarf, der nicht abgedeckt werden kann.<br />

Für die Extremwerte in dieser Beziehung (Silikatschalen <strong>und</strong> Holz) kann die Hypothese, dass<br />

höherer Energieaufwand eine längere Einsatzdauer bedingt, bestätigt werden. Für die<br />

dazwischen liegenen Punkte ist dies nicht eindeutig möglich.<br />

Autotrophe <strong>und</strong> Heterotrophe<br />

Es stellt sich daher die Frage, ob autotrophe <strong>und</strong> heterotrophe Organismen nicht getrennt<br />

betrachtet werden sollen. Unter dieser Voraussetzung ergibt sich für Autotrophe das<br />

Streudiagramm in Abbildung 11.<br />

123


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Energie−Einsatzdauer (Autotrophe)<br />

80000<br />

70000<br />

Einsatzdauer [d]<br />

60000<br />

50000<br />

40000<br />

30000<br />

20000<br />

10000<br />

0<br />

−2,5 0,0 2,5 5,0 7,5 10,0 12,5 15,0 17,5 20,0 22,5 25,0<br />

Reaktionsenthalpie für den Organismus [MJ/kg]<br />

Abbildung 11: Energie - Einsatzdauer - Beziehung (Autotrophe)<br />

Problematisch dabei ist, dass nur 3 Wertepaare für die Auswertung vorliegen. Die<br />

statistischen Parameter lauten wie folgt: r s = 1(*); r xy = 0,72(ns); <strong>und</strong><br />

y = 2394(ns)x - 8787(ns) mit B = 0,52(ns). Die Wertepaare zeigen einen monotonen<br />

Zusammenhang, wenngleich die Linearität, ausgedrückt durch r xy nicht eindeutig ist.<br />

Für die Heterotrophen ergibt sich mit den n = 10 Wertepaaren folgendes Diagramm:<br />

Energie−Einsatzdauer (Heterotrophe)<br />

40000<br />

35000<br />

Einsatzdauer [d]<br />

30000<br />

25000<br />

20000<br />

15000<br />

10000<br />

5000<br />

0<br />

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0<br />

Reaktionsenthalpie für den Organismus [MJ/kg]<br />

Abbildung 12: Energie - Einsatzdauer - Beziehung (Heterotrophe)<br />

124


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Die statistischen Parameter errechnen sich wie folgt: r s = -0,59(ns); r xy = -0,49(ns); <strong>und</strong><br />

y = -4940(ns)x + 16797(*) mit B = 0,23(ns). Die Korrelation <strong>und</strong> die Regression sind nicht<br />

signifikant. Erstaunlicherweise geht der Trend aber hin zu einer negativen Korrelation, sodass<br />

Materialien mit hohem Energieaufwand bei Heterotrophen eher kürzer eingesetzt werden.<br />

Stützfunktion<br />

Aus Tabelle 22 sind die Materialien mit Stützfunktion entnommen (n = 8). Diese sind:<br />

Knochen, Silikatschalen, Molluskenschalen, Korallen- <strong>und</strong> Schwammmaterial, Holz,<br />

Cellulose <strong>und</strong> Chitin. Abbildung 13 gibt die Auswertung dieser Daten wider.<br />

Energie−Einsatzdauer (Stützfunktion)<br />

80000<br />

70000<br />

Einsatzdauer [d]<br />

60000<br />

50000<br />

40000<br />

30000<br />

20000<br />

10000<br />

0<br />

−2,5 0,0 2,5 5,0 7,5 10,0 12,5 15,0 17,5 20,0 22,5 25,0<br />

Reaktionsenthalpie für den Organismus [MJ/kg]<br />

Abbildung 13: Energie - Einsatzdauer - Beziehung (Stützfunktion)<br />

Die statistischen Parameter ergeben sich wie folgt: r s = 0,35(ns); r xy = 0,63(ns); <strong>und</strong><br />

y = 1698(ns)x + 6294(ns) mit B = 0,39(ns). Die Korrelation <strong>und</strong> die Regression sind nicht<br />

signifikant. Die Auswertung führt zu keinerlei statistisch signifikanten Aussagen. Obwohl die<br />

Regressionsgerade einen positiven Anstieg zeigt, ist sie, wie schon bei der Auswertung der<br />

Energie - Einsatzdauer - Beziehung aller Materialien, von dem weit außen liegenden Punkt<br />

des Holzes geprägt, ohne den die Regressionsgerade einen negativen Anstieg hätte.<br />

125


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Schutzfunktion<br />

Die Materialien, mit denen eine Schutzfunktion erfüllt wird, sind: Silikatschalen,<br />

Molluskenschalen, Keratin, Seide <strong>und</strong> Chitin (n = 5). Das führt zu dem in Abbildung 14<br />

dargestellten Streudiagramm.<br />

Energie−Einsatzdauer (Schutzfunktion)<br />

40000<br />

35000<br />

Einsatzdauer [d]<br />

30000<br />

25000<br />

20000<br />

15000<br />

10000<br />

5000<br />

0<br />

−0,5 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0<br />

Reaktionsenthalpie für den Organismus [MJ/kg]<br />

Abbildung 14: Energie - Einsatzdauer - Beziehung (Schutzfunktion)<br />

Die statistischen Parameter sind: r s = -0,30(ns); r xy = -0,38(ns); <strong>und</strong><br />

y = -3448(ns)x + 13973(ns) mit B = 0,14(ns). Die Korrelation <strong>und</strong> die Regression sind auch<br />

hier nicht signifikant.<br />

Die Funktionen der verschiedenen Materialien haben somit keinen erkennbaren<br />

Zusammenhang im Bezug auf die Energie - Einsatzdauer - Beziehung.<br />

Resümee<br />

Die Ergebnisse zeigen, dass kaum nennenswerte Korrelationen zwischen dem<br />

Energieaufwand <strong>und</strong> der Einsatzdauer bestehen. Weder bei der Betrachtung aller behandelten<br />

Materialien noch bei der Aufsplittung in Autotrophe <strong>und</strong> Heterotrophe zeigen sich eindeutige<br />

Zusammenhänge, auch das Clustering nach Funktionen liefert diese nicht.<br />

Die Energieaufwände für die Bildung von Bio<strong>materialien</strong> sind wohl nicht allzu groß, im<br />

Vergleich zu anderen Aufwänden des Organismus. Damit könnten die betrachteten<br />

126


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Energieeinsätze eine untergeordnete Rolle spielen. Wahrscheinlich ist aber auch der<br />

Energieeinsatz nicht die einzig relevante Einflussgröße für die Einsatzdauer. Monokausale<br />

Zusammenhänge sind in der Biologie eher selten. Interessant sind allerdings die Extremfälle<br />

Epidermis <strong>und</strong> Zähne, die beide in engem Kontakt zur Außenwelt des Organismus stehen.<br />

Auch in der Technik ist die Einsatzdauer im Bezug auf ihren Energieinhalt kein alleiniges<br />

Kriterium. Andere Einflussgrößen spielen auch hier eine wichtige Rolle. Vor allem sind aber<br />

in der Technik Zielvorgaben von Bedeutung, die es in der belebten Natur nicht gib. Da die<br />

