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ZDF Fernsehgottesdienst

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TEXTBUCH<br />

Evangelischer Gottesdienst im Zweiten Deutschen Fernsehen<br />

Sendetitel:<br />

Übertragungsort:<br />

Sendedatum: 5. Februar 2006<br />

Sendezeit: 9.30 – 10.30 h<br />

Wunderbar geborgen<br />

Festgottesdienst anlässlich des<br />

100. Geburtstages Dietrich Bonhoeffers<br />

St. Matthäus-Kirche Berlin<br />

Mitwirkende:<br />

Bischof Dr. Wolfgang Huber,<br />

Ratsvorsitzender der EKD<br />

Dr. Rowan Williams, Erzbischof von<br />

Canterbury<br />

Pfr. Christhard-Georg Neubert, Otto<br />

Sander, Revd. Canon Dr. Judith Maltby,<br />

OKR Matthias Kaiser, Revd. Dr. Charlotte<br />

Metheun,<br />

Jeremy Southwood, Nina Emerson aus der<br />

anglikanische Gemeinde Berlin,<br />

Mark Rother, Melinda Mehling aus der<br />

Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde Berlin-<br />

Lankwitz<br />

Musikalische Gestaltung:<br />

Orgel / Flügel: LKMD Gunter Kennel,<br />

Gospel- und Jazzchor ‚Spirited’, Leitung +<br />

Flügel: Christoph Zschunke<br />

Felicia Taylor<br />

Konzeption: Frank-Michael Theuer<br />

Redaktion: Dr. Reinold Hartmann<br />

Produktionsleitung: Anna Kunkel<br />

Technische Leitung: Georg Eisengräber<br />

Regie: Marion Rabiga<br />

1. Kamera: Jürgen Bischof<br />

Kontaktadresse zur Gemeinde:<br />

Stand:<br />

Büro des Ratsvorsitzenden der<br />

Evangelischen Kirche in Deutschland<br />

Herrenhäuser Str. 12<br />

30419 Hannover<br />

Sendefassung


Wunderbar geborgen<br />

Einspielfilm für den Gottesdienst zum 100. Geburtstag<br />

Bonhoeffers.<br />

(Von Reinold Hartmann)<br />

Dietrich Bonhoeffer, ein Vorbild, ein Heiliger? An der Fassade der Londoner<br />

Westminster Abbey ist er in Stein gehauen – gleich neben Martin Luther King -.<br />

Als einer der Märtyrer des 20. Jahrhunderts. Wie sieht er aus, der Weg des<br />

Dietrich Bonhoeffer?<br />

Die Eltern Karl und Paula Bonhoeffer vermitteln ihren Kindern wichtige<br />

Tugenden. Ihr Enkelsohn Christoph von Dohnanyi, hier neben seiner Mutter<br />

Christel und seinem Onkel Dietrich Bonhoeffer, erinnert sich.<br />

O-Ton Dohnanyi: “Wir sind natürlich erzogen worden in eine Richtung, dass<br />

man seine Standpunkte vertreten muss, aber mit dem Respekt für andere<br />

Menschen, und dass man an der Wahrheit bleiben muss, auch wenn man ein Kind<br />

ist.“<br />

In der Nazizeit wird die Lüge zum System, und auch viele Vertreter der Kirche<br />

arrangieren sich mit der Macht. Bonhoeffer will seine Kirche aufrütteln und setzt<br />

sich für die Wahrheit des Evangeliums ein. Zum Beispiel hier im Predigerseminar,<br />

das er in der Nähe von Stettin leitet.<br />

„Nur wer für die Juden schreit, darf gregorianisch singen.“ Mit solchen offenen<br />

Worten streitet Bonhoeffer gegen den Rassenwahn und die Kriegstreiberei. Als<br />

reden nicht mehr hilft – unterstützt er eine Verschwörung gegen Hitler. Er ist<br />

bereit, persönliche Schuld am Tod des Diktators zu übernehmen, weil es<br />

übergeordnete Werte gibt.“<br />

Bonhoeffer ist kein Einzelgänger. Sein Bruder Klaus und dessen Frau Emmi,<br />

auch seine Schwester Christel und ihr Mann Hans von Dohnanyi machen mit – von<br />

ihrem Gewissen geleitet.<br />

O-Ton Dohnanyi: „Das wichtigste ist, dass man seinem Inneren folgt, und das<br />

war bei all denen der Fall. Dann, wenn sie gewusst hätten, wie sie dann zu Tode<br />

kommen. Man rechnet nicht damit. Man weiß, es kann passieren, aber man geht<br />

drüber und sagt: ich kann also gar nicht anders.“<br />

Wenige Tage vor dem Ende der Naziherrschaft werden Dietrich Bonhoeffer und<br />

seine Mitverschwörer im KZ Flossenbürg ermordet.<br />

Eingangsmusik: Improvisation über EG 447 und „Von guten Mächten<br />

wunderbar geborgen“<br />

Melodie S. Fietz<br />

Textbuch 5. Februar 2006 Seite 1


Wunderbar geborgen<br />

Lesung: „Jeder neue Morgen…“<br />

Otto Sander: Jeder neue Morgen ist ein neuer Anfang unseres Lebens. Jeder<br />

Tag ist ein abgeschlossenes Ganzes. Der heutige Tag ist die Grenze unseres<br />

Sorgens und Mühens.<br />

Er ist lang genug, um Gott zu finden oder zu verlieren, um Glauben zu halten<br />

oder in Sünde und Schande zu fallen. Darum schuf Gott Tag und Nacht, damit wir<br />

nicht im Grenzenlosen wanderten, sondern am Morgen schon das Ziel des Abends<br />

vor uns sähen. Wie die alte Sonne doch täglich neu aufgeht, so ist auch die ewige<br />

Barmherzigkeit Gottes alle Morgen neu. Die alte Treue Gottes allmorgendlich neu<br />

zu fassen, mitten in einem Leben mit Gott, täglich ein neues Leben mit ihm<br />

beginnen zu dürfen, das ist das Geschenk, das Gott uns mit jedem Morgen macht.<br />

