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DIE BESTE ZEIT<br />

Das Magazin für Lebensart<br />

Wuppertal und Bergisches Land<br />

Ausgabe 21, 2013 - 3,50 Euro<br />

Himmel auf Erden<br />

Sammlung Von der Heydt-Museum<br />

Wuppertal hat ein Buch<br />

Biografie des Eduard von der Heydt<br />

Der Stoff aus dem die Träume sind<br />

Kostümabteilung der Wuppertaler Bühnen<br />

Die Bildhauer<br />

der Düsseldorfer Kunstakademie seit 1945<br />

Wenn die Fahnen flackern…<br />

Der Sprachkosmos der Herta Müller<br />

Wolfgang Tillmans<br />

Ausstellung im K21 Ständehaus Düsseldorf<br />

Besuch der alten Dame<br />

Premiere im Teo Otto-Theater<br />

Dichterlesung<br />

Text von Friederike Zelesko<br />

Dugi Otok<br />

Dalmatien nach demKrieg<br />

ISSN 18695205<br />

1


www.barrenstein.de<br />

„Ihre Gefühle waren und sind einzigartig.<br />

Dieser Schmuck ist eine ewige Erinnerung.“<br />

Erfahrung, Einfühlungsvermögen, Verständnis<br />

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Wir helfen Ihnen in schweren Zeiten. Und das<br />

seit nahezu 200 Jahren.<br />

2<br />

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Editorial<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

„Es geht zwischendurch immer wieder ein bisschen besser, aber insgesamt und langfristig<br />

geht es natürlich nur bergab“. Diese Bemerkung eines Wuppertaler Wirtschaftswissenschaftlers<br />

habe ich mir gemerkt, und sie stimmt sicherlich, soweit es unsere Endlichkeit<br />

und unsere Ressourcen betrifft.<br />

Dem gegenüber stehen andere Aspekte – man sieht, wir können andere Aspekte wählen<br />

– wie „Sorge nicht für den morgigen Tag …“, und das ist nicht nur eine religiöse Aussage,<br />

sondern auch eine bodenständige, vernünftige und hilfreiche. Wir haben immer nur<br />

die Gegenwart, die wir zwar auch nur als Projektion erleben, aber nicht so gespenstisch<br />

geträumt wie Vergangenheit und Zukunft.<br />

Und wir haben noch etwas: unser Leben. In dieser Zeit erscheint es mir besonders heftig<br />

zu knospen und zu blühen, es reckt sich auf. Unabhängig von jeder offiziellen Lesart<br />

und von jeder Wirtschaftskrise. Wenn ich über ein paar vergangene Tage blicke, sehe<br />

ich Dutzende von mitreißenden Initiativen und bewegenden Augenblicken – Theater,<br />

Musik, Geschriebenes und Vorgetragenes, eindringliche Gemälde, Stunden, in denen<br />

Menschen in berührenden Augenblicken im gemeinsamen Impuls zusammenkamen;<br />

die Trauerfeier für den polternden Menschenfreund und Kämpfer für behinderte Mitmenschen,<br />

Peter Hansen von der FÄRBEREI, die Vorstellung der neuen, sympathischen<br />

Intendantin, Frank Beckers pfiffige Theaterrezensionen, die von seiner Liebe für die<br />

Theaterszene zeugen, Zellers Gedichte in der City-Kirche; und sehr viel davon in der<br />

heutigen Nummer der BESTEN ZEIT, in der sich, wie sonst nirgendwo, das Wuppertaler<br />

Kulturleben abbildet:<br />

Die unübertroffenen kuratorischen Leistungen des Wuppertaler Museums unter Gerhard<br />

Finckh, der magische Bereich des Skulpturenparks mit seinen Veranstaltungen,<br />

geschaffen von Tony Cragg, die Texte der Wuppertaler Literatinnen Friederike Zelesko<br />

und Angelika Zöllner mit ihrer sinnlich-farbigen Lyrik und ihren poetischen Reisebeschreibungen,<br />

die facettenreichen Rezensionen des unermüdlichen Heiner Bontrup, die<br />

klugen Betrachtungen von Marlene Baum. Ganz wichtig: die gründliche Analyse des<br />

Bankiers Eduard von der Heydt durch Eberhard Illner. Wer bisher nur voreilige Meinungen<br />

über den Banker kannte, findet hier eine Fülle von aufschlussreichen Tatsachen,<br />

gesehen in einer ausgeglichenen Betrachtungsweise.<br />

Dies alles, was uns hier in Fülle entgegen tritt, lehrt mich, dass das Leben mehr ist als<br />

unsere Ansichten darüber.<br />

Was sich hier abbildet, schwingt ein in den Impuls, der zurzeit die Stadt bewegt,<br />

nämlich, sich zu bewegen und zu zeigen, dass die Lebenskraft der Bürger, die nicht nur<br />

die Schwebebahn bauten, sondern auch einen Ort mächtiger religiöser, aufklärerischer,<br />

künstlerischer und sozialer Impulse, sich immer neue Wege sucht; ja, dass eine neue<br />

Jugend und hellwache Zuzügler hinzugekommen sind, die unserer Stadt immer wieder<br />

ein neues Gesicht geben werden. Die Aufgaben von heute heißen, der Stadt ein lebendiges<br />

Theater- und Kulturleben zu erhalten und es zu bejahen. Das Theater wird immer<br />

das Herz einer Stadt bleiben.<br />

Wacher sind wir geworden für die Einbeziehung von Einwanderern, Behinderten und<br />

Senioren. Da ist noch viel zu tun, aber es ist eine stolze Aufgabe, die denen Kraft gibt,<br />

die sich ihr widmen. Dies wird geschehen, weil die Menschen leben wollen, genau, wie<br />

sie es nach 1945 wollten, als sie inmitten ihrer Trümmerhaufen wieder in die Sonne<br />

blinzelten.<br />

Ihnen wünsche ich einstweilen viel Vergnügen bei der Lektüre von DIE BESTE ZEIT,<br />

es lohnt sich.<br />

Ihr Karl Otto Mühl<br />

3


Mit neuem Wind in die Zukunft:<br />

ENERCON Windkraft<br />

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Büro für temporäre Architektur<br />

Telefon: +49 (0) 202 2 80 96-0<br />

www.ueberholz.de<br />

Impressum<br />

Die Beste Zeit erscheint in Wuppertal und im Bergischen Land<br />

Erscheinungsweise: alle zwei Monate<br />

Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> Wuppertal - Die beste Zeit<br />

Friedrich-Engels-Allee 122, 42285 Wuppertal<br />

Telefon 02 02 - 28 10 40, E-Mail: verlag@hpnackekg.de<br />

V. i. S. d. P.: HansPeter <strong>Nacke</strong><br />

Ständige redaktionelle Mitarbeit: Frank Becker, Thomas Hirsch,<br />

Matthias Dohmen, Susanne Schäfer<br />

Darüber hinaus immer wieder Beiträge von: Marlene Baum,<br />

Heiner Bontrup, Antonia Dinnebiert, Beate Eickhoff, Fritz Gerwinn,<br />

Klaus Göntzsche, Johannes Vesper und weiteren Autoren<br />

Erfüllungsort und Gerichtsstand Wuppertal<br />

Nachdruck - auch auszugsweise - von Beiträgen innerhalb der gesetzl.<br />

Schutzfrist nur mit der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages.<br />

Gastbeiträge durch Autoren spiegeln nicht immer die Meinung des<br />

Verlages und der Herausgeber wider. Für den Inhalt dieser Beiträge<br />

zeichnen die jeweiligen Autoren verantwortlich.<br />

Kürzungen bzw. Textänderungen, sofern nicht sinnentstellend, liegen<br />

im Ermessen der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Beiträge kann<br />

keine Gewähr übernommen werden.<br />

Trotz journalistischer Sorgfalt wird für Verzögerung, Irrtümer oder<br />

Unterlassungen keine Haftung übernommen.<br />

Bildnachweise/Textquellen sind unter den Beiträgen vermerkt.<br />

Abbildung Cover, Ausschnitt: Wassily Kandinsky, Riegsee –<br />

Dorfkirche, um 1908, Von der Heydt-Museum Wuppertal<br />

The art of tool making<br />

4


Inhalt<br />

Ausgabe 21, 5. Jahrgang, Juni 2013<br />

Ausstellung Himmel auf Erden<br />

Im Von der Heydt-Museum. Auszug aus der<br />

Eröffnungsrede von Dr. Gerhard Finckh Seite 6<br />

Die Sammlung<br />

Ausstellung Himmel auf Erden<br />

von Frank Becker Seite 8<br />

Wuppertal hat ein Buch<br />

Biografi e des Eduard von der Heydt<br />

von Marlene Baum Seite 10<br />

Sie wuppen das<br />

die neue Schauspiel-Intendantin Susanne<br />

Abbrederis, von Klaus Göntzsche Seite 17<br />

Don Quichotte in Wuppertal<br />

Oper von Jules Massenet im Wuppertaler<br />

Opernhaus, von Fritz Gerwinn Seite 19<br />

Der Stoff, aus dem die Träume sind<br />

In der Kostümabteilung der Wuppertaler<br />

Bühnen, von Marlene Baum Seite 23<br />

Die Bildhauer<br />

An der Düsseldorfer Kunstakademie tätige<br />

Bildhauer seit 1945. K20 Grabbeplatz Seite 28<br />

Sardinen, Sex und sieben Türen<br />

Boulevardkomödie im TiC-Theater,<br />

von Frank Becker Seite 34<br />

Wenn die Fahnen flackern…<br />

Expediton in den Sprachkosmos der Herta<br />

Müller, von Heiner Bontrup Seite 36<br />

Klänge aus einer anderen Welt<br />

Auftakt der Musikreihe KlangArt im<br />

Skulpturenpark, von Heiner Bontrup Seite 38<br />

Wolfgang Tillmans<br />

Ich mache Bilder, um die Welt zu erkennen<br />

Ausstellung im K21 Ständehaus Düsseldorf Seite 41<br />

Der Besuch der alten Dame<br />

Premiere im Remscheider Teo Otto-Theater<br />

von Frank Becker Seite 45<br />

From Bobby Sox to Stockings<br />

„Hairspray“ im Wuppertaler TiC-Theater<br />

von Frank Becker Seite 51<br />

Im Garten… arbeiten wie der Vogel singt<br />

Ausstellung Werner Schriefers<br />

von Rolf Jessewitsch Seite 53<br />

Dugi Otok<br />

Dalmatien 18 Jahre nach dem<br />

Jugoslawischen Krieg, von Heiner Bontrup Seite 57<br />

Haus- und Nutztiere<br />

von Marianne Ullmann Seite 61<br />

Auf Tuchfühlung mit Mode, Stoff und Stil<br />

in Schloss Lüntenbeck von Stephanie Schäfer Seite 63<br />

Das Leben geht weiter<br />

In den Abruzzen vier Jahre nach dem<br />

Erdbeben, von Angelika Zöllner Seite 66<br />

Unternehmer in Sachen Dienstleistung<br />

Culinaria-Chef Wolfgang vom Hagen<br />

von Joachim Krug Seite 69<br />

Enno der Älteste…<br />

… und die scheidenden Intendanten<br />

von Klaus Göntzsche Seite 71<br />

Die neue Historische Stadthalle<br />

Wiederbelebung durch Will Baltzer<br />

von Joachim Krug Seite 73<br />

Paragraphenreiter<br />

Interessantes zu den Themen Steuern und<br />

Recht, von Susanne Schäfer Seite 76<br />

Neue Kunstbücher<br />

Monographien zur Malerei<br />

vorgestellt von Thomas Hirsch Seite 78<br />

Geschichtsbücher, Buchgeschichten<br />

vorgestellt von Matthias Dohmen Seite 80<br />

Dichterlesung<br />

Die Straßen von Damaskus<br />

Texte von Friederike Zelesko Seite 48<br />

Kulturnotizen<br />

Kulturveranstaltungen in der Region Seite 81<br />

5


Die Sammlung - Himmel auf Erden<br />

Auszug aus der Eröffnungsrede<br />

zur neuen Sammlungspräsentation<br />

Dr. Gerhard Finckh<br />

Wenn ich auf unsere großen Ausstellungen<br />

angesprochen werde, heißt<br />

es meistens: „Sie haben ja großartige<br />

Leihgaben aus aller Welt nach<br />

Wuppertal geholt – aber – kleine<br />

Kunstpause – Sie haben mit Ihrer<br />

Sammlung ja auch etwas anzubieten!“<br />

Stimmt, kann ich dazu sagen, meine<br />

Damen und Herren, aber ist unsere<br />

so wunderbar reiche Sammlung<br />

wirklich nur eine Verfügungsmasse,<br />

die zu Gegenleihgaben taugt? Was ist<br />

unsere Sammlung denn dann, wenn<br />

nicht ein Tauschobjekt?<br />

Ich verstehe unsere Sammlung als das<br />

„ästhetische Archiv“ der Stadt Wuppertal.<br />

Es gibt hier ein Stadtarchiv, in dem die<br />

Urkunden, Akten, Strafzettel, etc., also<br />

die Papier gewordene Geschichte und<br />

die Geschichten dieser Stadt aufbewahrt<br />

werden, es gibt das Historische Zentrum,<br />

in dem etwas von dieser Geschichte der<br />

Städte an der Wupper erzählt wird, und<br />

es gibt natürlich auch die berühmten und<br />

auch die weniger bekannten, die herausragenden<br />

und die weniger schönen Gebäude,<br />

die diese Stadt prägen und von einstigem<br />

Glanz zeugen. Aber das, was die Bürger<br />

dieser Stadt im Hinblick auf Schönheit<br />

6


und Bedeutung, auf Ästhetik und Relevanz,<br />

gesammelt und zusammengetragen<br />

haben, davon befindet sich ein großer Teil<br />

in der Sammlung des Von der Heydt-<br />

Museums.<br />

Diese Sammlung umfasst ungefähr 3000<br />

Gemälde, 500 Skulpturen und Objekte,<br />

rund 30.000 Werke auf Papier, dazu kostbare<br />

Stoffe, Fotografien und rare kunstgewerbliche<br />

Objekte. Und diese Sammlung<br />

wächst und wächst. Selbst in diesen Zeiten,<br />

in welchen die Stadt Wuppertal finanziell<br />

äußerst schlecht gestellt ist, wächst die<br />

Sammlung des Von der Heydt-Museums<br />

langsam, aber stetig weiter.<br />

Aus der Von der Heydt-Stiftung fließen<br />

noch immer Erträge, so dass wir 2012 die<br />

Werke von Karl Röhrig kaufen konnten.<br />

Die Renate und Eberhard-Robke-Stiftung<br />

hat in den vergangenen Jahren u.a.<br />

bedeutende Werke von K.H. Hödicke,<br />

Joseph Marioni, Per Kirkeby, Tamara K.E.,<br />

Cornelius Völker, Günter Weseler für das<br />

Museum angekauft, und dazu kommen<br />

immer wieder auch neue Stiftungen und<br />

Schenkungen.<br />

Das Ehepaar Ruth und Dr. Wolfgang Heinrich<br />

Lohmann hat 2005/06 eine grandiose<br />

Graphiksammlung dem Von der Heydt-<br />

Museum überlassen, Tony Cragg hat dem<br />

Museum sein gesamtes bisheriges graphisches<br />

Oeuvre geschenkt, aus dem Nachlass<br />

Zempelin haben wir u.a. Werke von E. L.<br />

Kirchner und K. O. Götz erhalten und<br />

immer wieder gibt es solche Schenkungen.<br />

Viele der Persönlichkeiten, die das Museum<br />

so unterstützen, wollen ungenannt bleiben.<br />

Man kann sagen, unsere Sammlung wächst<br />

stetig und so sehr, dass das Museum aus<br />

allen Nähten platzt. Schon vor einigen<br />

Jahren haben wir deshalb, um unsere viel zu<br />

kleinen Depots zu entlasten, den Tresor der<br />

ehemaligen Landeszentralbank angemietet,<br />

wo ein Teil unserer Schätze jetzt lagert.<br />

Aber was, außer sie zu lagern und gelegentlich<br />

zu verleihen, tut das Museum<br />

denn eigentlich mit diesen Kostbarkeiten?<br />

Diese Kunstwerke dürfen doch nicht nur<br />

als Tauschobjekt zur Herstellung großer<br />

Sonderausstellungen dienen!<br />

Zunächst geht es natürlich darum, die<br />

Dinge, die wir schon länger haben oder gerade<br />

eben erst erhalten, möglichst genau zu<br />

bestimmen. Wir wollen wissen, womit wir<br />

es zu tun haben. Da meine Mitarbeiter und<br />

ich keine Spezialisten für afrikanische oder<br />

fernöstliche Kunst sind, bitten wir Experten<br />

auf diesen Gebieten um ihre Expertise.<br />

Natürlich fragen wir die Experten auch,<br />

wie wir diese Objekte am besten lagern, bei<br />

welcher Luftfeuchtigkeit, bei welchen Temperaturen,<br />

ob man einen Stoff besser klein<br />

zusammenfaltet, aufrollt oder einfach flach<br />

und vor Licht geschützt liegend aufbewahrt.<br />

Unsere Restauratoren überwachen diese<br />

Lagerung auf das penibelste und sprechen<br />

auch dann, wenn ein Objekt gezeigt oder<br />

verliehen werden soll, ein gewichtiges Wort<br />

mit.<br />

Wir recherchieren in der Literatur (- und<br />

wir haben immerhin eine Bibliothek von<br />

100.000 Bänden -) die Zusammenhänge,<br />

in welche diese Objekte gehören und versuchen<br />

diese Geschichte und Geschichten<br />

um die Werke dann an das Publikum zu<br />

vermitteln. Wir wollen die Schätze, die wir<br />

verwalten, für alle so zugänglich machen,<br />

dass Sie die Geschichte oder auch das, was<br />

wir so ungenau als „Kunst“ bezeichnen,<br />

erfahren können, dass Sie den Sinn und<br />

Wert dieser Objekte in vollem Umfang begreifen<br />

und sich daran erfreuen und wenn<br />

Sie wollen, auch etwas daraus lernen.<br />

Wir veröffentlichen daher, soweit möglich,<br />

unsere Erkenntnisse in Katalogbeiträgen<br />

oder eigenen Publikationen, und wir versuchen<br />

auch, unser Wissen z. B. in Vorträgen<br />

und Führungen, weiterzugeben.<br />

Wir betrachten diese Sammlung also<br />

keineswegs als Tauschobjekt, sondern wir<br />

versuchen, anhand dieser Kunstwerke<br />

erfahrbar zu machen, was – neben den Geschichten,<br />

die im Historischen Zentrum,<br />

im Stadtarchiv und im gebauten Stadtbild<br />

zu finden sind – , in unserer Sammlung an<br />

ästhetischen Wahrnehmungen und gleichzeitig<br />

an historischer Bedeutung steckt.<br />

Die Sammlung des Von der Heydt-Museums<br />

ist anders strukturiert als die der Alten<br />

Pinakothek in München oder des Louvre<br />

in Paris oder des Prado in Madrid, die<br />

von höfischen Interessen, von prunkvoller<br />

Repräsentanz und vom Geldbeutel der<br />

Landesherren und Regierenden zeugen.<br />

Die Sammlung des Von der Heydt-Museums<br />

ist vielmehr eine Sammlung, die aus<br />

dem Bürgertum dieser Stadt hervorgegangen<br />

ist, eine durch und durch „bürgerliche<br />

Sammlung“, eine Sammlung von Bürgern<br />

für Bürger, und wir bemühen uns, dem<br />

damit verbundenen Auftrag, diese Sammlung<br />

auch erlebbar zu machen, gerecht zu<br />

werden.<br />

Von der Heydt-Museum<br />

Turmhof 8, 42103 Wuppertal<br />

Telefon 0202-563-6231<br />

Öffnungszeiten:<br />

Di – So 11 bis 18 Uhr,<br />

Do von 11 bis 20 Uhr geöffnet.<br />

www.von-der-heydt-museum.de<br />

George Segal, Ruth in der Küche, 1964<br />

© VG Bild-Kunst, 2013<br />

7


Von der Heydt-Museum Wuppertal<br />

noch bis 1. September<br />

Christian Schad, Halbakt, 1929<br />

© Christian Schad Stiftung, Aschaffenburg<br />

/VG Bild-Kunst, 2013<br />

Die Sammlung<br />

„Himmel auf Erden“ ist ein mit Verve<br />

und Augenzwinkern - jedoch keineswegs<br />

übertrieben - gewählter Titel für<br />

die aktuelle Ausstellung mit kostbaren<br />

und berückenden Bildern und Skulpturen<br />

der Moderne aus dem Bestand des<br />

Wuppertaler Von der Heydt-Museums,<br />

die am 14. April in den nach der großen<br />

Rubens-Ausstellung völlig neu gestalteten<br />

Räumen eröffnet wurde. Bis zum<br />

1. September sind im Obergeschoß<br />

des Hauses im Elberfelder Zentrum in<br />

reicher Auswahl Meisterwerke der Kunst<br />

des 20. und 21. Jahrhunderts aus der<br />

Sammlung des ausgezeichnet sortierten<br />

Museums zu sehen. Neben hervorragenden<br />

Werken des Expressionismus<br />

von unter anderem Franz Marc, August<br />

Macke, Wassily Kandinsky, Edvard<br />

Munch, Ernst Ludwig Kirchner, Kees<br />

van Dongen, Max Beckmann und Otto<br />

Dix deckt die Präsentation die ganze<br />

Bandbreite moderner Malerei und<br />

Skulptur ab. Christian Schads „Halbakt“<br />

8


Ernst Wilhelm Nay, Chromatische Figuren, 1947 © E. Nay Scheibler, Köln<br />

Karl Hartung, Vogelform, 1935<br />

von 1929, Carl Grossbergs „Brücke über<br />

die Schwarzbachstraße“ und Franz Radziwills<br />

„Wilhelmshaven“ repräsentieren<br />

eindrucksvoll die Zwanziger Jahre des<br />

vergangenen Jahrhunderts.<br />

Einen der Schwerpunkte hat die Präsentation<br />

in Werken des Informel, des<br />

Konstruktivismus und der Farbmalerei.<br />

Glanzlichter des 20. Jahrhunderts von<br />

Paul Klee, Walter Dexel, Per Kirkeby,<br />

Sean Scully und Kuno Gonschior bis<br />

Leon Polk Smith, Jan Schoonhoven,<br />

Günther Uecker, Karl Otto Götz und<br />

Lucio Fontana sind zu sehen. Viel Raum<br />

im weiten, lichten Shed-Saal wird zudem<br />

auch jüngsten Neuerwerbungen gegeben,<br />

zu denen Arbeiten unter anderem von<br />

Cornelius Völker, Katharina Schilling,<br />

Bettina Pousttchi, Jan Albers, Daniel<br />

Lergon oder Brad Downey gehören. Ein<br />

aufregendes Bonbon ist das bewegte Objekt<br />

„New Species“ von Günter Weseler,<br />

dessen Aufbau der 83-jährige Künstler<br />

selbst vorgenommen hat.<br />

Auch in letzter Zeit selten gezeigte Stücke<br />

aus der reichen Skulpturensammlung<br />

des Museums, darunter Arbeiten von<br />

Alexander Archipenko (Schreitende),<br />

Germaine Richier (Gottesanbeterin),<br />

George Segal (Ruth am Küchentisch),<br />

Horst Antes (Große mit Vogel), Jacques<br />

Lipchitz (Hagar in der Wüste III), Rudolf<br />

Belling (Kopf in Mahagoni), Karl Hartung<br />

(Vogelform) und Aristide Maillol (Torso<br />

Ile de France) wurden aus dem Dunkel der<br />

Magazine befreit und großzügig in einem<br />

eigenen Raum arrangiert sowie teils in<br />

Vitrinen in die Ausstellung integriert.<br />

Frank Becker<br />

9


10<br />

Eduard von der Heydt als „Buddha vom<br />

Monte Verità“ am Lido di Ascona um 1928


„Eduard von der Heydt. Kunstsammler,<br />

Bankier, Mäzen“ heißt<br />

die erste umfassende Biografie,<br />

die Eberhard Illner, Leiter des<br />

Historischen Zentrums der Stadt<br />

Wuppertal sowie des Stadtarchivs<br />

über den umstrittenen Wuppertaler<br />

Freiherrn vorgelegt hat.<br />

Eduard von der Heydt und „sein Kaiser“,<br />

Zandvoort 1933 (Foto: Erich Salomon)<br />

Der Kaiser und seine Familie haben von der<br />

Heydt von Doorn aus häufig im MULURU<br />

besucht. Von der Heydt war rechtskonservativ<br />

und kaisertreu.<br />

Wuppertal hat ein Buch!<br />

Um es vorweg zu nehmen – es ist keine<br />

leichte Aufgabe, ein Werk vorzustellen,<br />

das eine solche Fülle an Informationen<br />

und Bildmaterialien bereithält, – eben<br />

deshalb ist es eine unbedingt lesenswerte<br />

Bereicherung, ja, man darf sagen: Wuppertal<br />

hat ein Buch!<br />

„Eduard von der Heydt war weder Held<br />

noch Schurke, weder Täter noch Opfer,<br />

weder ‚Finanzier des Kaisers’ noch<br />

‚Nazibaron’, eher gewiefter Bankier,<br />

generöser Stifter und sicherheitsbedachter<br />

Stratege im Foyer der Macht“ heißt es<br />

im Vorwort des Herausgebers, der damit<br />

an noch immer grassierende Vorurteile<br />

und Verurteilungen anknüpft. Bisherige<br />

Veröffentlichungen zu von der Heydt<br />

konnten seiner Persönlichkeit nicht<br />

gerecht werden. Illner schreibt dazu: „(...)<br />

ein biografisches Puzzle ergibt noch kein<br />

abgewogenes Ganzes.“ Zu dicht sind<br />

die politischen, gesellschaftlichen und<br />

persönlichen Ereignisse, zu schillernd<br />

die Charakterzüge der Persönlichkeit des<br />

Barons. In dem nun vorliegenden Werk<br />

beleuchten vier Autoren aus unterschiedlichen<br />

Perspektiven dieses überreiche,<br />

zuweilen abenteuerliche und von Brüchen<br />

und Schicksalsschlägen geprägte Leben.<br />

Eduard von der Heydt (1882-1964),<br />

Sohn des Wuppertaler Bankiers August<br />

von der Heydt und seiner Frau Selma,<br />

war promovierter Nationalökonom,<br />

Bankier und Kunstsammler mit drei<br />

Staatsbürgerschaften und mehreren Domizilen<br />

in verschiedenen Ländern. Seine<br />

umfassenden Sammlungen hat er nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg an das Museum<br />

