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Karl Kraus Die demolierte Literatur Wien, 1897 ... - Welcker-online.de

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son<strong>de</strong>re Art <strong>de</strong>s Schnitzler gelehrt. Es paßt das herbe Wort <strong>de</strong>s<br />

heimlichen und geflissentlich komischen Julius Bauer, dort, wo er<br />

eigentlich schon mehr Isidor Fuchs heißt: 'ein kleiner Beamter hat<br />

nichts, aber das hat er sicher.' Er will <strong>de</strong>n Viveur, aber mit <strong>de</strong>r<br />

wienerischen Note, nicht in <strong>de</strong>r Technik <strong>de</strong>r Franzosen, wie ihn<br />

etwa Pierre Blanchard gezeichnet haben wür<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r ein an<strong>de</strong>rer<br />

französischer Eigenname, <strong>de</strong>n nur ich kenne, wenn ich von Ferry<br />

Beraton absehen will, <strong>de</strong>r ihn dann aber auch von mir hat. Es ist<br />

dies die Kunst <strong>de</strong>r Nerven, von <strong>de</strong>n Nerven auf die Nerven, und<br />

man muß dabei an Berti Goldschmidt <strong>de</strong>nken und an die psychologie<br />

blasée <strong>de</strong>r Stendhal und Huysmans, von <strong>de</strong>n Goncourt's über<br />

Lavedan bis zu Loris und Maurice Barrès und nach Portoriche, die<br />

mit <strong>de</strong>r feinen Nase für <strong>de</strong>n Geruch <strong>de</strong>r Dinge, die wie ein letzter<br />

Rest von Champagner ist und sich wie die zähe Schmeichelei verblasster<br />

alter Sei<strong>de</strong> fühlt, aber immer ein bißchen in <strong>de</strong>m lieben<br />

traulichen <strong>Wien</strong>erisch <strong>de</strong>s Canaletto. Er gibt mü<strong>de</strong> Stimmungen,<br />

die um die Kunst <strong>de</strong>r Watteau und Fragonard sind, mit <strong>de</strong>r weichen<br />

Grazie <strong>de</strong>r Formen und mit <strong>de</strong>n halben, heimlichen Konturen,<br />

die sich nur noch nicht recht trauen. Aber es gärt noch. Seine<br />

Kunst sucht Harmonie. Ein Rest bleibt. Das sind die kurzen Sätze.<br />

Ich kann nichts dafür. Es sind verwegene, ungestüme und verworrene<br />

Triebe, die drängen. Aber <strong>de</strong>r zuversichtliche Gestalter <strong>de</strong>s<br />

intimen Erlebnisses, das Kunst verlangt, setzt sich bald durch.<br />

Und nun die Darstellung. Da will Vieles nicht. Manches gelingt.<br />

<strong>Die</strong> Sandrock war wie<strong>de</strong>r ein köstliches Wun<strong>de</strong>r an reiner Kraft<br />

und Schönheit. Aber ihre fürstliche Kunst war allein. Nur Herr<br />

Nhil darf sich noch an ihr messen, allenfalls auch <strong>de</strong>r sicher wachsen<strong>de</strong><br />

Giampietro und Tewele, wenn er sich die Nase abgewöhnen<br />

möchte. Bei <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren mußte ich an Iglau <strong>de</strong>nken, dort, wo es<br />

schon Leitomischl ist. Es war schändlich und beleidigend. Freilich<br />

fehlt die Regie. Künstlerische Triebe zerfahren. Ein besserer Tapezierer<br />

und Ka<strong>de</strong>lburg kann nicht helfen. <strong>Die</strong> sichere Weise <strong>de</strong>s<br />

spitzen Martinelli wäre da mehr am Platze gewesen, seine nach<strong>de</strong>nkliche<br />

und wägen<strong>de</strong> Technik, die trifft. Herr Kutschera läßt als<br />

Gigerl seine Hel<strong>de</strong>n vergessen. Fräulein Hell, die immer so heult,<br />

wer<strong>de</strong> ich nie vergessen und verwin<strong>de</strong>n können. Darum spielen<br />

sie jetzt auch die junge, begabte Bauer gegen die ältere Kollegin<br />

aus, jenes liebe, blasse Mädchen, das rührt.<br />

Aber wie Herr Broda <strong>de</strong>n Moritzky gab, muß man sehen. Ganz<br />

<strong>Wien</strong> sollte hin. Das ist über <strong>de</strong>n Spanier Vico und <strong>de</strong>n Hollän<strong>de</strong>r<br />

Boomeester etwas ganz Neues, wie er in diesen Moritzky hineinkriecht,<br />

ohne Rest. Er gab die Erlösung und Weihe <strong>de</strong>s Abends. Es<br />

ist ein halber Kainz in ihm und eine heimliche Duse. Mir fehlen die<br />

Worte. Aber man müßte die Formel suchen für die vagen und wirren<br />

Empfindungen um das große Unerhörte <strong>de</strong>r Kunst <strong>de</strong>s Broda.«<br />

In je<strong>de</strong>m seiner Referate ergoß sich eine Sturzflut neuer Eigennamen<br />

ins Land. <strong>Die</strong> Kunstgrößen, die er einführte, waren einzig und allein ihm <strong>de</strong>m<br />

Namen nach bekannt; oft hatte er sie von spanischen Theaterzetteln o<strong>de</strong>r gar<br />

portugiesischen Straßentafeln abgelesen. Noch heute versteht er es, unkontrollierbaren<br />

Tatsachen <strong>de</strong>n Schein <strong>de</strong>s Erlebten zu geben, Dinge, die er gera-<br />

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