Ergebnisse nicht eindeutig sind, können kaum Anwendungsmöglichkeiten für das Ecodesign<br />

abgeleitet werden.<br />

11.4 Beziehung Energieaufwand - Abbaubarkeit<br />

Hier sind beide erhobenen Energieaufwände interessant, der, den ein Organismus zum<br />

Aufbau eines Biomaterials benötigt, <strong>und</strong> der, der zum Aufbau aus den in der nicht belebten<br />

Natur vorkommenden Ressourcen − zu denen die Materialien auch wieder abgebaut werden −<br />

nötig ist.<br />

Vorerst wird die Beziehung der Reaktionsenthalpie im Organismus mit der Abbauzeit<br />

geprüft. Damit erhält man das Diagramm in Abbildung 15 (n = 13).<br />

127


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Energie (im Organismus)−Abbauzeit<br />

20000<br />

17500<br />

15000<br />

Abbauzeit [d]<br />

12500<br />

10000<br />

7500<br />

5000<br />

2500<br />

0<br />

−2,5 0,0 2,5 5,0 7,5 10,0 12,5 15,0 17,5 20,0 22,5 25,0<br />

Reaktionsenthalpie für den Organismus [MJ/kg]<br />

Abbildung 15: Energie (im Organismus) - Abbauzeit - Beziehung<br />

(alle Materialien)<br />

Die dazugehörigen Korrelationskoeffizienten lauten: r s = -0,41(ns); r xy = -0,30(ns). Die<br />

Parameter für die lineare Regression nehmen sich wie folgt aus: y = -226(ns)x + 4953(*), <strong>und</strong><br />

das Bestimmtheitsmaß beträgt B = 0,09(ns). Auch hier können keine abgesicherten Aussagen<br />

getroffen werden. Das Streudiagramm legt jedoch eine negative Korrelation nahe. Dies<br />

würde, der Hypothese, dass Materialien mit hohem Energieaufwand rascher abgebaut würden<br />

Vorschub leisten. Plausibel wird die Hypothese dadurch, dass der Energiegewinn für<br />

Zersetzer bei energiereichen Materialien größer ist, <strong>und</strong> dass diese daher auch rascher<br />

abgebaut werden.<br />

Die den Zersetzern zur Verfügung stehende Energie entspricht jedoch eher der<br />

Reaktionsenthalpie von unbelebten Ausgangs<strong>materialien</strong> zu Bio<strong>materialien</strong>. Daher ist eine<br />

Korrelation zu erwarten, wenn man die Reaktionsenthalpie von unbelebten Verbindungen zu<br />

Bio<strong>materialien</strong> mit der Abbauzeit in Beziehung setzt. Somit ergibt sich folgendes Bild<br />

(Abbildung 16):<br />

128


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Energie (unbel. zu Biomaterial)−Abbauzeit<br />

20000<br />

17500<br />

Abbauzeit [d]<br />

15000<br />

12500<br />

10000<br />

7500<br />

5000<br />

2500<br />

0<br />

−2,<br />

5<br />

0,0 2,5 5,0 7,5 10,<br />

0<br />

12,<br />

5<br />

15,<br />

0<br />

17,<br />

5<br />

20,<br />

0<br />

22,<br />

5<br />

25,<br />

0<br />

27,<br />

5<br />

Reaktionsenthalpie von unbelebten Verbindungen<br />

zu Bio<strong>materialien</strong> [MJ/kg]<br />

Abbildung 16: Energie (von unbelebten Ressourcen zu<br />

Bio<strong>materialien</strong>) - Abbauzeit - Beziehung (alle Materialien)<br />

Die dazugehörigen statistischen Daten lauten wie folgt (n = 13): r s = -0,44(ns); r xy = -0,60(*);<br />

<strong>und</strong> y = -334(*)x + 7487(*) mit B = 0,36(*). Der Zusammenhang ist hier eindeutiger, was die<br />

Annahme bestätigt, Materialien mit großem Energieinhalt werden rascher abgebaut als solche<br />

mit geringem.<br />

Stützfunktion<br />

Es soll wiederum geprüft werden, ob Materialien, die die gleiche Funktion erfüllen,<br />

eindeutigere Ergebnisse mit sich bringen. Daher werden vorerst wieder die Materialien mit<br />

einer Stützfunktion (n = 8) in einem Cluster betrachtet (Abbildung 17).<br />

129


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Energie (im Organismus)−Abbauzeit<br />

(Stützfunktion)<br />

12000<br />

10000<br />

Abbauzeit [d]<br />

8000<br />

6000<br />

4000<br />

2000<br />

0<br />

−2,5 0,0 2,5 5,0 7,5 10,0 12,5 15,0 17,5 20,0 22,5 25,0<br />

Reaktionsenthalpie für den Organismus [MJ/kg]<br />

Abbildung 17: Energie (im Organismus) - Abbauzeit - Beziehung<br />

(Stützfunktion)<br />

Die statistischen Parameter errechnen sich wie folgt: r s = -0,17(ns); r xy = -0,36(ns); <strong>und</strong><br />

y = -173(ns)x + 4621(ns) mit B = 0,13(ns). Weder die Korrelation noch die Regression sind<br />

statistisch signifikant. Das Streudiagramm legt jedoch eine negative Korrelation nahe.<br />

Schutzfunktion<br />

Von Materialien mit Schutzfunktion (n = 5) kann angenommen werden, dass sie auch nach<br />

dem Ableben eines Individuums noch eine schützende Wirkung vor Umwelteinflüssen haben.<br />

Die energetische Investition in die Schutzfunktion sollte auch dazu führen, dass die<br />

Materialien schwerer abgebaut werden. Das Streudiagramm lässt diesen Schluss allerdings<br />

nicht zu (Abbildung 18).<br />

130


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Energie (im Organismus)−Abbauzeit<br />

(Schutzfunktion)<br />

12000<br />

10000<br />

Abbauzeit [d]<br />

8000<br />

6000<br />

4000<br />

2000<br />

0<br />

−0,5 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0<br />

Reaktionsenthalpie für den Organismus [MJ/kg]<br />

Abbildung 18: Energie (im Organismus) - Abbauzeit - Beziehung<br />

(Schutzfunktion)<br />

Die statistischen Parameter der Energie - Abbauzeit - Beziehung für Materialien mit einer<br />

Schutzfunktion ergeben sich wie folgt: r s = 0,00(*); r xy = -0,41(ns); <strong>und</strong><br />

y = -1128(ns)x + 4222(ns) mit B = 0,17(ns). Der einzig signifikante r s -Wert gibt an, dass<br />

keinerlei Rangkorrelation besteht.<br />

Resümee<br />

Die hier wenig signifikante, sondern eher negative Korrelation zwischen Energieeinsatz <strong>und</strong><br />

Abbauzeit zeigt, dass Materialien mit einem hohen Energieinhalt rascher abgebaut werden.<br />

Daraus kann abgeleitet werden, dass ein höherer Energieeinsatz nicht dazu verwendet wird,<br />

resistentere Materialien zu schaffen. Der Schutz vor Zersetzung ist daher möglicherweise kein<br />

wesentlicher Faktor für den Materialeinsatz bzw. die Materialauswahl.<br />

Das Clustering nach verschiedenen Funktionen zeigte keine zusätzlichen<br />

Informationsgewinne. Auch von der Beziehung Energieeinsatz - Abbauzeit ausgehend<br />

können daher keine Anwendungsvorschläge für Ecodesign gemacht werden.<br />

131


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

11.5 Beziehung Einsatzdauer - Abbaubarkeit<br />

Bei dieser Beziehung wird die Einsatzdauer als unabhängiges <strong>und</strong> die Abbauzeit als<br />

abhängiges Merkmal angenommen. Damit ergibt sich für alle betrachteten Materialien<br />