Rietberg in Zürich (außereuropäische<br />

Kunst), an den Kanton Tessin und an das<br />

Von der Heydt-Museum in Wuppertal<br />

(europäische Kunst) vermacht. 1952<br />

ernannte ihn die Stadt Wuppertal zu<br />

ihrem Ehrenbürger. Der 1950 ausgelobte<br />

„Kulturpreis der Stadt Wuppertal“ wurde<br />

11


Eduard von der Heydt trifft die afrikanische<br />

Oberkriegerin Gumma im Zoologischen<br />

Garten Elberfeld, Juli 1897<br />

Das Bild ist anlässlich einer der um die<br />

Jahrhundertwende beliebten Völkerschauen<br />

entstanden. Auf der Rückseite der Fotografie<br />

hat der junge Eduard von der Heydt<br />

den Namen und den Rang der Kriegerin<br />

festgehalten, was seinen Respekt gegenüber<br />

fremden Kulturen bezeugt. Er hat die<br />

Stammesangehörigen als Personen und<br />

nicht als Ausstellungsobjekte wahrgenommen.<br />

zweimal umbenannt, erst 1957 in „Eduard<br />

von der Heydt-Kulturpreis“, dann<br />

2007, in „Von der Heydt Kulturpreis<br />

der Stadt Wuppertal.“ Der Grund waren<br />

anhaltende Diskussionen um Vorwürfe<br />

wegen Verstrickungen des Barons während<br />

der Zeit des Nationalsozialismus.<br />

Trotz einer öffentlichen Veranstaltung, in<br />

deren Verlauf wissenschaftlich nachgewiesen<br />

werden konnte, dass von der Heydt<br />

allenfalls Opportunist war, kam es zur<br />

Umbenennung des Preises unter Verzicht<br />

auf den Vornamen des Mäzens. Eberhard<br />

Illner, der diese Veranstaltung 2006<br />

vorbereitet hat, ließen die offenen Fragen<br />

nicht ruhen.<br />

Mit dem vorliegenden Buch zieht der<br />

Herausgeber „Zwischenbilanz“: Er und<br />

sein Team sehen Eduard von der Heydt<br />

aus verschiedenen Perspektiven, jedoch<br />

stets vor dem Hintergrund der jeweiligen<br />

zeitgeschichtlichen Situationen. Zahlreiche<br />

sorgfältig recherchierte Quellen und<br />

Dokumente, die hier zum ersten Mal vorgestellt<br />

werden, ermöglichen dem Leser,<br />

sich selbst ein umfassendes Bild zu machen,<br />

und zwar, wie Illner ausdrücklich<br />

sagt, ohne Stellungnahme der Autoren<br />

und „ohne jene Zweifel zu unterschlagen,<br />

die aufgrund von Quellenlücken (...)<br />

wohl auch in Zukunft bleiben werden.“<br />

Diese Biografie ist auch deshalb ein Neu-<br />

Eduard von der Heydt bereit zum Feldeinsatz,<br />

vermutlich August 1914<br />

Von der Heydt war Rittmeiser des Ulanen-<br />

Regimentes in Potsdam und wurde 1915<br />

in Frankreich schwer verwundet. Seine<br />

Kameraden und das Kaiserpaar nannten<br />

ihn „Barönchen“, vermutlich wegen seiner<br />

Körpergröße.<br />

12


Eduard von der Heydt vor dem Bild<br />

„Stehender weiblicher Akt“ von Maria<br />

Blanchard, um 1935<br />

Heike Ising-Alms weist in ihrem Beitrag<br />

darauf hin, dass von der Heydt ein Faible<br />

für Frauenbildnisse hatte.<br />

ansatz, weil die spannende Verkettung von<br />

Kunstsammlung und deren Finanzierung<br />

während der Zeit des Nationalsozialismus<br />

aufgeschlüsselt wird. Dazu heiß es im Beitrag<br />

von Michael Wilde: „Die Verbindung<br />

von Kunst und Kapital, die Selbstinszenierung<br />

als Bankier und Sammler in einer<br />

Person, begründeten sein hohes Ansehen<br />

in der Kunstwelt, bei Museen, Galerien<br />

und in der Wissenschaft.“<br />

Eberhard Illner als Historiker und<br />

Archivar und Michael Wilde als Bankdirektor<br />

und Nationalökonom besorgen<br />

die Biografie und das geschäftliche<br />

Wirken des Bankiers von der Heydt vor<br />

dem politischen Hintergrund; Heike<br />

Ising-Alms, Kuratorin am Historischen<br />

Zentrum Wuppertal und Esther Tisa<br />

Francini als Provenienzforscherin am<br />

Museum Rietberg in Zürich widmen<br />

sich der europäischen und der außereuropäischen<br />

Kunstsammlung. Mit<br />

welchem Teil auch immer man die<br />

Lektüre beginnt – man ist unmittelbar<br />

gefesselt von der Persönlichkeit Eduard<br />

von der Heydts, einem Weltbürger, der<br />

ein Grenzgänger war zwischen verschiedenen<br />

gesellschaftlichen, politischen,<br />

religiösen, philosophischen und künstlerischen<br />

Disziplinen, der vier Epochen<br />

Zeitgeschichte durchlebt hat, als Bankier<br />

mehrfach neu beginnen musste und ein<br />

raffiniertes „Firmengeflecht“ entwickelte,<br />

um sein Lebenswerk zu verwirklichen:<br />

den Aufbau einer Kunstsammlung, die<br />

ihresgleichen sucht.<br />

Einige wenige Beispiele aus dem Buch<br />

mögen dies veranschaulichen.<br />

Zum Ethos des Großbürgertums, dem die<br />

Familie zugehörte, zitiert Eberhard Illner<br />

im ersten Kapitel aus der Gratulation des<br />

Vaters August von der Heydt anlässlich<br />

des 21. Geburtstages zur Volljährigkeit<br />

des Sohnes: „ (...) was ich als Freund<br />

von Dir erwarte, was Deine Familie von<br />

Dir fordert, an was Deine Ahnen Dich<br />

mahnen, weißt Du: Die Pflicht, die Ehre<br />

unseres Namens über alles zu stellen und<br />

das Erbteil Deines berühmten Namens<br />

unverkürzt Deinen Nachkommen zu<br />

hinterlassen, so weit Deine Energie und<br />

Dein Mut, Deine Arbeit vermag.“<br />

Für die Generation der patriarchalen<br />

Gründer ist bemerkenswert, dass der Vater<br />

dem erwachsenen Sohn als „Freund“<br />

gegenübertritt. Bemerkenswert ist auch,<br />

worin der Sohn das „Erbteil“ gesehen hat:<br />

Es ist, wie Eberhard Illner die Biografie<br />

abschließt, ein künstlerisches Vermächtnis<br />

für jedermann in Gestalt einer hochkarätigen<br />

Kunstsammlung, die von der Heydt<br />

durch Bankgeschäfte finanziert und mit<br />

allen Mitteln durch die Wirren schlimmster<br />

Zeiten zu retten versucht hat. Diese<br />

Sammlung war seine Lebensaufgabe und<br />

diente keineswegs nur der Selbstdarstellung.<br />

An den Leiter des Berliner Museums<br />

für Völkerkunde schreibt er 1926, es<br />

sei ihm eine besondere Freude „Ihnen die<br />

indischen Skulpturen meiner Sammlung<br />

als Leihgaben anvertrauen zu können.<br />

Diese Kunstwerke brauchen ein tragfähiges<br />

Podium, um möglichst wirken zu<br />

können und diese Wirkung scheint mir<br />

gerade in Deutschland doch notwendig<br />

zu sein. Ich denke dabei nicht nur an die<br />

ethnographische, sondern auch an die<br />

religiös-wissenschaftliche Weiterbildung<br />

des deutschen Volkes, und darum scheint<br />

mir, dass diese Kunstwerke bei Ihnen<br />

besser aufgehoben sind. Als wie im Haag,<br />

13


oder etwa gar in meinen Privaträumen.“<br />

Im dritten Kapitel „Die Stilisierung des<br />

Lebens – Eduard von der Heydt und<br />

seine Sammlung europäischer Kunst“,<br />

liefert Heike Ising-Alms Beispiele dafür,<br />

dass er als selbstbewusster Leihgeber<br />

recht unbequem sein konnte. An Ludwig<br />

Justi, den Leiter der Nationalgalerie<br />

Berlin, schreibt er 1927: „Ich bemerkte<br />

bei meinem Besuche in Ihrer schönen Galerie,<br />

dass einige meiner Ihnen geliehenen<br />

Werke nicht aufgehängt sind. (...) Ich<br />

wäre Ihnen nun dankbar, wenn Sie dies<br />

kurz mitteilten und die Bilder, auf die Sie<br />

als Leihgabe keinen Wert legen sollten, an<br />

meine Adresse nach dem Monte Verità,<br />

Ascona, Tessin, senden wollten.“ Ludwig<br />

Justi, den Eduard von der Heydt bei der<br />

Finanzierung seiner Ankäufe finanziell<br />

unterstütze, wurde 1933 des Amtes enthoben.<br />

Im selben Jahr begann der Baron,<br />

seine Leihgaben aus Deutschland in die<br />

Schweiz abzuziehen.<br />

Im vierten Kapitel „Ein Füllhorn<br />

künstlerischer Schätze – die Sammlung<br />

außereuropäischer Kunst“ zitiert Esther<br />

Eduard von der Heydt mit der Direktorin<br />

Elzy Leuzinger und dem Züricher<br />

Staatspräsidenten Emil Landolt (rechts)<br />

beim Rundgang durch die neue Afrika-<br />

Abteilung im Museum Rietberg, Oktober<br />

1957<br />

Ab 1933 hat Eduard von der Heydt seine<br />

afrikanischen und ozeanischen Leihgaben<br />

aus deutschen Museen entfernt.<br />

14


Eduard von der Heydt mit der Schriftstellerin,<br />

Malerin und Sammlerin Nel<br />

Walden auf der Terrasse der Casa Anatta,<br />

1928<br />

Nel Walden war die zweite Frau von<br />

Herwarth Walden, dem Galeristen des<br />

„Sturm“, mit dem sie von 1912-1924<br />

verheiratet war. Mit von der Heydt steht<br />

sie vor einem Khmer-Torso.<br />

Tisa Francini aus einem Schreiben des<br />

Barons aus dem Jahre 1933 an den Leiter<br />

des Museums für Kunst und Gewerbe<br />

Hamburg, Max Sauerland: „ Machen<br />

Sie sich keine Feinde um meine Neger;<br />

ich nehme die ganze Sammlung ohne<br />

Weiteres zurück, wenn Sie denken, diese<br />

Geschichte könnte Ihnen schaden.“ Am<br />

Beispiel dieser Quelle, auf die Francini<br />

nicht weiter eingeht, lässt sich besonders<br />

anschaulich zeigen, welche Fülle von Informationen<br />

sich beim Lesen des Werkes<br />

erschließen:<br />

„Meine Neger“ verweist auf die bedeutende<br />

Sammlung außereuropäischer Kunst,<br />

die von der Heydt ab 1920 mit Sachverstand<br />

und Pioniergeist aufgebaut hat. Die<br />

liebevolle Beziehung zu seinen Stücken<br />

wird ebenso deutlich wie eine gute Portion<br />

Selbstironie, die das Lesen zahlreicher<br />

Briefzitate zum Vergnügen macht. Die<br />

Formulierung „Machen Sie sich keine<br />

Feinde um meine Neger“ bezieht sich auf<br />

die von den Nazis als barbarisch diffamierte<br />

„Negerkunst“. „(...) ich nehme die<br />

ganze Sammlung ohne Weiteres zurück,<br />

wenn Sie denken, die Geschichte könnte<br />

Ihnen schaden“, zeigt zum einen das<br />

Wissen um die persönliche Gefährdung<br />

von Max Sauerland, der Jude war und<br />

wenig später emigrieren musste. Zugleich<br />

verweist diese Formulierung auf das<br />

umsichtige diplomatische Lavieren und<br />

Taktieren des Barons zur Absicherung der<br />

Sammlung vor den Nationalsozialisten<br />

und Kriegsverlusten.<br />

In seinen verschiedenen Domizilen lebte<br />

Eduard von der Heydt mit der Kunst.<br />

Nachdem er 1919 in Amsterdam eine<br />

Bank eröffnet hatte, ließ er sich ein Jahr<br />

später in Zandvoort unmittelbar am Meer<br />

einen Gebäudekomplex mit Restaurant,<br />

das MULURU, erbauen. Dort platzierte<br />

er die Kunstwerke konsequent nach deren<br />

ästhetischer Wirkung in Korrespondenz<br />

mit der Natur. Heike Ising-Alms zitiert<br />

den Fotografen Erich Salomon: „Trotz<br />

der Verschiedenheit der dort aufgestellten<br />

Stücke überkommt den Beschauer doch<br />

das Gefühl, dass jedes Stück nur dort<br />

stehen kann, wo es steht, (...) dass hier ein<br />

Sammler lebt, dem seine Sammlung der<br />

Sinn eines Lebens bedeutet (...).“ Auch<br />

dieser Besitz wurde im Krieg zerstört.<br />

1927 ließ sich von der Heydt in Berlin<br />

einen Bungalow im damals futuristischen<br />

Bauhausstil erbauen, den er mit modernsten<br />

Stahlrohrmöbeln von Marcel<br />

Breuer ausstattete. Die weiß gestrichenen<br />

leeren Räume – für den Zeitgeschmack<br />

avantgardistisch – ordneten sich den<br />

Kunstwerken vollkommen unter. Auf<br />

dem legendären Monte Verità in Ascona,<br />

den er 1926 als Vermögensanlage erwarb,<br />

errichtete der Baron ein Hotel, das zum<br />

Treffpunkt der Kulturelite Europas wurde<br />

und bis in die Gästezimmer mit Sammelstücken<br />

ausgestattet war. Selbst im Aufzug<br />

15


fand sich ein Picasso. Architekt war Emil<br />

Fahrenkamp, der den Wuppertalern nicht<br />

unbekannt sein dürfte.<br />

Die Sammlung ist unter anderem deshalb<br />

so einzigartig, weil von der Heydt, was das<br />

Kunstverständnis anbetraf, die Nase vorn<br />

hatte. Bereits während seiner Amerikaaufenthalte<br />

1905 und 1909 befasste er sich<br />

intensiv mit chinesischer Kunst und dem<br />

Buddhismus. Er war einer der ersten, der<br />

indische Kunstwerke erwarb und konnte<br />

häufig, weil er dem allgemeinen Trend voraus<br />

war, günstiger kaufen. Kein Wunder,<br />

dass zahlreiche Museen Begehrlichkeiten<br />

anmeldeten. Er besaß ein untrügliches Gespür<br />

für Qualität, kümmerte sich um die<br />

Präsentation in den beliehenen Museen,<br />

veröffentlichte in kunstwissenschaftlichen<br />

Zeitschriften und war allem Neuen gegenüber<br />

aufgeschlossen. Heike Ising-Alms<br />

stellt in ihrem Beitrag klar, dass Eduard<br />

von der Heydt, an die Sammlung seiner<br />

Eltern anknüpfend, die Avantgarde seiner<br />

Zeit sammelte und damit die Pluralität<br />

der Gesellschaft der Weimarer Republik<br />

spiegelte. Bezeichnend für die weitgefächerten<br />

Interessen des Barons war der<br />

Erwerb eines Konvoluts von Fastnachtsmasken<br />

aus der Schweiz. Seine Sammlung<br />

war Weltkunst, ‚ars una’ in dem Sinne,<br />

wie es auch „Der Blaue Reiter“ in seinem<br />

Almanach 1912 postuliert hat: Alles kann<br />

Kunst sein, es gibt keine Hierarchien.<br />

Eduard von der Heydt hat sich übrigens<br />

nie von einem Künstler malen lassen. Es<br />

gibt lediglich eine Porträtbüste aus Goldbronze<br />

von dem Schweizerischen Künstler<br />

Otto Charles Benninger von 1953.<br />

Im zweiten Kapitel „Der Bankier von der<br />

Heydt“, analysiert Michael Wilde die Verflechtung<br />

von Politik, Finanzpolitik und<br />

Kunstsammlung: 1946 hatte der Baron<br />

die auf über 2560 Stücke angewachsene<br />

Sammlung auf 69 verschiedene Orte im<br />

In- und Ausland verteilt. Das gelang ihm<br />

durch eine geschickte Vernetzung seiner<br />

zahlreich gegründeten Banken und Firmen<br />

und eine gekonnte Leihgabenpolitik,<br />

denn seine Kunstwerke waren wegen ihrer<br />

herausragenden Qualität von den Museen<br />

überaus begehrt.<br />

Verglichen mit den Erfolgen des Barons<br />

als Kunstsammler, war seine berufliche<br />

Laufbahn von zahlreichen Tiefschlägen<br />

gezeichnet. Der Beginn der erfolgversprechenden<br />

Karriere als Bankier in London<br />

1910 endete mit der Liquidierung der<br />

Bank und des gesamten dort eingelagerten<br />

Vermögens durch die Engländer während<br />

des Ersten Weltkrieges. Von der Heydt<br />

wäre möglicherweise Diplomat oder<br />

Politiker geworden, zumindest gewinnt<br />

man den Eindruck, dass er gern Einfluss<br />

genommen hätte. Nach seiner schweren<br />

Verwundung im Frankreichfeldzug<br />

schrieb er aus Den Haag hochqualifizierte<br />

Presseberichte für den Auswärtigen Dienst<br />

und wurde wegen seiner Ablehnung des<br />

totalen U-Bootkrieges 1919 entlassen. Mit<br />

der Machtübernahme Hitlers erhoffte sich<br />

von der Heydt vielleicht, auf die Reinthronisierung<br />

des Kaisers einwirken zu<br />

können. 1933 ist er der NSDAP beigetreten,<br />

erkannte dies jedoch wenig später als<br />

Fehler. 1937, nach Erhalt der Schweizer<br />

Staatsbürgerschaft, wurde der Baron als<br />

Devisen schiebender Reichsfeind und<br />

wegen Kontakten zu Juden von der<br />

Partei ausgeschlossen. Mit dem Transfer<br />

von Geldern für das Auswärtige Amt<br />

über seine Banken in Amsterdamer und<br />

Locarno während des Zweiten Weltkrieges<br />

hatte sich von der Heydt möglicherweise<br />

erneut, wenngleich indirekt und von ihm<br />

abgestritten, politisch betätigt, weshalb<br />

ihm in der Schweiz der Prozess gemacht<br />

wurde. Dieser endete mit einem Freispruch.<br />

Um diese komplizierten politischen und<br />

persönlichen Verhältnisse aufzuschlüsseln,<br />

haben die Autoren weitgehend auf Sekundärliteratur<br />

verzichtet und stattdessen<br />

akribisch die Archive durchforstet, soweit<br />

sie ihnen zugänglich waren. Dabei sind<br />

zahlreiche Legenden als solche entlarvt<br />

worden, und es entsteht das Bild einer<br />

von Vielseitigkeit, Klugheit, Sachverstand<br />

und Humor geprägten Persönlichkeit<br />

mit gewissen Grauzonen. Diese Facetten<br />

spiegeln sich im Buch durch eine Fülle<br />

von teilweise bisher unveröffentlichten<br />

Fotografien. Gleich im Vorwort sieht man<br />

Eduard von der Heydt in weißen Shorts<br />

im Schneidersitz als „Buddha vom Monte<br />

Verità“. Der Baron wusste sich mittels der<br />

Fotografie auf vielfältige und oft ironisch<br />

- witzige Weise selbst zu inszenieren, auch<br />

zusammen mit seinen Kunstwerken. Dem<br />

trägt das Buch auch von der liebevollen<br />

Ausstattung her Rechnung, indem z. B.<br />

auf den Vorsatzblättern Mitgliederausweise<br />

des Barons von zahlreichen Kunst- und<br />

Museumsvereinen sowie Einträge in das<br />

Gästebuch des Monte Verità zu sehen<br />

sind. Neben dem Gästeverzeichnis findet<br />

sich eine Chronik der zeitlich parallelen<br />

Ereignisse. Auf umsichtig gestalteten<br />

Sonderseiten werden zahlreiche Dokumente<br />

und Kunstwerke vorgestellt und<br />

kommentiert.<br />

Nicht nur für Wuppertaler Bürger ist<br />

dieses Buch eine Fundgrube. Authentischer<br />

und spannender kann Kulturgeschichte<br />

nicht vermittelt werden. Die<br />

Autoren liefern auch ein Lehrstück dafür,<br />

wie lebendig Wissenschaft dargeboten<br />

werden kann. Das Leben Eduard von der<br />

Heydts ist ein dichtes, hochdramatisches<br />

Stück Zeitgeschichte der ersten Hälfte<br />

des Zwanzigsten Jahrhunderts, das auch<br />

nachdenklich macht: Trotz zahlreicher<br />

Quellen und Zeitzeugnisse hat der Baron<br />

erfolgreich dafür Sorge getragen, dass seine<br />

eigentliche Persönlichkeit im Verborgenen<br />

bleibt. Und einmal mehr stellt sich die<br />

Frage, wie man selbst unter dem Druck<br />

eines verbrecherischen Regimes in ausweglosen<br />

Situationen gehandelt hätte, in der<br />

Verantwortung für sich selbst und andere,<br />

eine Familie und ein Lebenswerk.<br />

Marlene Baum<br />

Fotos: aus dem vorgestellten Buch<br />

Eduard von der Heydt<br />

Kunstsammler, Bankier, Mäzen<br />

Eberhard Illner (Hrsg.)<br />

Michael Wilde, Heike Ising-Alms, Esther<br />

Tisa Francini. 280 Seiten mit 210 Abbildungen,<br />

davon 40 in Farbe<br />

Prestel Verlag München 2013<br />

ISBN 978-3-7913-4204-7<br />

49,95 Euro<br />

Angeregt durch die Forschungsergebnisse<br />

des Buches finden zwei Ausstellungen<br />

statt:<br />

Von Buddha bis Picasso. Der Sammler<br />

Eduard von der Heydt. Rietberg Museum<br />

Zürich (20. 4. 2013 – 18. 8. 2013)<br />

und Von der Heydt-Museum Wuppertal<br />

(13. 10. 2015 – 28. 2. 2016)<br />

16


Die neue Schauspiel-Intendantin<br />

Susanne Abbrederis<br />

Regie ist nicht ihr Ding –<br />

Theatermachen für Zuschauer<br />

Susanne Abbrederis in Wuppertal<br />

Foto: Andreas Fischer<br />

Sie wuppen das<br />

Es gibt im Leben von Journalisten immer<br />

wieder Ereignisse, die über den Status des<br />

Flüchtigen und Oberflächlichen hinausgehen.<br />

Und es gibt sogar Ereignisse, die<br />

vergisst man so schnell nicht. Wie dieses:<br />

da hockten am frühen Abend des 12. April<br />

2013 etliche Medienvertreter auf den<br />

Stühlen im Kronleuchter-Foyer des Wuppertaler<br />

Opernhauses und warteten darauf,<br />

wer ihnen denn nun als neue Wuppertaler<br />

Schauspiel-Intendantin präsentiert werden<br />

würde. Ein paar Tage zuvor hatte Oberbürgermeister<br />

Peter Jung den damals leicht<br />

verwirrten Berichterstattern verkündet, es<br />

würde auf jeden Fall eine Frau. Für 17.30<br />

Uhr hatte die Stadt zur Pressekonferenz geladen,<br />

doch erst um kurz vor 18 Uhr bogen<br />

Peter Jung, der Kultur-Ausschussvorsitzende<br />

Rolf Köster und die offensichtlich Auserkorene<br />

schnellen Schrittes um die Ecke.<br />

Als der Oberbürgermeister den Namen<br />

Susanne Abbrederis nannte, wusste damit<br />

keine und keiner der Medienvertreter etwas<br />

anzufangen. Als Jung von einem „gewinnenden<br />

Menschen“ sprach, wurde man<br />

sehr aufmerksam und schon die ersten Sätze<br />

der Dame bestätigten den Eindruck, den<br />

das Kultur-affine, aber – oder deshalb –<br />

nicht unumstrittene und längst auch offen<br />

kritisierte Stadtoberhaupt gewonnen hatte.<br />

Am Ende hatte sich Susanne Abbrederis<br />

gegen 49 andere Bewerber durchgesetzt. Im<br />

„Stechen“ dann gegen eine andere Frau,<br />

die offenbar jünger war als die 1953 in<br />

Bregenz am Bodensee geborene Theaterwissenschaftlerin<br />

und Chefdramaturgin am<br />

1889 von Wiener Bürgern gegründeten<br />

Volkstheater in der Neustiftgasse. Nach<br />

neun Spielzeiten in dem mit Kulturangeboten<br />

reich gesegneten Wien nun also<br />

Wuppertal. Es war wirklich gewinnend,<br />

als sie charmant schilderte, warum sie sich<br />

überhaupt bewarb und wie sie Wuppertal<br />

während ihrer 13 Spielzeiten in Essen kennenlernte.<br />

Es war die Zeit des Wuppertaler<br />

Intendanten Holk Feytag, es gab Kontakte<br />

zu Pina Bausch und immerhin konnte sich<br />

Susanne Abbrederis an das Café du Kongo<br />

im Luisenviertel erinnern. Vor allem aber<br />

ist Susanne Abbrederis mit der nüchternen<br />

Wahrheit der tatsächlich vorhandenen<br />

Möglichkeiten von der Donau an die<br />

Wupper gelockt worden. Deshalb werden<br />

der sechs Jahre am Nationaltheater in<br />

Mannheim, fünf Jahre am Staatstheater in<br />

Stuttgart und zuvor am Landestheater in<br />

17


Tübingen tätigen Absolventin der Universität<br />

Wien und des Queens College in New<br />

York die Überschriften nach ihrer Berufung<br />

in der FAZ („Kleintheater“) oder in<br />

der Süddeutschen („Wuppertal kürt seine<br />

Spar-Intendantin“) nur marginal getroffen<br />

haben. Die Situation ist auch völlig anders<br />

als in der Phase der Berufung von Christian<br />

von Treskow, dem bis Ende der Spielzeit<br />

2013/2014 tätigen Intendanten.<br />

Der vom Wohnsitz in Aachen nach<br />

Wuppertal ziehende Regisseur hat damals<br />

von vielen Wuppertaler Theater-<br />

Interessierten sehr wohl vernommen, das<br />

Schauspielhaus würde mit großer Sicherheit<br />

geschlossen. Zu den Überbringern dieser<br />

Nachricht zählte (auf dem Parkplatz des<br />

Schauspielhauses) auch der Verfasser dieses<br />

Textes. Was der Oberbürgermeister ihm<br />

dann später unter vier Augen gesagt hat,<br />

dass wissen nur diese beiden Herren. Aber<br />

von Susanne Abbrederis und Christian von<br />

Treskow wird in diesem Text später noch<br />

die Rede sein.<br />

Schaut man auf das Geburtsjahr<br />

von Susanne Abbrederis, dann liegen die<br />

Motive für gerade diesen Wechsel doch<br />

auf der Hand: sie wird Intendantin nach<br />

vielen Jahren in Tübingen, Mannheim,<br />

Essen, Stuttgart und Wien in sicherlich<br />

spannenden Bereichen. Aber eben nie als<br />

Intendantin. Sie wird diese neue Rollenspiel<br />

zielorientiert übernehmen: „Regie ist<br />

nicht mein Ding. Dabei habe ich mich<br />

auch schon verhoben,“ berichtete sie und<br />

Das imposante Wiener Volkstheater, noch<br />

der Arbeitsplatz von Susanne Abbrederis<br />

bediente Peter Jung mit einem Traumpass:<br />

„Da fehlt man ja für andere Arbeiten immer<br />

länger“. Und jeder wusste, wen Peter Jung<br />

damit meinte: Christian von Treskow, den<br />

fähigen, phantasievollen und auch mutigen<br />

Regisseur, den sein Vorgänger Gerd Leo<br />

Kuck schließlich als Intendanten empfohlen<br />

hat. Susanne Abbrederis punktete weiter<br />

mächtig auf den Blöcken der Damen und<br />

Herren im Rund des Kronleuchter-Foyers:<br />

„Die kleine Spielstätte soll ein vitaler, neuer<br />

Ort der Stadt werden.“ Und sie ergänzte<br />

es perfekt: “Ich neige dazu, für Zuschauer<br />

zu arbeiten.“ Wenn ihr das gelingt, würde<br />

sich Susanne Abbrederis nicht nur wohltuend,<br />

sondern markant von Künstlern<br />

vieler Bereiche, aber auch von Journalisten<br />

abheben, die bei der Planung ihrer<br />

Arbeit vor allem um die Anerkennung von<br />

Kollegen und Experten buhlen. Puristen<br />

unter sich. Susanne Abbrederis wird<br />

am Wiener Volkstheater (immerhin die<br />

zweitgrößte Bühne des Landes) ihre Arbeit<br />

zu Ende bringen. Dann folgt der Umzug<br />

nach Wuppertal. Ohne Familie, einfach so.<br />

Macht es auch leichter. Ein bisschen Wien<br />

begegnete ihr noch bei einer Kaffepause im<br />

Cafe des Barmer Bahnhofs gegenüber dem<br />

Opernhaus. Sie wunderte sich, warum dort<br />

Bilder, Bücher und CDs des Opernsängers<br />

Kurt Rydl zu sehen sind. Sie wurde darüber<br />

aufgeklärt, dass dem weltreisenden Bass und<br />

Schwager des Cafe-und Buchhandlungsbetreibers<br />

Thomas Leipoldt der Barmer<br />

Bahnhof gehört. Was sie amüsierte. Sie hat<br />

auch erzählt, was ihr Chef am Volkstheater<br />

zur Wuppertaler Bewerbung gesagt hat: „Sie<br />

wuppen das…“<br />

Im Grunde befindet sich die „Spar-<br />

Intendantin“ Susanne Abbrederis am<br />

„Kleintheater Wuppertal“ in einer komfortablen<br />

Lage. Trotz der knappen Kasse und<br />

dem Wegfall des großen Schauspielhauses<br />

wird man sie aufgrund ihrer gewinnenden<br />

Art in dieser oft so knöttrigen Stadt freudig<br />

aufnehmen. Immer mit dem bedeutenden<br />

Satz des großen Heinrich Böll bei der Eröffnung<br />

des Schauspielhauses im Jahre 1966<br />

im Hinterkopf: „Wuppertal schminkt sich<br />

nicht.“<br />

Völlig ungeschminkt ging dann am<br />

Ende der Präsentation von Susanne Abbrederis<br />

eine Szene über die Bühne, mit der<br />

niemand vorher rechnete. Die neue Intendantin<br />

war noch im Gespräch mit Andreas<br />

Boller von der WZ und dem Schreiber<br />

dieser Zeilen, als plötzlich Christian von<br />

Treskow die Treppe zum Kronleuchter-<br />

Foyer herunterschritt. Ein Ausweichen war<br />

ausgeschlossen, aber auch nicht gewollt. So<br />

also lernte er seine Nachfolgerin kennen.<br />

Man ging sehr nett miteinander um,<br />

verabredete sich zu späteren Gesprächen<br />

und der interessierte Betrachter wird<br />

diesen Moment so schnell nicht vergessen.<br />

Möglicherweise Susanne Abbrederis und<br />

Christian von Treskow auch nicht.<br />

Klaus Göntzsche<br />

18


Premiere am 13. April 2013<br />

Jules Massenet<br />

Don Quichotte<br />

Heroische Komödie in fünf Akten<br />

Dichtung von Henri Caine nach dem<br />

Schauspiel Le chevalier de la longue figure<br />

Von Jacques le Lorrain nach Miguel de<br />

Cervantes Saavedra<br />

Musikalische Leitung:<br />

Tobias Deutschmann<br />

Inszenierung:<br />

Jakob Peters-Messer<br />

Bühne und Kostüme:<br />

Markus Meyer<br />

Fotos:<br />

Uwe Stratmann<br />

Weitere Aufführungen:<br />

2. 6.; 9. 6.; 14. 6.; 20. 6.; 30. 6.<br />

Mitte: Joslyn Rechter<br />

vorne: John In Eichen und der Chor der<br />

Wuppertaler Bühnen<br />

Don Quichotte in Wuppertal<br />

Die letzte Oper von Jules Massenet wird<br />

selten aufgeführt. Das ist schade, denn<br />

sie bietet eine interessante Geschichte<br />

und herrliche Musik. Dabei war sie bei<br />

ihrer Uraufführung 1910 ein rauschender<br />

Erfolg. Nicht endenden Beifall und viele<br />

Bravo-Rufe gab es jetzt wieder im Wuppertaler<br />

Opernhaus, weil alle Beteiligten<br />

ihr Bestes gaben: Sängerdarsteller, Chor,<br />

Orchester und Regieteam, das sorgfältig<br />

und nachvollziehbar gearbeitet hat.<br />

Wie Verdi seinen „Falstaff“, schrieb<br />

Massenet, reich und berühmt geworden,<br />

seinen „Don Quichotte“ 68jährig aus<br />

eigenem Antrieb, vielleicht als Quintessenz<br />

seines Lebens. In einer Zeit, in der Richard<br />

Strauss seine avanciertesten Werke schrieb<br />

und Schoenberg sich von der Tonalität<br />

ganz verabschiedete, komponiert Massenet<br />

(spät)romantisch; harte Dissonanzen fehlen<br />

ebenso wie impressionistische Harmonik,<br />

gelegentlich wird spanisches Lokalkolorit<br />

bemüht. Viele Melodien bleiben im Ohr,<br />

Personen, Situationen, Konflikte werden<br />

aber in sehr charakteristischer Weise<br />

musikalisch dargestellt. Das Vergnügen<br />

beim Hören liegt auch daran, dass der<br />

Komponist Leitmotive verwendet, wenn<br />

auch viel freier als Wagner. So hören wir<br />

z.B. das Ständchen Quichottes an Dulcinée<br />

im 1. Akt zum ersten Mal, es wird dort<br />

aber ständig durch einen eifersüchtigen<br />

Liebhaber Dulcinées unterbrochen. Ohne<br />

Unterbrechung und zauberhaft von einer<br />

Klarinette gespielt, taucht es als Vorspiel<br />

des 3. Aktes wieder auf (hier hätte man<br />

den Namen des Klarinettisten durchaus<br />

im Programm nennen können, ebenso wie<br />

den des Cellisten im wunderbaren Vorspiel<br />

zum 5. Akt). Im selben Akt erscheint es<br />

dann im Orchester noch einmal, wenn<br />

Don Quichotte träumt, kurz vor Ankunft<br />

der Räuber.<br />

Massenet konnte es sich auch leisten, eine<br />

ganz seltene Besetzung zu wählen: Beide<br />

Hauptpersonen sind Bässe, Dulcinée ist ein<br />

Mezzosopran. Das Wuppertaler Ensemble<br />

konnte diese drei Hauptpersonen aus eigenen<br />

Kräften besetzten. Die beiden Bässe,<br />

John In Eichen als Don Quichotte und<br />

Martin Ohu als Sancho Pansa, waren als<br />

Sänger und Darsteller hervorragend, Joslyn<br />

Rechter als Dulcinée stellte die Schwierigkeiten<br />

einer Edelhure in der midlife-crisis,<br />

19


20<br />

links Martin Js. Ohu, rechts John In Eichen


die als einzige den idealistischen Ritter<br />

versteht, aber nicht aus ihrer Haut kann,<br />

sängerisch und darstellerisch überzeugend<br />

dar. Auch die übrigen Solisten und der<br />

Chor sangen und spielten ohne Fehl und<br />

Tadel; besonders gut gefallen hat mir der<br />

Männerchor im Räuberakt.<br />

Ebenso zu loben ist das Orchester unter<br />

der Leitung von Tobias Deutschmann.<br />

Offensichtlich machte es allen Orchestermitgliedern<br />

großes Vergnügen, eine Musik<br />

etwas abseits des mainstreams zu spielen,<br />

was sich in erhöhter Qualität auszahlte.<br />

Das Stück enthält einige unerwartete<br />

Wendungen, die von der Regie (Jakob<br />

Peters-Messer) „erklärt“ werden müssen.<br />

Das gelang ganz hervorragend. Dem<br />

Stück vorangestellt ist eine Szene, in der<br />

Don Quichotte in einer Badewanne voller<br />

Bücher und vollgeschriebenem Papier liegt<br />

und liest, während ein passendes Zitat aus<br />

dem Roman von Cervantes gesprochen<br />

wird und spanische Gitarrenmusik erklingt.<br />

Gleichzeitig ist der Blick frei auf das<br />

geschickte Bühnenbild (Markus Meyer)<br />

mit vielen Türen, durch die die Perspektiven<br />

wechseln können und die überraschende<br />

Auftrittsmöglichkeiten bieten. Oben<br />

hängt eine Uhr, der ein Viertel fehlt (Dali!),<br />

rechts oben schützt ein aufgespannter Regenschirm<br />

die bescheidene Behausung vor<br />

Regen, genau wie im „Armen Poeten“ von<br />

Spitzweg. Offensichtlich ist: Alles spielt<br />

sich in Don Quichottes Fantasie ab.<br />

Dann erst folgt der 1. Akt mit der Huldigung<br />

Dulcinées (die, wie oben schon<br />

angedeutet, keine dicke und dumme<br />

Wirtsmagd ist, sondern eine Edelprostituierte),<br />

dem Einzug des Idealistenduos,<br />

Abgang Sancho Pansas in die Kneipe (zweimal<br />

durch die Drehtür, sehr gut gemacht!)<br />

und dem Ständchen Don Quichottes an<br />

Dulcinée, der von ihrer Profession nichts<br />

ahnt oder nichts wissen will. Interessanterweise<br />

lehnt diese den „langen Ritter“<br />

aber nicht vollständig ab, sondern schickt<br />

ihn weg: sie könne ihn erst erhören, wenn<br />

er ihr das von Räubern geraubte Diadem<br />

wiederbrächte.<br />

Bevor die beiden Protagonisten von den<br />

Windmühlen (von oben kommende Propeller)<br />

geschlagen werden, ist ein Lied von<br />

Sancho Pansa zu hören, das alle Frauen,<br />

egal wie sie aussehen und woher sie kommen,<br />

verflucht und sich zu der Behauptung<br />

versteigt, alle Ehemänner seien „Heilige“.<br />

v.l.n.r. John In Eichen, Martin Js. Ohu<br />

Chor d.Wuppertaler Bühnen, Boris Leisenheimer, Miljan Milovic, Joslyn Rechter, John In Eichen<br />