Einzug und Eingangsmusik<br />

Predigt Dietrich Bonhoeffer 1935/36<br />

Begrüßung<br />

Pfarrer Christhard-Georg Neubert: „Von guten Mächten wunderbar<br />

geborgen“ – Worte, die Mut machen. Geschrieben im Gefängnis, im Jahr vor<br />

seiner Hinrichtung als Widerstandskämpfer gegen das Naziregime. Heute<br />

gedenken wir des 100. Geburtstages von Dietrich Bonhoeffer.<br />

Liebe Gemeinde hier und überall an den Fernsehgeräten,<br />

herzlich willkommen in der St. Matthäus-Kirche, inmitten des Berliner<br />

Kulturforums. Als 25-jähriger Theologe wurde Dietrich Bonhoeffer am 15.<br />

November 1931 hier in dieser Kirche zu seinem Dienst als Pfarrer der<br />

Evangelischen Kirche ordiniert. Sein schriftlicher Nachlass liegt heute in der<br />

unmittelbar benachbarten Staatsbibliothek.<br />

Wir danken Gott für diesen Lehrer der Kirche, für seine eindringliche Suche<br />

nach einer neuen Sprache des Glaubens, für seine ökumenische Weite. Als<br />

Zeichen der Ökumene wird der Primas der anglikanischen Kirche und Erzbischof<br />

von Canterbury Rowan Williams in diesem Gottesdienst die Predigt halten. Wir<br />

heißen ihn, den Ratsvorsitzenden der EKD Bischof Huber und alle Gäste von<br />

Herzen willkommen.<br />

Nun lasst uns diesen Gottesdienst gemeinsam feiern im Namen des Vaters und<br />

des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.<br />

Gemeindelied: „Lobet den Herren“, EG 447, 1-3.8; GL 671<br />

1. Lobet den Herren alle, die ihn ehren;<br />

laßt uns mit Freuden seinem Namen singen<br />

und Preis und Dank zu seinem Altar bringen.<br />

Lobet den Herren!<br />

Textbuch 5. Februar 2006 Seite 2


Wunderbar geborgen<br />

2. Der unser Leben, das er uns gegeben,<br />

in dieser Nacht so väterlich bedecket<br />

und aus dem Schlaf uns fröhlich auferwecket:<br />

Lobet den Herren!<br />

3. Daß unsre Sinnen wir noch brauchen können<br />

und Händ und Füße, Zung und Lippen regen,<br />

das haben wir zu danken seinem Segen.<br />

Lobet den Herren!<br />

8. Treib unsern Willen, dein Wort zu erfüllen;<br />

hilf uns gehorsam wirken deine Werke;<br />

und wo wir schwach sind, da gib du uns Stärke.<br />

Lobet den Herren!<br />

Text: Paul Gerhardt 1653<br />

Melodie und Satz: Johann Crüger 1653/1662<br />

Hinführung und Würdigung<br />

Bischof Dr. Wolfgang Huber: Hundert Jahre nach seiner Geburt gehen wir den<br />

Lebensspuren Dietrich Bonhoeffers nach. Weit müssen wir uns dafür nicht auf<br />

den Weg machen: Hier in der St. Matthäus-Kirche wurde er für seinen Dienst als<br />

Pfarrer ordiniert. Hier in Berlin war er Kind, Jugendlicher, Student und Pfarrer.<br />

Hier saß er zwei Jahre im Gefängnis. Hier spüren wir, dass das Gedenken an<br />

diesen Glaubenszeugen mehr als eine Kirche zu füllen vermag.<br />

Viele Menschen fasziniert an Dietrich Bonhoeffer der innere Zusammenhang<br />

zwischen Lebensgeschichte und Glaubenszeugnis. Sein Lebenslauf machte ihn<br />

ganz gegen seine Absicht zu einem „evangelischen Heiligen“; sein Lebenswerk<br />

enthält auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch viel an Anregungspotenzial und<br />

Orientierungskraft. In der Einheit von Glauben, Lehre und Leben weiß Bonhoeffer<br />

sich getragen von dem Wissen, „wunderbar geborgen“ zu sein – und dies auch<br />

noch in der äußersten Einsamkeit der Gefängniszelle. Das macht ihn zu einem<br />

Vorbild, von dem wir lernen können: zu glauben, für andere da zu sein,<br />

Verantwortung zu übernehmen. Kurz: als Christ in der Welt zu leben.<br />

Für seine geradlinige Haltung hat Dietrich Bonhoeffer mit dem Leben bezahlt.<br />

Prägend sind seine Briefe aus dem Gefängnis geworden. Durch freundliche Helfer<br />

sind diese Briefe ins Freie gelangt; sein Freund Eberhard Bethge hat sie<br />

aufbewahrt und zugänglich gemacht. Aus diesen Briefen, die das Fragen nach<br />

Gottes Führung und zugleich das Vertrauen auf seine leitende Hand eindringlich<br />

zeigen, werden wir hören. Wir lassen uns hineinnehmen in Bonhoeffers Beten,<br />

aus dem sein Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden wuchs. In all seinem Tun<br />

wartete er auf Gottes Zeit.<br />

Nie richtete Bonhoeffer den Blick allein auf sich, auf den eigenen Glauben oder<br />

nur auf die eigene Kirche. Ganz früh öffnete er sich für die Ökumene: für die<br />

Textbuch 5. Februar 2006 Seite 3


Wunderbar geborgen<br />

nur auf die eigene Kirche. Ganz früh öffnete er sich für die Ökumene: für die<br />

katholische Kirche bei einem Aufenthalt in Rom und während des Vikariats in<br />

Barcelona, für die Vielfalt der amerikanischen Kirchen in New York – auch für die<br />

Gospelmusik, die ihn im Innersten seiner Seele bewegte.<br />

Die Nähe zur anglikanischen Kirche gewann Bonhoeffer als deutscher Pfarrer in<br />