(n = 13) das Diagramm in Abbildung 19.<br />

20000<br />

Einsatzdauer−Abbauzeit<br />

17500<br />

15000<br />

12500<br />

10000<br />

7500<br />

5000<br />

2500<br />

0<br />

0<br />

5000<br />

10000<br />

15000<br />

20000<br />

25000<br />

30000<br />

35000<br />

40000<br />

45000<br />

50000<br />

55000<br />

60000<br />

65000<br />

70000<br />

75000<br />

Abbauzeit [d]<br />

Einsatzdauer [d]<br />

Abbildung 19: Einsatzdauer - Abbauzeit - Beziehung (alle<br />

Materialien)<br />

Relevante statistische Parameter dazu lauten: r s = 0,76(*); r xy = 0,28(ns); <strong>und</strong><br />

y = 0,07(ns)x + 2982(ns) mit Bestimmtheitsmaß B = 0,08(ns). Der einzige statistisch<br />

signifikante Wert ist jener für die Rangkorrelation. Hier zeigt sich sogar ein hoher<br />

Korrelationskoeffizient. Das Streudiagramm lässt auch auf einen eindeutigen Zusammenhang<br />

schließen, wonach Materialien mit langer Einsatzdauer auch lange brauchen, um abgebaut zu<br />

werden.<br />

Stützfunktion<br />

Auch hier soll wieder eine Betrachtung in Clustern nach Einsatz in verschiedenen Funktionen<br />

vorgenommen werden. Für die Stützfunktion (n = 8) ergibt sich somit das in Abbildung 20<br />

dargestellte Streudiagramm.<br />

132


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Einsatzdauer−Abbauzeit (Stützfunktion)<br />

12000<br />

10000<br />

Abbauzeit [d]<br />

8000<br />

6000<br />

4000<br />

2000<br />

0<br />

0<br />

5000<br />

10000<br />

15000<br />

20000<br />

25000<br />

30000<br />

35000<br />

40000<br />

45000<br />

50000<br />

55000<br />

60000<br />

65000<br />

70000<br />

75000<br />

Einsatzdauer [d]<br />

Abbildung 20: Einsatzdauer - Abbauzeit - Beziehung (Stützfunktion)<br />

Die statistischen Parameter errechnen sich wie folgt: r s = 0,70(ns); r xy = 0,17(ns); <strong>und</strong><br />

y = 0,03(ns)x + 3178(ns) mit B = 0,03(ns). Die Werte sind allesamt nicht statistisch<br />

signifikant, <strong>und</strong> die Punkte im Streudiagramm erscheinen auch eher willkürlich verteilt als<br />

einer Gesetzmäßigkeit zu gehorchen.<br />

Schutzfunktion<br />

Die Analyse der Einsatzdauer - Abbauzeit - Beziehung in Bezug auf die Schutzfunktion<br />

(n = 5) liefert das Diagramm in Abbildung 21.<br />

133


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Einsatzdauer−Abbauzeit (Schutzfunktion)<br />

12000<br />

10000<br />

Abbauzeit [d]<br />

8000<br />

6000<br />

4000<br />

2000<br />

0<br />

0<br />

2500<br />

5000<br />

7500<br />

10000<br />

12500<br />

15000<br />

17500<br />

20000<br />

22500<br />

25000<br />

27500<br />

30000<br />

32500<br />

35000<br />

37500<br />

Einsatzdauer [d]<br />

Abbildung 21: Einsatzdauer - Abbauzeit - Beziehung<br />

(Schutzfunktion)<br />

Die statistischen Parameter lauten: r s = 0,80(ns); r xy = 0,99(*); <strong>und</strong> y = 0,3(*)x - 144(ns) mit<br />

B = 0,99(*). Somit scheint hier ein linearer Zusammenhang zwischen der Einsatzdauer <strong>und</strong><br />

der Abbauzeit vorzuliegen. Dies ist auch plausibel erklärbar, da Materialien, die im Einsatz<br />

eine Schutzfunktion erfüllen, wohl auch nach dem Ableben des jeweiligen Organismus noch<br />

Schutz vor Zersetzung bieten. Dennoch ist die Schlussfolgerung auf Gr<strong>und</strong> des weit außen<br />

liegenden Punktes, der die Werte von Molluskenschalen aufzeigt, fragwürdig.<br />

Der zeitliche Horizont sowohl von der Einsatzdauer als auch von der Abbauzeit umfasst eine<br />

große Spanne. Die Einsatzdauer von Silikatschalen liegt bei 30 Tagen, ihre Abbauzeit bei<br />

10 Tagen. Dagegen können Molluskenschalen bis zu 100 Jahren im Einsatz sein, <strong>und</strong> es wird<br />

angenommen, dass sie erst nach 30 Jahren vollständig zersetzt werden.<br />

Resümee<br />

Die Einsatzdauer - Abbauzeit - Beziehung zeigt eine eher positive Korrelation. Dies zeichnet<br />

sich bei der Betrachtung aller Materialien ab, wird aber bei dem gesondert untersuchten Teil<br />

der Materialien mit Schutzfunktion sehr deutlich. Das ist auch gut begründbar, da Materialien<br />

die bereits während des Einsatzes im Organismus Schutz bieten müssen, auch nach ihrem<br />

Gebrauch noch resistent gegenüber Umwelteinflüssen sind. Es zeigt sich aber auch, dass<br />

Materialien mit Schutzfunktionen sehr unterschiedliche Einsatz- <strong>und</strong> auch Abbauzeiten<br />

haben.<br />

134


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

11.6 Energie - Einsatzdauer Fallbeispiel: Geweih - Horn<br />

Unter der Annahme, dass mineralisches Geweih <strong>und</strong> Horn die gleiche Masse haben, kann<br />

berechnet werden, wie vielen Neubildungen des Geweihs die einmalige Bildung von Horn<br />

energetisch gleichkommt. (vgl. Vincent 1995, S.170)<br />

Geweih Horn<br />

Energieaufwand für den Organismus [MJ/kg] 1,47 3,10<br />

Energieinhalt von unbelebten Ressourcen zu<br />

Bio<strong>materialien</strong> [MJ/kg] 9,60 24,39<br />

Tabelle 24: Energetischer Vergleich zwischen mineralischem Geweih <strong>und</strong> Horn<br />

Dividiert man den Energieaufwand zur Bildung von Horn durch den von mineralischem<br />

Geweih, so erhält man den »Break-even«, bei dem der Energieaufwand für beide<br />

Geweihformen gleich groß ist. Dieser Wert liegt bei 2,11; d.h. bereits nach der zweiten<br />

Bildung eines mineralischen Geweihs wäre es günstiger, in ein Horngeweih zu investieren.<br />