Javier Zapata Vera und Joslyn Rechter / Chor der Wuppertaler Bühnen<br />

21


v.l.n.r.: Chor der Wuppertaler Bühnen / Annika Boos, Boris Leisenheimer, Miljan Milovic, Joslyn Rechter, Miriam Ritter<br />

Dieses Lied ist eine der vielen Anspielungen,<br />

die im Stück verborgen sind. Man<br />

kann es nämlich durchaus verstehen als ein<br />

Gegenstück zur Leporello-Arie in „Don<br />

Giovanni“, ebenso wie das Ständchen Don<br />

Quichottes eine Anspielung auf das von<br />

Don Giovanni ist, genauso voll von Wohlklang,<br />

aber doch ganz anders und auf ganz<br />

eigene Weise komponiert. Die Wanderungen<br />

der beiden in der weiten Ebene werden<br />

sehr geschickt dargestellt durch das Laufen<br />

Sancho Pansas, dessen Esel nur durch<br />

eine Eselsmaske vergegenwärtigt wird, der<br />

immer um Don Quichotte auf Rosinante<br />

im Kreis herumläuft (Rosinante ist eine<br />

Leiter, die sogar gelegentlich gestreichelt<br />

wird); dazu kommt eine Bildprojektion mit<br />

einem Blick von unten auf Bäume.<br />

Von der Regie besonders deutlich gemacht<br />

wird im 3. Akt, wie die Phantasie Don<br />

Quichottes die Handlung steuert. Die<br />

Räuber, die Don Quichotte sucht und die<br />

ihn dann überfallen, erscheinen alle auf<br />

Papier liegend, als Produkte der schriftstellerischen<br />

Fantasie also. Anders als im<br />

wirklichen Leben, wo sie den armen Ritter<br />

ohne großes Federlesen ermordet hätten,<br />

werden sie bei Don Quichottes letztem Gebet<br />

weich, geben ihm sogar den Schmuck<br />

zurück und entzünden um ihn einen Kreis<br />

von Kerzen. Sie wirken dabei nicht mehr<br />

wie Räuber, sondern wie Mönche oder<br />

gar Gralsritter (wieder eine Anspielung).<br />

Das Surreale dieser Handlung wird noch<br />

betont durch das Naturbild am Anfang des<br />

Aktes, eine Meerlandschaft mit Gebirge,<br />

in der aber unübersehbar die Uhr und der<br />

Regenschirm hängen. Das wirkt wie ein<br />

Bild von Dalí!<br />

Im 4. Akt findet bei Dulcinée ein Fest statt<br />

(der Text des Chores, komplett, auch die<br />

Frauen, gleichförmig als Toreros gekleidet,<br />

erinnert an „La Traviata“), aber die Dame<br />

ist melancholisch und düster gestimmt<br />

und denkt, durch Totenköpfe versinnbildlicht,<br />

an Alter und Ende. Sie ist ungeheuer<br />

beeindruckt, als Don Quichotte ihr das<br />

gestohlene Diadem zurückbringt, ebenso<br />

die Festgesellschaft, die den langen Ritter<br />

schon lächerlich machen wollte. Den Heiratsantrag<br />

Don Quichottes lehnt sie aber<br />

ab – und das trifft ihn, der den ständigen<br />

Spott seiner Umgebung ertragen oder ihn<br />

gar nicht gemerkt hat, so tief, dass seine<br />

Lebensgeister zu erlöschen beginnen. In<br />

diesem Moment ändert sich auch die Projektion:<br />

Wo vorher ein prächtiger Ballsaal<br />

war, erscheint jetzt plötzlich eine hässliche<br />

Wand mit abblätternder Tapete. Kann<br />

es sein, dass sich hier die Fantasie nicht<br />

durchsetzen kann, der Einbruch der Wirklichkeit<br />

zu brutal ist? Jedenfalls zeigt Don<br />

Quichottes Zusammenbruch Wirkung: Bei<br />

Dulcinée, die sich erst höhnisch lachend<br />

wieder in ihre Festgesellschaft zurückziehen<br />

will, schlägt das Lachen urplötzlich in<br />

Weinen um, und Sancho Pansa, der bisher<br />

zwischen Verachtung und Wohlwollen<br />

schwankte, Hauptsache er konnte abends<br />

in die Kneipe gehen, verteidigt seinen<br />

Meister mit einer flammenden Rede und<br />

vergleicht ihn, seinen Idealismus lobend,<br />

sogar mit Jesus.<br />

Obwohl Don Quichotte dann stirbt,<br />

wieder in seinem Zimmer, endet der 5. Akt<br />

nicht traurig, sondern eher versöhnlich. Es<br />

scheint so, als habe der „irrende Ritter“ in<br />

die Fantasiewelt zurückgefunden, aber die<br />

Verbindung zur Realität trotzdem nicht<br />

verloren. Dulcinée erscheint ihm noch einmal,<br />

in der Vorstellung und auf der Bühne<br />

sogar tatsächlich, Sancho Pansa bleibt bei<br />

ihm, seine Botschaft ist verstanden und<br />

wird weitergegeben.<br />

Fritz Gerwinn<br />

22


Ein Besuch<br />

in der Kostümabteilung der<br />

Wuppertaler Bühnen<br />

Elisabeth von Blumenthal fertigt ihre<br />

Schnitte auf alten Plakaten<br />

Der Stoff, aus dem die Träume sind<br />

Vor etwa vierzig Jahren hatte ich das<br />

Glück, als Volontärin alle künstlerischtechnischen<br />

Abteilungen der Wuppertaler<br />

Bühnen durchlaufen zu dürfen. Besonders<br />

beeindruckt war ich damals von der<br />

Schneiderei! Die Herren in grauen Kitteln,<br />

die Damen in bunten Kittelschürzen<br />

vor ihren Nähmaschinen – dieser scheinbar<br />

trostlose Anblick stand in keinem<br />

Verhältnis zu der besonderen Atmosphäre<br />

und den wunderbaren Arbeitsergebnissen.<br />

In einem Durchgang zwischen Herrenund<br />

Damenschneiderei hatte die Putzmacherin<br />

ihren Arbeitsplatz, sie fertigte<br />

perlenbestickte Diademe für das Corps<br />

de Ballett, während meine Nähmaschine<br />

und ich unter unendlichen Wolken von<br />

weißem Tüll für Tutus verschwanden. Die<br />

Schneiderinnen nähten blaue Paspeln auf<br />

weiße Röcke, und selbstverständlich war<br />

der Oberfaden blau eingefädelt, während<br />

die Spule weißes Garn trug. Dieses hohe<br />

Berufsethos hat mich ungeheuer beeindruckt!<br />

Beeindruckt hat mich auch der Kostümfundus,<br />

damals unter dem Dach, in seiner<br />

Schall verschluckenden Totenstille, den<br />

Sonnenstrahlen auf leicht vergilbenden<br />

Spitzen, Volants, Brokaten und Besätzen<br />

– welche Triumphe, Träume und auch<br />

Ängste mögen in diese Kleider hineingeatmet<br />

worden sein!<br />

Und noch etwas habe ich gelernt: Auch,<br />

wenn man weiß, mit welchen Tricks die<br />

Illusionen auf der Bühne entstehen, der<br />

Zauber bleibt erhalten, jedes Mal ist es<br />

neu und aufregend.<br />

Jahre später war ich ab und an in der<br />

Schneiderei, um aus großen Kisten Stoffreste<br />

für meine Schüler zu sammeln, Stoffe,<br />

die im normalen Leben nie vorkommen,<br />

und durch die Kinder zu phantastischen<br />

Kunstwerken inspiriert wurden.<br />

Heute kehre ich zurück, um noch einmal<br />

etwas von dem Zauber zu erleben: Er ist<br />

ungebrochen, auch, wenn heutzutage niemand<br />

mehr Tutus näht und Kittel trägt,<br />

aber man weiß sofort: Hier ist der Ort, an<br />

dem Stoffe verarbeitet werden, aus denen<br />

die Träume sind.<br />

Elisabeth von Blumenthal und Petra<br />

Leidner sind Abteilungsleiterinnen der<br />

Kostümwerkstätten und damit auch für<br />

23


den Etat verantwortlich. „Ich habe den<br />

schönsten Beruf der Welt,“ ist das erste,<br />

was Elisabeth von Blumenthal sagt, bevor<br />

sie das Wesen eines Theaterkostüms und<br />

seinen Werdegang vorstellt:<br />

Natürlich ist das Arbeitsethos ganz<br />

wichtig und selbstverständlich, denn „alle<br />

Kostüme werden wie Maßarbeit behandelt,<br />

egal, ob es Neuanfertigungen sind,<br />

Teile aus dem Fundus oder ein Anzug<br />

von C&A. Sowohl die Darsteller als<br />

auch das Publikum spüren sofort, ob ein<br />

Kleidungsstück mit Liebe und Sorgfalt<br />

gearbeitet ist oder nicht. Das Kostüm soll<br />

den Schauspieler in seiner Rolle unterstützen,<br />

ja, es charakterisiert ihn schon, bevor<br />

er zu sprechen und zu agieren beginnt.<br />

Steckt man jemanden in ein Kostüm, ist<br />

er sofort ein anderer.“ Es ist also noch<br />

immer wie im Märchen von des Kaisers<br />

neuen Kleidern.<br />

Frau Droste ist Meisterin und verantwortlich<br />

für die Auszubildenden. Auch für sie<br />

steht die Freude an der Arbeit an erster<br />

Stelle, „an dem, was unsere Hände schaffen.<br />

Unser Ziel ist das fertige Kostüm, das<br />

seinen Bühnenzweck erfüllt, auch, wenn<br />

es uns einmal nicht gefällt. Wir machen<br />

Haute Couture ebenso wie Lumpen, wir<br />

dürfen uns für nichts zu schade sein, und<br />

das ist gerade das Spannende.“ Soeben hat<br />

sie diese Gratwanderung geschafft: Ein<br />

Overall soll alt und schmuddelig aussehen<br />

und trotzdem so sauber sein, dass der<br />

Darsteller sich darin wohl fühlt. Stolz<br />

weist sie darauf hin, dass junge Schneiderinnen<br />

und Schneider, die an den Wuppertaler<br />

Bühnen ausgebildet wurden, an<br />

anderen Theatern besonders gefragt sind.<br />

Zurück zum Werdegang eines Kostüms<br />

von der Figurine bis in den Fundus:<br />

Der Weg vom Konzept zur Aufführung<br />

ist lang, er kann sich über ein ganzes<br />

Jahr erstrecken. Nach intensiven Vorgesprächen<br />

mit dem Regisseur und dem<br />

Bühnenbildner über das Konzept der<br />

Aufführung liefert der Kostümbildner<br />

seine Entwürfe, die Figurinen, in der<br />

24


Kostümabteilung ab. Je nach Anzahl und<br />

Art der benötigten Kleidungsstücke heißt<br />

es, den Fundus inspizieren, kaufen oder<br />

anfertigen. Jedes Kostüm muss historisch<br />

korrekt sein, dazu wird sorgfältig<br />

recherchiert. So sollen in dem Musical<br />

„Evita“ deren Liebhaber Schlafanzüge<br />

in den Farben der argentinischen Flagge<br />

tragen – sogar mit kleinen Sonnen auf<br />

den Brusttaschen!<br />

Der Arbeitsaufwand für ein Stück kann<br />

gewaltig sein, etwa wenn über 100 Darsteller<br />

auf der Bühne stehen mit Chorgästen<br />

und Kindern, und jeder verschiedene<br />

Kostüme samt Accessoires für mehrere<br />

Szenen benötigt.<br />

Wie viel Freiheit die Gewandmeisterinnen<br />

im Detail haben, hängt von den<br />

jeweiligen Kostümbildnern ab – Elisabeth<br />

von Blumenthal empfindet es immer<br />

als „Beglückung, für einen besonderen<br />

Kostümbildner arbeiten zu dürfen.“ Das<br />

ergänzt sich mit einer Bemerkung der<br />

Schneidermeisterin Frau Droste: „Es<br />

macht Freude, jemandem in die Hand zu<br />

arbeiten.“<br />

Spannend wird es bei der ersten Hauptprobe,<br />

wenn die Darsteller zum ersten<br />

Mal im Originalkostüm auftreten.<br />

Zuweilen gibt es dann Probleme: Der<br />

Regisseur hatte neue Einfälle, es fehlt<br />

z.B. eine Tasche für ein Requisit, oder ein<br />

Schauspieler hat während der Proben zuoder<br />

abgenommen. Alle Kostüme sind<br />

ohnehin für den Fall von Umbesetzungen<br />

auf leichte Änderbarkeit gefertigt. Oder es<br />

soll plötzlich Blut fließen. Weiß man das<br />

vorher, so kann man entsprechend leicht<br />

waschbare Stoffe wählen und Tests mit<br />

verschiedenen Qualitäten von Theaterblut<br />

machen, „wenn nicht, stöhnt die Reinigungsfirma,<br />

die morgens Kostüme abholt<br />

und abends gesäubert wieder abliefert.<br />

Oder der weiße Anzugskragen ist nach<br />

jeder Vorstellung voller Makeup, und die<br />

Handschminke hinterlässt Spuren auf<br />

der Hose – da können dann abnehmbare<br />

Revers oder Handschuhe helfen.“<br />

25


Nach der Première gibt die Schneiderei<br />

die Verantwortung für das Kostüm ab.<br />

Nun sind die Ankleiderinnen gefragt,<br />

ohne die gar nichts geht, wie Frau von<br />

Blumenthal sagt. Sie sorgen nicht nur<br />

während der Vorstellung dafür, dass jedes<br />

Kostüm an seinem Platz hängt und gewaschen,<br />

gebügelt und ausgebessert wird. Sie<br />

helfen den Darstellern beim Umkleiden,<br />

was ja manches Mal sehr schnell gehen<br />

muss, und achten darauf, dass der Schauspieler<br />

tatsächlich das richtige Kostüm für<br />

die richtige Szene trägt, denn der hat am<br />

Abend in erster Linie seine Rolle im Kopf.<br />

Ist das Stück abgespielt, werden die Kostüme<br />

aussortiert, repariert und gereinigt<br />

und wandern schließlich in den Fundus,<br />

um dort auf ihren nächsten Auftritt zu<br />

warten. Nun kann der Kreislauf von<br />

vorn beginnen. „Der Fundus ist unsere<br />

Schatzkammer, denn ohne ihn sind große<br />

Produktionen unmöglich. Davon leben<br />

und arbeiten wir. Viele Kostümbildner<br />

lassen sich dort inspirieren, denn schließlich<br />

schlummert hier die kreativ Arbeit<br />

von Jahrzehnten.“<br />

Petra Leidner, ebenfalls Abteilungsleiterin<br />

der Kostümschneiderei, nimmt sich<br />

besonders der Kostüme für das Tanztheater<br />

Pina Bausch an. Tutus gibt es nur<br />

noch in Ausnahmefällen; in zahlreichen<br />

Stücken treten die Tänzerinnen in den<br />

schönsten und ausgefallensten Abendkleidern<br />

auf, mit denen die meist schlichten<br />

Herrenkostüme harmonieren. Auch Frau<br />

Leidner ist von ihrer Tätigkeit begeistert;<br />

besonders liebt sie die „wunderbare Arbeit<br />

von Marion Cito“, die seit 1980 als Kostümbildnerin<br />

von Pina Bausch tätig ist.<br />

Marion Cito kauft die Stoffe auf Vorrat,<br />

häufig während der auswärtigen Gastspiele,<br />

aber auch in Wuppertal. Sie fertigt keine<br />

Figurinen, sondern das Kostüm wird<br />

der Tänzerin buchstäblich auf den Leib<br />

geschneidert. Sie muss sich darin wohl<br />

fühlen und vollkommene Bewegungsfreiheit<br />

haben. Die Stoffe sind farblich mit<br />

dem Hautton der Tänzerin abgestimmt<br />

und werden auf ihrem Körper drapiert.<br />

Das ist die hohe Schule der Schneiderei,<br />

denn solche Kleider sind meistens schräg<br />

geschnitten, damit der Stoff besonders<br />

Die Gewandmeisterinnen Elisabeth von<br />

Blumenthal (links) und Petra Leidner<br />

26


schön fließt und sich den Körperbewegungen<br />

anpassen kann. Die Probeschnitte<br />

werden mit Futterstoffen gefertigt. „Diese<br />

Genauigkeit in den kleinsten Nuancen<br />

macht die Zusammenarbeit so erfüllend.<br />

Es kommt auf jedes Detail an, ein kleiner<br />

Vorschlag von Marion Cito, eine winzige<br />

Korrektur, und plötzlich ist das Kleid<br />

richtig“, sagt Petra Leidner.<br />

Die Kleider sollen nicht nur die Schönheit<br />

der Trägerin zur Geltung bringen,<br />

sondern sie sind während der Vorstellungen<br />

im wahrsten Sinne des Wortes<br />

ständigen Zerreißproben ausgesetzt und<br />

müssen häufig geflickt werden. „Erst<br />

wenn es gar nicht mehr ging, wurde eins<br />

nachgearbeitet. Pina Bausch hat das sofort<br />

gesehen, und wir mussten die Kleider<br />

genau so zerrupft und zipfelig nachschneidern.“<br />

Auch das ist Berufethos: „Es<br />

war das größte Kompliment, wenn Frau<br />

Bausch nicht bemerkte, dass ein Kleid<br />

nachgearbeitet war.“<br />

Bei „Vollmond“ , einem Stück, in dem<br />

das Wasser Teil der Choreografie ist,<br />

werden die Kostüme doppelt gefertigt, die<br />

„Wasserkostüme“ sind aus Kunststoffen,<br />

die gleichen Gewänder für die trockene<br />

Bühne aus kostbarer Seide. Auch die<br />

Herren tragen für die Wassserszenen unempfindlichere<br />

Stoffe, die leicht trocknen.<br />

Man hat sogar einen Wäschetrockner für<br />

die Schuhe angeschafft, und hinter der<br />

Bühne warten eine Bügelanlage und ein<br />

Fön.<br />

Zu den Gastspielen begleiten das Tanztheater<br />

immer zwei Schneiderinnen. Mit<br />

im Gepäck sind eine Nähmaschine und<br />

ein großer Sack mit Stoffresten – nichts<br />

wird weggeworfen, denn auch unterwegs<br />

kann es Umbesetzungen und Pannen<br />

geben.<br />

Das Rauschen und Rascheln dieser Kostüme,<br />

das im wahrsten Sinne des Wortes<br />

stoffliche Eigenleben, das sie entwickeln,<br />

wenn sie gleichsam mitspielen, ihre erlesene<br />

Farbigkeit, ihre Eleganz, ihre Raffinesse,<br />

ihre Komik, die vom Körper und vom<br />

Ausdruck ihrer Trägerinnen untrennbar<br />

sind, bleiben Teil der unvergesslichen Erinnerungen,<br />

die wir aus den Pina-Bausch-<br />

Abenden mitnehmen dürfen.<br />

Marlene Baum<br />

27


Kunstakademie Düsseldorf,<br />

1945 bis heute<br />

bis zum 28. Juli 2013<br />

K20 Grabbeplatz<br />

Kuratoren: Tony Cragg, Siegfried Gohr,<br />

Robert Fleck sowie Marion Ackermann<br />

und Maria Müller-Schareck<br />

Die Bildhauer<br />

Von den an der Düsseldorfer Kunstakademie<br />

tätigen Bildhauerinnen und Bildhauern<br />

gehen seit 1945 entscheidende Impulse<br />

von großer Strahlkraft aus. Professoren<br />

wie Ewald Mataré, Joseph Beuys, Erwin<br />

Heerich, Norbert Kricke, Irmin Kamp,<br />

Klaus Rinke, Fritz Schwegler, Rita McBride,<br />

Hubert Kiecol oder Katharina Fritsch<br />

prägten und prägen die fruchtbaren Auseinandersetzungen<br />

innerhalb der Akademie<br />

über ihre Klassen hinaus. Und sie tragen<br />

– wie auch viele ehemalige Studenten<br />

– wesentlich zur Entwicklung der Bildhauerei<br />

der vergangenen knapp 70 Jahre<br />

bei. Der Bildhauer Tony Cragg, seit vielen<br />

Jahren Professor und seit 2009 auch Rektor<br />

der Akademie, gab den Anstoß für diese<br />

außergewöhnliche Überblicksausstellung<br />

aus der Innensicht der Kunsthochschule.<br />

Die ausgewählten ca. 130 Werke von 53<br />

Künstlerinnen und Künstlern machen ein<br />

ebenso überraschendes wie beeindruckendes<br />

Panorama international anerkannter,<br />

moderner und zeitgenössischer Skulptur<br />

sichtbar. Lange Vertrautes korrespondiert<br />

mit unbekannten Werken und solchen,<br />

die es wieder zu entdecken gilt. Zahlreiche<br />

der in den drei Ausstellungshallen des K20<br />

zu sehenden Arbeiten sind im direkten<br />

Kontext der Akademie entstanden.<br />

Den Neubeginn der Bildhauerei an der<br />

Akademie nach 1945 markiert das Werk<br />

Ewald Matarés, in dessen bildnerischem<br />

Schaffen Menschen- und Tierdarstellung<br />

vorherrschen. Matarés Einfluss auf seinen<br />

Schüler Joseph Beuys ist – über formale<br />

Auffassungen im frühen Werk – auch in<br />

der Suche nach Ganzheitlichkeit nachweisbar.<br />

Erwin Heerich, ebenfalls Schüler von<br />

Mataré, geht mit seinem Gestaltungskon-<br />

28


zept, das zunächst in den am Kubus orientierten<br />

Kartonplastiken, später in seinen<br />

Bauten erprobt wird, einen ganz anderen<br />

Weg. Joseph Beuys, aber auch Dieter Roth<br />

und Nam June Paik, sind Teil der Fluxusbewegung,<br />

die sich in den 1960er-Jahren<br />

auch in Düsseldorf mit ihren Aktionen,<br />

Konzerten und Perfomances etabliert.<br />

Dieter Roths Werke, die durch ihr Material<br />

wie Schokolade, Wurst oder Milch dem<br />

Verfall preisgegeben sind, entwickeln<br />

den barocken Vanitas-Gedanken weiter.<br />

Nam June Paik analysiert bereits in den<br />

1970er-Jahren kritisch die Rolle des TV als<br />

Massenmedium.<br />

Seit etwa 1960 bricht Norbert Kricke<br />

mit der herkömmlichen Bildhauerei und<br />

setzt seine abstrakten Skulpturen aus<br />

dünnen Stahlrohren in direkte Beziehung<br />

zum Raum, als „ungreifbare Augenkunst“<br />

(Kricke). Nicht weniger radikal ist der Ansatz<br />

der 1958 gegründeten Gruppe ZERO:<br />

Licht und Schatten, reflektierendes Metall,<br />

Motoren oder Nägel sind die Mittel, die<br />

Heinz Mack, Otto Piene und Günther<br />

Uecker für ihre Kunst nutzen. Im direkten<br />

Austausch mit ZERO entstehen auch die<br />

Spiegelobjekte von Christian Megert.<br />

Zu den Hauptvertretern der Arte Povera<br />

gehört Jannis Kounellis, der mit seinen<br />

einfachen Materialien Natur, Technik und<br />

Kultur, Vergangenes und Fortschritt thematisiert.<br />

Auch Reiner Ruthenbeck, der bei<br />

Beuys studierte, nutzt Alltagsmaterialien,<br />

die er in spannungsreichen und manchmal<br />

spielerisch anmutenden Installationen zusammenführt.<br />

Die Maler Markus Lüpertz,<br />

Jörg Immendorff und A.R. Penck „übersetzten“<br />

ihre bildnerischen Verfahren in die<br />

Dreidimensionalität, wobei ihre kraftvoll<br />

aus dem Holz geschlagenen Figuren farbig<br />

gefasst sind. Luise Kimme hat vor vielen<br />

Jahren die Insel Tobago zu ihrer Wahlheimat<br />

erkoren. Dort entstanden ihre von der<br />

Kultur und den Erzählungen der Karibik<br />

geprägten Holzskulpturen voller Bewegung<br />

und Lebendigkeit.<br />

Tony Craggs großes Thema ist die<br />

Materie, die in immer neuen, hochkomplexen<br />

Formen in Erscheinung tritt. Seine<br />

Skulpturen aus Holz, Bronze oder Gips<br />

evozieren Erinnerungen an die Natur oder<br />

Harald Klingelhöller, 38 Teile in Form von<br />

19 Zeichen für Tisch und 25 Buchstaben<br />

der Worte „Einmal im Leben“, 1981/1983,<br />

Karton, 120 x 450 x 200 cm, Mudam<br />

Luxembourg/Collection Musée d'Art Moderne<br />

Grand-Duc Jean, Luxembourg,© Künstler<br />

Foto: Aurélien Mole, © Kunstsamml. NRW<br />

29


30<br />

Installationsansicht „Die Bildhauer. Kunstakademie Düsseldorf, 1945 bis heute“<br />