London von 1933 bis 1935. Enge Kontakte pflegte er zu dem damaligen Bischof<br />

von Chichester, George Bell. Heute feiern wir diesen Gottesdienst mit dem<br />

Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams. Wie hätte Bonhoeffer sich darüber<br />

gefreut! Erzbischof Williams grüße ich von Herzen und mit ihm die anderen<br />

Vertreter der Church of England, die unter uns sind.<br />

Immer wieder Rückkehr: Aus London kehrte Bonhoeffer zurück in den Dienst<br />

der Bekennenden Kirche; aus New York kehrte er vier Jahre später, zu Beginn des<br />

Zweiten Weltkriegs, zurück in den Dienst des besseren Deutschland, das er doch<br />

nicht mehr heraufziehen sah. Was das Christentum oder wer Jesus Christus für<br />

uns eigentlich ist, das wollte er nicht nur zur Sprache bringen, sondern mit<br />

Leben erfüllen. Den Glauben neu zu denken und ihn in einer neuen Sprache zu<br />

bergen, hinterließ er uns als Auftrag.<br />

Einen Glauben hatte Bonhoeffer dabei im Sinn, der sich der Mündigkeit des<br />

Menschen nicht in den Weg stellt; auch uns ermutigt er zu einem Glauben, der<br />

dem mündigen Menschen den Rücken stärkt. Ein Glaube ist das, der nicht in einer<br />

frommen Regung verharrt, sondern das ganze Leben ergreift. In einem solchen<br />

Glauben können wir „wunderbar geborgen“ sein. Um diesen Glauben wollen wir<br />

beten, für heute und morgen.<br />

Psalm 119 gesungen<br />

(45) Dein Wort, Herr, nicht vergehet, es bleibet ewiglich, so weit der<br />

Himmel gehet, der stets beweget sich, dein Wahrheit bleibt in<br />

Ewigkeit, gleich wie der Grund der Erden, durch deine Hand bereit.<br />

(47) Ich will nimmer vergessen dein göttlichen Befehl, der wird aufs<br />

allerbeste erquicken meine Seel. Herr, ich bin dein, und du bist<br />

mein, dein Hülf mir nicht versage, wenn ich begehre dein.<br />

(56) Dein Zeugnis sollen bleiben mein Erb in Ewigkeit, das Herzleid<br />

sie vertreiben, sie sind mein Wonn und Freud, mein Herz ich neige<br />

mit Begier, zu tun nach deinem Willen, dieweil ich leb von dir.<br />

Heinrich Schütz aus dem Becker-Psalter.<br />

Gloria patri<br />

Chor: Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,<br />

Gemeinde und Orgel: wie es war im Anfang, jetzt und immerdar und von<br />

Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen<br />

Textbuch 5. Februar 2006 Seite 4


Wunderbar geborgen<br />

Kyrie<br />

Otto Sander: Die Antwort des Gerechten auf die Leiden, die ihm die Welt<br />

zufügt, heißt: segnen. Das war die Antwort Gottes auf die Welt, die Christus ans<br />

Kreuz schlug: Segen. Gott vergilt nicht Gleiches mit Gleichem und so soll es auch<br />

der Gerechte nicht tun. Nicht verurteilen, nicht schelten, sondern segnen. Die<br />

Welt hätte keine Hoffnung, wenn dies nicht wäre.<br />

Dietrich Bonhoeffer, Losungsmeditation für den 8. Juni 1944<br />

Nina Emerson: Ewiger Gott, das Wort "segnen" benutze ich fast nie, lasse Dich<br />

und deinen Segen außen vor. Wenn mir Unrecht zugefügt wird, dann rege ich<br />

mich auf.<br />

In meiner Ohnmacht verfluche ich, was mich stört oder mich bedroht. Ich<br />

verurteile, was ich nicht kenne. Das Segnen überlasse ich anderen.<br />

Lass auch mich Worte und Zeichen finden, die trösten, heilen und versöhnen.<br />

Stärke meinen Glauben, damit ich ein Segen sein kann.<br />

Wir rufen zu dir!<br />

Liedruf Chor: Kyrie eleison. Christe eleison. Kyrie eleison.<br />

Melodie: Martin Luther 1526<br />

Otto Sander: Zivilcourage aber kann nur aus der freien Verantwortlichkeit des<br />

freien Mannes erwachsen. (…) Sie beruht auf einem Gott, der das freie<br />

Glaubenswagnis verantwortlicher Tat fordert und der dem, der darüber zum<br />

Sünder wird, Vergebung und Trost zuspricht.<br />

Dietrich Bonhoeffer, WEN,<br />

Rechenschaft an der Wende zum Jahr 1943.<br />

Jeremy Southwood: Gütiger Gott, ich kenne meine Feigheit, besonders<br />

hinterher, wenn Menschen in der Clique oder in der U-Bahn fertig gemacht<br />

werden, und ich schweige und so tue, als hätte ich nichts bemerkt.<br />

Im Stillen hoffe ich, dass es andere als mich gibt, die für Gerechtigkeit<br />

eintreten. Lass mich erkennen, dass es auch auf mich ankommt, wenn es um das<br />

Recht auf Menschenwürde und Freiheit geht.<br />

Wir rufen zu dir!<br />

Liedruf Gemeinde und Orgel: Kyrie eleison. Christe eleison. Kyrie eleison.<br />

Melodie: Martin Luther 1526<br />

Otto Sander: (…) Erst in der vollen Diesseitigkeit des Lebens lernt man<br />

glauben. Wenn man völlig darauf verzichtet hat, aus sich selbst etwas zu machen<br />

– sei es einen Heiligen oder einen bekehrten Sünder oder einen Kirchenmann (…),<br />

einen Gerechten oder einen Ungerechten, einen Kranken oder einen Gesunden –<br />

und dies nenne ich Diesseitigkeit, nämlich in der Fülle der Aufgaben, Fragen,<br />