Es müssen also noch andere Faktoren eine Rolle spielen. Der Energieaufwand alleine ist nicht<br />

ausschlaggebend. Ein Faktor könnte sein, dass das Geweih nicht immer benötigt wird <strong>und</strong> es<br />

daher günstiger ist, wenn alljährlich ein neues gebildet wird. Hier sind die Funktionen eines<br />

Geweihes zu betrachten, um Rückschlüsse zu ziehen. Das Geweih dient einerseits zur<br />

Verteidigung vor Carnivoren <strong>und</strong> andererseits als Statussymbol für die Partnerwahl bzw. auch<br />

zum Ausfechten der Hierarchie in einer Population.<br />

Doch ein Geweih kann auch hinderlich sein <strong>und</strong> beispielsweise die Fortbewegung in dichtem<br />

Gestrüpp einschränken. Hier muss ein Optimum gef<strong>und</strong>en werden, in dem die Vor- <strong>und</strong><br />

Nachteile aufgewogen werden. Erschwerend kommt allerdings dazu, dass sich der einzelne<br />

Organismus das Material, aus dem sein Kopfschmuck besteht, nicht aussuchen kann.<br />

Es darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass sich im Horn ein knöcherner Skelettteil befindet,<br />

der den Kopfschmuck stützt. Dieser wird wohl ebenso wie das restliche Skelett ständig<br />

erneuert.<br />

135


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

12 DISKUSSION<br />

Die Ergebnisse der Untersuchung sind eine Bestätigung der Vielfalt der Zusammenhänge in<br />

der Biologie. Das Herausgreifen einzelner Parameter <strong>und</strong> die Suche nach Abhängigkeiten<br />

zwischen ihnen ist, aufgr<strong>und</strong> der großen Zahl von Einflussfaktoren, kaum möglich. Dies gilt<br />

auch für die Untersuchung der − in dieser Arbeit − gestellten Fragen. Zwischen den<br />

Parametern (energetischer Aufwand, den ein Organismus betreiben muss, um Materialien zu<br />

bilden; deren Einsatzdauer; die Zeit der Rückführung in ökologische Kreisläufe − Abbauzeit)<br />

bestehen keine einfachen Zusammenhänge.<br />

Die Gründe dafür liegen wahrscheinlich in einem Zusammenwirken verschiedenster<br />

Einflussfaktoren auf die untersuchten Eigenschaften. Es ist mit Sicherheit so, dass der<br />

energetische Einsatz für ein Material nicht nur von der Einsatzdauer abhängt. Vielmehr<br />

spielen andere Einflussgrößen eine Rolle, wie beispielsweise die Multifunktionalität als<br />

statisch tragende Substanz <strong>und</strong> als Speicherort für knappe Ressourcen. Energie kann auch<br />

durch Leichtbaukonstruktionen eingespart werden, selbst wenn das Material vorgegeben ist.<br />

Die Variabilität der Beziehungen zwischen Energieaufwand, Einsatzdauer <strong>und</strong> Abbauzeit ist<br />

so groß, dass keine klaren Korrelationen erkennbar sind. Die Korrelationen werden auch bei<br />

den nach Materialfunktionen in Clustern untersuchten Teilen nicht eindeutiger. Bei der<br />

Beziehung zwischen Energieaufwand für die Materialherstellung <strong>und</strong> Einsatzdauer lässt sich<br />

eine eher positive Korrelation erkennen, was den Erwartungen entspricht. (Sehr deutlich wird<br />

dies bei den Extremfällen Holz <strong>und</strong> Silikatschalen.) Die Beziehung Energieeinsatz-Abbauzeit<br />

korreliert eher negativ. Eine Erklärung dafür ist, dass Zersetzer mehr Energie für den eigenen<br />

Metabolismus gewinnen können, wenn im Material mehr Energie steckt, <strong>und</strong> dieses daher<br />

rascher abgebaut wird. Die Beziehung Einsatzdauer-Abbauzeit zeigt wieder eher eine positive<br />

Korrelation, was wieder den Erwartungen entspricht.<br />

Der in dieser Arbeit verfolgte reduktionistische Ansatz war aber dennoch nötig, um einen<br />

ersten Einblick in die biologische Materialverwendung zu gewinnen. Möglicherweise hätte<br />

die Fragestellung anders lauten müssen. Denn obwohl in der Technik <strong>und</strong> auch in der<br />

Biosphäre Materialien mit ähnlichen Eigenschaften eingesetzt werden, ist doch die Art, wie<br />

die Materialien zum Einsatz kommen, gr<strong>und</strong>legend verschieden. Die Fragestellung ist aus<br />

zielgerichteten technischen Problemen entstanden. Die Entwicklung der Bio<strong>materialien</strong> zeigt<br />

aber keine Ausrichtung auf ein Ziel hin − ein gr<strong>und</strong>legender Unterschied zwischen beiden<br />

136


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Systemen. Damit ist auch die Frage nach einer »Materialauswahl« in der Natur nicht in<br />

einfacher Form relevant für die Technik − es sei denn, man macht das<br />

Trial-and-Error-Prinzip zur Methode der technischen Entwicklung.<br />

Die Aufgabe hätte auch in Bezug auf die Funktionen anders gestellt werden sollen, denn in<br />

den Organismen sind Materialien nicht dazu da, um Funktionen zu erfüllen. Vielmehr<br />

entstehen im Versuchs-Irrtums-Prozess Dinge, die dann auch eine Funktion haben, ohne dass<br />

diese zuvor festgelegt wurde. Ob dieses Trial-and-Error-Prinzip auf Ecodesign übertragbar<br />

ist, scheint fragwürdig, hat es doch auch in der Biosphäre lange Zeit gedauert, bis<br />

Stoffkreisläufe entstanden sind.<br />

Auffallend ist, dass sich die in der Pflanzenwelt verwendeten strukturellen Bio<strong>materialien</strong><br />

deutlich von denen in der Tierwelt unterscheiden. So verwenden Tiere keine<br />

Cellulose<strong>materialien</strong> <strong>und</strong> auch kein Lignin, während Pflanzen nur zu einem geringen Anteil<br />

mineralische Materialien verwenden. Man kann hier die Frage stellen: Warum haben Pflanzen<br />

kein mineralisches Skelett <strong>und</strong> Tiere keines aus Holz? Einerseits liegt das wohl an bereits<br />

erwähnten stammesgeschichtlichen Gegebenheiten. Aber andererseits spielen wahrscheinlich<br />

auch die Mobilität der Organismen <strong>und</strong> somit die Möglichkeiten der Ressourcenbeschaffung<br />

eine wichtige Rolle.<br />

Die Materialien kommen in Organismen je nach Einsatz in verschiedensten<br />

Mischungsvarianten einiger weniger Komponenten vor <strong>und</strong> bilden meist »Verb<strong>und</strong>stoffe«.<br />

Somit werden sie den unterschiedlichsten Erfordernissen angepasst. Die Struktur <strong>und</strong> der<br />

Aufbau von Bio<strong>materialien</strong> bzw. »Bauteilen« sind für mechanische Beanspruchungen <strong>und</strong><br />

Funktionen von größerer Bedeutung als die »Materialwahl« (Jeronimidis 2000).<br />

In der Natur gibt es keine »Materialwahl« wie im technischen Bereich, weder beim einzelnen<br />