links: Anthony Cragg, Ferryman, 2001<br />

rechts: Richard Deacon, What could make me feel that way, 1993<br />

Foto: Achim Kukulies, © Kunstsammlung NRW, Künstler, VG Bild-Kunst, Bonn


Gegenständliches und zeugen zugleich von<br />

einem vielschichtigen Prozess der Transformation.<br />

Momente des Grotesken prägen die<br />

Skulpturen von Thomas Schütte, dessen<br />

Menschenbilder fernab jedes Schönheitsideals<br />

an Karikaturen erinnern. Aus der<br />

Welt ferner Erinnerungen – bis zurück in<br />

die Jahre der Kindheit – schöpfen Martin<br />

Honert und Katharina Fritsch die Motive<br />

ihrer Werke. Während Honert Erlebtes<br />

darstellt und dabei mit der Maßstäblichkeit<br />

spielt, versucht Fritsch mit ihren oftmals<br />

übergroßen Figuren Stimmungen oder<br />

Traumbilder zu evozieren. Den direkten<br />

Bezug zu jeder dinglichen Wirklichkeit<br />

negiert Richard Deacon, dessen<br />

Arbeiten aus Holz, Glas, Metall, Papier<br />

und Kunstharz zu freien Assoziationen<br />

einladen; Rita McBride untersucht die<br />

gesellschaftliche Bedeutung von Architektur,<br />

Kunst und Design. Bogomir Eckers<br />

seltsame Geräte aus scheinbar vertrauten<br />

Alltagsgegenständen kehren das Verhältnis<br />

von Mensch und dienender Maschine um,<br />

stellen Perfektion und Fortschritt in Frage.<br />

Hintergründiger Humor und Lust an der<br />

Provokation kennzeichnen die Arbeiten<br />

Gereon Krebbers, der seine Skulpturen aus<br />

den erstaunlichsten Materialien wie Klebeband,<br />

Zahncreme, Holz, Mayonnaise,<br />

Kunstharz, Zucker, Gelatine, Kleiderbügel<br />

oder Glas entwickelt. Bisweilen erinnern sie<br />

an alltägliche Gegenstände, mitunter spielen<br />

sie auf die Formen des Minimalismus<br />

an oder wuchern in den Raum, in verblüffender<br />

Weise auf den Ort reagierend.<br />

Unansehnliche Abfälle sind Grundlage<br />

der Serie der „Trashstones“, an denen Wilhelm<br />

Mundt seit über 20 Jahren arbeitet.<br />

Die Zusammenballung von Haushaltmüll<br />

und Atelierabfällen bleibt nur in den<br />

unregelmäßigen Ausbeulungen der wie<br />

Findlinge wirkenden Skulpturen sichtbar,<br />

ihre glänzend polierte Haut spricht eine<br />

andere Sprache. Mundts Strategie, aus<br />

Arbeitsresten Kunst zu machen, kann als<br />

Kommentar zu Produktionskreisläufen und<br />

Recycling gewertet werden. Bewusst knüpft<br />

Paloma Varga Weisz an kunstgeschichtliche<br />

Motive an; auch Sagen, Märchen und<br />

sogar medizinische Fachliteratur dienen<br />

ihr als Inspiration. So entstehen auf den<br />

ersten Blick vertraute Figuren, die sich<br />

bei näherem Hinsehen als Fabelwesen,<br />

Tiermenschen oder Mannfrauen entpup-<br />

31


pen. In der jüngeren Generation gehört<br />

sie zu den wenigen Künstlern, die sich mit<br />

der Holzbildhauerei befassen. Mit ihren<br />

geschnitzten und oftmals farbig gefassten<br />

Skulpturen wählt sie eine handwerklich<br />

geprägte Arbeitsweise, wie sie die klassische<br />

Bildhauerei Jahrhunderte lang prägte.<br />

Mit Die Bildhauer. Kunstakademie<br />

Düsseldorf, 1945 bis heute ist erstmals eine<br />

Ausstellung in enger Kooperation zwischen<br />

der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen<br />

und der benachbarten Kunstakademie<br />

entstanden. Tony Cragg wurde dabei nicht<br />

nur von den Professoren Siegfried Gohr<br />

und Robert Fleck unterstützt, sondern vor<br />

allem vom Team des Museums.<br />

Gezeigt wird die Schau in drei Ausstellungshallen<br />

von K20: In dem chronologisch<br />

angelegten Rundgang, der in der<br />

Klee-Halle beginnend über die Konrad-<br />

Henkel-Galerie zur Grabbe-Halle (ca.<br />

2.400 qm) führt, ist der Bogen von den<br />

historischen Positionen der Nachkriegsjahre<br />

bis in die unmittelbare Gegenwart<br />

gespannt. Eine Vortragsreihe, Künstlergespräche,<br />

Exkursionen, ein Dokumentarfilm<br />

sowie die Ausstellung „Dingfest“ mit<br />

Skulpturen zum Anfassen und Begreifen<br />

im Labor von K20 vertiefen die Eindrücke<br />

und erläutern Zusammenhänge.<br />

Die Ausstellung wird großzügig von<br />

der Kunststiftung NRW unterstützt.<br />

Sponsoren der Ausstellung: National-<br />

Bank AG, Essen, und Hogan Lovells<br />

International LLP<br />

Stiftung Kunstsammlung NRW<br />

Grabbeplatz 5, 40213 Düsseldorf<br />

K20 Grabbeplatz<br />

K21 Ständehaus<br />

Tel. 0211.83 81-730<br />

Öffnungszeiten:<br />

dienstags bis freitags 10.00-18.00 Uhr<br />

samstags, sonntags, feiertags<br />

11.00-18.00 Uhr, montags geschlossen<br />

www.kunstsammlung.de<br />

Installationsansicht „Die Bildhauer.<br />

Kunstakademie Düsseldorf, 1945 bis heute“,<br />

2013, Foto: Achim Kukulies,<br />

© Kunstsammlung NRW, Künstler<br />

33


Boulevardkomödie im<br />

TiC-Theater<br />

Sardinen, Sex und sieben Türen<br />

Belinda Blair (Sabine Henke) strahlt<br />

Zuversicht aus: „Gibt es etwas Schöneres als<br />

Hauptproben?“ Doch sie liegt schief – es ist<br />

bereits die Generalprobe für den Schwank<br />

„Nackte Tatsachen“, die vor den Augen<br />

des verzweifelten Regisseurs Lloyd Dallas<br />

(charismatisch: Andreas Mucke) und seiner<br />

hilflosen Assistentin Poppy Norton-Taylor<br />

(bewußt blaß, still leidend, mit hängendem<br />

Rocksaum: Margarete Rosenbohm) einem<br />

grandiosen Scheitern entgegentaumelt.<br />

Keiner der drittklassigen Darsteller<br />

beherrscht seine Rolle, letzte Änderungswünsche<br />

fegt Lloyd brachial oder mit<br />

Psychologie beiseite. Die Tournee durch<br />

die englische Provinz muß auf und über<br />

die Bühne. Das Publikum im intimen<br />

TiC-Theater in Wuppertal-Cronenberg<br />

darf von dieser Generalprobe bis zur letzten<br />

turbulenten Vorstellung dabei sein, wenn<br />

auch stets nur im ersten Akt.<br />

Die Story…<br />

Deshalb kennt man bald auch die Story fast<br />

zum Mitsprechen und weiß dadurch die<br />

Nuancen zu schätzen. Ein ländliches Anwesen:<br />

Haushälterin Mrs. Clackett (Dotty Otley:<br />

Martina Anhang mit robuster Gleich-<br />

mut), die das Haus für den Eigentümer und<br />

Steuerflüchtling, den Theater-Autor Philip<br />

Brent (Frederick Fellowes: Alexander Bangen,<br />

sensibel, mit bei allem Klamauk dezenter<br />

Komik) und dessen Frau Flavia (Belinda<br />

Blair: Sabine Henke, mit solider Übersicht<br />

und herrlich bieder) in Schuß hält, will es<br />

sich bei einem Teller Sardinen (darauf muß<br />

man erst mal kommen) vor dem Fernseher<br />

bequem machen, um sich die Beerdigung<br />

von dem ... Dingsda... anzusehen. Die völlig<br />

sinnlos erscheinenden Dosenfische werden<br />

der geniale Running Gag.<br />

Weil er Brent in Spanien und Mrs. Clackett<br />

im Feierabend wähnt, will der Makler-Gehilfe<br />

Roger Tramplemain (Garry Lejeune:<br />

Christian Schulz, in zweifelnd nervöser<br />

Unbeholfenheit) die sturmfreie Bude mit<br />

der schnuckeligen Vicki (Brooke Ashton;<br />

Hannah Klein, als doofes Blondchen und<br />

in Dessous eine Offenbarung) für ein<br />

Schäferstündchen nutzen. Leer glaubt<br />

auch ein ehrpusseliger Einbrecher (Selsdon<br />

Mowbray: Hartwig Kolbe, mit trockenem<br />

Humor einer, der mehr versteht, als die<br />

anderen glauben) das Haus. Und die Brents<br />

kommen heimlich nach Hause, um im<br />

eigenen Bett ihren Hochzeitstag zu feiern.<br />

34


Natürlich treffen alle in den unmöglichsten<br />

Konstellationen aufeinander.<br />

…und ihre Elemente<br />

Techniker und Mädchen für alles Tim<br />

Allgood (Alexander Klein, von hinreißender<br />

Müdigkeit), der seit 48 Stunden nicht<br />

geschlafen hat, klemmende Türen richten<br />

muß und auch noch für den zeitweise verschwundenen<br />

Selsdon Selsdon in der Rolle<br />

als Einbrecher einspringen soll, schläft quasi<br />

im Stehen und rundet die Truppe, die das<br />

völlig über drehte Stück Screwball umsetzen<br />

soll, eine Farce im Geiste Eugène Labiches<br />

und Dario Fos, in dem auch Bettlaken,<br />

Pappkartons, ein klebender Brief und - ja,<br />

Sardinen eine Rolle spielen. Dazu Eifersüchteleien,<br />

hochkochende Gefühle, viele Mißverständnisse,<br />

noch einmal Sardinen, immer<br />

wieder Sardinen, ein Scheich mit Scheichin,<br />

etliche falsch adressierte Blumensträuße<br />

sowie ein Telefon und – ja, Sardinen. Von<br />

den hoch motivierten Schauspielern wird<br />

in dem atemberaubend rasanten, höchst<br />

turbulenten und intelligenten Stück in<br />

Iljas Enkaschews pfiffigem Bühnenbild (7<br />

Türen, ein Vorhang, ein Fenster zum Einbrechen<br />

und ein ohne Drehbühne brillant<br />

gelöstes „Backstage“) viel verlangt. Sie geben<br />

es und noch mehr.<br />

Interna<br />

Die Handlung parallel zum Stück: Der<br />

übersensible Garry hat ein Verhältnis mit<br />

der wesentlich älteren Dotty. Frederick kann<br />

keine Gewalt ertragen, bekommt davon<br />

sofort Nasenbluten. Belinda ist betulich<br />

und sucht den Ausgleich – aber nur bis zu<br />

einer gewissen Grenze. SeIsdon ist nicht so<br />

recht durchschaubar, wird als Alkoholiker<br />

verdächtigt, ist aber nicht ein einziges Mal<br />

betrunken. Aber dafür Dotty bei der Dernière.<br />

Regisseur Lloyd hat was mit Brooke, die<br />

in tumber Ahnungslosigkeit und mit leerem<br />

Blick viel blonden Sex versprüht. Und er<br />

hatte auch was mit Poppy, die, wir erfahren<br />

es im ungünstigsten Moment wie es sich<br />

gehört, ein Kind von ihm erwartet.<br />

Stumme und stürmische Turbulenzen, eine<br />

im wortlosen Ringen von Hand zu Hand<br />

gehende Feueraxt, Whisky-Flaschen, Blumensträuße<br />

und Sardinenteller halten die<br />

Zwerchfelle in Bewegung. Hannah Klein ist<br />

eine Entdeckung. Zuckersüß und strohdoof<br />

schmeißt ihre Brooke als talentfreies<br />

Dummchen Szene um Szene, weil sie zwar<br />

kurvenreich, aber talentfrei keinen Plan hat<br />

und gelegentlich auch mal ihre Kontaktlinsen<br />

verliert. Als schließlich aber alles aus<br />

dem Leim geht, zieht sie als einzige unbeirrt<br />

textsicher ihren Streifen durch – köstlich.<br />

Theater auf dem Theater<br />

Theater auf dem Theater ist stets eine<br />

Delikatesse, Boulevard ein allzu oft unterschätztes<br />

Genre. Boulevard über Boulevard<br />

ist ein geradezu abenteuerliches Unternehmen.<br />

Michael Frayns Farce „Der nackte<br />

Wahnsinn“ gehört zum Schwierigsten,<br />

was die Branche zu bieten hat, aber auch<br />

zum Besten, ein Sprachkunstwerk und ein<br />

Meisterwerk an Präzision - wenn es gelingt.<br />

Thomas Gimbel setzt Frayns Meisterwerk,<br />

das vor 27 und vor sechs Jahren an den<br />

Wuppertaler Bühnen (hier war Gimbel<br />

von 1991-1998 Ensemblemitglied) volle<br />

Häuser feiern konnte und vor 13 Jahren<br />

mit der Wuppertaler Theatertruppe „neue<br />

WuTh“ (der Thomas Gimbel auch einmal<br />

angehörte) einen Sensationserfolg hatte, mit<br />

leicht erscheinender, sicherer Hand so um,<br />

wie Frayn es sich wohl gedacht hat. Das<br />

Ergebnis überzeugt von der ersten Sardine<br />

bis zum letzten Einbrecher. Lassen Sie sich<br />

im TiC für zweieinhalb Stunden bestens<br />

unterhalten.<br />

Frank Becker<br />

Fotos Martin Mazur<br />

Weitere Informationen:<br />

www.tic-theater.de<br />

35


Eine Expedition in den Sprachkosmos<br />

der Herta Müller<br />

Wenn die Fahnen flackern, rutscht<br />

„Ihr Werk, dessen Kraft sich aus dem<br />

Schrecken speist, ist zugleich reich an<br />

Schönheit und für den Leser ein großes<br />

Glück“, schreibt Volker Weidermann in<br />

der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung<br />

über das Werk Herta Müllers. Der<br />

Schrecken beginnt für die Schriftstellerin<br />

spätestens 1967, als Nicolae Ceauşescu<br />

Staatspräsident Rumäniens wird und<br />

unter seiner Führung das Land zu einer<br />

der grausigsten Diktaturen unter den<br />

Vasallenstaaten Moskaus mutiert. Herta<br />

Müller ist da gerade 14 Jahre alt. Der<br />

Spitzeldienst der Machthaber, firmierend<br />

unter dem euphemistischen Titel Securitate,<br />

verbreitet Angst und Schrecken. Der<br />

Ceauşescu-Klan beutet das eigene Volk<br />

aus; viele Rumänen leben in bitterer Armut.<br />

Herta Müllers Großvater hatte seine<br />

Erfahrungen am Ende des II. Weltkrieges<br />

in einem Satz zusammengefasst: „Wenn<br />

die Fahnen flackern, rutscht der Verstand<br />

in die Trompete.“ Ein Satz, der sich nun<br />

unter dem Ceauşescu-Regime auf fatale<br />

Weise zu wiederholen scheint und sich<br />

tief in das Bewusstsein Herta Müllers<br />

einbrennt. Die Trompete zu blasen, hat<br />

sie sich stets geweigert.<br />

Das erste Mal verweigerte sie sich 1979,<br />

als die Securitate sie zu Spitzeldiensten<br />

zwingen will. Herta Müller verliert<br />

daraufhin ihren Beruf als Übersetzerin<br />

in einer Maschinenfabrik. Sie empfindet<br />

die Lage in dem totalitären Regime als<br />

bedrohlich. Aber „auf die Angst vor dem<br />

Tode“ reagierte sie „mit einem Durst nach<br />

Leben“, sagt sie 2009 in ihrer Stockholmer<br />

Dankesrede anlässlich der Verleihung<br />

des Literaturnobelpreises. Daher werde<br />

die Freiheit umso größer, „je mehr Wörter<br />

wir uns nehmen können“. Das Schreiben,<br />

die kartographische Vermessung der<br />

Innenwelten von Bewusst- und Unterbewusstsein<br />

werden zu Orten des inneren<br />

Widerstands, zu jenen Räumen, an denen<br />

die eigene Würde und Freiheit in den<br />

Zeiten der Diktatur bewahrt werden können:<br />

Literatur als (Über-)Lebensmittel.<br />

Und sie schließt sich als einzige Frau einer<br />

literarischen Vereinigung von Rumänendeutschen<br />

an; unter ihnen der Lyriker<br />

36


der Verstand in die Trompete<br />

sind die Gedichte Herta Müllers – wie<br />

auch ihre Prosa – nicht hermetisch; der<br />

Leser kann durch den ganz eigenen, unverwechselbaren<br />

Rhythmus und Duktus der<br />

Verse eintauchen in die Fülle der Sprachbilder<br />

und sich selbst (s)einen eigenen oder<br />

auch kollektiven Reim darauf machen:<br />

wie bei den vier Zeilen oben, in denen<br />

das Lied – trotz der lauernden Bedrohung<br />

durch das Messer – sich sein Glück holt<br />

– „woher es kann“. Dass Herta Müller die<br />

Gedichte nicht nur niederschreibt, sondern<br />

aus Worten, Buchstaben, Bildern, die sie<br />

in Zeitungen und Zeitschriften findet, zusammenfügt,<br />

macht den Prozess poetischer<br />

Transformation der Wirklichkeit umso<br />

sinnfälliger. Ihre Dichtungen sind zugleich<br />

sehr real und voller Magie.<br />

Oskar Pastior, der 2006 posthum den<br />

Georg-Büchner-Preis erhielt und Ernest<br />

Wichner, heute Leiter des Literaturhauses<br />

Berlin, von dem Herta Müller sagt, „dass<br />

wohl kaum jemand mein Werk so gut<br />

kennt wie er.“<br />

Doch ihre Gedichte und Romane sind<br />

nicht nur Ausdruck eines Kampfes um<br />

Freiheit und Würde, sie sind vor allem<br />

Sprachkunstwerke. In ihrem Gedichtband<br />

„Im Haarknoten wohnt eine Dame“ sind<br />

die Personen und Dinge des alltäglichen<br />

Lebens, was sie sind: Der Friseur ist ein<br />

Friseur, das Akkordeon ein Akkordeon<br />

und das Messer ein Messer. Im Sinnraum<br />

des Gedichtes aber werden die Dinge<br />

zu Chiffren, zu mehrdeutigen Zeichen,<br />

die ihre Bedeutungen erst im Kontext<br />

erfahren:<br />

Wenn der Friseur Akkordeon spielt<br />

Liegt noch das Messer auf dem Tisch<br />

und jedes Lied nimmt sich ein Glück<br />

woher es kann. […]<br />

Der lyrische Kosmos der Herta Müller ist<br />

reich bevölkert von solchen Dingsymbolen,<br />

die wohl der Lebenswelt der Dichterin als<br />

Mädchen und junger Frau entspringen und<br />

die für sie eine ganz persönliche magische<br />

Bedeutung haben. Über die Dinge der<br />

Außenwelt hat sie keine Macht; sie sind,<br />

was und wie sie sind. Der Trick der Freiheit<br />

aber besteht darin, den Dingen und<br />

Verhältnissen die Bedeutungen zu geben,<br />

die unsere Innenwelt ihnen zuweist. Daher<br />

Damit ist zugleich aber auch das poetische<br />

Programm, die verstörende und<br />

betörende sprachliche Schönheit der<br />

Dichtungen Herta Müllers, in einer<br />

ersten vorsichtigen Annäherung beschrieben.<br />

Eine Schönheit, die sich bereits in<br />

ihrem ersten Prosaband „Niederungen“<br />

findet. Dort beschreibt sie unter anderem<br />

die Schönheit des Landes, aber auch das<br />

Bedrückende ihrer Kindheit und Jugend,<br />

die Dummheit und das Dumpfe in den<br />

„Niederungen“ der Provinz, die Verlogenheiten<br />

und Lebenslügen ihrer Siebenbürger<br />

Landsmänner und -frauen, die den<br />

Wechsel von der faschistischen in die<br />

kommunistische Diktatur scheinbar problemlos<br />

in ihre Biographien integrieren<br />

konnten. Die rumänische Zensur greift<br />

stark in den Text ein, streicht missliebige<br />

Passagen, und dennoch empfinden viele<br />

Rumänendeutsche das Buch als Nestbeschmutzung;<br />

als eine „Apotheose des<br />

Hässlichen und Abstoßenden“, wie die<br />

westdeutsche Ausgabe des „Donauschwaben“<br />

1984 in einer von Hass erfüllten<br />

Besprechung titelt. Wer ideologisch sieht,<br />

ist eben blind für wahre Schönheit oder<br />

auch: die Schönheit der Wahrheit.<br />

In ihrem jüngsten Roman „Atemschaukel“<br />

schildert Herta Müller das Schicksal<br />

des fiktiven siebzehnjährigen Siebenbürger<br />

Sachsen Leopold Auberg, der im Januar<br />

1945 in ein ukrainisches Arbeitslager<br />

deportiert wird. „Es ist ein erschütternder<br />

Roman, [...] ein verstörendes Meisterwerk,<br />

mutig und sprachschöpferisch, ein<br />

Versuch, aus dem Inneren der Hölle zu<br />

sprechen, einer ganz eigenen, bildstarken<br />

Sprache, die dort Worte finden muss, wo<br />

die herkömmlichen versagen, das Grauen<br />

nicht zu fassen vermögen“, schreibt<br />

Karl-Markus Gauss in der Süddeutschen<br />

Zeitung.<br />

Dabei sind Sprache und Konstruktion<br />

des Romans nicht zuletzt ein Ergebnis der<br />

genauen Recherchen Herta Müllers. Ab<br />

2001 zeichnete sie die Erinnerungen von<br />

Betroffenen auf. Und sie begleitet ihren<br />

frühen literarischen Wegbegleiter Oskar<br />

Pastior (1927 – 2006) auf einer Reise in<br />

das Lager, in dem der Schriftsteller fünf<br />

Jahre lang als Zwangsarbeiter der UdSSR<br />

lebte. Eigentlich sollte es ihr gemeinsames<br />

Buch werden.<br />

Die Schrecken des Lagerlebens werden<br />

in einer Sprache geschildert, die wirklichkeitsnah<br />

und -gesättigt ist und sich<br />

zugleich wie ein hauchfeines lyrisches<br />

Gewebe über die Erinnerungen des Ich-<br />

Erzählers legt. Herta Müller gelingt das<br />

Kunststück der Verdichtung von Realistik<br />

und ihrer poetischen Transformation, in<br />

der die Dinge sind, was sie sind, und sie<br />

dennoch ihre eigene Magie für den Ich-<br />

Erzähler entfalten, eine Magie, in der die<br />

Kraft zum Überleben steckt. Ein Erzählund<br />

vielleicht auch ein Lebensmodell, das<br />

für den Leser – wie Weidermann sagt –<br />

„ein großes Glück“ ist.<br />

Heiner Bontrup<br />

37


Klänge aus einer anderen, besseren Welt<br />

Das Duo Anja Lechner und<br />

Franç ois Couturier verzaubert<br />

zum Start der Musikreihe<br />

KlangArt den Skulpturenpark<br />

„Wenn Gram an dem Herzen nagt,<br />

wenn trübe Laune unsere einsamen<br />

Stunden vergiftet, wenn uns Welt und<br />

Geschäfte anekeln, wenn tausend Lasten<br />

unsre Seelen drücken und unsre Reizbarkeit<br />

unter Arbeiten des Berufs zu ersticken<br />

droht, so empfängt uns die Bühne –<br />

in dieser künstlichen Welt träumen wir<br />

die wirkliche hinweg, wir werden uns<br />

selbst wiedergegeben, unsere Empfindung<br />

erwacht, heilsame Leidenschaften<br />

erschüttern unsere schlummernde<br />

Natur.“<br />

So beschreibt Friedrich Schiller vor fast<br />

230 Jahren seinen Traum vom Theater.<br />

Doch ebenso wie das Theater, ja vielleicht<br />

mehr noch als dieses, vermag Musik uns<br />

in solch glückliche Gefilde zu entrücken.<br />

Leider sind diese Momente im Meer des<br />

musikalischen Mainstreams selten<br />

zu finden.<br />

38


Umso schöner, wenn uns solche Zeiten<br />

geschenkt werden, wie beim Auftaktkonzert<br />

zur Musikreihe KlangArt im<br />

Skulpturenpark Waldfrieden. Die<br />

Cellistin Anja Lechner und der Pianist<br />

Franç ois Couturier entführten das Publikum<br />

auf eine Reise, die einen weiten<br />

musikalischen Bogen vom Okzident<br />

zum Orient spannte. Sie präsentierten<br />

Stücke von Georges I. Gurdjieff, Frederic<br />

Mompou und Anouar Brahem, aber<br />

auch eigene Kompositionen Couturiers.<br />

So unterschiedlich diese Komponisten<br />

sind, so eint sie doch ihr Bestreben<br />

zum inneren Kern des musikalischen<br />

Ausdrucks vorzudringen: Der Katalane<br />

Mompou etwa ließ sich vom französischen<br />

Impressionismus inspirieren,<br />

ebenso aber auch von den Klängen der<br />

Natur und der mystischen Dichtung<br />

San Juan de la Cruz’, der im Gefängnis<br />

sein Cántico espiritual, seine spirituellen<br />

Gesänge schrieb. Der griechischarmenische<br />

Philosoph, geistige Lehrer<br />

und Komponist Gurdjieff komponierte<br />

Musik unter dem Einfluss seiner Reisen<br />

durch den Kaukasus und Kleinasien,<br />

indem er althergebrachtes Gedankengut<br />

aus den unterschiedlichen Religionen<br />

und Weltanschauungen in seinen Adaptionen<br />

weltlicher Musik und sakraler<br />

Tänze einfließen ließ. Anouar Brahem<br />

ist ein Meister der tunesischen Oud,<br />

dessen musikalische Ideen sich sowohl<br />

aus westlichen und östlichen Quellen<br />

schöpfen. Selbst Grenzgänger zwischen<br />

musikalischen Kulturen, setzen sich<br />

Anja Lechner und Franç ois Couturier<br />

mit Komponisten auseinander, die<br />

ihrerseits einen Brückenschlag zwischen<br />

musikalischen und weltanschaulichen<br />

Kulturen versucht haben und die ihr<br />

Bestreben eint, Musik als Ausdruck<br />

spiritueller Erfahrung zu verstehen und<br />

zu gestalten.<br />

Das alles ist in den Interpretationen von<br />

Lechner und Couturier zu hören. Und<br />

doch: Charakteristisch für die Spielweise<br />

des Duos ist, dass sie den Kompositionen<br />

dieser doch so sehr verschiedenen<br />

Tonkünstler eine ganz eigene unverwechselbare<br />

Färbung verleihen und<br />

einen inneren Zusammenhang zwischen<br />

den Stücken erkennen lassen. Dazu<br />

gehört, dass sie die Zuhörer ausgiebig in<br />

die jeweilige musikalische Welt eintauchen<br />

lassen, die Themen und Motive<br />

der Stücke ausführlich vorstellen, um<br />

sie dann improvisierend weiter zu<br />

entwickeln. Ihre Musik schwingt dabei<br />

zwischen den Polen arabesker Rhythmik<br />

und impressionistisch oder gar seriell<br />

inspirierter europäischer Kunstmusik.<br />