Erfolge und Misserfolge, Erfahrungen und Ratlosigkeiten leben -, dann wirft man<br />

sich Gott ganz in die Arme, dann nimmt man nicht mehr die eigenen Leiden,<br />

sondern die Leiden Gottes in der Welt ernst, dann wacht man mit Christus in<br />

Gehtsemane, und ich denke, das ist Glaube, das ist Metanoia, Umkehr; und so<br />

Textbuch 5. Februar 2006 Seite 5


Wunderbar geborgen<br />

Gehtsemane, und ich denke, das ist Glaube, das ist Metanoia, Umkehr; und so<br />

wird man Mensch, ein Christ.<br />

Dietrich Bonhoeffer, 21.7.1944, WEN, an Eberhard Bethge<br />

Melinda Mehling: Du Gott der Liebe, wie oft bist du weit weg und<br />

unerreichbar.<br />

Ich habe das Gefühl, als läge alles an mir, an meinen guten Noten, an meiner<br />

Willenstärke oder meinem Elternhaus, an meinen Freunden.<br />

Zeige mir Orte und Menschen, an denen ich dich finden kann, von dir gestärkt<br />

werde und fröhlich sein kann.<br />

Und wenn dazu auch Erfahrungen des Leidens gehören, dann gib mir die Kraft<br />

zum Aushalten, zum Beten und Anpacken.<br />

Wir rufen zu dir:<br />

Liedruf Gemeinde: Kyrie eleison. Christe eleison. Kyrie eleison.<br />

Gnadenzusage<br />

Melodie: Martin Luther 1526<br />

Bischof Dr. Wolfgang Huber: Die Gnade Gottes lassen wir uns zusagen aus der<br />

Erfahrung und mit Worten von Dietrich Bonhoeffer:<br />

Menschen gehen zu Gott in ihrer Not,<br />

flehen um Hilfe, bitten um Glück und Brot,<br />

um Errettung aus Krankheit, Schuld und Tod.<br />

So tun sie alle, alle, Christen und Heiden.<br />

Menschen gehen zu Gott in Seiner Not,<br />

finden ihn arm, geschmäht, ohne Obdach und Brot,<br />

sehn ihn verschlungen von Sünde, Schwachheit und Tod.<br />

Christen stehen bei Gott in Seinen Leiden.<br />

Gott geht zu allen Menschen in ihrer Not,<br />

sättigt den Leib und die Seele mit Seinem Brot,<br />

stirbt für Christen und Heiden den Kreuzestod,<br />

und vergibt ihnen beiden.<br />

Gloria: EG 179.1, GL 457<br />

Dietrich Bonhoeffer, 1944, WEN.<br />

Chor: Ehre sei Gott in der Höhe<br />

Gemeinde:<br />

1. Allein Gott in der Höh sei Ehr<br />

und Dank für seine Gnade,<br />

darum daß nun und nimmermehr<br />

Textbuch 5. Februar 2006 Seite 6


Wunderbar geborgen<br />

uns rühren kann kein Schade.<br />

Ein Wohlgefalln Gott an uns hat;<br />

nun ist groß Fried ohn Unterlaß,<br />

all Fehd hat nun ein Ende.<br />

Kollektengebet<br />

Text: Nikolaus Decius (1523) 1525<br />

nach dem »Gloria in excelsis Deo« 4. Jh.<br />

Melodie: Nikolaus Decius (1523) 1539<br />

nach dem Gloria einer Ostermesse 10. Jh.<br />

Pfarrer Christhard-Georg Neubert: Gott, Du Licht der Welt und Quelle des<br />

Lebens – wie unbegreiflich ist Deine Güte!<br />

Hier sind wir vor dir mit unserem ganzen Leben, manchmal strahlend in unserm<br />

Vertrauen zu dir, manchmal düster und kalt wie verloschenes Feuer.<br />

Erleuchte unsere Herzen und kläre unsern Verstand auf durch den Glanz deiner<br />

Erscheinung, dass wir dein Wort vernehmen und bezeugen.<br />

Das bitten wir dich durch Jesus Christus, der mit dir und dem Heiligen Geiste<br />

lebt und Leben schafft heute und in Ewigkeit.<br />

Gemeinde singt: Amen.<br />

Gospelstück: „Celebration“<br />

Oh the glory of a world celebration<br />

come and lift up your hands.<br />

We’ ll make a vow to unite every nation, every man every woman<br />

and every child.<br />

We are the world each a part of each other with the trees and the<br />

seas and the high skies.<br />

The glory of living the act of forgiving together will light up our eyes.<br />

Oh, ich bete für einen Weg zur Erleuchtung,<br />

komm und reich mir die Hand.<br />

Zeig mir deinen Weg, führ mich durch deine Liebe<br />

bis ich meine Ängste verlier.<br />

Du bist die Welt, der Herr und der Meister.<br />

Mein Leben ist heilig, aber nur durch dein Licht.<br />

Ich hab es verstanden und muss es erzählen,<br />

denn du lebst für immer in mir.<br />

We are the world each a part of each other with the trees and the<br />

seas and the high skies.<br />

Textbuch 5. Februar 2006 Seite 7


Wunderbar geborgen<br />

The glory of living the act of forgiving together will light up our eyes.<br />

Sing this song für our world celebration. Come and lift up your hands<br />

Lesung: „Wer bin ich?“<br />

Musik. Alex Wende<br />

Text: Felicia Taylor<br />

Otto Sander:<br />

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,<br />

ich träte aus meiner Zelle<br />

gelassen und heiter und fest<br />

wie ein Gutsherr aus seinem Schloß.<br />

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,<br />

ich spräche mit meinen Bewachern<br />

frei und freundlich und klar,<br />

als hätte ich zu gebieten.<br />

Wer bin ich? Sie sagen mir auch,<br />

ich trüge die Tage des Unglücks<br />

gleichmütig, lächelnd und stolz,<br />

wie einer, der das Siegen gewohnt ist.<br />

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen? Oder bin ich nur das, was ich<br />

selber von mir weiß? (...)<br />

Wer bin ich? Der oder jener? Bin ich denn heute dieser und morgen ein<br />

anderer? Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler und vor mir selbst<br />