Organismus noch in der Stammesgeschichte, da dies einen bewussten Entscheidungsprozess<br />

voraussetzt. Die Evolution funktioniert aber nach anderen Kriterien. Die Art des Materiales,<br />

das einzelne Organismengruppen verwenden, ist in der Stammesgeschichte frühzeitig fixiert<br />

worden. Es ist allerdings nicht immer ersichtlich, warum gerade ein bestimmtes Material <strong>und</strong><br />

nicht ein anderes eingesetzt wird (z.B. CaPO 4 bei Wirbeltieren <strong>und</strong> CaCO 3 bei Mollusken<br />

u.a.). Die meisten in biogenen Materialien anzutreffenden Stoffe finden jedoch auch im<br />

Metabolismus noch eine andere Verwendung (z.B. Ca, C, P etc.). Sie sind also die Basis für<br />

137


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

multifunktionale Einsätze, was zu einer Einschränkung auf einige wenige genutzte<br />

Komponenten geführt haben könnte.<br />

Die Baupläne von Organismen sind zumeist sehr starr, <strong>und</strong> Änderungen kommen nur in<br />

evolutionären Zeiträumen zum Tragen. Die Flexibilität besteht lediglich in der Adaptierung<br />

innerhalb der oft stark limitierenden Grenzen (z.B. 7 Halswirbel bei Säugetieren).<br />

Die Art der Bereitstellung von Materialien ist in der belebten Natur <strong>und</strong> in der industriellen<br />

Technik unterschiedlich. Den Materialaufbau in Organismen kann man als »bottom<br />

up«-Ansatz bezeichnen, bei dem von molekularen Bausteinen ausgehend größere Strukturen<br />

wachsen. In der Technik ist eher ein »top down«-Ansatz zu beobachten in der Gestalt, dass<br />

große homogene Materialmassen fertigungstechnisch so bearbeitet werden, dass die<br />

gewünschte Form zustandekommt.<br />

Die Rahmenbedingungen sind ebenfalls verschieden. In der Technik sind Aufgaben mit einer<br />

klaren Zielvorgabe zu erfüllen, die frei geplant <strong>und</strong> umgesetzt werden können. Im Gegensatz<br />

dazu ist die biologische Evolution <strong>und</strong> damit die »Konstruktion« von Organismen nicht<br />

zielgerichtet. Auf dieser Ebene gibt es in der Biosphäre keine Problemlösungsstrategien.<br />

Daher sind auch Analogien nur bedingt anwendbar.<br />

In der belebten Natur kommen auch keine Materialien vor, die hohe Temperaturen <strong>und</strong><br />

Drücke zu ihrer Bereitstellung benötigen. Es gibt auch kaum eine Nutzung von Metallen. In<br />

der Technik müssen hingegen oft sehr hohe Temperaturen für die Materialherstellung<br />

vorhanden sein. Von Seiten der mechanischen Eigenschaften ist zu bemerken, dass die<br />

Bio<strong>materialien</strong> ausschließlich einen niedrigen Elastizitäts-Modul aufweisen.<br />

12.1 Genauigkeit der Daten<br />

Obgleich die Daten für den Energieaufwand genau berechnet wurden, weichen sie von den<br />

tatsächlichen Aufwendungen im Organismus teilweise sehr stark ab. Beispielsweise wurde<br />

der beträchtliche Energieaufwand für den aktiven Transport von Silikat in die Kieselalgen<br />

nicht berücksichtigt (Raven 1983, S.186). Daraus ergibt sich eine methodische Unsicherheit.<br />

Die wirklichen Energiewerte sind aber, aufgr<strong>und</strong> des Fehlens von wissenschaftlichen<br />

138


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Arbeiten über die genauen biochemischen Vorgänge bei der Materialsynthese, nicht<br />

vorhanden.<br />

Die Daten zur Einsatzdauer <strong>und</strong> zur Abbauzeit sind, was Größenordnung <strong>und</strong> Reihung angeht<br />

<strong>und</strong> bei allen methodischen Schwierigkeiten, verlässlicher. Dennoch sind, speziell bei der<br />

Abbauzeit, divergierende Daten in der Literatur zu finden, die auf unterschiedliche<br />

physikalische <strong>und</strong> biologische Faktoren zurückzuführen sind.<br />

12.2 Energieinhalt<br />

Der ermittelte Energieinhalt für die Herstellung <strong>biogener</strong> Materialien lässt sich nur bedingt<br />

mit den Werten für technische Materialien vergleichen (s. Tabelle 5 <strong>und</strong> 16). Dies liegt daran,<br />

dass für die Berechnungen bei den biogenen Materialien − aus methodischen Gründen − die<br />

Reaktionsenthalpie von Ressourcen zu Bio<strong>materialien</strong> verwendet wurde, während bei den<br />

technischen Materialien der tatsächlich gemessene Energieaufwand in Rechnung gestellt<br />

wurde. Unter diesen Voraussetzungen liegen die Werte für technische Materialien teilweise<br />

weit über denen von Bio<strong>materialien</strong>.<br />

Ein großer Teil der biogenen Materialien wird von Pflanzen aufgebaut. Sie verwenden viel<br />

Energie, um die Stoffe herzustellen. Die darauf aufbauenden Heterotrophen hingegen wenden<br />

weniger Energie auf, da sie die Vorleistungen der Pflanzen nutzen können. Die<br />

Energiestufen, wie sie in Abbildung 22 dargestellt sind, sind daher unterschiedlich groß. Die<br />

Energie für die Pflanzen<strong>materialien</strong> stammt aus Sonnenlicht, das keinen begrenzenden Faktor<br />

darstellt. Das Pflanzenwachstum wird durch den Mangel an stofflichen Ressourcen limitiert.<br />

Im Gegensatz dazu stammen die Energie <strong>und</strong> auch die Stoffe für den Aufbau von Materialien<br />

heterotropher Organismen aus deren Nahrung. Sie können weniger sparsam mit einzelnen<br />

Stoffen umgehen als Pflanzen. Beispielsweise müssen von vielen Tieren<br />

Stickstoffverbindungen ausgeschieden werden. Diese Art von »Verschwendung« kommt bei<br />

Pflanzen nicht vor.<br />

139


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Energiestufen (biogene Materialien)<br />

Energieaufwand<br />

solare Energie<br />

Autotrophe<br />

Heterotrophe<br />

Abbildung 22: Energiestufen <strong>biogener</strong> Materialien<br />

Eine Analogie dazu zeigt sich bei technischen Systemen (Abbildung 23). Dort wird viel<br />

Energie in der Gr<strong>und</strong>stofferzeugung benötigt, während die Finalindustrie einen deutlich<br />

geringen Energiebedarf zeigt. Ähnlich wie bei den Heterotrophen nutzt die Finalindustrie die<br />

Vorleistungen der Gr<strong>und</strong>stofferzeugung. Ein wesentlicher Unterschied zeigt sich allerdings in<br />

der verwendeten Energieform. Die beiden Stufen in der technischen Material- <strong>und</strong><br />

Produkterzeugung werden häufig mit fossiler Energie überw<strong>und</strong>en, wie beispielsweise bei der<br />

Stahlherstellung oder bei chemischen Syntheseprozessen.<br />

Bei biogenen Materialien steckt ein erheblicher Teil der zur Herstellung nötigen Energie im<br />