Dabei bewegen sie sich zwar zumeist<br />

innerhalb der Grenzen der Tonalität<br />

und führen dennoch das musikalische<br />

Ausgangsmaterial zu ganz neuen Ufern<br />

musikalischen Ausdrucks. Dabei nehmen<br />

sie das Publikum mit, das an einen<br />

Ort geführt wird, der ihm zugleich vertraut<br />

und doch fremd vorkommt. Denn<br />

der Ort, an den wir geführt werden, ist<br />

wohl zuletzt unser eigenes Selbst: Anja<br />

Lechner und Franç ois Couturier lassen<br />

39


uns in ihrer Musik uns selbst begegnen.<br />

Eine wunderbare Erfahrung, für die sich<br />

das Publikum am Ende des Konzertes<br />

mit sehr lang anhaltendem, sehr ernsthaftem<br />

Applaus bedanken wird.<br />

Doch es gibt noch ganz andere überraschende<br />

Begegnungen im Pavillon des<br />

Skulpturenparks. Denn dort treffen Natur,<br />

Musik und bildende Kunst aufeinander<br />

und spielen – vielleicht ungewollt,<br />

aber doch sehr berückend – miteinander:<br />

Gegen Ende des Konzertes taucht das<br />

letzte Abendlicht den gläsernen Pavillon<br />

in ein strahlendes warmes Licht, setzt<br />

den an Insekten erinnernden Bronze-<br />

Skulpturen des belgischen Bildhauers Jan<br />

Fabre Spitzlichter auf und taucht sie in<br />

ein magisch anmutendes Licht. Es mag<br />

Zufall sein oder Zauber: Aber in diesem<br />

Moment hört der geneigte Zuhörer in<br />

den tiefen Tönen des Cellos eine unterirdische<br />

Armee von Käfern marschieren<br />

und summen.<br />

Doch dass wir uns aus dem Weltgetöse<br />

und -getriebe „hinwegträumen“ können<br />

an diesem Abend, das verdankt sich vor<br />

allem der Inspiration und der Spielkunst<br />

der beiden Musiker. Wenn Anja Lechner<br />

auf ihrem Instrument hingehauchte Flageolett-Töne<br />

spielt, die sich sanft von der<br />

Begleitung auf dem Flügel lösen, wenn<br />

Franç ois Couturier auf den Tasten seines<br />

Instruments in seiner Eigenkomposition<br />

„Papillons De La Nuit“ mit höchster<br />

Leichtigkeit Falter als Mobiles mediterraner<br />

Heiterkeit tanzen und schweben lässt,<br />

dann sind das Klänge aus einer anderen,<br />

besseren Welt.<br />

Heiner Bontrup<br />

Fotos: Karl-Heinz Krauskopf<br />

Weitere KlangArt-Konzerte 2013<br />

im Skulpturenpark Waldfrieden<br />

Samstag, 15. Juni<br />

Christian Muthspiel 4<br />

Feat. Steve Swallow<br />

Sonntag, 16. Juni<br />

Butterscotch<br />

Samstag, 20. Juli<br />

Avishai Cohen Quartet<br />

Sonntag,21. Juli<br />

Acoustic Africa<br />

Women’s Voices<br />

Samstag, 17. August<br />

Elina Duni Quartet<br />

Sonntag, 18. August<br />

Nguyên lê Quintet<br />

www.skulpturenpark-waldfrieden/<br />

klangart.de<br />

40


is zum 7. Juli 2013<br />

im K21 Ständehaus Düsseldorf<br />

Kuratorin: Dr. Isabelle Malz<br />

Einen umfangreichen Überblick über das<br />

gesamte Werk des Fotografen Wolfgang<br />

Tillmans präsentiert die Kunstsammlung<br />

Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Zu<br />

sehen ist vom 2. März bis zum 7. Juli 2013<br />

eine Auswahl von Arbeiten dieses außergewöhnlichen<br />

Grenzgängers der Fotografie aus<br />

den vergangenen 25 Jahren.<br />

Der Künstler hat die Ausstellung präzise<br />

für die Ausstellungsräume im kompletten<br />

weitläufigen Untergeschoss des K21 als Gesamtinstallation<br />

eingerichtet. Erstmals zeigt<br />

Tillmans dabei auch bisher nie zu sehende<br />

frühe zeichnerische und andere Arbeiten<br />

aus den späten 1980er Jahren.<br />

Wolfgang Tillmans, Icestorm, 2001,<br />

Courtesy Galerie Buchholz, Köln/Berlin<br />

Foto: © Wolfgang Tillmans, © Kunstsammlung<br />

NRW<br />

Wolfgang Tillmans<br />

Wolfgang Tillmans (geb. 1968/Remscheid)<br />

hat als einer der wichtigsten<br />

Künstler seiner Generation das Medium<br />

Fotografie um entscheidende Aspekte<br />

weiterentwickelt und damit als Kunstform<br />

neu definiert. Die Arbeiten des in<br />

Berlin und London lebenden Fotografen<br />

sind weltweit in bedeutenden Sammlungen<br />

vertreten und werden vielfach in<br />

internationalen Ausstellungen gezeigt.<br />

Seine künstlerische Arbeit vereint in einer<br />

von spannungsvollen Brüchen geprägten<br />

Mischung abstrakte Bilder und Fotografien<br />

mit den unterschiedlichsten Sujets:<br />

Sie reichen von ganz persönlichen oder<br />

häuslichen Motiven bis zu politischen<br />

Themen, von entfernten Orten auf der<br />

ganzen Welt bis zu Aufnahmen des Sternenhimmels.<br />

„Ich mache Bilder, um die<br />

Welt zu erkennen“, betont Tillmans.<br />

Die frühesten Arbeiten, Fotokopien von<br />

Zeitungsbildern und eigene Fotografien,<br />

gehen zurück auf Experimente mit einem<br />

der ersten digitalen Schwarzweiß-Fotokopiergeräte.<br />

Bilder und Fotosequenzen seiner Freunde<br />

und von jungen Leuten aus der Popkultur<br />

und Clubszene – veröffentlicht in<br />

verschiedenen Zeitschriften wie i-D und<br />

Spex – machten ihn Anfang der 1990er<br />

Jahre einer größeren Öffentlichkeit<br />

bekannt. Als erster nicht aus Großbritannien<br />

stammender Künstler und Fotograf<br />

erhielt Wolfgang Tillmans im Jahr 2000<br />

den renommierten britischen Turner<br />

Preis.<br />

Zur Bandbreite der künstlerischen<br />

Arbeit gehören bei Wolfgang Tillmans<br />

neben Porträts, Interieurs, Landschaften,<br />

astronomischen Himmelsaufnahmen<br />

und Stillleben auch seine in der Dunkelkammer<br />

ohne Kameralinse entstandenen<br />

41


abstrakten Bilder, Videoarbeiten und die<br />

sogenannten Truth Study Centre Tables.<br />

Wie große Collagen präsentieren diese<br />

Tischinstallationen Fotografien, Fotokopien,<br />

Zeitungsartikel und ausgewählte<br />

Materialien zu gesellschaftspolitischen<br />

und naturwissenschaftlichen Themen und<br />

verstärken die in den Bildern angesprochenen<br />

Themenkomplexe resonanzartig.<br />

Den Weg der Abstraktion geht Tillmans<br />

mit den von zarten Farbschlieren<br />

überzogenen teils großen Formaten der<br />

Freischwimmer ebenso wie mit seinen<br />

paper-drops, den Aufnahmen gerollter<br />

Papiere in Seitenansicht. Die hier anklingende<br />

Plastizität wird in der Serie Lighter<br />

ganz real: Das gefalzte Fotopapier – präsentiert<br />

in flachen Plexiglaskästen – wird<br />

zum abstrakten Relief. Mit seinen zuletzt<br />

auf Reisen um die Welt erstmals digital<br />

aufgenommenen Neue Welt-Bildern,<br />

die gerade in Buchform erschienen sind,<br />

erweitert Tillmans sein vielschichtiges<br />

Werk um eine neue Dimension. Er macht<br />

deutlich, dass es ihm neben einem (material-)ästhetischen<br />

Aspekt immer auch um<br />

ein grundsätzliches Interesse an gesellschaftspolitischen<br />

Themen wie Handel,<br />

Warenverkehr, ökonomische Strukturen<br />

und hypermoderne Architekturen als<br />

Ausdruck dieser neuen Entwicklung geht.<br />

Im Zentrum des Schaffens von Wolfgang<br />

Tillmans steht die Frage nach dem<br />

Bild und die Auseinandersetzung damit,<br />

wie Bedeutung auf einem Stück Papier<br />

entsteht. Alle Arbeiten der Ausstellung<br />

sind analoge Bilder. Dies bedeutet, dass<br />

sie als Abbilder von Wirklichkeit nicht am<br />

Computer manipuliert, sondern zunächst<br />

durch Licht auf einer lichtempfindlichen<br />

Oberfläche, einem Film oder Sensor<br />

entstanden sind. Der Künstler bearbeitet<br />

seine Bilder anschließend jedoch auf ganz<br />

unterschiedliche Arten, sei es in der Form<br />

von Fotokopien, durch digitales oder<br />

klassisch analoges Drucken, aber auch<br />

mit fotochemischen Prozessen oder durch<br />

manuelle Verformungen.<br />

Mit seinen Arbeiten hat Tillmans nicht<br />

nur eine neue Bildsprache der Fotografie<br />

gefunden, sondern gleichzeitig eine<br />

unverkennbar eigene Präsentationsform<br />

Installationsansicht, K21 Ständehaus,<br />

Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen<br />

Foto: A. Kukulies, © Kunstsammlung NRW<br />

43


geschaffen, die seine Ausstellungen zu<br />

ortspezifischen Gesamtinstallationen werden<br />

lassen. Die Ausstellungspraxis, bei der<br />

gerahmte neben ungerahmten Fotografien,<br />

C-Prints neben Fotokopien, Tintenstrahl-<br />

und Laserdrucke unterschiedlichsten<br />

Formats – zum Teil direkt an die<br />

Wand fixiert – zu komplexen wie auch<br />

streng linearen Wandinstallationen angeordnet<br />

werden, ist für viele nachfolgende<br />

Künstler stilprägend geworden. Dies gilt<br />

ebenso für seinen unkonventionellen Umgang<br />

mit der Fotografie, die er fortlaufend<br />

auf neue Bildmöglichkeiten und Variationen<br />

im Umgang mit dem Medium, dem<br />

Material und der Technik hin befragt und<br />

in Ausstellungen, Künstlerbüchern sowie<br />

Zeitschriften gleichermaßen präsentiert.<br />

Die Ausstellung wurde vom Moderna<br />

Museet in Stockholm in Kooperation mit<br />

der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen<br />

organisiert.<br />

In Düsseldorf unterstützt die Stiftung<br />

Kunst, Kultur und Soziales der Sparda-<br />

Bank West die Ausstellung.<br />

Stiftung Kunstsammlung NRW<br />

Grabbeplatz 5, 40213 Düsseldorf<br />

K20 Grabbeplatz<br />

K21 Ständehaus<br />

Tel. 0211.83 81-730<br />

Öffnungszeiten:<br />

dienstags bis freitags 10.00-18.00 Uhr<br />

samstags, sonntags, feiertags<br />

11.00-18.00 Uhr montags geschlossen<br />

www.kunstsammlung.de<br />

Abb. oben: spores, 2012, Courtesy Galerie<br />

Buchholz, Köln/Berlin<br />

Abb. links: Headlight (b), 2012, Courtesy<br />

Galerie Buchholz, Köln/Berlin<br />

beide Fotos: © Wolfgang Tillmans<br />

© Kunstsammlung NRW<br />

44


„Klara, sag, daß das alles nur ein<br />

Spaß, ein grausamer Spaß ist!“<br />

Der Besuch der alten Dame<br />

Sybille Fabian inszeniert<br />

Dürrenmatts „Der Besuch der<br />

alten Dame“<br />

Inszenierung: Sybille Fabian<br />

Bühne: Herbert Neubecker<br />

Kostüm: Sybille Fabian / Frauke<br />

Menzinger<br />

Dramaturgie: Oliver Held<br />

Fotos: Uwe Stratmann<br />

Besetzung:<br />

Claire Zachanassian / An Kuohn<br />

Butler / Boby Hendrik Vogt<br />

Der Blinde, Koby / Julia Wolff<br />

Alfred Ill / Harald Schwaiger<br />

Seine Frau Mathilde / Juliane Pempelfort<br />

Seine Tochter Ottilie / Hanna Werth<br />

Der Bürgermeister: / Markus Haase<br />

Der Pfarrer / Heisam Abbas<br />

Der Lehrer / Marco Wohlwend<br />

Der Polizist / Thomas Braus<br />

Zugführer, Pfändungbeamter, Turner,<br />

Bahnvorstand, Geschäftsführer, Arzt /<br />

Silvia Munzón López<br />

Güllener, Chor, Musiker, Polizeistaat, Die<br />

Dicklippigen, Die Debilen, Berater /<br />

Ensemble<br />

An Kuohn, Harald Schwaiger<br />

45


Da bleiben Fragen offen<br />

Schon zu Beginn bleiben viele Fragen offen,<br />

als ganze zehn Minuten lang eigentlich<br />

nichts passiert, außer daß sich unter<br />

dröhnendem Maschinengeräusch Gestalten<br />

durch einen Gazevorhang winden. Theaterprovokation<br />

dieser Machart ist überholt.<br />

Das hat Sybille Fabian wohl nicht verstanden,<br />

als sie Friedrich Dürrenmatts „Der<br />

Besuch der alten Dame“ für das Wuppertaler<br />

Schauspiel inszenierte und am Samstag<br />

als Premiere in Remscheid vor vollem Haus<br />

auf die Bühne brachte. Offen bleibt – ganz<br />

am Rande – auch die Frage, wieso zwar<br />

der Wuppertaler Oberbürgermeister Peter<br />

Jung (zuverlässig wie stets) samt Familie zur<br />

Premiere erschien, die Remscheider Oberbürgermeisterin<br />

(uninteressiert wie immer)<br />

bei diesem kultur- und regionalpolitisch<br />

hochkarätigen Termin durch Abwesenheit<br />

glänzte und auch kein anderer Offizieller<br />

der Stadt Remscheid sich sehen ließ. Ein<br />

Affront.<br />

Die Stadt Güllen ist bankrott. Die<br />

Stadt, jeder einzelne Bürger ist verschuldet.<br />

Vieles ist bereits gepfändet, die Einwohner<br />

und Administrativen einschließlich der<br />

Polizei (Thomas Braus) stehen im kurzen<br />

Hemd da, dem Bürgermeister (Markus<br />

Haase) ist von seiner Würde nichts als der<br />

Kummerbund geblieben, dem Pfaffen<br />

(Heisam Abbas) nur der einfachste Rock.<br />

Ihre Bewegungsfreiheit ist auf ein geringes<br />

Schrittmaß begrenzt. Nicht einmal wichtige<br />

Züge halten mehr in Güllen. Geld muß<br />

her. Dringend. Wie aber die Pleite abwenden?<br />

Da kommt den Güllener Honoratioren,<br />

die sich Ort und Einfluß teilen, ihre<br />

einstige Schulkameradin Klara Wäscher (An<br />

Kuohn) recht, die sich durch die Ehe mit<br />

einem armenischen Mogul zur Milliardärin<br />

hochgeerbt hat und nun Claire Zachanassian<br />

heißt. Sie hat ihren Besuch und Hilfe<br />

angekündigt – und ausgerechnet Alfred<br />

Ill (Harald Schwaiger) fällt die Aufgabe<br />

zu, Claire zu umgarnen. Dafür soll er den<br />

Posten des für die Pleite verantwortlichen<br />

Bürgermeisters bekommen.<br />

Foto oben: v.l.n.r. Thomas Braus, Marco<br />

Wohlwend, Heisam Abbas<br />

Mitte: Harald Schwaiger<br />

unten: v.l.n.r. Thomas Braus, Silvia<br />

Munzón López, Markus Haase, Heisam<br />

Abbas,Marco Wohlwend, Juliane Pempelfort,<br />

Hanna Werth / Schaukel: An Kuohn<br />

46


Tanz ums goldene Kalb<br />

Harsch und zynisch jedoch macht Claire, die<br />

von Anbeginn Güllen mit der Macht ihres<br />

Geldes und zerstörerischer Stimmfrequenz in<br />

Schach hält, dem Wahn ein Ende. Sie nennt<br />

ihren Preis: den Tod Alfred Ills, der sie vor<br />

Jahrzehnten geschwängert, verlassen, durch<br />

Meineid zur Hure gemacht und den Tod des<br />

gemeinsamen Kindes verschuldet hat. Dafür<br />

bietet sie Güllen 1 Milliarde Euro (bei der<br />

Uraufführung 1956 war es noch 1 Million -<br />

so inflationär hat sich die Welt entwickelt).<br />

Die lautstarke Empörung der Güllener<br />

sowie die scheinbar konsequente Ablehnung<br />

des unmoralischen Angebots wandelt sich<br />

subkutan, eine durch die Verbesserung der<br />

Garderobe sichtbar gemachte Veränderung,<br />

die auch Alfred Ill nicht entgeht. Der Tanz<br />

ums goldene Kalb hat längst begonnen.<br />

Claire wird nicht nachgeben, zu groß ist der<br />

Haß, aus dem heraus sie ihre „Gerechtigkeit“<br />

brutal einfordert – und bekommen wird.<br />

v.l.n.r. Heisam Abbas, Harald Schwaiger, An Kuohn<br />

Starke Bilder, schroffe Striche<br />

Friedrich Dürrenmatt hat den Konflikt<br />

zwischen Geld und Moral, Schuld und<br />

Vergebung, Heuchelei und Aufrichtigkeit<br />

als moralische „tragische Komödie“ auf<br />

eine Spitze getrieben, bei der das Gelächter<br />

gallebitter ist. In Sybille Fabians dröhnender<br />

Inszenierung hat Gelächter im Stakkato<br />

kakophoner Klang-Kollagen, gepreßter, zerhackter,<br />

verzögerter Sprache keine Chance.<br />

Im wuchtigen Bühnenbild von Herbert<br />

Neubecker, einem sich auf einen Erdhaufen<br />

zu verjüngenden, neonbeleuchteten<br />

Säulengang in Speer-Architektur, wird die<br />

zigmal geliftete, fast nur noch aus Ersatzteilen<br />

bestehende „alte Dame“ mit operativ<br />

eingefrorenem Grinsen zur grotesken Nebenfigur<br />

eines Dramas, in dem die Chargen<br />

zu beängstigenden Exempeln bürgerlicher<br />

Verlogenheit aufsteigen. Die Karikaturen,<br />

die Sybille Fabian hier mit schroffen Strichen<br />

zeichnet, gehen unter die Haut, ins Mark.<br />

Ein Haufen Arschkriecher.<br />

Thomas Braus als nach unten tretender<br />

Polizist, Markus Haase als an seinem Stuhl<br />

klebender salbadernder Bürgermeister,<br />

Marco Wohlwend als verlogener Humanist<br />

und vor allem Heisam Abbas in seiner körperlich<br />

gelebten Rolle des bigotten Pfarrers<br />

geben dem Stück den schauspielerischen<br />

Glanz, der der Inszenierung ansonsten<br />

abgeht. Silvia Munzón López zeigt in vielen<br />

kleinen Rollen (herrlich: ihr Pfändungsbeamter)<br />

Wandlungsfähigkeit, und Juliane<br />

Pempelfort holt aus Mathilde, der farblos<br />

inszenierten Ehefrau Alfred Ills doch noch<br />

Farbe heraus. Was inhaltlich in qualvoll<br />

künstlich gedehnten zweieinviertel Stunden<br />

dadurch bisweilen langweilig auf die Bühne<br />

gebracht wurde, hätte in einer gerafften<br />

Aufführung eventuell überzeugen können.<br />

Sybille Fabian hat ihren bisherigen, teils auch<br />

kontrovers diskutierten Arbeiten für die<br />

Wuppertaler Bühnen (Kafka: „Der Prozeß“,<br />

Wedekind: „Lulu“, Molnar: „Liliom“) mit<br />

der ihr eigenen wuchtigen Bildsprache eine<br />

neuerlich das Bild vom bürgerlichen Theater<br />

umstürzende Inszenierung hinzugefügt. Das<br />

kam nicht bei allen Zuschauern der Premiere<br />

gut an, viele, sehr viele verließen die Aufführung<br />

vor der Zeit.<br />

Ein grausamer Spaß<br />

„Klara, sag, daß das alles nur ein Spaß, ein<br />

grausamer Spaß ist!“ Diesen verzweifelten<br />

Satz Alfred Ills mochte mancher der tapfer<br />

ausharrenden Zuschauer noch im Ohr<br />

haben, als er nach zweieinviertel quälenden<br />

Stunden ohne Pause den Saal des Teo Otto<br />

Theaters in Remscheid verließ. Man muß<br />

Sybille Fabians „Besuch der alten Dame“<br />

nicht mögen, aber man sollte ihn vielleicht<br />

doch gesehen haben. Wenn auch nur als<br />

abschreckendes Beispiel für mißverstandenes<br />

Theater.<br />

Premiere war am Samstag, 6. April 2013,<br />

19.30 Uhr als Gastspiel der Wuppertaler<br />

Bühnen vor nahezu ausverkauftem Haus im<br />

Remscheider Teo Otto Theater. Die Kooperation<br />

der Theater endet nach dieser Spielzeit<br />

durch Aufkündigung seitens Remscheid.<br />

Die Wuppertaler Premiere war am 17.<br />

Mai im Opernhaus.<br />

Frank Becker<br />

www.wuppertaler-buehnen.de<br />

47


Friederike Zelesko<br />

geboren in Böheimkirchen, Niederösterreich.<br />

Sprachstudium in London, Übersetzerin.<br />

War Regierungsangestellte an der Bergischen<br />

Universität Wuppertal.<br />

Schreibt Lyrik und Prosa und ist Mitglied<br />

im Verband Deutscher Schriftsteller und der<br />

Künstlerinnengemeinschaft GEDOK. Beiträge<br />

in Literaturzeitschriften, Anthologien, im Funk<br />

und einer Kolumne der Frankfurter Rundschau.<br />

Zuletzt in der Anthologie: Fern vom<br />

Lärm der Welt, Tag + Nacht Verlag, Köln.<br />

Foto: Claudia Schüller<br />

Dichterlesung<br />

Und es begab sich, dass der Turm, der Fingerzeig<br />

der Stadtkirche, in der Abendsonne<br />

errötete. Draußen verpackten silberne Altweibersommerfäden<br />

das Bild einer heiligen Stadt<br />

und es herrschte ein mildes Licht. Drinnen, in<br />

der Kirche, herrschte die Stimme des Dichters.<br />

Er las die Geschichte „Das Rätsel“ aus<br />

seinem Werk: „Das Buch Maria Magdalena“.<br />

Der Dichter ließ mit kraftvoller Stimme<br />

Worte durch die Kirche wehen. Nur<br />

jedes zweite Wort stieg in die Höhe zu den<br />

Zuhörern und Anhängern, die unten keinen<br />

Platz mehr fanden, so wie ich, und deshalb<br />

auf der Galerie saßen. Obwohl die Zuhörer<br />

und Anhänger des Dichters von der Galerie<br />

eine gute Sicht auf den Altarraum hatten, wo<br />

er vor dem Mikrofon saß, ging ein falsches<br />

Echo durch den Kirchenraum. Das Echo<br />

verzerrte die Worte bevor sie oben ankamen.<br />

Der Dichter konnte nichts dafür, dass sich<br />

seine Stimme auf dem langen Weg nach<br />

oben im Lautknäuel verwirrte. Die oberen<br />

Lautsprecher waren verstummt. Sie konnten<br />

auch nicht repariert werden, denn unten<br />

wusste man nichts. Niemand oben hatte<br />

den Mut, die Lesung aus dem heiligen Buch<br />

Maria Magdalena zu unterbrechen und zu<br />

rufen: Wir verstehen nichts. Wir wollen die<br />

ganze Wahrheit über diese Frau aus Magdala<br />

hören, die mutig hinaustrat aus dem Haus<br />

der Patriarchen und an die Freiheit und Liebe<br />

glaubte.<br />

Die Rechtecke der Kirchenbänke waren<br />

bis auf den letzten Platz besetzt. Von oben<br />

sahen sie aus wie zwei Flickenteppiche, bunt<br />

durchwirkt mit Noppen, die sich als Köpfe<br />

der Zuhörer und Anhänger entpuppten.<br />

Der Mittelgang, die Seitengänge, auch der<br />

Gang, der die letzten Bankreihen waagrecht<br />

durchschnitt, waren frei, und ich wäre am<br />

liebsten ganz vorne, von mir aus auf dem<br />

kühlen Steinboden der Kirche gesessen, um<br />

das Wort meines Dichters zu hören. Aber dazu<br />

war es jetzt zu spät. Die Zeit schritt unaufhaltsam<br />

voran. Wer zu spät kommt, oder zu<br />

spät geboren wird, den bestraft das Leben. Ich<br />

fühlte mich wirklich bestraft, denn ich war<br />

mit der Bahn von weither angereist, um ihm<br />

zu begegnen. Er, von dem ich schon so viel<br />

gelesen und gehört hatte, und der der Verfasser<br />

des Buches der Bücher war. Eine große<br />

Menschenmenge war gekommen und ich erkämpfte<br />

mir einen Platz auf der Galerie. Und<br />

nun hörte ich nichts. Ich legte meine Hand<br />

48


hinter mein Ohr, formte es zu einem Trichter.<br />

So ein Trichter funktioniert bei schwerhörigen<br />

Menschen schon seit alters her. Nichts zu<br />

machen. Auch da verstand ich nur jedes dritte<br />

Wort. Magdala … kostbares Salböl … folgte<br />

ihm … auf den Knien liegend … emporgehoben<br />

… als erste den auferstandenen Herrn<br />

gesehen…Verkünderin der frohen Botschaft...<br />

Apostelin… Vorsteherin… Urgemeinde …<br />

Sonnenaufgang... überirdisch...<br />

Statt eines Sonnenaufgangs floss der<br />

glühende Widerschein des Sonnenuntergangs<br />

irdisch in das Kirchenschiff. Kein Schiff ohne<br />

Wendeltreppen. Die einzige Wendeltreppe,<br />

die sich in diesem Schiff hinaufschraubte, war<br />

die Treppe zur Hochkanzel. Eine Predigtkanzel<br />

in schwindelerregender Höhe von fünf<br />

Metern mit einem Geländer aus metallisch<br />

glänzendem Glas, das auch den Kanzelplatz<br />

in einer schönen, weichen Rundung umfasste.<br />

Die Kanzel wirkte zurückgenommen. Nicht<br />

sie, sondern das gesprochene Wort sollte die<br />

Aufmerksamkeit erwecken. Das gesprochene<br />

Wort einer Frau und nicht das der heiligen<br />

Nachfolger des Herrn, die alles verdrehten und<br />

sich an die patriarchalische Macht klammerten,<br />

sollte gehört werden. Wie um dies zu<br />

unterstreichen, entdeckte ich Schriftzüge auf<br />

der matten Glasscheibe des Treppengeländers.<br />

Manche konnte ich entziffern, manche waren<br />

mir fremd.<br />

Nicht mein Ohr, sondern mein Auge war<br />

jetzt das Sinnesorgan, das umständehalber und<br />

fast verzweifelt auf Entdeckungsreise ging.<br />

Dies hier ist eine offene Kirche, stand groß<br />

gleich am Eingang und lud mich ein, auf der<br />

Suche nach einem stillen Platz im hektischen<br />

Treiben der heiligen Stadt über die Diffamierung<br />

und Herabsetzung des weiblichen<br />

Geschlechts durch die Nachfolger des Herrn<br />

nachzudenken, der den Frauen während<br />

seines unauslöschlich niedergeschriebenen<br />

Erdendaseins den Platz einräumte, der ihnen<br />

vorher verwehrt war. In diesem großen, mit<br />