ein verächtlich wehleidiger Schwächling?<br />

Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer, das in Unordnung<br />

weicht vor schon gewonnenem Sieg?<br />

Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott. Wer ich auch bin, Du kennst<br />

mich, Dein bin ich, o Gott!<br />

Dietrich Bonhoeffer, aus der Haft in Tegel 1944, WEN.<br />

Gospelstück: “Nobody Knows The Trouble I’ve Seen”<br />

Nobody knows the troubles I’ve seen<br />

Nobody knows but Jesus<br />

Textbuch 5. Februar 2006 Seite 8


Wunderbar geborgen<br />

Nobody knows the troubles I’ve seen<br />

Glory Halleluya<br />

Sometimes I’m out and troubled<br />

I’m out on a lonesome road<br />

I pray ‘Lord have mercy’<br />

Please help me to carry my load.<br />

I know I do have troubles<br />

I have so many pains and woes<br />

I pray ‘Lord help me, help me to carry my load’<br />

Refrain<br />

Sometimes I’m out an lonely<br />

trying to share my load<br />

I want to drop my burden<br />

just can’t carry this load<br />

oh yes, I do have troubles<br />

too many pains and woes<br />

please, Jesus, help me<br />

help me to carry this load.<br />

Evangelium: Mt 17, 1-13<br />

Traditional Gospel<br />

Revd. Canon Dr. Judith Maltby: I am reading from the bible Dietrich<br />

Bonhoeffer has used in Loden.Hear the words of the gospel according to St.<br />

Matthew!<br />

Hört die Lesung aus dem Matthäus-Evangelium.<br />

Gemeinde und Orgel: Ehre sei dir, Herr.<br />

Revd. Canon Dr. Judith Maltby: 1 And after six days Jesus taketh Peter, James,<br />

and John his brother, and bringeth them up into a high mountain apart,<br />

2 and was transfigured before them: and his face did shine as the sun, and his<br />

raiment was white as the light.<br />

3 And, behold, there appeared unto them Moses and Eli'jah talking with him.<br />

4 Then answered Peter, and said unto Jesus, Lord, it is good for us to be here:<br />

if thou wilt, let us make here three tabernacles; one for thee, and one for Moses,<br />

and one for Eli'jah.<br />

5 While he yet spake, behold, a bright cloud overshadowed them: and behold a<br />

voice out of the cloud, which said, This is my beloved Son, in whom I am well<br />

pleased; hear ye him.,<br />

6 And when the disciples heard it, they fell on their face, and were sore afraid.<br />

7 And Jesus came and touched them, and said, Arise, and be not afraid.<br />

This is the gospel of Christ!<br />

Textbuch 5. Februar 2006 Seite 9


Wunderbar geborgen<br />

Dies ist das Evangelium von Jesus Christus!<br />

Revd. Dr. Charlotte Metheun: Aus dem Evangelium nach Matthäus im 17.<br />

Kapitel.<br />

1 Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes,<br />

dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg.<br />

2 Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne,<br />

und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.<br />

3 Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm.<br />

4 Petrus aber fing an und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so<br />

will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.<br />

5 Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und<br />

siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich<br />

Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!<br />

6 Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr.<br />

7 Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet<br />

euch nicht!<br />

Gemeinde und Orgel: Lob sei dir, Christus.<br />

Bonhoeffer-Bibel (VAZ)<br />

Glaubensbekenntnis<br />

Bischof Dr. Wolfgang Huber: In einem Versteck hinter einem Dachbalken des<br />

Berliner Hauses, in dem Bonhoeffer am 5. April 1943 verhaftet wurde,<br />

überdauerte ein Manuskript die Zeit des Nationalsozialismus. Es trägt – in<br />

Anspielung auf die zurückliegenden Jahre seit 1933 - den Titel „Nach zehn<br />

Jahren“. Was Dietrich Bonhoeffer nie als Glaubensbekenntnis geschrieben hat, ist<br />

doch zu einem kraftvollen Zeugnis des Glaubens geworden. Wir antworten auf<br />

das Evangelium mit diesen Worten Dietrich Bonhoeffers und sprechen<br />

gemeinsam:<br />

Bischof Dr. Wolfgang Huber und Gemeinde:<br />

Ich glaube,<br />

dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten,<br />

Gutes entstehen lassen kann und will.<br />

Dafür braucht er Menschen,<br />

die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.<br />

Ich glaube,<br />

dass Gott uns in jeder Notlage<br />

soviel Widerstandskraft geben will,<br />

wie wir brauchen.<br />

Textbuch 5. Februar 2006 Seite 10


Wunderbar geborgen<br />

Aber er gibt sie nicht im voraus,<br />

damit wir uns nicht auf uns selbst,<br />

sondern allein auf ihn verlassen.<br />

In solchem Glauben müsste alle Angst<br />

vor der Zukunft überwunden sein.<br />

Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind<br />

und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden als mit unseren<br />

vermeintlichen Guttaten.<br />

Ich glaube,<br />

dass Gott kein zeitloses Fatum ist,<br />

sondern dass er auf aufrichtige Gebete<br />

und verantwortliche Taten wartet und antwortet.<br />

Amen.<br />

Gemeindelied: „Die Kirche steht gegründet“, EG 264, 1-3<br />

1dt. Die Kirche steht gegründet<br />

allein auf Jesus Christ,<br />

sie, die des großen Gottes<br />

erneute Schöpfung ist.<br />

Vom Himmel kam er nieder<br />

und wählte sie zur Braut,<br />

hat sich mit seinem Blute<br />

ihr ewig angetraut.<br />

Dietrich Bonhoeffer<br />

2.engl. Elect from every nation,<br />

yet one o'er all the earth,<br />

her charter of salvation:<br />

one Lord, one faith, one birth.<br />

One holy name she blesses,<br />

partakes one holy food,<br />

and to one hope she presses<br />

with every grace endued.<br />

Text: Anna Thekla von Weling 1898 nach dem englischen »The Church's one foundation«<br />

von Samuel John Stone 1866<br />

Predigt<br />

Melodie: Samuel Sebastian Wesley 1864<br />

Dr. Rowan Williams: Liebe Gemeinde Jesu Christi, liebe Schwestern und<br />

Brüder,<br />

ich beginne mit zwei Auszügen aus Briefen Bonhoeffers, der erste aus einem<br />

Brief vom Januar 1933 an Bischof Bell von Chichester. Bonhoeffer schrieb auf<br />