Produkt selbst. Diese Energie kann beim biologischen Abbau von anderen Lebewesen genutzt<br />

werden. Bei technischen Materialien ist das oft nicht der Fall. Die Prozessenergie, die zur<br />

Erzeugung von Eisen oder Aluminium verbraucht wird, wird beim »Abbau« nicht<br />

zurückgewonnen. Die zweite Stufe (Finalindustrie) geht meist weniger effizient mit<br />

Materialien um, ähnlich wie Heterotrophe.<br />

140


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Energiestufen (industrielle Materialien)<br />

Energieaufwand<br />

meist beide Schritte<br />

aus fossiler Energie<br />

Gr<strong>und</strong>stoff−<br />

industrie<br />

Finalproduktion<br />

Abbildung 23: Energiestufen bei industriellen<br />

Materialien<br />

12.3 Einsatzdauer<br />

Bio<strong>materialien</strong> werden in verschiedenen Zeitspannen genutzt. Da für technische Materialien<br />

keine Zahlen in dieser Richtung erhoben wurden, kann ein direkter Vergleich nicht vollzogen<br />

werden.<br />

Innerhalb der Bio<strong>materialien</strong> finden sich aber einige interessante Erscheinungen. Die Extreme<br />

in Bezug auf die Einsatzdauer bei Säugern sind Zähne <strong>und</strong> Haut. Obwohl beide in direktem<br />

Kontakt zur Umwelt stehen, werden Zähne über Jahrzehnte hinweg eingesetzt, während die<br />

Epidermis (beim Menschen) nach weniger als einem Monat vollständig ersetzt wird. Was ist<br />

der Gr<strong>und</strong> für die verschiedene Einsatzdauer? Vom Energieinhalt hängt sie nicht ab, denn in<br />

den Mineralien der Zähne steckt wesentlich weniger Energie als in den Proteinen der Haut.<br />

Natürlich ist Apatit resistenter gegen Umwelteinflüsse als die Proteine. Aber dennoch stellt<br />

sich die Frage, von welchen Einflussfaktoren die Einsatzdauer sonst noch abhängig ist.<br />

Beim Einsatz der Bio<strong>materialien</strong> sind verschiedene Wachstumsstrategien zu finden.<br />

Strukturen wie Holz oder Muschelschalen wachsen ein ganzes Leben lang durch Anlagerung<br />

an den bereits vorhandenen Materialien. Die ältesten Teile sind daher so alt wie das<br />

Lebewesen selbst. Geweih oder das Exoskelett von Insekten werden mehrmals im Leben<br />

vollständig erneuert. Nochmals eine andere Strategie zeigt sich beim Knochen in adulten<br />

Tieren. Er wird bei konstant bleibender Masse ständig ab- <strong>und</strong> wieder aufgebaut.<br />

141


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

12.4 Recyclingprozesse<br />

Vom Menschen geschaffene Produkte können in verschiedener Weise recycliert werden. Eine<br />

mögliche Einteilung zeigt Tabelle 25. Sie unterscheidet nach Veränderung oder<br />

Nicht-Veränderung von Zweck <strong>und</strong> Struktur beim neuerlichen Einsatz.<br />

Wieder-<br />

Weiter-<br />

-verwenden<br />

gleicher Zweck,<br />

gleiche Struktur<br />

anderer Zweck,<br />

gleiche Struktur<br />

-verwerten<br />

gleicher Zweck,<br />

veränderte Struktur<br />

anderer Zweck,<br />

veränderte Struktur<br />

Tabelle 25: Recyclingkonzepte in der Technik (Hübner / Simon-Hübner 1991 in: Schmidt-Bleek / Tischner<br />

1995, S.112)<br />

Bio<strong>materialien</strong> werden zumeist in ihre molekularen Bestandteile zerlegt, bevor sie wieder als<br />

strukturelle Materialien von Organismen genutzt werden. In einigen wenigen Fällen, wie<br />

beim Knochen <strong>und</strong> Chitin, wird das Material im Körper wiederverwertet. Ein<br />

Wiederverwenden kommt praktisch kaum vor, es sei denn bei der teilweisen Nutzung alter<br />

Exoskelette von Gliedertieren. Das Verwenden von leeren Gastropodenschalen durch<br />

Einsiedlerkrebse entspricht einer Weiterverwendung.<br />

Eine kurzgeschlossene Kreislaufführung ist sehr selten anzutreffen. Interessant ist hier das<br />

direkte Recycling, das Spinnen betreiben können. Vor dem Bau eines neuen Netzes frisst die<br />

Spinne ihr altes Netz, um den Rohstoff dann wieder in einem neuen zu verwenden. Da dieser<br />

Prozess sehr schnell abläuft, wird angenommen, dass die Seide nicht vollständig verdaut,<br />

sondern rasch vom Spinndrüsenepithel absorbiert wird. (Foelix 1992, S.115) Dies entspricht<br />

einer Wiederverwertung.<br />

Bei den Insekten wurde bereits ein Mechanismus angesprochen, der der Wiederverwendung<br />

sehr nahe kommt. So werden Teile des alten Exoskelettes nach der Häutung wieder<br />

eingesetzt. Aber auch die Wiederverwertung von Monomeren oder niedrigmolekularen<br />

chemischen Bauteilen spielt bei der Häutung eine Rolle.<br />

Es trifft nicht immer zu, dass biogene Materialien in zeitlich kurzen Kreisläufen geführt<br />

werden. Kalkgebirge legen wohl das beeindruckendste Zeugnis dafür ab. Aber auch Kohle<strong>und</strong><br />

Erdöllagerstätten sind Belege für nicht in den Kreislauf zurückgeführte Materialien. Die<br />

142


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

großen Kohlevorkommen aus dem Präkambrium sind darauf zurückzuführen, dass zur Zeit,<br />

als das Lignin erstmals in Pflanzen eingesetzt wurde, noch kaum abbauende Organismen<br />

vorhanden waren (Robinson 1990). Damit kam es zu großen Ablagerungen an nicht<br />

abbaubarem Lignin.<br />

Die Systeme der Natur sind also nicht »naturgemäß« auf Recycling, auf gut funktionierende,<br />

weitgehend verlust- oder reibungsfrei arbeitende Kreisläufe angelegt. Den weitaus größten<br />

Teil der Zeitspanne von mehr als drei Milliarden Jahren, die das Leben existiert, funktionierte<br />

die Natur ohne Recyclingprozesse. Stoffe wurden genutzt, umgesetzt <strong>und</strong> Endprodukte<br />

angehäuft. Das Recycling ist eine »Erfindung« der letzten halben Milliarde Jahre <strong>und</strong> ein<br />

Ergebnis von Mangel. (Reichholf 1993, S.177ff)<br />

Im technischen Bereich sind hingegen kurzgeschlossene Kreisläufe möglich, indem<br />

Materialien oder ganze Bauteile wieder eingesetzt werden. Ein Abbau zu molekularen<br />

Substanzen ist bei technischen Recyclingprozessen nicht nötig. Das funktioniert besonders<br />

dann gut, wenn die Materialien aus nur einer Komponente aufgebaut sind. So können die<br />