hellem Holz gestalteten Kirchenraum lässt<br />

sich Selbstbewusstsein von Frauen in der Stille<br />

üben. Vielleicht ist dies aber auch ein Fehler<br />

und das Selbstbewusstsein der Frauen, auch<br />

meines, müsste lauter schreien.<br />

Meine Aufmerksamkeit bahnte sich<br />

wieder den Weg zur Kanzel. Ich glaubte ganz<br />

unten hebräische oder aramäische Schriftzüge<br />

zu erkennen, die ich nicht lesen konnte. So<br />

kamen die Übersetzer der Heiligen Schrift mit<br />

ins Spiel. Auch sie konnten nichts dafür, dass<br />

sich die Geschichte von der Frau aus Magdala<br />

von der Wahrheit immer weiter entfernte,<br />

wie im Gesellschaftsspiel Stille Post, über viele<br />

Treppen und Hürden hinweg, von Sprachen,<br />

wie aramäisch, koptisch, griechisch, syrisch,<br />

lateinisch und schließlich deutsch. Deutsch<br />

war meine Muttersprache, der ich vertraute,<br />

und ich glaubte einfach nicht, dass ein Wort,<br />

das nicht in die Zeit der Reformation passen<br />

wollte, einer Willkür zum Opfer fallen könnte.<br />

Die Turmspitze der Kirche zitterte erregt.<br />

Der Abendwind berührte zärtlich die von der<br />

untergehenden Sonne rosig gefärbte Haut<br />

der Kirchenfenster. Ihre Glut versank tief im<br />

Schoß der Dächer der heiligen Stadt, unter<br />

denen Gläubige ihr Abendbrot brachen. Die<br />

Reihen der Zuhörer und Anhänger der<br />

Lesung aus dem Buch der Maria Magdalena<br />

bebten ebenfalls vor Erregung. Gerade<br />

wurden sie an ein barockes Bild erinnert. Ich<br />

verstand nur den Namen des niederländischen<br />

Malers und das Bild erschien sofort vor<br />

meinen Augen. Der Maler zeigte die Frau zu<br />

Füßen des Herrn, so wie sich Braut und Bräutigam<br />

nach einer heiligen Hochzeit begegneten,<br />

fast nackt und in großer Schönheit. Die<br />

Hüfte des Herrn umschlang das purpurne<br />

Tuch der Könige. Die Frau, in weißes Linnen<br />

gehüllt, offenbarte ihre Unschuld. Züchtig<br />

kreuzte sie ihre Arme über ihre Nacktheit und<br />

bändigte gleichzeitig die Fülle ihres Haars.<br />

Durch einen Spalt von Zeigefinger und Mittelfinger<br />

der linken Hand lugte wie zufällig<br />

eine rosige Brust hervor.<br />

Die Zeit schritt unaufhaltsam voran. Sie zählte<br />

keine reuigen Sünder, sondern Menschen,<br />

die guten Willens sind. Der Herr vergibt für<br />

alle Zeit, denn die Liebe ist die größte Macht.<br />

So sprach der Dichter und sein letztes Wort<br />

stieg auf die Kanzel und erreichte endlich den<br />

Platz auf der Galerie, wo ich saß. Die frohe<br />

Botschaft der Frau aus Magdala war mächtig<br />

geworden. Auch nach der Lesung aus dem<br />

Buch Maria Magdalena kam ich nicht in die<br />

Nähe des Dichters. Zu lange brauchte ich für<br />

den Abstieg von oben. Er war bereits umringt<br />

von den namhaften Vätern der heiligen Stadt.<br />

Sie schüttelten lange seine Hände.<br />

Im Foyer der Kirche, das in seinem<br />

hellen Holzton warm leuchtete, wurde Wein<br />

gereicht und salziges Brot und auf dem<br />

Büchertisch lag das Werk des Dichters. An<br />

diesem Abend wurde es zum Vorzugspreis<br />

angeboten und wer nicht in Eile war, konnte<br />

es sich signieren lassen.<br />

Friederike Zelesko<br />

Sandra Neufeld<br />

RINKE TREUHAND GmbH – www.rinke.eu<br />

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49


Die Straßen von Damaskus<br />

Das arabische Auge sieht mich an. Mit<br />

jedem Lidschlag zeigt es mir eine Moschee,<br />

ein Mosaik, eine Einlegearbeit, ein<br />

Haus mit Innenhof, in seiner Mitte einen<br />

plätschernden Brunnen. Die Muezzine<br />

in Damaskus rufen fünfmal am Tag zum<br />

Gebet und das Auge schließt sich für kurze<br />

Zeit, besinnt sich, um erneut den Blick<br />

auf eine der ältesten bewohnten Stadt der<br />

Welt zu richten.<br />

Das Gefäß aus Perlmutt, aus dem ich<br />

täglich trinke, schimmert wie ein Versprechen.<br />

Der Innenhof legt sich schützend<br />

um mich. Der Brunnen entwirft Formen<br />

und Farben. Sie bereiten mich vor auf die<br />

orientalische Begegnung. Eines der sieben<br />

Tore von Damaskus, das Tor Bab Kissan,<br />

erinnert an Saulus. Wie Schuppen fiel die<br />

Blindheit von seinen Augen. Er wurde<br />

sehend. Ich bin trunken von Licht und<br />

Farbe dieser Stadt.<br />

Ein typisches vornehmes Damaszener<br />

Haus: Es liegt mitten in einem Hain von<br />

Palmen, Zedern und Eukalyptusbäumen,<br />

im Rawda Stadtteil der Ärzte- und Anwaltspraxen.<br />

Direkt am Fuß des Hausberges<br />

Qassiun, an dem die Gebäude der<br />

danebenliegenden Viertel hochklettern<br />

wie Ziegen. Hier steht die Zeit still. Ich<br />

höre keine Schreie der Melonenverkäufer<br />

oder Gemüsehändler, die noch mit zweirädrigen<br />

Karren durch die Straßen ziehen,<br />

höre nicht das metallene Klicken der aneinander<br />

stoßenden Gasflaschen auf den<br />

flinken, ständig hupenden Transportern<br />

oder den Ruf des Trinkwasserverkäufers,<br />

wie er täglich im Stadtteil Jaramana zu<br />

hören ist, wo ich vorübergehend wohne.<br />

Im Rawda Viertel kommt das Trinkwasser<br />

aus einer Quelle des Flusses Barada. Es<br />

ist klar und gekühlt so erfrischend wie<br />

verdünnter Granatapfelsaft. Hinter den<br />

dicken Mauern des Hauses reichen die<br />

Türen bis zur Decke. Durch architektonisch<br />

klug entworfene Luftschächte weht<br />

ständig Kühle. Im Empfangsraum sind<br />

die Sofas und Stühle mit weißen Tüchern<br />

abgedeckt. Ein Zeichen eines längeren<br />

Unbewohntseins. Im Midan Viertel<br />

nebenan, wo eine rege Geschäftstätigkeit<br />

herrscht, wo der Geruch des frisch gerösteten<br />

Kaffees in den Ritzen der Häuser<br />

nistet, laden die vielen nebeneinander lie-<br />

genden Läden in den Straßen zum Kaufen<br />

ein. Doch hier ist es still und ruht sich<br />

gut abseits der Hitze der Mittagsglut. Alte<br />

Ventilatoren erzeugen zusätzliche Kühle.<br />

Ihr Surren verscheucht die Stille. Das alte<br />

Haus ächzt vor Vergangenheit. Das Haus<br />

erzählt Geschichten aus einer Damaszener<br />

Kindheit. Fast so wie Rafik Schami in<br />

seinem Buch „Der Fliegenmelker“:<br />

„Und wenn es uns im Sommer heiß<br />

wurde, so bat er Großmutter höflich, sie<br />

möge frischen Wind machen. Großmutter<br />

klopfte an die Wand und ein alter<br />

Propeller an der Decke zauberte geräuschvoll<br />

eine frische Brise hervor. Großvater<br />

lehnte sich mit geschlossenen Augen<br />

zurück. Göttlich, flüsterte er genussvoll<br />

und schlief ein“.<br />

An der Wand des Empfangsraumes<br />

hängt eine Kalligraphie. Die Worte tönen<br />

bildhaft verschlungen, ähnlich dem Laut<br />

der Marktschreier oder dem Murmeln<br />

der Männerrunden in den Suqs, die auf<br />

Plastikstühlen vor den Geschäften sitzen<br />

und süßen Tee schlürfen. Der Kaffee ist<br />

ebenfalls süß und sehr schwarz. Der Kardamomgeschmack<br />

liegt noch lange auf<br />

der Zunge. Meine Zunge tut sich schwer<br />

mit der arabischen Sprache. Der Gruß<br />

marhaba im Teehaus Noufara hat bereits<br />

lange vor mir Platz genommen. Wenn<br />

die traditionelle Wasserpfeife bereitet<br />

wird, die Kohle glüht und Tabakrauch<br />

durch das reinigende Wasser in die Lunge<br />

strömt, werden unzählige Worte gewechselt.<br />

Manchmal schwimmen Eiswürfel<br />

oder eine Zitronenschale im Wasser. Sie<br />

geben dem Raucher zusätzlichen Genuss.<br />

Wenn das Schweigen sich mit dem würzigen,<br />

kühlen Rauch verzieht, ist wieder das<br />

Reden angebracht. Es herrschte in reges<br />

Kommen und Gehen. Männer mit weißen,<br />

arabischen Gewändern, verschleierte<br />

Frauen, Frauen mit oder ohne Kopftuch,<br />

mit dunkel geschminkten Augen, die ihre<br />

Schönheit unterstreichen, werden zuvorkommend<br />

von den Kellnern und einem<br />

Abu Nara bedient, dem Vater des Feuers.<br />

In einem Gefäß schwenkt er die glühende<br />

Kohle. Immer wieder legt er mit einer<br />

Zange frische Glut in die Tabakbehälter,<br />

streift die Asche mit einer schnellen Bewegung<br />

einfach auf den Boden. Während<br />

er die Zange mit dem Daumen, Zeigefinger<br />

und Mittelfinger hält, spreizt er den<br />

Ringfinger und kleinen Finger, so wie die<br />

sandfarbene Damaszener Taube ihre Flügel.<br />

Sie baut auf dem Fenstersims meines<br />

Schlafzimmers im Haus in Jaramana ihr<br />

Nest. Mit ihrem gebogenen Schnabel legt<br />

sie vorsichtig Halm auf Halm. Ein paar<br />

Tage später liegen Eier im Nest. Auch in<br />

der brütenden Mittagshitze sitzen Taube<br />

und Täuberich abwechselnd im Nest. Das<br />

Schlüpfen der Jungen und ihr Flüggewerden<br />

erlebe ich noch, bevor ich Damaskus<br />

verlasse.<br />

Eine Taube entfernt sich nie mehr<br />

als sieben Steinwürfe von einer Oase,<br />

denn sie muss täglich trinken, sagte der<br />

alte Taxifahrer, der mich ins Zentrum<br />

gefahren hatte. Damaskus ist übervoll<br />

mit vogelgelben Taxis, die ständig hupen.<br />

Sie steuern mit untrüglichem Gespür für<br />

einen Abstand von ein paar Millimetern<br />

durch den mörderischen Verkehr. Auch<br />

bei einer Temperatur von fast vierzig<br />

Grad schwitzen die Fahrer nicht. Ihre<br />

Gebetsketten hängen vom Rückspiegel<br />

oder baumeln vom Lenkrad. Unter dem<br />

Lenkrad gibt es eine Abstellplatte für das<br />

Teeglas, das sie bei einem Blitzaufenthalt<br />

am Straßenrand beim Teehändler schnell<br />

auffüllen.<br />

Sie kennen sich alle, die die Straße<br />

bevölkern, von ihr leben. Der schon von<br />

weitem ausbalancierte Strahl aus der Teekanne<br />

in der Hand des eifrigen Händlers<br />

kommt dem Taxi entgegen. Der Taxifahrer<br />

wirft zugleich ein fünfundzwanzig Lirastück<br />

mit hohem Bogen in die Büchse.<br />

Es ist wie ein Spiel, das schon lange geübt<br />

wurde. Das Straßenchaos hat Methode<br />

und folgt dem Gesetz der Bedürfnisse.<br />

Dieses Gesetz ist unergründlich und man<br />

muss hier leben um es zu verstehen.<br />

Die Palmen nicken unbeugsam von<br />

den alten in die neuen Tage.<br />

Friederike Zelesko<br />

50


Patrick Stanke inszeniert<br />

„Hairspray“ im Wuppertaler<br />

TiC-Theater<br />

Inszenierung: Patrick Stanke<br />

Musikalische Leitung: Stefan Hüfner Choreographie:<br />

Dana Großmann<br />

Ausstattung: Kerstin Faber<br />

Maske: Heike Kehrwisch<br />

Chortraining: Jana Konietzki<br />

Besetzung: (Vorstellung am 17. 5. 2013):<br />

Kristina Molzberger (Tracy Turnblad) /<br />

Kristof Stößel (Edna) / D. Schulz (Motormouth)<br />

/ Robert Pfl anze (Corny Collins;<br />

Wilbur) / Jennifer Pahlke (‚Penny Pingleton)<br />

/ Isabelle Rotter (Velma; Prudy) /<br />

Christopher Geiß (Link Larkin) / Sophie<br />

Schwerter (Amber) / Tarik Dafi (Seaweed) /<br />

Kerstin Trand (Inez)<br />

v. l. Sophie Schwerter, Dimitri Wassiliadis,<br />

Isabelle Rotter<br />

From Bobby Sox to Stockings<br />

Seit Mitte April hat das Wuppertaler TiC-<br />

Theater ein neues Zugpferd im Programm,<br />

das herrlich bunte, amüsant kitschige und<br />

köstlich klischeereiche Musical „Hairspray“<br />

von Mark O´Donnell & Thomas Meehan<br />

mit der mitreißenden Musik von Marc<br />

Shaiman. Von Patrick Stanke (der auch<br />

schon „Hair“ im TiC zu einem Dauerbrenner<br />

gemacht hatte) perfekt besetzt,<br />

ideenreich und punktgenau inszeniert und<br />

von Dana Großmann kongenial choreographiert,<br />

präsentiert sich auf der Bühne<br />

des Ateliers Unterkirchen ein zweieinhalb<br />

Stunden ohne Längen blendend unterhaltendes<br />

Spektakel im Zeitkolorit der frühen<br />

60er Jahre im amerikanischen Baltimore.<br />

Die Geschichte<br />

Die Geschichte: 1962, Baltimore ist noch<br />

stockkonservativ, die braven Bürger von<br />

Vorurteilen geprägt. Schwarze, Unterschicht<br />

und Einwanderer haben es schwer.<br />

Traum aller Mädchen von Baltimore und<br />

vor allem der Patterson Park High School<br />

ist, einmal in der Corny Collins Show des<br />

regionalen TV-Senders zu tanzen und an<br />

der Seite des angeschwärmten Pop-Sängers<br />

Link Larkin (überzeugend: Christopher<br />

Geiß) zu stehen. Dessen augenblickliche<br />

Favoritin ist Amber, Teenage Queen der<br />

Patterson High, blond, schlank, hübsch<br />

und verdammt zickig (brillant Sophie<br />

Schwerter in einer schwierigsten Rollen des<br />

Stücks). Da hat wohl ein übergewichtiges<br />

Pummelchen wir Tracy Turnblad (perfekt<br />

und für die Rolle wie „gebacken“: Kristina<br />

Molzberger) keine Chance. Doch weil sie<br />

Selbstbewußsein und Chuzpe hat, nimmt<br />

sie den Kampf gegen die Intimfeindin und<br />

das Establishment auf, um zu beweisen,<br />

daß alle gleich sind und die selben<br />

Chancen verdienen, zur „Miss Teenage<br />

Hairspray“ 1962 gekürt zu werden. Diese<br />

Krone nämlich ist mit dem Abschneiden<br />

beim Tanzwettbewerb verbunden. An<br />

Tracys Seite ihre Freundin Penny Pingleton<br />

(zauberhaft und für mich neben Sophie<br />

Schwerter heimlicher Star der Inszenierung:<br />

Jennifer Pahlke), der von ihr angeschwärmte<br />

Seaweed (Tarik Dafi) und seine<br />

Adoptivschwester Inez (Kerstin Trand).<br />

Songs und Charaktere<br />

Aber auch andere, recht kuriose Charaktere<br />

bevölkern die Szene. Da sind Tracys<br />

Eltern Edna (handfest: Kristof Stößel)<br />

51


und Wilbur (Robert Pflanze), liebenswert<br />

bodenständig, doch für das Wohl<br />

der Tochter auch kampfbereit, Seaweeds<br />

Adoptiv-Mutter/Vater Motormouth<br />

(D. Schulz) und der Showmaster Corny<br />

Collins (sympathisch und charismatisch:<br />

Robert Pflanze). Mit viel Musik, echten,<br />

deutsch gesungenen Ohrwürmern<br />

(„Good Morning Baltimore“, „Mama,<br />

ich bin nicht mehr klein“, „The Madison“,<br />

„It Takes Two“, „Breit, Blond und<br />

Beautiful“, „Ohne Dich“, „Niemand<br />

stoppt den Beat“) und im Geiste der 60er<br />

hervorragend mit Twist und Madison,<br />

Blues choreographiert ist „Hairspray“ in<br />

dieser (und vermutlich auch in anderer<br />

TiC-Besetzung) ein einziges Vergnügen<br />

für Ohren und Augen. Letzteres betrifft<br />

auch die phantastische Kostüm-Ausstattung<br />

(Bobby Sox, High School Blousons,<br />

Pennys und Tracys Karo-Röcke, Links<br />

schmale Krawatten und Revers, Ambers<br />

Petticoat und wundervolles Blumenkleid)<br />

und die Frisuren, mit denen Kerstin<br />

Faber und Heike Kehrwisch Zeit- und<br />

Lokalkolorit vom toupierten Scheitel<br />

und der Schmalztolle bis zu den spitzen<br />

Schuhen und den wenigen Versatzstücken<br />

auf der Bühne akkurat auf den Punkt<br />

gebracht haben. Im Übrigen wird durch<br />

Projektionen wirksam der Hintergrund<br />

gezeichnet und manch aufwendiger<br />

Umbau gespart. So bleiben Schwung und<br />

Tempo erhalten.<br />

Spitzen-Leistungen<br />

Die durchaus großartige Leistung der<br />

professionell geleiteten Laiendarsteller ist<br />

bewundernswert, sie zeigen größtenteils<br />

fast durchweg untadelig Profi-Qualitäten:<br />

Unerhörtes Gesangstalent, voluminöse<br />

Stimme und ihre positive Rolle – das Publikum<br />

steht geschlossen hinter ihr – machen<br />

es der begabten Kristina Molzberger<br />

leicht, die Sympathien auf sich zu ziehen.<br />

Sophie Schwerter versteht es hingegen mit<br />

schauspielerischer Raffinesse, aus der negativ<br />

besetzten Rolle der Amber dramatisches<br />

Kapital zu schlagen, das zickig dumme<br />

Blondchen glaubhaft zu machen. Jennifer<br />

Pahlke hält ihre sympathische Penny bis<br />

zum Showdown und dem Wechsel von<br />

den Söckchen zu Seidenstrümpfen dezent<br />

im Hintergrund (man ahnt jedoch schon<br />

früh ihre Entwicklung und denkt stets an<br />

Frankie Avalons „When A Girl Changes<br />

From Bobby Sox To Stockings“), Christopher<br />

Geiß, ein Typ zwischen Johnny<br />

Tillotson („Poetry In Motion“) und<br />

Jimmy Clanton („Venus In Blue Jeans“)<br />

angelegt, verkörpert nachvollziehbar den<br />

trotz Teenager-Schwärmereien unsicheren<br />

Jungen, der sich zwischen Karriere und<br />

Überzeugung hin- und hergerissen sieht,<br />

Isabelle Rotter nimmt man die Über-Mutter<br />

Ambers ab und Robert Pflanze glaubt<br />

man seinen Corny Collins, den engagierten<br />

TV-Moderator der 60er gern.<br />

Sympathie ernten am Ende natürlich alle<br />

der bis in die gesprayten Hair-Spitzen<br />

motivierten Darsteller. Ein Riesenvergnügen<br />

und nicht warm genug zu empfehlen.<br />

Rechtzeitige Kartenbestellungen empfehlen<br />

sich dringend.<br />

Frank Becker<br />

Fotos Martin Mazur<br />

Weitere Info: www.tic-theater.de<br />

http://www.youtube.com/<br />

watch?v=FOyVYr-ZQz8<br />

Bobby Sox<br />

http://www.youtube.com/<br />

watch?v=PvQPsSN1pd0<br />

Venus<br />

http://www.youtube.com/watch?v=Oy_<br />

ArpznZUs Poetry<br />

Christof Stößel<br />

Kristina Molzberger<br />

Jennifer Pahlke, Tarik Dafi<br />

52


Im Garten… arbeiten wie der Vogel singt<br />

Ausstellung Werner Schriefers<br />

im Kunstmuseum Solingen<br />

26. April – 2. Juni 2013<br />

Werner Schriefers erhielt unmittelbar<br />

nach Kriegsende keine Farben zugeteilt,<br />

weil er während des Nationalsozialismus<br />

kein Mitglied der Reichskammer der<br />

Bildenden Künste war. Sein erstes Bild<br />

von 1945 ist deshalb auch mit sehr reduzierter<br />

Palette entstanden. Zu sehen ist es<br />

in einer Ausstellung im Kunstmuseum<br />

Solingen.<br />

Werner Schriefers wusste nach 1945<br />

die wiedergewonnene Freiheit aber<br />

engagiert künstlerisch zu nutzen. Er<br />

machte erste Erfahrungen im „Studio<br />

für neue Malerei“ von Heinz Rasch am<br />

Döppersberg in Wuppertal – Elberfeld.<br />

Hier, direkt über der Wupper, hatten zuvor<br />

Künstler im Verborgenen gearbeitet.<br />

Dieses „Asyl“ nutzen die als „entartet“<br />

geltenden Maler und Bauhaus-Meister<br />

Oskar Schlemmer, Willy Baumeister und<br />

Georg Muche. In diesem Atelier entstanden<br />

die „Fenster-Bilder“ von Oskar<br />

Schlemmer und hier experimentierten<br />

Schlemmer und Baumeister für den<br />

Farben-Fabrikanten Dr. Kurt Herberts.<br />

In diesem „Studio für neue Malerei“ fand<br />

1949 die erste Hinterglasmalerei-Ausstellung<br />

von Werner Schriefers statt.<br />

Hinzu kam die Bauhaus-Lehre: Schriefers<br />

studierte ab 1946 an der Textilinge-<br />

Werner Schriefers<br />

Regenwetter, 1945, Öl auf Leinwand<br />

32,5 x 30 cm<br />

Alle Fotos: Thomas Schriefers<br />

53


nieurschule in Krefeld (heute Hochschule<br />

Niederrhein) Gestaltung und Malerei bei<br />

dem ehemaligen Bauhaus-Meister Georg<br />

Muche und wurde 1948 dort dessen<br />

Assistent.<br />

Schriefers wurde Mitglied der „Künstlergruppe<br />

45“ in Krefeld. Erste Hinterglasbilder<br />

entstanden: Diese Bildtechnik<br />

hatte Heinrich Campendonk von der<br />

Künstlerinitiative „Der Blaue Reiter“ aus<br />

München / Murnau in die Region Niederrhein<br />

gebracht. Bis in die 1990er Jahre<br />

widmete sich Werner Schriefers immer<br />

wieder dieser Technik und entwickelte<br />

sie dabei weiter, vor allem in dem 1969 –<br />

1972 entstandenen „Smog – Zyklus“.<br />

Aber bereits in den späten 1940er Jahren<br />

fasste Schriefers den Mut, sich zunehmend<br />

von der gegenständlichen Darstellung<br />

zu lösen – in einer Zeit, in der<br />

das geflügelte Wort für moderne Kunst<br />

immer noch das Verdikt „entartet“ war.<br />

Karl Otto Götz erzählt in seiner Biografie,<br />

dass man die jungen Künstler damals bis<br />

zum Beginn der fünfziger Jahre „mit ihrer<br />

abstrakten Kunst herausgeschmissen hat“.<br />

Nach einem nur zweijährigen Studium<br />

wurde er 1949 von Jupp Ernst, der mit<br />

Georg Muche befreundet war, an die<br />

Werkkunstschule Wuppertal (heute<br />

Fachbereich Design, Bergische Universität<br />

Wuppertal) geholt – als Leiter des<br />

neu eingerichteten Fachbereichs Gestaltungslehre<br />

in der Folge der Vorkurse des<br />

Bauhauses.<br />

Werner Schriefers malt seine Bilder auf<br />

dem Weg von der Gegenständlichkeit<br />

zur Abstraktion. Die Natur ist ihm<br />

dabei stets Vorbild. Er stellt in Krefeld<br />

54


Werner Schriefers<br />

Drei Bäume, 1949, Öl auf Leinwand,<br />

30 x 61 cm<br />

und in Wuppertal aus, ab den frühen<br />

1950er Jahren auch in der dortigen legendären<br />

„Galerie Parnass“ von Rudolf<br />

Jährling, der auch durch den Architekten<br />

Heinz Rasch für Kunst interessiert<br />

worden war.<br />

1965 wurde Werner Schriefers als<br />

Direktor an die Kölner Werkschulen<br />

berufen. 1986 stiftete er seine Design-<br />

Sammlung an die Bergische Universität-<br />

Gesamthochschule Wuppertal, 1990<br />

wurde er Vorsitzender des Deutschen<br />

Werkbundes NRW.<br />

In all diesen Jahren entwickelte er seine<br />

Malerei zur Abstraktion. Er nutzte das<br />

Material Farbe, um in seinen Bildern<br />

die Empfindungen für Natur und Musik<br />

umzusetzen. Die Ausstellung zeigt dazu<br />

eine Reihe großformatiger Gemälde der<br />

Jahre 1980 bis 1999.<br />

Er erklärte: „Meine Malerei ist bestimmt<br />

durch den immer wieder gleichen<br />

Vorgang einer Empfindung und ist<br />

damit Ausdruck einer Empfindung. Jede<br />

Empfindung lässt sich kombinieren mit<br />

einer anderen, und so entsteht dann das<br />

Inhaltliche. Das Bild soll offenbaren und<br />

gleichzeitig, wie ich sagte, gut gemacht<br />

sein. Ich bin Maler und pflege die<br />

Malerei im Sinne einer Aktion und einer<br />

Technik, die Schönheit erzeugt.“<br />

Auf die Frage, was er Betrachtern seiner<br />

Bilder raten würde, die behaupten, sie<br />

verstünden seine abstrakt anmutenden<br />

Bilder nicht, antwortete er: „Ich wünschte,<br />

dass die Menschen alle viel offener<br />

und sinnlicher sein möchten, so dass sie<br />

sich genauso an den Bildern erfreuen<br />

können wie an einer Pflanze, deren Art<br />

55


und Abstammung sie nicht bestimmen<br />

können, ein Bild ob seiner Schönheit zu<br />

begreifen.“<br />

Die Ausstellung präsentiert Werner<br />

Schriefers ausschließlich als Maler. Es<br />

werden 95 Bilder der Zeit 1946 bis 1999<br />

gezeigt. Kataloge dazu bietet der Museumsshop<br />

an.<br />

Rolf Jessewitsch<br />

Kunstmuseum Solingen<br />

Wuppertaler Straße 160, 42653 Solingen,<br />

Tel. 02 12 / 25 81 40<br />

Öffnungszeiten: Di - So 10 - 17 Uhr<br />

www.kunstmuseum-solingen.de<br />

oben:<br />

Werner Schriefers, In den Gärten, 1947,<br />

Öl auf Leinwand, 74 x 100 cm<br />

unten:<br />

Werner Schriefers, Erinnerung an ein Dorf,<br />

1950, Öl auf Pappe, 38 x 51 cm<br />

Tagesnotiz<br />

Karl Otto Mühl sandte uns diesen schönen Satz von Pastor Eckehard Fröhmelt:<br />

Die wahren Helden halten sich meist nicht für solche.<br />

Jede gute Mutter ist eine unerkannte Heldin, ein arabisches Sprichwort sagt:<br />