Textbuch 5. Februar 2006 Seite 11


Wunderbar geborgen<br />

Brief vom Januar 1933 an Bischof Bell von Chichester. Bonhoeffer schrieb auf<br />

Englisch:<br />

My Lord Bishop,<br />

Thank you very much for your most kind Christmas greetings. It means very<br />

much to me indeed to know that you are sharing all time the sorrows and the<br />

troubles which the last year has brought to our church in Germany. So we do not<br />

stand alone, and whatever may occur to one member of the Church universal, we<br />

know that all the members suffer with it.<br />

This is a great comfort for all of us; and if God will turn back to our church<br />

sometime now or later, then we may be certain, that, if one member be<br />

honoured, all members shall rejoice with it.<br />

Dt. Übersetzung des Briefes:<br />

Sehr geehrter Herr Bischof,<br />

haben Sie vielen Dank für Ihre überaus freundlichen Weihnachtsgrüße. Es<br />

bedeutet tatsächlich sehr viel für mich zu wissen, dass Sie die ganze Zeit die<br />

Betrübnisse und Mühen teilen, welche das letzte Jahr unserer Kirche in<br />

Deutschland gebracht hat. So stehen wir nicht allein, sondern wissen, dass an<br />

dem, was auch immer einem Glied der universalen Kirche widerfahren mag, alle<br />

Glieder mitleiden. Das ist ein großer Trost für uns alle; und wenn sich Gott jetzt<br />

oder später unserer Kirche wieder zuwendet, dann sollen wir sicher sein, dass,<br />

wenn ein Glied geehrt wird, alle Glieder sich mit ihm freuen werden.“<br />

Dietrich Bonhoeffer an George Bell, 27.12.1933<br />

Dr. Rowan Williams: Des weiteren, in einem Brief an Eberhard Bethge,<br />

verfasst im Juli 1944, erinnert sich Dietrich Bonhoeffer an ein Gespräch viele<br />

Jahre zuvor mit dem französischen Pfarrer Jean Lasserre. "Da sagte Lasserre: ich<br />

möchte ein Heiliger werden (- und ich halte für möglich, daß er es geworden ist -<br />

); das beeindruckte mich damals sehr. Trotzdem widersprach ich ihm und sagte<br />

ungefähr: ich möchte glauben lernen." Und er fuhr fort: "Später erfuhr ich, und<br />

ich erfahre es bis zur Stunde, daß man erst in der vollen Diesseitigkeit des<br />

Lebens glauben lernt." (Letters and Papers from Prison, 1971 hg., S.<br />

369/Widerstand und Ergebung, 1951, S. 195).<br />

In beiden Texten geht es um ein Sich-Einbringen, um ein Engagement der<br />

Glaubenden füreinander und ihr Engagement in der Welt. Für Bonhoeffer<br />

bedeutet Engagement in der Welt nicht das Umsetzen eines mutigen Dienst- oder<br />

Reformprogramms; es bedeutet lediglich das zu tun, was getan werden muss, im<br />

Bewusstsein der Gegenwart Gottes – genauer: im Bewusstsein der Gegenwart<br />

Gottes bei uns in der Gestalt des Ringens Jesu in Gethsemane. Gott hat uns<br />

verheißen und sich entschieden, in unserer größten Not bei uns zu sein. Und, wie<br />

Bonhoeffer uns in einem sehr bekannten Gedicht, das er im Gefängnis<br />

geschrieben hat, vor Augen malt, gehen wir zu ihm in seinem Leiden und in<br />

seiner Not. Wir wachen mit ihm. Das ist Glaube: weder die geschäftige, sich<br />

selbst rechtfertigende Aktion, noch private Frömmigkeit, sondern Bleiben in<br />

Gethsemane.<br />

Textbuch 5. Februar 2006 Seite 12


Wunderbar geborgen<br />

Gethsemane.<br />

Wenn wir also nach dem Wesen der wahren Kirche fragen, wo wir das<br />

authentische Leben des Leibes Christi sehen - oder wenn wir nach der Einheit der<br />

Kirche fragen und wie wir zusammenkommen und einander als Jünger erkennen<br />

können – dann müsste Bonhoeffers Antwort wiederum die Form einer Frage<br />

annehmen. Steht diese oder jene Person, diese oder jene christliche<br />

Gemeinschaft dort, wo Christus ist? Ringen sie darum, an dem Ort zu sein, an<br />

dem Gott sich entschieden hat zu sein? Und er würde uns weiterhin sagen, dass<br />

an diesem Ort zu sein bedeutet, an einem Ort zu sein, an dem es keine Mauern<br />

der Abwehr gibt; es muss ein Ort sein, an dem alle, die an Jesus glauben,<br />

zusammen stehen können, und sie all denen beistehen können, in deren<br />

Gegenwart und in deren Gesellschaft Jesus Christus leidet, so dass sie gemeinsam<br />

Raum machen dafür, dass Gottes Barmherzigkeit erkannt werden kann.<br />

So kam Bonhoeffer schon auf das Paradoxon, zu sagen – wie er 1936 ausführte –<br />

dass die Einheit unter den Christen nicht das Einzige sei, was zählt.<br />

Seine Verurteilung der deutschen Christen richtete sich gegen eine Gruppe, die<br />

sich selbst von dem Ort abgeschnitten hatte, wo Christus steht, indem sie den<br />

Rassenwahn und Kriegstreiberei des Staates übernommen hatten. Bonhoeffer rief<br />

1936 nicht auf zur Abspaltung, zu einer Kirche der moralisch Reinen, sondern im<br />