Bauteile mehrmals mit nur geringen Verlusten eingesetzt werden.<br />

12.5 Ressourcennutzung<br />

Die Reaktion der Natur auf Mangel muss differenziert betrachtet werden. Mangel an<br />

Ressourcen kann sowohl in einer geringeren Populationsdichte (z.B. Schnecken auf<br />

Kalkboden (Vincent 1995, S.175)) als auch in dünner ausgebildeten Materialien (z.B.<br />

Krustazeen (Stevenson 1985, S.2ff)) Ausdruck finden.<br />

Die meisten Rohstoffe für strukturelle Materialien, die von lebenden Organismen genutzt<br />

werden, sind entweder ausreichend als Ressource vorhanden, oder sie werden sehr sparsam<br />

eingesetzt. Die geographische Distribution von Pflanzen <strong>und</strong> Tieren kann durch die lokal<br />

verfügbaren Ressourcen limitiert sein.<br />

Von den in der Natur vorkommenden Ressourcen (chemische Elemente) werden nur sehr<br />

wenige von Organismen in großen Mengen genutzt. Wie bereits weiter oben erwähnt, kann<br />

man zwischen lokal <strong>und</strong> ubiquitär verfügbaren Ressourcen unterscheiden. Lokale Ressourcen<br />

sind solche, die nur an einem begrenzten Ort vorhanden sind, z.B. Mineralien der Erdkruste.<br />

143


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Zu den viel häufiger verwendeten ubiquitären Ressourcen sind die in der Atmosphäre <strong>und</strong><br />

Hydrosphäre vorkommenden Stoffe CO 2 , H 2 O, Ca- <strong>und</strong> Si-Salze zu rechnen. Der<br />

mengenmäßig größte Teil der biogenen organischen Materialien wird aus CO 2 <strong>und</strong> H 2 O<br />

aufgebaut. Der Kohlenstoff für autotroph gebildete Bio<strong>materialien</strong> stammt ausschließlich aus<br />

der Atmosphäre bzw. er kommt gelöst aus der Hydrosphäre, obwohl in der Erdkruste<br />

wesentlich größere Mengen vorhanden sind. Es ist offensichtlich ein Überlebensvorteil, wenn<br />

Organismen nicht auf lokale Ressourcen angewiesen sind <strong>und</strong> sich somit besser ausbreiten<br />

können.<br />

12.6 Möglichkeiten für Ecodesign<br />

Im Bezug auf die Schaffung einer Produktkultur nach dem Leitbild »Zukunftsfähige<br />

Entwicklung« lassen sich einige Anregungen aus der Materialverwendung bei Organismen<br />

ableiten. Die meisten Materialien in der Biosphäre werden aus ubiquitär verfügbaren<br />

Ressourcen aufgebaut. Eine Eingliederung von anthropogen genutzten Materialien in die<br />

ökologischen Kreisläufe ist auch im Sinne einer Nachhaltigen Entwicklung nützlich.<br />

Speziell der Einsatz von Cellulose − einem Material, mit dem die Biosphäre gut »umgehen«<br />

kann − ist sinnvoll. Hier gibt es bereits Ansätze, die dem Ecodesign entsprechen, wie z.B.<br />

Biokunststoffe aus reiner Cellulose. Aber auch der Einsatz von Stroh als Baumaterial zeigt<br />

ein umweltverträgliches Profil. So kann eine integrierte »Zuckerwirtschaft« aufgebaut<br />

werden, bei der keine Abfallprobleme entstehen.<br />

Neben den organischen Materialien spielen in der Biosphäre auch Mineralien eine große<br />

Rolle. Der technische Einsatz von Mineralien, die von Organismen synthetisiert wurden,<br />

könnte auch zu einer nachhaltigen Wirtschaft beitragen. Hier müssten aber völlig neue<br />

Strategien angedacht werden.<br />

Überträgt man die Entwicklungswege der Biologie auf die Technik, so muss man von<br />

vorgegebenen − der Nachhaltigen Entwicklung entsprechenden − Materialien ausgehen <strong>und</strong><br />

die Strukturen den jeweils geforderten Kriterien anpassen. Dabei ist auf eine<br />

Multifunktionalität zu achten, die nicht nur bei einzelnen Parametern hervorragende<br />

Eigenschaften fordert.<br />

144


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Diese Strategie der vorgegebenen Materialien <strong>und</strong> adaptierten Formen ist in der<br />

Technosphäre sogar einfacher zu verfolgen als im natürlichen Vorbild, da viele<br />

Entwicklungsschritte durch ein gezieltes Herangehen übersprungen werden können. So kann<br />

der Vorteil der freien Konstruktionswahl in der Technik mit einer Eingliederung von<br />

Produkten in natürliche Kreisläufe einhergehen. Zudem müssen aber auch geschlossene<br />

technische Kreisläufe geschaffen werden, <strong>und</strong> zwar dort wo Materialien nur schwer in die<br />

Biosphäre eingegliedert werden können (vgl. Braungart / McDonough 1998).<br />

Methoden der Optimierung von Strukturen <strong>und</strong> Systemen sind in der Bionik seit längerem<br />

bekannt. Rechenberg lieferte Optimierungsprinzipien auf der Basis von evolutionären<br />

Algorithmen, die zu Lösungen führen, wo mathematisch analytische Ansätze zu aufwändig<br />

sind, wie z.B. die Ablenkung eines Flüssigkeitsstromes in einer Rohrbiegung mit geringsten<br />

möglichen Strömungsverlusten (Rechenberg 1973). Andere Optimierungsverfahren basieren<br />

auf den Prinzipien des Baum- bzw. Knochenwachstums. In iterativen Verfahren können so<br />

Bauteile konstruiert werden, die wenig Materialverbrauch bei gleichmäßig verteilter<br />

Festigkeit zeigen. (Mattheck 1992)<br />

Am Ende sollen noch einige Ansätze aus dem Bereich der Bionik angesprochen werden, die<br />

ebenfalls Schritte zu einer Nachhaltigen Entwicklung <strong>und</strong> zum Ecodesign sein können. Sie<br />

werden nur in aller Kürze angeführt <strong>und</strong> hier − obgleich einige Punkte dazu Anlass geben<br />

würden − nicht in aller Tiefe diskutiert.<br />

Ein weiteres Feld, in dem sich Bionik <strong>und</strong> Ecodesign überschneiden, ist der<br />

Verpackungsbereich. Auch hier bestehen Problembereiche in der Technik, bei denen gezielt<br />

in der Natur nach Lösungen gesucht wird. Der Bogen der biogenen Verpackungen spannt sich<br />

von Eierschalen über Kokons bis zu Kokosnüssen. (Küppers / Tributsch 2001)<br />

Eine Methodik zur Produktentwicklung durch Naturorientierung wurde von Hill entwickelt.<br />

Dabei geht es um allgemeine Prinzipien des bionischen Lernens <strong>und</strong> der Implementierung.<br />

Sie sind auch für Ecodesign von Bedeutung. (Hill 2001) Ein allgemeines Konzept im<br />

Spannungsfeld von bionischer Forschung <strong>und</strong> umweltrelevanten Innovationen wurde von<br />

Isenmann ausgearbeitet (Isenmann 2001).<br />

145


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Nachtigall führt 10 Gr<strong>und</strong>prinzipien für natürliche Konstruktionen an, die als Basis für<br />

ingenieurmäßiges Konstruieren dienen sollen. Die Prinzipien lauten wie folgt (Nachtigall<br />