„Gott kann nicht überall sein, darum schuf er die Mütter.“<br />

56


Glückliche Insel hinter<br />

der Zeit<br />

Soline ist nicht gottverlassen, aber ein Ort<br />

am Rande der globalisierten Welt. Das Dorf<br />

liegt im Nordwesten der Insel Dugi Otok,<br />

einer 50 Kilometer langgestreckten Insel,<br />

anderthalb Fährstunden von Zadar, der<br />

früheren Hauptstadt Dalmatiens, entfernt.<br />

Es ist später Nachmittag, die Gluthitze in<br />

diesem Sommer läßt ein wenig nach und das<br />

Licht beginnt sich kupfern einzufärben. Vom<br />

Quai des kleinen Fischerhafens springen die<br />

Kinder und Jugendlichen des Dorfes. Unermüdlich.<br />

Immer wieder springen sie, klettern<br />

aus dem Wasser, springen und so in einem<br />

fort. Als gäbe es nichts Schöneres auf der Welt.<br />

Alle Lust will Ewigkeit, sagt Nietzsche und<br />

die Zeit steht still in diesem Augenblick in<br />

Soline.<br />

Dugi Otok –<br />

Auf halbem Weg zwischen Kirche und Hafen<br />

dieses Ortes finde ich das Zeugnis einer Epoche,<br />

die erst vor 18 Jahren mit dem Ende des<br />

Jugoslawischen Krieges und der Unabhängigkeit<br />

Kroatiens zu Ende gegangen ist. In<br />

einem kleinen Park mit Palmen und bunten<br />

Blumenbeeten steht eine überlebensgroße<br />

bronzene Skulptur: ein Kampfroboter, auf<br />

dessen Stirn der Sowjetstern gebrandmarkt<br />

ist, ein Kopf ohne menschliches Antlitz, die<br />

Augen starr wie ein Hai. Und unter der Hose<br />

zeichnen sich Hoden von unwahrscheinlicher<br />

Größe ab: Ein Traumbild kommunistischer<br />

Potenz. Aber eben nur ein Traumbild.<br />

Hier, in diese heitere mittelmeerische Welt,<br />

scheint sich das antifaschistische Denkmal<br />

nicht fügen zu wollen: Relikt einer Vergangenheit,<br />

die kein halbes Jahrhundert Bestand hatte<br />

und mit dem Jugoslawischen Krieg zu Ende<br />

ging: eine kurze Episode nur in diesem Ort,<br />

den es bereits seit acht Jahrhunderten gibt.<br />

Und doch muss dieses unglückliche Ehrenmal<br />

bedeutungsvoll sein für die Menschen von<br />

Soline: eine Oase des Bedeutungsvollen, eine<br />

Erinnerung an eine Zeit, als Soline und Dugi<br />

Otok für wenige Jahre aus dem Windschatten<br />

der Geschichte traten.<br />

Denn im Süden der Insel, unterhalb<br />

der riesigen Bucht Telascica, erstreckt sich<br />

das Archipel der Kornaten, ein Gebiet aus<br />

zahllosen Inseln und Inselchen: Ein Paradies<br />

für Partisanen, die gegen Faschismus und<br />

Fremdherrschaft, gegen die verhassten Truppen<br />

Mussolinis kämpften. Hierher konnten sie<br />

sich nach ihren Attacken jederzeit zurückziehen<br />

– unauffindbar in diesem Labyrinth<br />

von Eilanden, deren versteckten Riffe nur die<br />

einheimischen Fischer kennen.<br />

Die Steilküste von Telascica<br />

57


Vielleicht waren es die Erfolge im<br />

antifaschistischen Kampf, die über die<br />

Sorgen der Zeit, hinwegtrösteten: über das<br />

langsame Ausbluten des Dorfes, später über<br />

die Trauer um den Tod der Verwandten im<br />

jugoslawischen Krieg, über das Erstarren des<br />

Sozialismus im Ismus, schließlich über die<br />

Schließung der Sardinenfabrik im 40 Kilometer<br />

entfernten Sali und damit den Wegfall<br />

der letzten Arbeitsplätze.<br />

Bozava<br />

Noch ist Bozava wie Soline eine Welt der<br />

Vergangenheit. Die Töchter und Söhne der<br />

Nostalgie können hierher fahren auf der Suche<br />

nach einer imaginären Kindheit, die hier<br />

noch wirklich ist: Die Gassen des Dorfes sind<br />

zu schmal für Autos. Die elektrischen Leitungen<br />

sind über Land verlegt und der Strom<br />

wird über gläserne und porzellanene Verteiler<br />

in die Häuser geleitet. In dem wohnzimmergroßen<br />

Markt des Ortes steht Zelja Milin,<br />

eine hagere, resolute Dame im ewig blauen<br />

Kittel hinter der Kasse. Sie packt die Waren<br />

in Tüten. Nach wenigen Tagen kennt sie jeden<br />

Ankömmling und kein Einkauf vergeht,<br />

in dem wir uns nicht über das Wetter, die<br />

wechselnden Winde und die ebenso wechselnden<br />

Wahrscheinlichkeiten austauschen,<br />

ob in den kommenden Tagen Fleisch zu<br />

erwarten ist. Während die Windvorhersagen<br />

eine hohe Wahrscheinlichkeit haben, sind die<br />

Ankündigungen der Fleischlieferungen ein<br />

Roulettespiel, abhängig von den undurchschaubaren<br />

Gesetzen des kroatischen Zeitund<br />

Logistik-Managements. Es ist eine Welt,<br />

in der noch nicht alles und jedes jederzeit<br />

verfügbar ist. Es gibt keine Bankautomaten;<br />

beim Zahlen wandern Scheine und<br />

Münzen von Hand zu Hand. Die Rückseite<br />

der Zwei-Kuna-Münze ziert ein Thunfisch.<br />

Doch Fisch kann man damit in Bozava nicht<br />

kaufen. Denn die Menschen in Bozava sind<br />

Selbstversorger und Alleskönner. Sie bauen<br />

ihre Häuser selbst, machen ihren Wein und<br />

Schnaps selbst und sie fischen selbst, wenn<br />

bei Dugi Otok die rote Sonne im Meer<br />

versinkt.<br />

Bozava, umgeben von Kiefernwäldern,<br />

Agaven und Tamarisken, mit seinen bunt<br />

leuchtenden Häusern, die einst die Tristesse<br />

des sozialistischen Alltags türkis und mintgrün,<br />

pompejirot und pfirsichfarben überstrahlten,<br />

öffnet sich der Zukunft: Und die<br />

heißt Tourismus. Schon ankern neben dem<br />

alten Fischerhafen Yachten aus ganz Europa.<br />

Auf der einen Seite der Bucht liegt bereits<br />

seit längerer Zeit eine Hotelanlage und auf<br />

der gegenüberliegenden Seite wachsen am<br />

Hang Apartments. Fast jedes Haus wirbt<br />

mit einem Hinweisschild Sobe, Zimmer. Und<br />

doch gehört am Abend, wenn die Sonne<br />

untergegangen ist, der Dorfplatz den Alten<br />

und Kindern. Mädchen halten Katzen-Babys<br />

im Arm und die Jungs aus Bozava spielen mit<br />

ihren Altersgenossen aus Italien, Ungarn oder<br />

Deutschland Fußball. Für halbe Stunden des<br />

Glücks sind sie Diego Armando Maradona<br />

oder Zinedine Zidane oder Lionel Messi.<br />

Biserka<br />

Biserka stammt aus Bozava und arbeitet als<br />

Deutschlehrerin an einer Schule in Zagreb.<br />

Doch in den Sommerferien verbringt sie die<br />

Zeit in Bozava, wo sie geboren wurde und<br />

wo ihre Eltern leben. Biserka spricht - was<br />

für viele Menschen hier ein Tabu ist - über<br />

den Krieg, von dem sie sagt, dass sie ihn<br />

bis heute eigentlich nicht begreifen kann.<br />

Die Serben, erzählt sie, sind nicht nach Dugi<br />

Otok gekommen. Zadar aber haben sie mit<br />

Mörsern und Granaten beschossen und aus der<br />

Luft bombardiert. Als es in der Stadt auf dem<br />

Festland mit den Bombardements losging,<br />

hatten die Menschen auf Dugi Otok Angst.<br />

Sie suchten die Häuser mit den stabilsten<br />

Kellern und versammelten sich in der<br />

Kirche. Der Pfarrer sagte ihnen, wann<br />

Angriffe bevorstehen und dass sie dann in<br />

die ausgesuchten Keller gehen sollten. Sie<br />

gingen. Immer wieder. Aber der Krieg ging<br />

an ihnen vorbei. Dugi Otok blieb im Windschatten<br />

der Geschichte. Doch die Spuren<br />

der Angst sind in die Seelen eingeschrieben.<br />

Wer den Krieg nicht erlebt hat, kann ihn sich<br />

nicht vorstellen, sagt Biserka. Als es in Zadar<br />

hieß, dass die Stadt bombardiert würde,<br />

nahmen die Eltern ihre eigenen Kinder als<br />

lebendige Schutzschilde. Die Kinder wurden<br />

nicht evakuiert. Ein Irrtum, zynisch fast wie<br />

die Angriffe auf eine wehrlose Stadt selbst.<br />

Die Logik des Krieges kennt die Gebote der<br />

Menschlichkeit nicht. Das zu wissen, wäre<br />

ein Gebot der Menschlichkeit gewesen.<br />

Doch Menschlichkeit ist stets das erste<br />

Opfer des Krieges. Das hatten die Bewohner<br />

der schönen Stadt Zadar vergessen, die anderthalb<br />

Jahre ohne Wasser und Licht war.<br />

Vor allem für die schwangeren Frauen und die<br />

jungen Mütter mit ihren Babys war es eine<br />

schlimme Zeit, erinnert sich Biserka.<br />

58


Biserka erzählt über den Krieg. Sie weiß,<br />

dass Erzählen ein Weg ist, die Verletzungen<br />

des Krieges zu lindern. Kommt, lasst uns<br />

reden, denn wer redet, ist nicht tot, hatte einst<br />

Gottfried Benn in einem Gedicht geschrieben.<br />

Biserka erzählt: Mein Sohn war Soldat<br />

bei der kroatischen Armee. Während des Krieges<br />

zeigte er keine Angst. Keine Zeit dazu. Immer<br />

nur beschäftigt, das Notwendige zu tun. Danach<br />

zu müde, um nachzudenken. Über das,<br />

was er im Krieg erlebt hat, hat er - anders als<br />

seine Mutter - nie gesprochen. Jetzt besuchen<br />

ihn in den scheinbar freien Stunden seines<br />

Lebens ohne Arbeit und ohne Familie die<br />

Gespenster der Vergangenheit und des Krieges.<br />

Mein Sohn leidet unter Depressionen und<br />

hat lange Zeit keinen Anschluss an das Leben<br />

nach dem Krieg gefunden. Was Biserka erzählt,<br />

erinnert an das Schicksal der US-amerikanischen<br />

Vietnam-Veteranen, die nach ihrer<br />

Reise ins Herz der Finsternis nicht zurückfinden<br />

konnten in das, was man ein normales<br />

Leben nennt. So viele Kriege -: Und doch<br />

sind die Gesetze der Seele universell.<br />

Arbeitslosigkeit und Traumatisierung<br />

durch den Krieg, das ist ein Schicksal, das<br />

Biserkas Sohn mit vielen Kroatinnen und<br />

Kroaten teilt. Dabei hatte er unmittelbar<br />

nach dem Krieg schon eine Arbeit gefunden;<br />

doch die Armee köderte ihn mit ungewissen<br />

Versprechungen, die sie später nicht halten<br />

kann oder will. Er sollte arbeiten, eine Familie<br />

gründen, dann hätte sein Leben einen Sinn,<br />

sagt Biserka, dann wüsste er, wofür er lebt.<br />

Und es sind wie immer die einfachen Wahrheiten,<br />

die stimmen und die doch so schwer<br />

zu leben sind. Und Sport treiben sollte er, sich<br />

die Ängste und Erinnerungen aus dem Leibe<br />

schwitzen. Biserka ist eine Frau voller Hoffnungen.<br />

Jetzt hat ihr Sohn einen Job auf der<br />

Insel. Im Tourismus. Und langsam schon, sagt<br />

Biserka, geht es ihm besser. Und die Töchter<br />

und Söhne der Nostalgie müssen Bozava auf<br />

ihrer Landkarte als Ort der Vergangenheit<br />

ausstreichen und ihm eine Zukunft wünschen.<br />

Doch jede Zukunft wird irgendwann<br />

einmal Vergangenheit sein.<br />

Ina<br />

Am schönsten ist Bozava im Juni, sagt Ina,<br />

die ich in einer Hafenbar kennen lerne. Weil<br />

dann, angelockt vom Duft von Oleander,<br />

Jasmin und Bougainville das Dorf voller<br />

Schmetterlinge ist. Lebendige Mobiles der<br />

Heiterkeit aus Zitronenfaltern, Pfauenaugen<br />

und Bläulingen. Für einen flüchtigen<br />

59


Moment sehe ich Bozava, während Ina<br />

von der schönsten Zeit des Jahres erzählt,<br />

im Bilde des Glücks. Und inmitten dieses<br />

schönen Moments fällt mir ein Aperçu<br />

Gottfried Benns ein: Der Consensius omnium<br />

ist mir nicht einmal einen Kohlweißling wert,<br />

wie er über jedem Bauernhof schwebt. Nun<br />

schweben sie bei uns aber nicht mehr, die<br />

Kohlweißlinge, und jeder Schmetterling, wie<br />

sie es in meiner Kindheit noch zu Hunderten<br />

gab, rührt mich. Und so wird der Kohlweißling<br />

ein halbes Jahrhundert später – in den<br />

deutschen Zeiten sozialer Kälte – wertvoll wie<br />

auch der Consensius omnium, den der antidemokratische<br />

Benn zu Unrecht verachtete.<br />

Ina hat Philosophie in Zadar studiert,<br />

das an der dalmatinischen Küste, nur<br />

anderthalb Fährstunden von Dugi Otok<br />

entfernt liegt. Zu Beginn ihres Studiums<br />

lag der Schwerpunkt noch auf Analytischer<br />

Philosophie. Nur ein Professor, Heidegger-<br />

Schüler, lehrte Ontologie. Nach dem Ende<br />

des jugoslawischen Krieges begann der junge<br />

kroatische Staat mit der Neuorientierung<br />

der Universitäten. Die Christdemokraten<br />

hatten die ersten parlamentarischen Wahlen<br />

gewonnen. Fünfzig Jahre zwangsverordneter<br />

Sozialismus hatte ein Sinnvakuum<br />

hinterlassen. Und das konnte, ähnlich wie<br />

in Deutschland nach 1945, die Kirche am<br />

schnellsten füllen. Die Macht der Tradition.<br />

Dementsprechend vollzog sich auch in der<br />

philosophischen Fakultät in Zadar ein Paradigmawechsel.<br />

Der Lehrplan wurde traditionell<br />

ausgerichtet: Griechische Philosophie,<br />

Scholastik, Ontologie und Existentialismus.<br />

Ausgerechnet der Professor, der beim Urvater<br />

der Existenzphilosophie, bei Heidegger,<br />

studiert hatte und in den Zeiten des<br />

Sozialismus seine philosophischen Wurzeln<br />

nicht verraten hatte, wurde der Lehrauftrag<br />

entzogen. Das hatte einen einfachen Grund:<br />

Er war Serbe.<br />

Ina bedauert es, dass er gehen musste.<br />

Weil sie es falsch und ungerecht findet. Und<br />

obwohl sie Heidegger nicht mag. Sie mag<br />

Philosophien, which are in strong contact with<br />

life.<br />

Ina ist eine emanzipierte, kluge und<br />

schöne Frau und sie ist – wie viele Philosophinnen<br />

und Philosophen auf der ganzen<br />

Welt – arbeitslos. Philosophie produziert<br />

keine Artefakte und reine Ideen kann man<br />

schwer verkaufen und so wartet Ina in diesem<br />

Sommer auf eine entscheidende Wende in<br />

ihrem Leben.<br />

Der Busfahrer von Dugi Otok<br />

Man muss sich den Busfahrer von Dugi<br />

Otok als einen glücklichen Menschen vorstellen:<br />

ein moderner Sysiphos. Sein Berg ist der<br />

Fahrplan, der sich nach der Fähre richtet, die<br />

nur zweimal zwischen der Insel und Zadar<br />

verkehrt und die Reisenden mit ihren zumeist<br />

klimatisierten Automobilen ausspuckt.<br />

So ist der altersschwache und überhitzte Bus<br />

fast immer leer. Die Insulaner haben eigene<br />

Autos und wer keines hat, ist meist alt und<br />

bleibt am Ort. Selten habe ich mehr als zwei<br />

Personen in dem Bus gesehen und gut könnte<br />

es sein, dass der Busfahrer von Dugi Otok<br />

sich die Sinnfrage stellt. Ebenso gut könnte<br />

es aber auch sein, dass er genau das nicht tut,<br />

dass er absieht von allen Fragen der Effizienz<br />

und einfach die Panoramaaussicht von der<br />

schönsten Inselstraße der Welt, wie er sagt,<br />

genießt. Es könnte sein, dass ihn der Anblick<br />

der Buchten von Veli Rat und Soline, auf<br />

die er aus der Höhe schwebend zufährt, zu<br />

einem Menschen macht, der sich im Olymp<br />

wähnt. Es könnte aber auch sein, dass der<br />

Blick auf die vielen Inseln, die zwischen Dugi<br />

Otok und dem Festland liegen, lediglich<br />

zu einem zufriedenen und freundlichen<br />

Menschen machen, der das wechselnde Licht<br />

liebt, das die wechselnden Winde bringen:<br />

Die Klarheit und Transparenz des Maestral,<br />

der vom Meer her weht und der die Inseln<br />

in plastischer Klarheit hervortreten lässt<br />

und den Yugo, den warmen Wind, der vom<br />

Süden her weht und die Wellen aufpeitscht,<br />

der Gewitter und Wetterwechsel ankündigt<br />

und die Eilande in einen impressionistischen<br />

Dunst taucht, in dem sie miteinander zu<br />

verschweben scheinen. Es könnte sein, dass<br />

der Busfahrer von Dugi Otok süchtig ist<br />

nach diesem Naturschauspiel, denn in den<br />

Fahrpausen, während der Fährverkehr ruht,<br />

sah ich ihn stets mit seiner Frau vor seinem<br />

winzigen Haus sitzen, den Blick auf Meer<br />

und Inselwelt gerichtet.<br />

Als unsere Hausherren nach ihrem eigenen<br />

Urlaub auf der Insel heim nach Zadar<br />

mussten, fand ich unsere Hauskatze, der wir<br />

den Namen Kazimir gegeben hatten, vor<br />

dem als Ersatzteillager genutzten alten Bus<br />

wieder, der neben dem Haus des Busfahrers<br />

abgestellt war. Ich fuhr langsam vorbei und<br />

war froh, dass es Kazimir noch gab. Der Busfahrer<br />

beobachtete uns, lächelte und grüßte<br />

uns freundlich. Wann immer wie ihn auf<br />

unseren Fahrten trafen, trat dieses freundliche<br />

Lächeln auf sein Gesicht, das Ausdruck<br />

eines geheimen Wissens war. Und indem ich<br />

die Insel verlasse, entlasse ich den Busfahrer<br />

aus dem mythischen und philosophischen<br />

Klischee und denke ihn mir einfach als einen<br />

freundlichen und herzensguten Menschen,<br />

den ich gerne wieder sehen möchte.<br />

Heiner Bontrup<br />

Fotos: Heiner Bontrup<br />

60


Haus- und Nutztiere<br />

Als ich sie das erste Mal besuchte,<br />

schwammen zwischen Küche und<br />

Esszimmer Zierfische in einem Aquarium.<br />

Durch die Kaffeemaschine führte<br />

eine Ameisenstraße und im Badezimmer<br />

beobachteten Silberfische mein Tun.<br />

Im Wohnzimmer sprach der Papagei mit<br />

der Stimme meiner Schwester. Auf der<br />

Fensterbank lag die Katze. Es war ein<br />

Tag, an dem man die erste Frühlingssonne<br />

spürte.<br />

Meine Schwester war noch nicht lange<br />

verheiratet. Ihre Ehe hatte sich wie ein<br />

Naturereignis um sie gelegt. Wenn jetzt<br />

noch draußen die Obstbäume blühten<br />

und Bienen zur Befruchtung einflögen,<br />

ganz zu schweigen von den Mückenlarven,<br />

die im Gartenteich ausschlüpften,<br />

wäre ihr Tag mit Tieren ausgefüllt<br />

gewesen.<br />

Es ging ihr erstaunlich gut. Sie freute sich<br />

auf den Frühling mit all den Insekten<br />

und auf den Sommer mit Maden in den<br />

Herzkirschen.<br />

Ihr Mann, jetzt mein Schwager, kniete<br />

im Wohnzimmer auf dem Teppich und<br />

sammelte die leeren Hülsen des Papageienfutters<br />

auf.<br />

Meine Schwester war dabei, die Kaffeemaschine<br />

in den Müll zu werfen, da die<br />

Ameisen einen Kurzschluss verursacht<br />

hatten. Sie legte jetzt eine Zuckerspur<br />

durch den Flur nach draußen. Die Katze<br />

leckte sich die Pfoten. Vor dem Fenster<br />

sah ich den ersten Zitronenfalter in diesem<br />

Jahr. Mein neuer Schwager pfiff ein<br />

Lied. Als ich ins Wohnzimmer ging, sah<br />

ich, dass es der Papagei war. Im Badezimmer<br />

waren die Silberfische genau so<br />

irritiert wie ich.<br />

Marianne Ullmann<br />

geb. 1951 in Senden, lebt in Schwerte und<br />

auch gern in Finnland.<br />

Studium Germanistik in Wuppertal.<br />

Übers. finn. Lyrik. Veröffentl. in<br />

Lit.-Zeitschriften und Anthologien, u. a.<br />

zum Würth Literatur-Preis (1998) und<br />

Jugend Literaturpreis Landwirtschaftlicher<br />

Verlag Münster (2007). Zuletzt in „Karussell“<br />

und „Versnetze_fünf“ (2012).<br />

Mitglied der GEDOK Wuppertal<br />

61


Meine Schwester fütterte die Fische. Die<br />

saugten mit ihren Mäulern die Futterplättchen<br />

von der Wasseroberfläche ab.<br />

„Sie wissen genau, wann ihre Zeit ist“,<br />

sagte meine Schwester. „Harald ist für<br />

den Papagei zuständig. Ich für die Fische.<br />

Dass du keine Tiere magst, ist schon<br />

merkwürdig.“<br />

„Ich mag sie eben nicht“, sagte ich.<br />

„Merkt ihr denn nicht, wie viel Zeit sie<br />

euch kosten?“<br />

„Kosten, kosten! Wir machen das gerne.“<br />

Meine Schwester sah gar nicht auf. Das<br />

Füttern der Fische erforderte ihre ganze<br />

Konzentration.<br />

„Was für eine Logik. Im Bad hab ich eine<br />

Silberfischvernichtungsdose gesehen, und<br />

hier fütterst du die Ameisen mit Zucker.“<br />

Dass die beiden nicht sahen, in welchen<br />

Widersprüchen sie lebten, empörte mich.<br />

„Das sind verschiedene Kategorien“,<br />

sagte meine Schwester ruhig.<br />

„Das heißt also, die die als Schädlinge<br />

deklariert sind, werden getötet? Und die<br />

Nutztiere überlistet man?“<br />

„Ja“, sagte sie und blickte das erste Mal<br />

auf. Mochte sein, dass sie sogar lächelte.<br />

Sie sollte nicht meinen, dass ich meinen<br />

Mund hielt.<br />

„Und was ist mit der Katze, die Vögel<br />

fängt? Eine Katze ist zu nichts nutze.“<br />

„Eine Katze ist ein Haustier.“<br />

„Und Vögel sind Gartentiere.“<br />

„Dafür haben wir einen Papagei.“<br />

„Ihr macht euch das Leben passend.“<br />

„Warum bist du eigentlich gekommen?“<br />

Sie stand immer noch hinter dem Aquarium<br />

und hatte die Hände in die Seiten<br />

gestemmt. So kannte ich sie. Resolut und<br />

siegessicher. Auch ich wusste, worum es<br />

ging. Ich nahm kein Blatt mehr vor den<br />

Mund.<br />

„Um zu sehen, wie ihr lebt.“<br />

„Und wie leben wir?“<br />

„Du bist eingesponnen von einer Tierwelt,<br />

die dich bannt, ja, das bist du“,<br />

sagte ich.<br />

„Du entlarvst dich selbst. Du bist eine<br />

Einzelgängerin.“ Jetzt hatte sie Fahrt aufgenommen.<br />

Sie konnte verletzend sein.<br />

„Ich geh jetzt“, sagte ich. Sich der Diskussion<br />

zu entziehen, mochte sie nicht.<br />

Das machte ihr Schuldgefühle Sie würde<br />

gleich um Entschuldigung bitten.<br />

„Warte, trink erst einen Tee. Und dann.<br />

Dann muss ich dir noch etwas zeigen.“<br />

„Was?“ Ich hatte keine großen Erwartungen.<br />

Ich hatte schon genug gesehen.<br />

„Warte. Wir haben einen … einen kleinen<br />

Hund. Acht Wochen alt. Nebenan.<br />

Harald! Holst du bitte mal den Hund!“<br />

Ich nahm meine Jacke, die ich über<br />

den Stuhl gehängt hatte. „Keine Zeit“,<br />

murmelte ich, und schob einen Arm in<br />

die Strickweste.<br />

Meine Schwester stand auf. Jetzt erst sah<br />

ich es. Sie war schwanger.<br />

„Ich wusste gar nicht, dass du ...“<br />

„Ja, darum wollte ich dich fragen.“<br />

„Was fragen?“ Ich blieb mit der linken<br />

Hand im Ärmelsaum stecken und hörte,<br />

wie sich die Naht ganz auftrennte. Das<br />

fehlte noch. Die Jacke würde ich die<br />

nächsten Monate nicht benutzen können.<br />

„Ob du ihn nehmen kannst. Nicht<br />

für lange, nur bis ich wieder aus dem<br />

Krankenhaus zurück bin“, sagte meine<br />

Schwester. Sie redete unentwegt weiter.<br />

„Wen?“, fragte ich vorsichtshalber.<br />

„Den Hund.“<br />

„Kommt gar nicht in Frage! Einen<br />

Hund? Keine Zeit. Unmöglich!“<br />

Ich stieß jetzt heftig durch das Ärmelloch.<br />

Der Saum hing mir bis zu den<br />

Fingerspitzen. Ich ließ meine Schultern<br />

hängen und setzte mich wieder.<br />

Ich hatte es zuerst nicht bemerkt. Es<br />

zerrte etwas an meiner Jacke, schrammte<br />

spitz über meinen Handrücken. Hundezähne.<br />

Das fing ja gut an. Schwarz war<br />

er und fiel dauernd hin. Die Beine waren<br />

offensichtlich zu kurz. Der Schwanz eingeklemmt.<br />

Er konnte noch nicht wedeln.<br />

Und jetzt lief eine gelbe Linie direkt auf<br />

mich zu.<br />

„Er ist noch nicht stubenrein“, sagte<br />

meine Schwester.<br />

„Das kann man mit mir nicht machen.<br />

Wie seid ihr denn an diesen Krüppel<br />

gekommen?“<br />

„Aus dem Tierheim.“<br />

„Dann bringt ihn zurück.“<br />

„Die haben noch sechs weitere. Einen<br />

ganzen Wurf.“<br />

Jetzt verschwand er in meiner Hosentasche,<br />

zerrte ein Taschentuch heraus und<br />

zerkaute es mit viel Schaum. Seine Ohren<br />

standen hoch, hielten aber nicht lange,<br />

dann klappten sie nach vorne. Ein armes<br />

Geschöpf mit vielen Behinderungen.<br />

„Dass so etwas geboren wird. Er ist ja<br />

noch gar nicht fertig. Ich versteh die<br />

Natur nicht.“<br />

„Da hast du Recht“, sagte meine Schwester.<br />

„Er braucht dringend Hilfe.“<br />

Mein neuer Schwager kam herein und<br />

meinte, der Hund sei ein guter Spielkamerad<br />

für den Papagei. Das fand ich nun<br />

gar nicht. Was hatte dieser Vierbeiner<br />

schon gegen den Hakenschnabel des<br />

bunten Ungeheuers für Überlebenschancen?<br />

Außerdem konnte der Papagei<br />

fliegen und war dem Hund dadurch<br />

überlegen.<br />

„Ich nehme ihn mit“, hörte ich mich<br />

sagen.<br />

Auf dem Heimweg im Auto saß der<br />

Hund auf dem Beifahrersitz. Er konnte<br />

wieder die Ohren nicht halten. Als ich<br />

bremsen musste, fiel er in den Fußraum.<br />

Seitdem ist ein Jahr vergangen. Meine<br />

Schwester habe ich nicht mehr gesehen.<br />

Sie schreibt mir öfter, schickt mir Bilder<br />

von dem Baby und fragt nach dem<br />

Hund. Ich könnte ihr auch ein Foto<br />

schicken, aber dann sähe sie, dass ich das<br />

mit den Ohren noch nicht hingekriegt<br />

habe. Außerdem war der Hund immer<br />

noch ein Winzling. Er würde niemals<br />

in einem Haushalt mit Baby, Papagei,<br />

Katze und Zierfischen überleben können.<br />

(Die Ameisen hielt ich inzwischen für<br />

ausgewandert.) Der Hund war ein Einzelgänger.<br />

Er ging mit mir ins Büro. Dort<br />

schlief er unter dem Schreibtisch. Nach<br />

Feierabend aß er mit mir zusammen<br />

beim Italiener. Wie sollte ich das meiner<br />

Schwester erzählen?<br />

Marianne Ullmann<br />

62


Auf Tuchfühlung mit Mode, Stoff und Stil<br />

Schloss Lüntenbeck im<br />

Textilrausch<br />

Der Herr mit dem bunten Regenschirm<br />

dreht lächelnd eine elegante Pirouette,<br />

vom amüsierten Applaus des Publikums<br />

begleitet. Nur durch Zufall hat er den<br />

Laufsteg gekreuzt, der eigentlich der<br />

Modenschau beim Textilmarkt „Tuchfühlung“<br />

in Schloss Lüntenbeck vorbehalten<br />

ist.<br />

Bei der Veranstaltung von Vater- bis Muttertag<br />

präsentierten die Models selbst bei<br />

Nieselregen mit bester Laune Mode und<br />

mehr: Die gezeigten Strickoberteile von<br />

Sabine Hofius etwa werden ausschließlich<br />

in Deutschland entwickelt und gefertigt,<br />

Qualität die man sieht, fühlt und entsprechend<br />

auch viele Jahre tragen kann. Die<br />

Besucher wissen das zu schätzen und so<br />

war der Stand immer gut besucht. Auch<br />

die anderen auf diesem Markt vertretenen<br />

Kollektionen zeichneten sich neben der<br />

individuellen Gestaltung durch gehobene<br />

handwerkliche Fertigung aus. Zumeist<br />

waren es Einzelstücke oder kleine Serien,<br />

die hier ihre Liebhaber fanden. Die<br />

Designerinnen waren selbst am Stand<br />

oder auf dem Laufsteg im Einsatz, ihre<br />

Stilrichtungen sehr ausgefallen. Unter-<br />

schiedliche Frauentypen stöberten nach<br />

dem passenden Outfit und nahmen sich<br />

Zeit zum Probieren und Beraten. Und,<br />

siehe da, die filigrane und transparente<br />

Kleidung, die Isabella´s Art bei einer<br />

Tango-Modenschau vorführte, dürfen<br />

nicht nur feenhafte Wesen tragen. Spätestens<br />

am Ende verließen die Besucher die<br />

Veranstaltung auf eigene Weise bestens<br />

gekleidet.<br />

Wer als Wuppertaler die Kollektionen von<br />

Anita Karthaus oder Nicola Tigges begutachtete,<br />

konnte über die Anerkennung<br />

der Modellqualität hinaus einen gewissen<br />

Lokalstolz nicht verhehlen. Stilistisch verschieden<br />

bieten die beide doch Entwürfe<br />

mit starker Persönlichkeit. Auf ebenso<br />

hohem Niveau spielt die Schmuckkollektion<br />

der Langerfelder Goldschmiedin<br />

Fiona Fischer. Sun Moon Stars Batik<br />

bietet dagegen pfiffig bunte Shirts und<br />

Leggins. Die Oelberger Taschenmanufaktur<br />

haucht dem ausgedienten Bodenbelag<br />

des Tanztheaters ein neues Leben als<br />

Tasche ein.<br />

Die hier präsentierte Kreativität der<br />

Designer machte Spaß und spornte an.<br />

63


64<br />

Da juckte es in den Fingern, auch selbst<br />

tätig zu werden, und das überaus treue<br />

Publikum griff gezielt beim angebotenen<br />

„Zubehör“ zu. Stoffe, Garne, Knöpfe -<br />

wer den Weg zur „Tuchfühlung“ gefunden<br />

hatte, tauchte in eine Vielfalt ein, die<br />

das Selbergestalten zu einem Fest werden<br />

lässt. Nicht wenige Besucher waren gezielt<br />

angereist, um die richtigen Zutaten zu<br />

ergattern, nach denen man weit und breit<br />

suchen kann. Die Frage nach richtigem<br />

Material oder technischen Kniffen der<br />

Verarbeitung ließ sich unterhaltsam mit<br />

den kompetenten Ausstellern erörtern.<br />

Tipps zu passenden Schnitten, Farben<br />

oder Vorgehensweisen wurden großzügig<br />

mitgeliefert. Leinen, Wolle, Baumwolle,<br />

Seide, und anderen Naturmaterialien haben<br />

Hochkonjunktur. Mal eher derb, mal<br />

durchscheinend. Nach dem Tüpfelchen<br />

auf dem i durfte man in Knopfkisten<br />

suchen, aus denen glänzend goldene und<br />

natürlich matte Stücke in Farben und<br />

Formen aller Art das Handarbeitsherz<br />

anlachten. Auch wer in die Fänger der<br />

„Bänderhexe“ geriet, begann angesichts<br />

der vielfältigen Auswahl intensiv nach<br />

Einsatzmöglichkeiten fahnden.<br />

Das Staunen über die gewebten Eintrittskarten<br />

zur Tuchfühlung setzte sich beim<br />

Hersteller, der Wuppertaler Bandweberei<br />

Kafka fort, die am Stand ihre entzückenden<br />

Bänder und Etiketten zeigte. Vor Ort<br />

lässt sich die große Auswahl kleiner Meisterwerke<br />

einfach am besten begutachten.<br />

Das eine oder andere Exemplar fand noch<br />

ein Plätzchen in der Handtasche.<br />

Lieber stricken statt nähen? Dann konnte<br />

man an den Ständen mit malerisch präsentierten<br />

Garnsträngen nicht vorbeigehen.<br />

Der Griff in flauschige Wollknäule<br />

und dicke Stränge Seidengarn animierten<br />

dazu, die Strick- oder Häkelnadeln<br />

auszupacken. Anfängern und erfahrenen<br />

Handarbeiterinnen gaben die freundlichen<br />

Damen der Sockenmanufaktur<br />

neben der nötigen Ausrüstung auch gute<br />

Hinweise mit auf den Weg. - Wie man<br />

hört, entdeckt auch die Männerwelt gerade<br />

die hohe Kunst der Nadelarbeit. Man<br />

darf gespannt sein, welche bestrickenden<br />

Innovationen die Herren dem typischen<br />

Frauenhobby bescheren werden. - Beim<br />

Stickzubehör herrschte keine Eile, eher<br />

handwerkliche Ruhe und Gelassenheit.<br />

Ob man mal versuchen sollte, mit Kreuz-


stichen ein Bild zu malen?<br />

Als Anregung konnte man am<br />

Stand mit alten Aussteuerstoffen<br />

bestickte<br />

Leinentücher<br />

erstehen.<br />

Wer die<br />

zeitüberdauernden<br />

Produkte<br />

aus Flachs<br />

oder<br />

Baumwolle in Augenschein nahm, war<br />

schon mitten drin im Thema Nachhaltigkeit.<br />

Bei der „Tuchfühlung“ findet man<br />

keine Wegwerfprodukte, sondern sogar<br />

Produkte aus Weggeworfenem. Nicht<br />

nur der schon erwähnte Tanzboden, auch<br />

ausrangierte Feuerwehrschläuche sind in<br />

ihrem zweiten Leben als bedruckte Tasche<br />

äußerst dekorativ. „Ausrangiert und<br />

Wiedergeboren“, so bezeichnet „Plup“<br />

seine vielseitigen Produkte mit Geschichte.<br />

Kunstvoll werden z.B. Taschen aus<br />

Ösen von Getränkedosen gefertigt, alte<br />

Hemden zu individueller Kindermode<br />

umgearbeitet. Hier verlängert Design<br />

Lebenszyklen. So auch bei den Ketten aus<br />

alten böhmischen Glasperlen. Keine monochromen,<br />

glatten Oberflächen, sondern<br />

variierende Patina, Ablagerungen und<br />

Farbeinschlüsse, die ihre eigene Geschichte<br />

der letzten Jahrzehnte erzählen.<br />

Ruhrgebietskultur verkörpern die<br />

„Pottlappen“: Blaukariertes transformiert<br />

die Tradition alter Grubentücher in<br />

praktische Helfer für die heutige Küche.<br />

Eine kultige Spezialität, kaum kleinzukriegen.<br />

- Man merkte den Ausstellern<br />

der „Tuchfühlung“ die Liebe zu ihrer<br />

Ware an. Aus hochwertigen Materialien<br />

und anspruchsvollem Design entwickeln<br />

sie Produkte mit „Seele“. Entsprechend<br />

persönlich wurde das Thema Filz unterschiedlich<br />

interpretiert. Neben strengen,<br />

fast kantigen Modellen standen eher<br />

verspielte umschmeichelnde Varianten.<br />

Beim Anblick eines roten Filzkleides<br />

stellte sich die Frage nach der Grenze zwischen<br />

Design und Kunst. Materialqualität<br />

kombiniert mit handwerklichem Können<br />

zeigten auch Teppiche, Wandbehänge,<br />

Kissen und Decken. Frohlocken bei<br />

derjenigen, die ihr Zuhause auf hohem<br />

Niveau gestalten möchten: Dezent oder<br />

orientalisch üppig? - Den nachdenklichen<br />

Gesichtern stand die Frage nach dem passenden<br />

dekorativen Glanz für die „Hütte“<br />

ins Gesicht geschrieben.<br />

