Karl Kraus Die demolierte Literatur Wien, 1897 ... - Welcker-online.de
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seine eigenartigen Beziehungen zu <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Grammatik von sich re<strong>de</strong>n<br />
machte, konnte er auf zahlreiche Mißerfolge als bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Künstler hinweisen.<br />
An ihm zerschellt jenes bekannte Witzwort, das noch alle, die zwei Beschäftigungen<br />
in einer Hand vereinigen wollten, glücklich getroffen hat: die<br />
Schriftsteller wissen nämlich schon, daß er kein guter Maler, und die Maler<br />
täuschen sich nicht mehr darüber, daß er kein guter Schriftsteller ist. Der<br />
Letztere bezog lange Zeit hindurch seinen Stil aus Linz, von wo ja bekanntlich<br />
seit einigen Jahren alle literarischen Reformversuche ihren Ausgang nehmen.<br />
<strong>Die</strong> Gewalt, die er bereits nach kurzer Schulung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Sprache antat,<br />
war eine unvergleichliche. Wenn es fremdländische Eigennamen in <strong>de</strong>utscher<br />
Satzverrenkung darzubieten galt, beschämte er <strong>de</strong>n Meister. Einige seiner Perio<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n ihm unvergessen bleiben. <strong>Die</strong> Sensation einer Ehescheidungs<br />
—Affäre und <strong>de</strong>s flammen<strong>de</strong>n Protests, <strong>de</strong>n die Heldin gegen ihre Verfolger<br />
publiziert hatte, erreichte erst <strong>de</strong>n Höhepunkt, als unser Schriftsteller zur Fe<strong>de</strong>r<br />
griff und die erlösen<strong>de</strong>n Worte nie<strong>de</strong>rschrieb: »Das Prozeßgebäu<strong>de</strong>, über<br />
welches sie sich ergeht, hing lange Jahre wie das Schwert <strong>de</strong>s Damokles über<br />
<strong>de</strong>m Haupte <strong>de</strong>r Verfolgten«. Ein kleiner Artikel zu Hanslick's siebzigstem Geburtstage<br />
— und die gesamte Auflage seines Blattes war vergriffen. Hanslick,<br />
schrieb er damals, sei »in Prag geboren, früh auf <strong>de</strong>n Spuren seiner Zukunft«<br />
gewesen. Den Feuilletonisten rühmte er also:<br />
Des flüchtigen Blattes Teilung, wo <strong>de</strong>r Geist sich von <strong>de</strong>r sorgenvollen<br />
Schwere <strong>de</strong>s Leitartikels, von <strong>de</strong>n ernsten Dingen <strong>de</strong>r Politik<br />
erholen, in schönen Gefil<strong>de</strong>n wan<strong>de</strong>ln und sich belehrend erfreuen<br />
soll können, bietet, wenn er die Fe<strong>de</strong>r führt, in reichlicher<br />
Münze das, wozu unter <strong>de</strong>m Striche <strong>de</strong>r ersten Zeitungsseite das<br />
Feuilleton erschaffen ist. Und wenn man sagen sollte, wie es <strong>de</strong>nn<br />
sei, daß es gera<strong>de</strong> von ihm das richtige wäre, wo all die tausend<br />
Schreiber mit <strong>de</strong>m lustigen Worte zur langweiligen tödlichen<br />
breitgequatschten Sache Frevel und Mißbrauch treiben, so hielte<br />
es schwer im Vergleiche.<br />
Aus einer impressionistischen Beschreibung <strong>de</strong>s Leichenbegängnisses<br />
eines hohen Herrn:<br />
Gell und grauenhaft steigen Hilferufe auf; ich sehe Körper auf <strong>de</strong>r<br />
Straße liegen und Menschenfüße sie fast zertreten. Ich sehe Kin<strong>de</strong>r<br />
mit entsetzensvollem Ausdruck. Warum man doch immer gera<strong>de</strong><br />
Kin<strong>de</strong>r mitnimmt ins Gedränge? Warum man <strong>de</strong>r Säuglinge<br />
kleine zittern<strong>de</strong> Körper nicht schont und in die ersichtliche Gefahr<br />
<strong>de</strong>s Erdrücktwer<strong>de</strong>ns bringt?<br />
In <strong>de</strong>n Zweigen <strong>de</strong>r Bäume hängen Buben und Männer. Vergebens<br />
sucht man sie zu vertreiben. Immer wie<strong>de</strong>r klettern sie hinauf.<br />
Selbst am Gitter <strong>de</strong>s Volksgartens stellen sich Neugierige auf. Sie<br />
können zwar nichts sehen; sie bleiben jedoch dort. Sie wollen es<br />
so ...<br />
Hofrat Kozarek erscheint ...<br />
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