1997, S.21ff):<br />

1. Integrierte statt additiver Konstruktionen<br />

2. Optimierung des Ganzen statt Maximierung eines Einzelelements<br />

3. Multifunktionalität statt Monofunktionalität<br />

4. Feinabstimmung gegenüber der Umwelt<br />

5. Energieeinsparung statt Energieverschleuderung<br />

6. Direkte <strong>und</strong> indirekte Nutzung der Sonnenenergie<br />

7. Zeitliche Limitierung statt unnötiger Haltbarkeit<br />

8. Totale Recyclierung statt Abfallanhäufung<br />

9. Vernetzung statt Linearität<br />

10.Entwicklung im Versuchs-Irrtums-Prozess<br />

Nicht allen diesen Prinzipien ist aufgr<strong>und</strong> der vorliegenden Arbeit zuzustimmen. So wurde<br />

weiter oben gezeigt, dass das im Punkt 8 angeführte »Totale Recycling« in der Natur<br />

zumindest kurzfristig nicht immer zu finden ist.<br />

Die im Punkt 5 angeführte »Energieeinsparung« kann durch die Ergebnisse dieser Arbeit<br />

weder bestätigt noch abgelehnt werden. Auf alle energetischen Aufwände eines Organismus<br />

bezogen mag die Aussage richtig sein. Setzt man jedoch den Energieinhalt von<br />

Bio<strong>materialien</strong> mit ihrer Einsatzdauer in Relation, so kann diese Annahme nicht eindeutig<br />

bestätigt werden.<br />

Die 8 Gr<strong>und</strong>regeln der Biokybernetik sind ebenfalls als bionische Anregungen für Ecodesign<br />

anzusehen. Sie lauten (Vester 1999, S.127ff):<br />

1. Negative Rückkopplung muss über positive Rückkopplung dominieren.<br />

2. Die Systemfunktion muss unabhängig vom quantitativen Wachstum sein.<br />

3. Das System muss funktionsorientiert <strong>und</strong> nicht produktorientiert arbeiten.<br />

4. Nutzung vorhandener Kräfte nach dem Jiu-Jitsu-Prinzip statt Bekämpfung nach der<br />

Boxer-Methode.<br />

5. Mehrfachnutzung von Produkten, Funktionen <strong>und</strong> Organisationsstrukturen.<br />

6. Recycling. Nutzung von Kreisprozessen zur Abfall- <strong>und</strong> Abwasserverwertung.<br />

7. Symbiose. Gegenseitige Nutzung von Verschiedenartigkeit durch Kopplung <strong>und</strong><br />

146


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

Austausch.<br />

8. Biologisches Design von Produkten, Verfahren <strong>und</strong> Organisationsformen durch<br />

Feedback-Planung.<br />

Die Verbindung der Methodik von Ecodesign mit der der Bionik ist also vielversprechend,<br />

gilt es doch, Wirtschaftsweisen zu finden, die die Biosphäre als Rahmen ansehen, innerhalb<br />

dessen nachhaltige Systeme geschaffen werden müssen. Dabei sei aber darauf hingewiesen,<br />

dass technische Anwendungen nicht nur auf ihre Funktionalität hin zu prüfen sind, sondern<br />

dass alle Dimensionen einer Nachhaltigen Entwicklung mitgedacht werden.<br />

Zuletzt noch eine philosophische Bemerkung: Es ist wesentlich, sowohl bei der Bionik als<br />

auch im Ecodesign, nicht dem naturalistischen Fehlschluss zu erliegen. Demnach ist es<br />

unmöglich, aus Aussagen darüber, wie etwas ist, Aussagen darüber abzuleiten, wie etwas sein<br />

soll (Hume 1740 in: Gorke 1999, S.56). Das heißt, ein naturalistischer Fehlschluss liegt vor,<br />

wenn praktische Geltungsansprüche <strong>und</strong> moralische Gr<strong>und</strong>sätze ausschließlich unter<br />

Berufung auf natürliche Tatsachen (z.B. über wissenschaftliche Erkenntnisse aus der<br />

Evolution, der Verhaltensforschung, der Psychologie oder der Ökologie) begründet werden<br />

(Vossenkuhl 1983, Birnbacher 1991 in: Gorke 1999, S.56). Bionik <strong>und</strong> Ecodesign sind als<br />

Werkzeuge bzw. Methoden zu betrachten, die Vorschläge zur Lösung von Problemen liefern<br />

sollen. Der nächste Schritt einer Implementierung muss aber auch andere als rein technische<br />

<strong>und</strong> naturwissenschaftliche Kriterien miteinbeziehen. Dazu zählen die auf einer ethischen<br />

Basis stehenden Kriterien einer Nachhaltigen Entwicklung.<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

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Rehse, L. (1996): Ecodesign − Entwicklung von Bewertungsfeldern für eine umweltbewusste<br />

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Rehse, L. (9−7−2002): Ecodesign; URL: ;<br />

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Rehse, L. et al. (1998): Ecodesign ’98 − Wettbewerb für zukunftsfähige Produkte <strong>und</strong><br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

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Tardent, P. (1993): Meeresbiologie − Eine Einführung; 2. Aufl.; Thieme Verlag<br />

Thenius, E. (1976): Allgemeine Paläontologie; Universitäts Lehr- <strong>und</strong> Studienbücher; Wien<br />

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Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

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Verlag Dieter W. Berger; Bad Vilbel; erstmals 1927<br />

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Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

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Zeil, W. (1990): Brinkmanns Abriss der Geologie, erster Band Allgemeine Geologie; 14.<br />

Aufl.; Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart<br />

Ziegler, B. (1992): Allgemeine Paläontologie − Eine Einführung in die Paläontologie Teil 1;<br />

5. Aufl.; E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung; Stuttgart<br />

164


Manfred Drack<br />

Dissertation: Bionik & Ecodesign<br />

LEBENSLAUF<br />

Name:<br />

Manfred Drack<br />

Geburtsdatum: 20.8.1972<br />

Geburtsort: Kirchdorf an der Krems<br />

Eltern: Adelheid (*1943) & Erhard Drack (*1941)<br />

Bruder: Alexander Drack (*1971)<br />

Heimatadresse:<br />

Flößerstr. 27, A−4644 Scharnstein<br />

Schulbildung: Volksschule Viechtwang (1978 − 1982)<br />

Hauptschule Scharnstein (1982 − 1986)<br />

HTL−Maschinenbau Wels (1986 − 1991)<br />

Studien:<br />

Seit 1992 Geologie (1. Abschnitt) <strong>und</strong> Ökologie in Innsbruck,<br />

Salzburg, Wien <strong>und</strong> L<strong>und</strong> (Schweden)<br />

1998 Abschluss des Studiums der Ökologie<br />

1999 Beginn der Dissertation<br />

2001 6-monatiger Auslandsaufenthalt am Centre for Biomimetics<br />

(Reading, UK)<br />

Arbeitstätigkeit:<br />

Verschiedene Ferialarbeiten<br />

Seit 1999 freier wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Gruppe zur<br />

Förderung Angepasster Technologie (GrAT) an der Technischen<br />

Universität Wien<br />

165

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