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Karl Kraus Die demolierte Literatur Wien, 1897 ... - Welcker-online.de

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Es fliegen die Hüte von <strong>de</strong>n Häuptern vor <strong>de</strong>m Leichenwagen mit<br />

<strong>de</strong>n blen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Schimmeln in ihren goldstarren<strong>de</strong>n Schabraken<br />

...<br />

<strong>Die</strong> hellen Klingen gleiten um Haaresbreite an <strong>de</strong>n Gesichtern <strong>de</strong>r<br />

Zuschauer hinter ihnen vorüber ...<br />

Beson<strong>de</strong>re Zustimmung aber fand er, als er einmal Gelegenheit nahm,<br />

sich über die »schwerflüssigen Sprachwerkzeuge <strong>de</strong>s Herrn Kutschera« auszulassen.<br />

<strong>Die</strong> syntaktischen Reformen, die er in unser Schrifttum einführte, haben<br />

<strong>de</strong>n Mann populär gemacht. Aber auch inhaltlich hat er, durch Meinung und<br />

Tonart seiner Aufsätze, je<strong>de</strong>rzeit im Sinne einer Volksaufheiterung gewirkt.<br />

Einer großen Zugkraft erfreuten sich die köstlichen Wahnvorstellungen, die<br />

er zu produzieren pflegte, die grotesken Überhebungen, zu <strong>de</strong>nen sich <strong>de</strong>r<br />

»gemütliche <strong>Wien</strong>er Biz« verstieg. Keine be<strong>de</strong>utungsvolle Ent<strong>de</strong>ckung, die<br />

ohne seine Mithilfe gemacht wor<strong>de</strong>n wäre, keine künstlerische Persönlichkeit,<br />

die nicht von ihm die erste Anregung empfangen hätte; alles verdankt ihm seine<br />

Entstehung, alle hat er »gemacht«. Mascagni's Größe hatte er gleich erkannt:"<br />

» ... Ich trug das Meine bei, um ihm zu helfen mit gefälligen Reklamen<br />

... So nützte ich ihm gerne, wie gesagt: ich nützte immer an<strong>de</strong>ren gerne; auch<br />

heute noch.« Länger dauerte es, bis ein <strong>de</strong>utscher Dramatiker ihn für sich gewann.<br />

»Endlich« ruft er aus »ist es Hermann Su<strong>de</strong>rmann gelungen, mich<br />

vollständig zu überzeugen!«<br />

Wo <strong>de</strong>r Schriftsteller, sei es durch Un<strong>de</strong>utsch o<strong>de</strong>r Größenwahn, das<br />

ganze Interesse <strong>de</strong>r Öffentlichkeit absorbiert, bleibt für <strong>de</strong>n Maler nichts<br />

mehr übrig. Nun könnte gera<strong>de</strong> er <strong>de</strong>m Stillleben zu be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>m Aufschwung<br />

verhelfen und namentlich als Stilblütenmaler Hervorragen<strong>de</strong>s leisten.<br />

Dem Porträtisten begegnet man schon lange mit Mißtrauen, welches ihn<br />

<strong>de</strong>rart empfindlich gemacht hat, daß er aus einem Vereine, <strong>de</strong>ssen Obmann er<br />

gemalt, tief gekränkt seinen Austritt nahm. Zuletzt haben sich nur mehr Verstorbene<br />

von ihm zeichnen lassen. Kein Ta<strong>de</strong>l kann ihn in solchen Fällen treffen:<br />

hat er doch hier die Entschuldigung <strong>de</strong>r vom To<strong>de</strong> entstellten Züge für<br />

sich.<br />

Probleme sind es, <strong>de</strong>s Schweißes <strong>de</strong>r E<strong>de</strong>ln wert, welche eine benachbarte<br />

Tischgesellschaft in Atem halten. Kein literarischer Mißton stört die reine<br />

Theaterfreu<strong>de</strong> dieser Menschen, kein Jung—<strong>Wien</strong>er Künstler verirrt sich<br />

hierher. Wer hat am 24. April im Stadttheater in Regensburg <strong>de</strong>n dicken<br />

Herrn in <strong>de</strong>r »Wil<strong>de</strong>nte« gespielt? Wann trat Herr Rottmann im Burgtheater<br />

zum letztenmal auf? <strong>Die</strong>se und ähnliche Themen, sonst mit Lei<strong>de</strong>nschaft erörtert,<br />

müssen doch in <strong>de</strong>n Hintergrund treten, wenn die Lebensfrage auftaucht:<br />

Sind heut' Freikarten? Je<strong>de</strong>m Schauspieler ist ein Theaterinteressent<br />

an die Seite gegeben, <strong>de</strong>r ihm mit <strong>de</strong>mselben Respekte zuhört, wie jener <strong>de</strong>m<br />

Kritiker <strong>de</strong>s Tisches. Da gibt es pathetische Vorstadtmimen, die in <strong>de</strong>r Josefstadt<br />

die Tradition <strong>de</strong>s Burgtheaters aufrechthalten; da fin<strong>de</strong>n wir Bühnengrößen,<br />

die auf eine langjährige Wirksamkeit in <strong>de</strong>r Theaterloge zurückblicken<br />

können und sich einen Ruf als Zuschauspieler <strong>de</strong>s Burgtheaters gemacht haben.<br />

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