Gegenteil, zu einer kirchlichen Theologie und Praxis, die auf der Notwendigkeit<br />

der richtigen Art katholischer Einheit bestand.<br />

"Es gibt keine reine Verkündigung des Evangeliums, die von der Gesamtkirche<br />

unabhängig wäre", schrieb er in der gleichen Vorlesung 1936 (The Way to<br />

Freedom, 1966, S. 94). Und der Brief, den er an Bischof Bell schrieb, bestärkt<br />

diese Überzeugung, dass ein Christ anderen Christen beistehen muss in ihren<br />

Schwierigkeiten und in ihrem Scheitern. Im Leib Christi zu leben heißt, mit den<br />

Nöten und sogar mit der Schuld anderer zu leben, aber auch mit der Freude und<br />

dem Dank. Aber das genau ist der Grund, warum es keinen Kompromiss mit einer<br />

Kirche geben darf, die sowohl dem Sich-Einlassen auf andere Christen, als auch<br />

dem Sich-Einlassen auf die Wirklichkeit einer leidenden Welt verweigert.<br />

Bezeichnenderweise gibt uns Bonhoeffer keine schnellen Antworten auf<br />

heutige Probleme der Einheit oder die Probleme moralischer Urteilsfindung, die<br />

unseren verschiedenen Kirchen solche Not machen. Er wird uns immer schlicht<br />

sagen, wir sollen Jesus in Gethsemane suchen und da bleiben. Immer wieder<br />

waren seine eigenen Entscheidungen in seinem Leben geprägt von dem Ruf, bei<br />

denen zu sein, die mit sich rangen und in Gefahr waren - die Entscheidung, aus<br />

den Vereinigten Staaten nach Deutschland zurückzukehren, die Entscheidung für<br />

die Bekennende Kirche und das Seminar in Finkenwalde, die Entscheidung, mit<br />

den Verschwörern gegen Hitler zusammenzuarbeiten – all dies waren<br />

Entscheidungen dafür, "ganz und gar in der Welt zu leben". Und dies alles im<br />

Namen des "Wachens mit Christus".<br />

Unser heutiges Evangelium beschreibt, wie die Apostel mit dem verklärten<br />

Jesus Christus wachen. Sie wachen mit dem Jesus Christus, der sich zu der<br />

Geschichte seines eigenen jüdischen Volkes stellt, zu Moses und Elijah, zu der<br />

Textbuch 5. Februar 2006 Seite 13


Wunderbar geborgen<br />

Geschichte seines eigenen jüdischen Volkes stellt, zu Moses und Elijah, zu der<br />

ganzen Geschichte von Bund, Rebellion und Gnade. Es sind dieselben Apostel, die<br />

bald darauf in Gethsemane wachen – beziehungsweise beim Wachen scheitern.<br />

Sie werden lernen müssen, wie wir alle lernen müssen, dass Gottes Herrlichkeit<br />

in der Welt dort sichtbar wird, wo Gott sich in die Mitte unserer tiefsten<br />

Dunkelheit stellt.<br />

Sie werden lernen müssen, wie wir alle lernen müssen, dass Glauben nicht eine<br />

Beschäftigung für sich ist, die in einer Art privatem Reservat für Gemeindeleben<br />

kultiviert wird, sondern schlicht Treue gegenüber dem, wo Gott ist. Wenn wir<br />

dieses herausfordernde Wort Bonhoeffers hören, dann entdecken wir vielleicht,<br />

dass unsere endlosen Diskussionen und Verhandlungen über unsere christliche<br />

und konfessionelle Identität durchbrochen werden können durch etwas anderes,<br />

furchtbarer und hoffnungsvoller: das Wissen um Gottes Treue zu uns in Jesus, zu<br />

dem Gott gesagt hat: "Dies ist mein geliebter Sohn"; darum: "Steht auf; habt<br />

keine Angst."<br />

Gemeindelied: „Nun danket all und bringet Ehr“, EG 322, 1-6, GL 267<br />

1. Nun danket all und bringet Ehr,<br />

ihr Menschen in der Welt,<br />

dem, dessen Lob der Engel Heer<br />

im Himmel stets vermeld't.<br />

2. Ermuntert euch und singt mit Schall<br />

Gott, unserm höchsten Gut,<br />

der seine Wunder überall<br />

und große Dinge tut;<br />

3. der uns von Mutterleibe an<br />

frisch und gesund erhält<br />

und, wo kein Mensch nicht helfen kann,<br />

sich selbst zum Helfer stellt;<br />

4. der, ob wir ihn gleich hoch betrübt,<br />

doch bleibet guten Muts,<br />

die Straf erlässt, die Schuld vergibt<br />

und tut uns alles Guts.<br />

5. Er gebe uns ein fröhlich Herz,<br />

erfrische Geist und Sinn<br />

und werf all Angst, Furcht, Sorg und Schmerz<br />

ins Meeres Tiefe hin.<br />

6. Er lasse seinen Frieden ruhn<br />

auf unserm Volk und Land;<br />

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Wunderbar geborgen<br />

Lesung<br />

er gebe Glück zu unserm Tun<br />

und Heil zu allem Stand.<br />

Text: Paul Gerhardt 1647<br />

Melodie: Johann Crüger 1653 nach Pierre Davantès 1562 (zu Psalm 89)<br />

Otto Sander: Dietrich Bonhoeffer zur Taufe von Dietrich Wilhelm Rüdiger<br />

Bethge:<br />

Du wirst heute zum Christen getauft. Alle die alten großen Worte der<br />

christlichen Verkündigung werden über Dir ausgesprochen und der Taufbefehl<br />

Jesu Christi wird an dir vollzogen, ohne dass Du etwas davon begreifst. Aber auch<br />

wir selbst sind wieder ganz auf die Anfänge des Verstehens zurück geworfen. (…)<br />

In den überlieferten Worten und Handlungen ahnen wir etwas ganz Neues und<br />

Umwälzendes, ohne es noch zu fassen und aussprechen zu können. (…) Unser<br />

Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: Im Beten und Tun des Gerechten<br />

unter den Menschen. Alles Denken, Reden und Organisieren in den Dingen des<br />

Christentums muss neu geboren werden aus diesem Beten und aus diesem Tun.<br />

Es ist nicht unsere Sache, den Tag voraus zu sagen – aber der Tag wird<br />

kommen -, an dem wieder Menschen berufen werden, das Wort Gottes so<br />

auszusprechen, dass sich die Welt darunter verändert und erneuert. Es wird eine<br />

neue Sprache sein, vielleicht ganz unreligiös, aber befreiend und erlösend wie<br />

die Sprache Jesu, dass sich die Menschen über sie entsetzen und doch von ihrer<br />

Gewalt überwunden werden, die Sprache einer neuen Gerechtigkeit und<br />

Wahrheit, die Sprache, die den Frieden Gottes mit den Menschen und das Nahen<br />

seines Reiches verkündigt. (…) Bis dahin wird es aber Menschen geben, die beten<br />

und das Gerechte tun und auf Gottes Zeit warten. Möchtest Du zu ihnen gehören<br />

und möchte es einmal von Dir heißen: „Des Gerechten Pfad glänzt wie das Licht,<br />

das immer heller leuchtet bis auf den vollen Tag“ (Spr. 4,18)<br />

Lied: “Let Your Kingdom Come”<br />

Dietrich Bonhoeffer, Mai 1944, WEN<br />

Let Your kingdom come, let Your will be done, let your will be done<br />

in me.<br />

Let it be done in me, let it be done in me.<br />

Fürbitten<br />

Nina Emerson: Wie Dietrich Bonhoeffer halten wir Ausschau nach dir, Gott,<br />

damit die Probleme der Welt uns nicht den Blick verstellen.<br />

Wir bitten dich für die Menschen, die nur sich selbst im Blick haben. Hunger<br />

und Gewalt - wie jetzt wieder in Syrien - sind nicht überwunden. Dabei gilt deine<br />

Zuneigung jedem Volk dieser Erde. Du gehst zu allen Menschen in ihrer Not und<br />

leidest mit ihnen. Für uns wird es immer dringender, eins zu werden um Brot<br />

und Zukunft gerecht zu teilen.<br />

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Wunderbar geborgen<br />

Gott der Wahrheit, dich bitten wir gemeinsam: Erhöre und bewege uns!<br />

Mark Rother: Wie Dietrich Bonhoeffer halten wir Ausschau nach dir, Gott,<br />

damit du uns zu eindeutigem Leben überredest und uns von deiner Wahrheit<br />

überzeugst.<br />

Wir bitten dich für die Menschen, denen ihre Träume vom Leben zerbrochen<br />

sind, die keine Antworten mehr wissen.<br />

Lass uns Vertrauen finden, um nicht das Beliebige, sondern das Rechte zu tun.<br />

Gott der Wahrheit, dich bitten wir gemeinsam: Erhöre und bewege uns!<br />

Gemeinde und Chor: Let it be done in me, let it be done in me.<br />

Melinda Mehling: Wie Dietrich Bonhoeffer halten wir Ausschau nach dir, Gott,<br />

weil sich Gemeinde und Kirche überall dort<br />

angenommen wird.<br />

bilden, wo deine Verheißung<br />

Lass uns in deiner Kirche weltweite Gemeinschaft wie auch Familie erleben.<br />

Mach uns zur „Kirche für andere“, ohne Unterschiede und Grenzen. Weil vor<br />

dir alle menschlichen Ordnungen enden.<br />

Gott der Wahrheit, dich bitten wir gemeinsam: Erhöre und bewege uns!<br />

Gemeinde und Chor: Let it be done in me, let it be done in me.<br />

Jeremy Southwood: Wie Dietrich Bonhoeffer halten wir Ausschau nach dir,<br />

Gott, und suchen gemeinsam nach einer Sprache für unser Bitten und Sehnen<br />

Unsere Suche nach Ausdruck macht uns verschieden, auch in der Sprache.<br />

Aber Du schenkst uns Worte, die verbinden. Wir beten in der Gemeinsamkeit<br />

und mit den Worten, die Jesus Christus gelehrt hat:<br />

Vater unser<br />

Gemeinde: Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich<br />

komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot<br />

gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern<br />

Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem<br />

Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.<br />

Amen.<br />

Gemeindelied: „Lobet den Herren“, EG 447, 7.10; GL 671<br />

7. Gib, dass wir heute, Herr, durch dein Geleite<br />

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Wunderbar geborgen<br />

auf unsern Wegen unverhindert gehen<br />

und überall in deiner Gnade stehen.<br />

Lobet den Herren!<br />

10. Herr, du wirst kommen und all deine Frommen,<br />

die sich bekehren, gnädig dahin bringen,<br />

da alle Engel ewig, ewig singen:<br />

»Lobet den Herren!«<br />

Lesung: EG 65 als Sendung<br />

Otto Sander:<br />

5. Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,<br />

die du in unsre Dunkelheit gebracht,<br />

führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.<br />

Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.<br />

Text: Paul Gerhardt 1653<br />

Melodie und Satz: Johann Crüger 1653/1662<br />

7. Von guten Mächten wunderbar geborgen,<br />

erwarten wir getrost, was kommen mag.<br />

Gott ist bei uns am Abend und am Morgen<br />

und ganz gewiss an jedem neuen Tag.<br />

Segen<br />

Text: Dietrich Bonhoeffer (1944)<br />

Bischof Dr. Wolfgang Huber: Gehet hin im Frieden und Segen Gottes.<br />

Der Herr segne dich und behüte dich, der Herr lasse sein Angesicht leuchten<br />

über dir und sei dir gnädig, der Herr erhebe sein Angesicht über dich und schenke<br />

dir Frieden. Amen.<br />

Auszug und Orgelnachspiel: Fuge über EG 322<br />

Textbuch 5. Februar 2006 Seite 17

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