Nachwuchsförderung durfte bei einem<br />

solchen Event natürlich nicht fehlen,<br />

und so nähten die kleinen Gäste mit den<br />

freundlichen Betreuerinnen der Grundschule<br />

Nützenberg fleißig Enten, Bären<br />

und andere bunte Tiere. An den täglichen<br />

Modenschauen beteiligten sich neben<br />

Modelabels auch Schüler des Dörpfeld-<br />

Gymnasiums mit eigenen Mode-<br />

Ideen. Dass sich über unsere<br />

Kleidung viel sagen<br />

lässt, zeigte die<br />

Gruppe<br />

Elffeast,<br />

die<br />

historische<br />

Kostüme<br />

aus 10 Jahr-<br />

hunderten<br />

über den Laufsteg führte und tanzend<br />

darbot. Technisch Interessierten stand<br />

Herr Vaupel mit seinem Bandwebstuhl<br />

Rede und Antwort.<br />

Einige kulinarische Angebote ergänzten<br />

den Besuch. Köstlichkeiten von „Pilkens<br />

im Schloss“ und Käsespezialitäten wurden<br />

auf dem Hof dargeboten, am Teich<br />

verzauberte ein kleines Café. Die „Tuchfühlung“<br />

ist noch immer ein Geheimtipp<br />

gegenüber überlaufenen Stadtfesten.<br />

Es zeichnete die Veranstalung auch in<br />

diesem Jahr wieder Gelassenheit aus. Die<br />

besondere Stimmung entsteht durch das<br />

Zusammentreffen des interessierten Publikums<br />

und der qualitätsvollen Aussteller in<br />

der freundlich entspannten Atmosphäre<br />

des Lüntenbecker Schlosshofes. „Qualität<br />

tut gut“, war an einem Stand zu lesen,<br />

und das darf man auch über die Veranstaltung<br />

„Tuchfühlung“ sagen.<br />

Stephanie Schäfer<br />

65


L‘Aquila im April 2013.<br />

Ricostruiamo<br />

Das Leben geht weiter<br />

Vier Jahre sind zügig vergangen. Doch<br />

kaum hat sich etwas geändert nach dem<br />

folgenschweren Erdbeben 2009, nachts<br />

um 03.32 Uhr in den Abruzzen. Zweimal<br />

sind wir anschließend dort gewesen, vergleichen<br />

Häuser- und Trümmeransichten,<br />

unsere Fotos, sprechen mit Überlebenden,<br />

Anwohnern, den Hütern wertvoller<br />

Gebäude und alter Kirchen. Manche<br />

sind Freunde mittlerweile. Bestätigen, das<br />

meiste bleibt, wie es war – die ‚zona rossa‘<br />

von L‘Aquila, der Hauptstadt der Abruzzen,<br />

bleibt ein Ort, an deren Absperrungen<br />

Anwohner ihr Leid auf Papieren anheften<br />

und die sie bis heute nicht betreten dürfen.<br />

Kaum wird sie, obgleich in zentraler<br />

Stadtmitte, zu ihrem Ärger im Fernsehen<br />

gezeigt. Ebenso wenig die weiterhin<br />

schweigenden, unbelebten Häuserviertel.<br />

80 % der Häuser, lesen wir in einer<br />

ortsansässigen Zeitung, seien nicht einmal<br />

auf ihre noch gültige Statik überprüft.<br />

Norditaliener, die ich über ein Fotoforum<br />

kenne, schreiben mir erschüttert, dass<br />

solche Bilder wie die meinen im Fernsehen<br />

nicht mehr gezeigt würden. Gutgläubig sei<br />

man davon ausgegangen, dass viele Rekonstruktionen<br />

erfolgt seien. Offensichtlich<br />

hätten ärmere Menschen aus den Dörfern,<br />

den Hirtenlandschaften der Abruzzen,<br />

landesweit kaum eine ‚Lobby‘.<br />

Für die notwendigen Rekonstruktionen<br />

und Restaurationen fehlt das Geld - wird<br />

auch 2013 erklärt, noch immer. Dorfund<br />

Stadtbewohner sprechen uns an.<br />

Sie hätten Angst. Viele betreten noch<br />

Wohnungen, in die sie eigentlich nicht<br />

mehr dürfen, oder verhandeln um einen<br />

10-Minutenzugang in Bewachtes, Abgesperrtes,<br />

um die eine oder andere kleine<br />

Habe zu retten. Orte wie Assisi, sagen sie<br />

zornig, wurden nach dem verheerenden<br />

Erdbeben (1997) mit immensen Staatsund<br />

Kirchenmitteln wieder aufgebaut.<br />

Die berühmte Basilica San Francesco<br />

erstrahlt wieder, dank zeitgenössischer<br />

Computertechnik sorgfältig und mit<br />

enormem Aufwand restauriert. Wir haben<br />

uns beeindruckt vor Ort überzeugen<br />

können. Collemaggio hingegen, Basilika<br />

der Santa Maria in L‘Aquila – immerhin<br />

Wahrzeichen der Hauptstadt der Abruz-<br />

66


L'Aquila - telefonino das Leben geht weiter<br />

L'Aquila-Abruzzen nach dem Erdbeben<br />

L'Aquila - rote Zone<br />

zen – befindet sich im gleichen desolaten<br />

Zustand wie vor zwei Jahren. Innenmauern<br />

der Kirche aus dem 13. Jahrhundert<br />

werden noch immer von mächtigen Gerüsten<br />

festgehalten; lediglich auf einer der<br />

abgebrochenen Säulen liegt neuerdings<br />

ein Heiliger aus Stein zum Bestaunen.<br />

Im Dorf Castelnuovo haben wir wochenlange<br />

Wohnwagen-Ferien verbracht. Die<br />

Menschen dort nennen uns mittlerweile<br />

‚amici‘. Der wunderhübsche Ort, man<br />

ahnt es noch, wurde zu 95 % zerstört.<br />

Nachzulesen noch in der abruzzesischen,<br />

nicht der deutschen Zeitung. Ebenso<br />

zerstört wie das hässlichere Onna, nur<br />

Kilometer entfernt, das häufig im deutschen<br />

TV gezeigt wurde. Vielleicht, weil<br />

Onnas Anwohner die Vorwarnungen,<br />

die Leichtbeben missachteten und sich<br />

nachts wieder in ihre Häuser zurückschlichen.<br />

Vielleicht auch, weil Frau<br />

Merkel und schließlich sogar Signore<br />

Berlusconi dorthin reisten. Berlusconi,<br />

der anfangs locker von einem ‚Camping-<br />

Wochenende‘ gesprochen hatte. Das<br />

Campen der Anwohner auf ‚unserer<br />

Dorfwiese‘ hat schließlich sieben Monate<br />

gedauert. Ca. 300 Personen ohne<br />

Obdach, Menschen, die sich in Armut<br />

und Hitze im Sommer stritten. Der<br />

Regierungschef erschien hier ebenso<br />

wenig wie andere Politiker aus Rom. Die<br />

großen Blauzelte schauen noch immer<br />

stumm aus Fotos an Wänden. Bei einer<br />

Demonstration von L’Aquilanern in<br />

Rom, erzählt man flüsternd, habe die<br />

Polizei in die Menge geschlagen. Und<br />

dies, obwohl sogar der Bürgermeister<br />

dabei war. Das Erdbeben wurde anfangs<br />

mit 6,4 bewertet (entsprechende Berichte,<br />

die auch wir gelesen haben, scheinen<br />

überwiegend im Net verschwunden).<br />

Bald wurde es auf 5,8 zurückgestuft.<br />

Der Versicherungen wegen, sagen die<br />

Abruzzesen wütend.<br />

Unser (männlicher) Vermieter heißt<br />

Gabriele. Freiwillig hat er diese 300<br />

Menschen auf seiner Wiese beherbergt.<br />

Die meisten seiner Familienmitglieder<br />

haben ihre Häuser verloren. Seit 2009<br />

leben sie provisorisch in den hingestellten<br />

Fertig- Holzhäusern der Regierung.<br />

Im Sommer ist es in der Hitze kaum<br />

auszuhalten. Mittags fährt man zu<br />

einem verschwiegenen, kühlen See, den<br />

es auf keiner Landkarte gibt. Im Winter<br />

67


eist man lieber nach Mailand oder in<br />

andere Orte, wenn man dort noch Verwandte<br />

oder – im Einzelfall - sogar eine<br />

Wohnung hat. Abschließen mit landesüblichen<br />

Sicherheitsvorkehrungen ist bei den<br />

Holzhäusern nicht möglich; Diebe und<br />

Plünderer werden gefürchtet.<br />

Gabriele, vom handwerklichen Arbeiten<br />

unter freiem Himmel kräftig und braungebrannt,<br />

ist 58 Jahre alt. Das dichte,<br />

graue Haar trägt er praktisch in einem<br />

Schopf zusammengebunden. Ein wahrer<br />

Erzengel scheint er für viele zu sein,<br />

obgleich er kaum die Kirche besucht. Die<br />

Nähe zum Vatikan – ca. eine Autostunde<br />

entfernt – hat eines Tages mächtig sein<br />

Weltbild erschüttert. Da war er extra nach<br />

Rom angereist, um sich eine Statuette<br />

zu kaufen – von seinem Namenspatron,<br />

dem Verkündigungsengel. Meist kennt<br />

man diesen ja nur gemalt. Er wanderte<br />

von Shop zu Shop, um sich schließlich<br />

im Vatikan zu erkundigen: „Gibt es keine<br />

Statuette von Gabriel? Nur vom Drachenkämpfer?<br />

Dem Michael?...“ Einer der<br />

Frommen soll ihn gütig angesehen haben.<br />

Schließlich erklärte man ihm zur Lage:<br />

„Gabriel ist später ja auch dem Mohammed<br />

erschienen….“<br />

So geschah es demnach, dass der Erzengel<br />

Gabriel aus der Mode kam. Aber der<br />

besondere Brunnen in L’Aquila besitzt<br />

99 Mäuler, die einmal Wasser spuckten<br />

– 99 ist auch eine heilige Zahl im Islam,<br />

erklärt Gabriele zähneknirschend und<br />

streicht sich eine vorwitzige Haarsträhne<br />

zurück. Rom und die Abruzzesen mögen<br />

sich nicht wirklich, warum auch immer.<br />

„Dabei gilt der Verkündigungsengel mit<br />

einem Sanctuarium sogar als Heiliger der<br />

Abruzzen…“<br />

Auch der alte Bruno, Gabrieles Vater, hatte<br />

mit 83 Jahren flexibel zu lernen, sich eng<br />

in einer Holzhütte einzurichten. Seine<br />

Frau, krank und ein bisschen dement, wird<br />

liebevoll von ihm behütet. 61 Lebensjahre<br />

ist er schließlich verheiratet. Stolz erzählt<br />

er uns vom Bergbau – als er und seine Frau<br />

neun Jahre in Belgien lebten - seine ‚Madame‘<br />

mit dem Direktor und dem ersten<br />

Ingenieur tanzte - sie für alle wohlschmeckende<br />

Pizza buk, die damals noch kaum<br />

einer kannte. Bruno nimmt uns an einem<br />

Tag im Auto mit, das er noch selbständig<br />

lenkt. Über 30 Kilometer nach L‘Aquila,<br />

um Geld bei der Bank abzuheben. Auf<br />

einem Hügel prangen wieder Berlusconi-<br />

Häuser. Dort wohnt und praktiziert der<br />

‚dottore‘ in Holzwänden in gewohnter<br />

Weise. Auf dem Rückweg biegen wir in<br />

einen schmalen, unbefestigten Weg ab –<br />

wie ein Müllplatz, denken wir. Was mag<br />

Bruno dort abgeben – oder holen? Nein,<br />

der Alte führt uns in eine Kleinstbude -<br />

sein ganz spezielles Lebensmittelgeschäft.<br />

Dort gibt es die besten Salsiccia (Wurst)<br />

von L’Aquila, sagt er und zeigt uns vorzügliche<br />

Käsesorten. Bewaffnet mit viel<br />

zu viel Wurst und verschiedenem Pecorini<br />

(Schafskäse) aus dem nahen Gebirge<br />

machen wir uns auf den Heimweg. Nie<br />

hätten wir als Touristen diesen Laden<br />

gefunden.<br />

In L‘Aquila gibt es Neuerungen am Domplatz.<br />

Holzbuden ermöglichen, dass das<br />

Leben weitergeht. Häkelarbeiten verzieren<br />

Wände und erinnern an die Alte, über<br />

Neunzigjährige, die mit Häkeln das Erdbeben<br />

überlebte. Häkeln scheint zum Motto<br />

geworden. Dieses Jahr steigen zum Jahrestag<br />

309 Luftballons in die Luft für die<br />

Opfer von L‘Aquila, darunter viele junge<br />

Menschen aus einem Studentenheim. Ob<br />

wenigstens die ‚palloncini‘ (Luftballons)<br />

vom Staat finanziert wurden…<br />

Angelika Zöllner<br />

Das „goldene“ Gerüst<br />

68


Ein Unternehmer in Sachen Dienstleistung<br />

Culinaria-Chef<br />

Wolfgang vom Hagen<br />

Wolfgang vom Hagen<br />

Eine feste Größe in der Wuppertaler<br />

Gastronomieszene ist der Mehrheitsgesellschafter<br />

der Culinaria Betriebsgesellschaft<br />

Wolfgang vom Hagen. Seit fast 20<br />

Jahren leitet er die Wolfgang vom Hagen<br />

Unternehmensgruppe, zu der eine Hotelgesellschaft<br />

mit dem Mercure-Hotel am<br />

Düsseldorfer Medienhafen, die Medeor<br />

Seniorenresidenzen, eine Consulting-Firma<br />

und die Culinaria GmbH in Wuppertal<br />

gehören. Die Culinaria wurde von<br />

Wolfgang vom Hagen 1995 gemeinsam<br />

mit Michael Oberleiter, damals einer der<br />

besten deutschen Küchenchefs, gegründet.<br />

Zur Culinaria gehören heute die Gastronomie<br />

in der Historischen Stadthalle,<br />

die Gastronomie in der Sparkasse und seit<br />

2011 die Brasserie in der Oper.<br />

Vom Hagen versteht sich als „Unternehmer<br />

in Sachen Dienstleistung“, wie<br />

der umtriebige 76jährige Geschäftsmann<br />

sein Berufscredo beschreibt. Seine<br />

Unternehmensphilosophie „Alles für den<br />

Gast“ macht deutlich , dass es in seinen<br />

Betrieben immer darum geht, den Gästen<br />

eine erstklassige Küchenqualität zu bieten,<br />

verbunden mit sympathischem, freundlichem<br />

und kompetentem Service in einer<br />

angenehmen Atmosphäre.<br />

Dabei weiß er genau, dass ein solches Ziel<br />

nur mit qualifizierten Mitarbeitern zu<br />

erreichen ist, Mitarbeiter, die sich selbst<br />

wohlfühlen, weil sie eingebettet sind in<br />

eine Unternehmenskultur, die auf Vertrauen,<br />

Offenheit, Glaubwürdigkeit und<br />

Wertschätzung beruht.<br />

Seine ersten Meriten in der Gastronomie<br />

verdiente sich vom Hagen nach Gymnasium,<br />

Handelsschule, Servicepraktikum in<br />

England und der Ausbildung zum Hotelkaufmann<br />

in Zürich und im elterlichen<br />

Restaurant, dem Landhaus Felderbachtal.<br />

Prägend für seine weitere beruflichen<br />

Laufbahn war das Jahr 1962, als er<br />

das Mövenpick-Unternehmen in der<br />

Schweiz kennen lernte. Damals begegnete<br />

er auch dem Mövenpick-Gründer<br />

Ueli Prager. Zweieinhalb Jahre arbeitete<br />

vom Hagen ab 1965 im Züricher<br />

Mövenpick- Restaurant „Dreikönig“,<br />

wo er 240 Mitarbeiter unter sich hatte.<br />

Die familiären Verhältnisse erforderten<br />

69


Christina Rau und Wolfgang vom Hagen<br />

Wolfgang vom Hagen mit Professor Dr. Lambert T. Koch, dem Rektor der Uni Wuppertal<br />

Er gründete die heute noch bestehende<br />

Wolfgang vom Hagen Management<br />

Consulting GmbH. Ziel und Zweck dieser<br />

Gesellschaft sind Hotelentwicklung und<br />

-management, die Sanierung von Hotels<br />

und Betrieben der Gastronomie sowie<br />

Qualitätsmanagement und Kundenservice.<br />

Zwischen 1995 und 2001 hatte vom<br />

Hagen die Aktienmehrheit der Krefelder<br />

Hotel AG inne, die das Parkhotel Krefelder<br />

Hof betrieb. Nachdem diese AG kurz vor<br />

der Insolvenz stand, übernahm vom Hagen<br />

eine klassische Sanierungsaufgabe für<br />

dieses Haus, die er erfolgreich abschließen<br />

konnte. Seit 2001 ist der Krefelder Hof<br />

ein Hotelbetrieb der Dorint AG. Zwischen<br />

2000 und 2005 war vom Hagen Pächter<br />

des Mariott Hotels im Düsseldorfer Medienhafen,<br />

das heute russischen Investoren<br />

gehört, die es selbst betreiben.<br />

Dem Nachwuchs seiner Branche empfiehlt<br />

vom Hagen, so wie er international tätig<br />

zu sein. Schon als 20jähriger wagte er in<br />

den 50er-Jahren, sich einem Servicepraktikum<br />

in England zu unterziehen, zum<br />

Beispiel im Londoner Savoy-Hotel. Durch<br />

Kochlehre im Siechen-Diessner- Restaurant<br />

in Wuppertal und als Restaurateur im<br />

elterlichen Landhaus Felderbachtal verlor er<br />

aber nie den Bezug zur heimatlichen Basis.<br />

Neben seinen Lehr- und Berufsjahren im<br />

In- und Ausland absolvierte er ein Betriebswirtschaftsstudium<br />

an der Hotelfachschule<br />

in Lausanne, das er mit der Diplomnote<br />

Eins abschloss, arbeitete zwischen 1961<br />

und 1963 im Grandhotel Dolder in Zürich,<br />

im Hotel de Crillon in Paris und im<br />

Hotel Richemond in Genf, alle drei Hotels<br />

Häuser der Luxushotellerie.<br />

es, 1967 in den elterlichen Betrieb, dem<br />

Landhaus Felderbachtal, zurückzukommen.<br />

Neben diesem Engagement<br />

gründete er 1968 die Wolfgang vom Hagen<br />

Gastronomie, zu der bis 1972 fünf<br />

Restaurants in Wuppertal, Mülheim/<br />

Ruhr und Bonn gehörten. Inzwischen<br />

hatte sich Mövenpick in Deutschland<br />

engagiert, was Ueli Prager veranlasste,<br />

vom Hagen zu Mövenpick zurückzuholen<br />

und ihn zum Regionaldirektor für<br />

NRW, Niedersachsen und Hamburg zu<br />

ernennen. Gleichzeitig beteiligte sich<br />

Mövenpick an der Wolfgang vom Hagen<br />

Gastronomie, so dass er auch weiterhin<br />

für seine eigenen Restaurants, unter anderen<br />

dem Landhaus Felderbachtal und<br />

der Taverne Aramis in Barmen, mitverantwortlich<br />

zeichnete.<br />

Sein Engagement bei Mövenpick beendete<br />

er 1993 als Direktionspräsident.<br />

Ueli Prager hatte 1991 seine Mövenpickanteile<br />

an den Bankier August von Fink<br />

verkauft. Mit der strategischen Neuorientierung<br />

des Hauptaktionärs konnte sich<br />

vom Hagen nicht identifizieren, verließ<br />

daraufhin Mövenpick und machte sich<br />

erneut selbstständig.<br />

Von 1963 an war er als Hoteldirektor<br />

im Hessischen Hof in Frankfurt tätig. In<br />

Übersee absolvierte er eine mehrmonatige<br />

Management-Ausbildung an der AMA,<br />

American Management Association, in<br />

New York.<br />

Heute engagiert sich vom Hagen auch im<br />

Bereich Pflegeheime und Seniorenresidenzen.<br />

Der Hotelier ist auch ehrenamtlich<br />

aktiv. So war er im Präsidium der IKK<br />

Wuppertal vertreten, außerdem ist er Mitglied<br />

im Lions Club Bergisch Land.<br />

Joachim Krug<br />

70


… und die scheidenden<br />

Intendanten<br />

Johannes Weigand, Enno Schaarwächter,<br />

Christian von Treskow und Kulturdezernent<br />

Matthias Nocke (v. l.) präsentieren den<br />

neuen Spielplan.<br />

Enno der Älteste…<br />

Die beiden Herren saßen fröhlich lächelnd<br />

auf der kleinen Bühne im Kronleuchter-<br />

Foyer des Wuppertaler Opernhauses und<br />

präsentierten den Medienvertretern die<br />

Spielpläne ihrer letzten Saison. Nun sind<br />

Vergleiche zwischen Intendanten von<br />

Opern- und Schauspielspielhäusern (oder<br />

den durch Schließungen wie in Wuppertal<br />

bedingten Ausweichquartieren an Stadttheatern)<br />

mit Fußballtrainern schon aus<br />

Gagengründen im Grunde unanständig.<br />

Aber irgendwie sind es trotzdem Durchreisende<br />

in Sachen Kultur und Sport. Es<br />

bleiben meist die Journalisten. Oder die<br />

Verwaltungschefs, wie im Falle Wuppertal<br />

der 60-jährige Enno Schaarwächter, den<br />

Dezernent Matthias Nocke als „Doyen“<br />

(Ältester) der Runde auf dem Podest<br />

bezeichnete. Dirk Hesse und der neue<br />

künstlerische Leiter Professor Lutz Förster<br />

vertraten das international und auch hierzulande<br />

unverändert gefeierte Tanztheater<br />

in Memoriam Pina Bausch. „Enno der Älteste“<br />

dozierte gewohnt sanft über die solide<br />

Planung, das hochausgelastete Opernhaus,<br />

einem wunderschönen Spielplan und der<br />

finanzielle Rahmen kam auch vor. Schaarwächter<br />

wacht mit Geschick und seinem<br />

dichtgeknüpftem Wuppertal-Netzwerk seit<br />

Jahren über das immer knapper gewordene<br />

Budget. Wobei über die Grenzen des<br />

Wuppertales nicht vergessen werden sollte,<br />

dass es in Deutschland immer noch mit<br />

großem Abstand die meisten Opernhäuser<br />

weltweit gibt. Wer das nicht glauben mag,<br />

dem sei die im Juli 2011 erschienene, sehr<br />

lesenswerte Lektüre „Walküre in Detmold“<br />

angeraten. Der Autor Ralph Bollmann hat<br />

dabei 84 Häuser in 80 Städten besucht<br />

und das spannend nacherzählt. Natürlich<br />

war Bollmann auch in Wuppertal. Und in<br />

Deutschland werden von den Kommunen<br />

ca. 5.000 Orchestermusiker, 3.000 Chorsänger<br />

und 1.300 Solisten beschäftigt. Es<br />

kommt bei der Beurteilung wie immer auf<br />

die Betrachtungsweise an.<br />

Der seit vier Jahren als Intendant in<br />

Wuppertal tätige Christian von Treskow<br />

wird in seiner letzten Wuppertaler Intendanten-Runde<br />

„Maria Stuart“ von Schiller<br />

(damals noch ohne „von“) inszenieren.<br />

Seinen Abschied wird er mit der Premiere<br />

von William Shakespeares „Viel Lärm um<br />

nichts“ am 26. April 2014 im Opernhaus<br />

begehen. O-Ton von Treskow: „Das wird<br />

dann meine letzte Inszenierung in dieser<br />

Stadt sein.“ Auf Nachfrage eines nicht zum<br />

Inner-Circle zählenden Anwesenden, ob er<br />

Wuppertal und seine Spielstätten der Kultur<br />

danach als vermintes Gebiet betrachte und<br />

jegliche Tätigkeiten ausschloss, hat der<br />

44-jährige dann doch schelmisch verneint.<br />

71


Für seinen Opern-Kollegen Johannes<br />

Weigand (46) endet mit der Spielzeit<br />

2013/2014 eine Wuppertal-Ära, die<br />

bereits im Jahre 2001 begann. Das hat<br />

im Vergleich zum Fußball fast Rehagelähnliche<br />

Dimensionen. Der gebürtige<br />

Heidelberger wird seine finale Spielzeit<br />

mit „Der Fledermaus“ von Johann Strauss<br />

am 27. September 2013 beginnen und<br />

selbst die Regie dieses Klassikers führen.<br />

Man wird gespannt sein, wer diesmal den<br />

Zellenschließer „Frosch“ gibt. Das war in<br />

grauer Vorzeit (exakt 1972/73) in Wuppertal<br />

schon einmal der mittlerweile 82-jährige<br />

Kabarettist Ernst Hilbich, Ehemann der<br />

Schauspielerin Lotti Krekel. Arno Assmann<br />

hat damals inszeniert, es war ein grandioser<br />

Erfolg. Die Rolle des „Frosch“ ist schon<br />

von vielen Größen der Zunft gespielt<br />

worden. Eine Aufzählung von Namen kann<br />

nur lückenhaft sein: Heinz Erhardt, André<br />

Heller, Jürgen von Manger, Josef Meinrad,<br />

Willy Millowitsch, Otto Schenk und Karl<br />

Valentin. Auch der Wuppertaler „Frosch“<br />

der Weigand-Inszenierung wird sicher etwas<br />

Besonderes.<br />

Zu den Premieren zählt aber auch die<br />

Uraufführung „Der Universum-Stulp“ von<br />

Stephan Winkler. Die Vorlage dazu stammt<br />

vom Wuppertaler Autor Eugen Egner. Premiere<br />

ist am Freitag, den 21.Februar 2014.<br />

Schließlich spielt das Weigand-Team in der<br />

Börse, im Haus der Jugend in Barmen, und<br />

Kollege von Treskow hat das Carl Fuhlrott-<br />

Gymnasium, die mit wunderbarer Akustik<br />

gesegnete, bundesweit begehrte Barmer<br />

Immanuelskirche, und in der Alten Schmiede<br />

der Knipex-Werke auf Cronenbergs<br />

Höhen werden Doppelaxel und Pirouetten<br />

in „Der Torero oder Liebe im Akkord“ zu<br />

bestaunen sein. Man darf also gespannt<br />

sein, ob Elena Fink an einer eingesprungen<br />

Waagepirouette mit hohem C und Note<br />

5,9 arbeitet. 35 Mal wird das Tanztheater<br />

in Wuppertal zu sehen sein. 54 Gastspiele<br />

sind geplant, davon allein 24 in Frankreich,<br />

acht in London und zwölf in Asien. Mehr<br />

geht nicht. Die beiden Intendanten haben<br />

die Herausforderungen mit wenig Geld,<br />

kleinem Ensemble, besonderer Logistik und<br />

einem oftmals skurrilen Publikum mutig<br />

angepackt. Einen neuen Job nach dem Ende<br />

in Wuppertal haben die beiden Herren<br />

übrigens noch nicht. Haben sie jedenfalls<br />

(auch lächelnd) auf Nachfrage bei der<br />

bereits erwähnten Pressekonferenz gesagt.<br />

Zitieren wir zum Ende dieses Textes den<br />

großen Schauspieler und leidenschaftlichen<br />

Zeitungsleser Ulrich Matthes aus einem<br />

Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen<br />

Sonntagszeitung“ vom 21.April 2013:<br />

„Theater ist eine flüchtige Kunst. Das ist<br />

sein Reiz.“ Kein Widerspruch.<br />

Klaus Göntzsche<br />

Premiere 2013/2014 – Schauspiel<br />

Opernhaus<br />

Sa., 19. 10. 2013 // Maria Stuart<br />

Friedrich Schiller<br />

Fr., 6. 12. 2013 // Die drei Räuber<br />

(für alle ab 6 Jahren) – Tomi Ungerer<br />

Fr., 21. 2. 2014 // JR (Uraufführung)<br />

William Gaddis<br />

Sa., 20. 4. 2014 // Le Pas d' acier – Schritt<br />

in die Zukunft – Sergej Prokofjew<br />

Tanzprojekt mit Jugendlichen aus Wuppertal<br />

Sa, 26. 4. 2014 // Viel Lärmen um Nichts<br />

William Shakespeare<br />

Die Börse<br />

Januar 2014 // Oh ist das Morrissey<br />

Anne Lepper<br />

Werkauftrag des Stückemarkts des Berliner<br />

Theatertreffens 2013<br />

Premiere 2013/2014 – Jugendtheaterclub<br />

und Integrative Theatergruppe<br />

Haus der Jugend (Barmen)<br />

Fr., 4. 4. 2014 // Der rote Baum //<br />

Jugendtheaterclub – Shaun Tan<br />

Do., 22. 5. 2014 // Die zertanzten<br />

Schuhe // Integratives Theaterprojekt<br />

Gebrüder Grimm<br />

Premiere 2013/14 – büro für zeit +<br />

raum<br />

Ort und Zeitpunkt der Produktion<br />

werden noch bekannt gegeben // Früher<br />

war alles besser. Früher war alles aus Holz.<br />

(Arbeitstitel, Uraufführung)<br />

Premiere 2013/2014 – Musiktheater<br />

Opernhaus<br />

Fr., 27. 9. 2013 // Die Fledermaus<br />

Johann Strauss Sohn<br />

Sa., 5. 10. 2013 // Evita<br />

Tim Rice & Andrew Lloyd Webber<br />

Fr., 7. 2. 2014 // Der Universums-Stulp<br />

(Welt-Uraufführung) – Stephan Winkler<br />

So., 23. 3. 2014 // Alcina<br />

Georg Friedrich Händel<br />

Sa., 14. 6. 2014 // König Roger (Król<br />

Roger)<br />

Karol Szymanowski<br />

Carl-Fuhlrott-Gymnasium<br />

Oktober 2013 // Die Irrfahrten des<br />

Odysseus<br />

Dimitri Terzakis<br />

Laterna Magica-Performance<br />

Immanuelskirche<br />

Sa., 2. 11. 2013 // Die ägyptische Maria<br />

Ottorino Respighi<br />

Knipex-Werk – Alte Schmiede<br />

So., 19. 1. 2014 // Der Torero oder Liebe<br />

im Akkord // Adolphe Adam<br />

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72


„Wiederbelebung“ durch Will Baltzer<br />

Am 8. Dezember 1995 war es soweit:<br />

Wuppertals architektonischer Juwel, die<br />

Historische Stadthalle, zeigte sich nach vierjähriger<br />

Bauzeit innen und außen in neuem<br />

Glanz, und auch nach bald 20 Jahren, die<br />

seit der Renovierung vergangen sind, ist seine<br />

Strahlkraft noch immer beeindruckend.<br />

. Begründer dieser „Wiederbelebung“ ist<br />

der seit vielen Jahren in Wuppertal lebende<br />

Architekt, Professor Will Baltzer, zusammen<br />

mit einem Team seiner Mitarbeiter. „Die<br />

Revitalisierung der Wuppertaler Stadthalle<br />

ist ein Beispiel für eine Symbiose von Alt<br />

und Neu, von tradierter Architektur der<br />

Jahrhundertwende und einem modernen<br />

Zentrum vielfältigen urbanen Geschehens<br />

in der Hightech-Zeit des ausgehenden 20.<br />

Jahrhunderts“, schrieb Baltzer selbst in „Die<br />

Stadthalle“, einem Kompendium, das bereits<br />

im Jahr der Wiedereröffnung 1995 erschienen<br />

ist (Herausgeber: Joachim Frielingsdorf<br />

und Jost Hartwig) .<br />

Die neue Historische Stadthalle<br />

Baltzer hatte eine arbeitsreiche Zeit als<br />

Architekt hinter sich. 1932 in Tübingen<br />

geboren, aber in Wuppertal aufgewachsen,<br />

studierte Will Baltzer Architektur<br />

an der TH in Stuttgart und an der TU<br />

in Berlin. Nach dem Abschluss seines<br />

Studiums 1960 war er zunächst bis 1963<br />

Assistent an der Technischen Universität<br />

in Stuttgart, ehe er 1964 einen Lehrauftrag<br />

an der Kingston School of Art (GB)<br />

annahm. Mitte 1965 wurde er freischaffender<br />

Architekt in Wuppertal, wo er<br />

auch seinen Wohnsitz nahm. Gleichzeitig<br />

war er bis 1997 Professor an der Fachhochschule<br />

in Münster. Schwerpunkt seines<br />

Lehrauftrags war, das Fach „Entwerfen“.<br />

Als Architekt realisierte er besonders<br />

Großprojekte wie das Zweckverbandskrankenhaus<br />

in Schwelm, das Städtische<br />

Krankenhaus in Friedrichshafen, das<br />

Schulzentrum in Wuppertal-Vohwinkel,<br />

aber auch verschiedene Kirchenzentren<br />

und die Else-Lasker-Schüler- Gesamtschule<br />

in Elberfeld, wo er auch für die<br />

Erweiterung um Mensa und Bibliothek<br />

verantwortlich war. Wie bei der Renovierung<br />

der Wuppertaler Stadthalle, also<br />

im Bereich Umbau und Restaurierung<br />

denkmalgeschützter Bauten, arbeitete er<br />

oft mit seiner Frau, der Innenarchitektin<br />

Cris Baltzer, zusammen.<br />

Bereits zwischen 1980 und 1982 hatte die<br />

Stadt Wuppertal die Wandelhalle durch<br />

die Fachfirma Ochsenfarth aus Paderborn<br />

restaurieren lassen. Fünf Jahre später erhielt<br />

Baltzer den Auftrag, für das gesamte<br />

Stadthallen- Projekt Voruntersuchungen<br />

durchzuführen sowie einen Vorentwurf<br />

und eine Zielplanung zu erstellen.<br />

Drei Jahre lang dauerten dann die planerischen<br />

und restauratorischen Voruntersuchungen.<br />

Bereits 1989 fasste der Rat<br />

der Stadt Wuppertal den entsprechenden<br />

Grundsatzbeschluss. Nachdem im<br />

November 1991 der Stadthallenbetrieb<br />

eingestellt worden war, begannen im<br />

Januar des Folgejahres die eigentlichen<br />

Bauarbeiten. Es erfolgte die Beauftragung<br />

einer französischen Spezialfirma<br />

für die Maler- und Stuckarbeiten. Alle<br />

Maßnahmen wurden im Dezember 1995<br />

abgeschlossen. „In diesen Tagen entdeckten<br />

die Wuppertaler, dass ihre Stadthalle“<br />

(Christo verhüllte gleichzeitig in Berlin<br />

den Reichstag) „jenem monumentalen<br />

Reichstagsgebäude ähnlich sieht (…)<br />

Belegt werden kann, dass Paul Wallot,<br />

der Architekt und Erbauer des Berliner<br />

Reichstags, Jurymitglied des Architektenwettbewerbs<br />

zum Stadthallenneubau<br />

Ende des 19. Jahrhunderts war“ (S.11<br />

„Die Stadthalle“ von Joachim Frielingsdorf<br />

und Jost Hartwig).<br />

Bei der Restaurierung der Stadthalle, die<br />

wie der Reichstag 1900 im Neo-Renaissance-<br />

Stil gebaut worden war, hatten für<br />

Baltzer in den 1990er Jahren drei Aspekte<br />

Priorität: Verbesserung und Erweiterung<br />

der angestrebten Funktionen, die Sanierung<br />

der Bausubstanz und die restaurierende<br />

Wiederherstellung der Innenräume<br />

sowie die Verbesserung des Hallenumfelds.<br />

Im einzelnen vergrößerte Baltzers<br />

Planung die bisherige Foyerzone um die<br />

ursprünglich offenen Gartenhalle durch<br />

großflächige Verglasung, ermöglichte eine<br />

multifunktionale und gleichzeitige Nutzung<br />

aller Säle sowie den Einbau einer<br />

Sauer- Orgel im neugestalteten Bühnenbereich<br />

des Großen Saals. Höhenverstellbare<br />

Bühnenpodeste lassen eine Mehrzwecknutzung<br />

des Saals beispielsweise für<br />

Konzerte oder Kongresse und Bankette<br />

zu. In die historische Bausubstanz wurden<br />

behutsam modernste Technik bei der<br />

Be-und Entlüftung sowie Elektrotechnik<br />

einschließlich Beleuchtung integriert.<br />

Oberstes Ziel der Außensanierung und<br />

Restaurierung im Inneren war, die ursprünglichen<br />

Qualitäten der Halle wieder<br />

herzustellen und zu optimieren, wobei<br />

sich sämtliche Maßnahmen an den Vorgaben<br />

der Denkmalpflege orientierten.<br />

Vor dem Eingang zur Halle entstand<br />

durch Verengung der vorbeiführenden<br />

Bahnhofstraße ein weiträumig gepflasterter<br />

Vorplatz. Der Halleneingang erhielt<br />

einen behindertengerechten Zugang zu<br />

allen Ebenen des Gebäudes.<br />

Aus seinen Erfahrungen mit einem<br />

schlüssigen historischen Konzept ging<br />

Baltzers entschiedenes Engagement<br />

hervor, „die Historische Stadthalle für die<br />

heutigen Benutzer und die nachwachsende<br />

Generation zu einem Ort der Identifikation<br />

mit den Werten der Tradition<br />

werden zu lassen.“ Sämtliche Funktionen,<br />

die zum Betrieb eines Vielzweckbauwerks<br />

73


74<br />

Die neue Historische Stadthalle, Außenansicht und Blick ins Innere


nötig sind, wurden ohne Anbau, wie ihn<br />

viele Experten gefordert hatten, bewerkstelligt.<br />

Nicht ohne Stolz versichert der<br />

Architekt, dass in dem ursprünglich vorhandenen<br />

Gebäude genügend Platz für<br />

alle Notwendigkeiten einer Multifunktionshalle<br />

vorhanden war. 2009 sprach<br />

Will Baltzer in Heinz Theo Jüchters Buch<br />

„Die Historische Stadthalle Wuppertal“<br />

ausführlich über das Umbauprojekt als<br />

einer „Renaissance der Renaissance“.<br />

Joachim Krug<br />

Fotos: Baltzer und Partner/<br />

Joachim Krug<br />

unten: das ehemalige Restaurant<br />

Historische Aufnahmen aus der<br />

Stadthalle<br />

75


Paragraphenreiter<br />

Kann ich auch als Privatmann mit<br />

Kunst Steuern sparen?<br />

Susanne Schäfer, Steuerberaterin<br />

Geschäftsführerin der Rinke Treuhand GmbH<br />

Wirtschaftsprüfungsgesellschaft/<br />

Steuerberatungsgesellschaft<br />

Im Jahr 2007 erwarb ein Trödelmarktbesucher<br />

mit offensichtlichem Sinn für<br />

schöne Dinge auf einem Trödelmarkt<br />

eine weiße Keramikschale für drei Dollar.<br />

Da die Schale sehr dünnwandig war,<br />

benutzte er sie nicht, sondern stellte sie<br />

lediglich in ein Regal. Gerade die Feinheit<br />

des Materials beschäftigte ihn aber<br />

auch weiterhin und er ließ den Flohmarktfund<br />

zu Anfang des Jahres 2013<br />

von einem Sachverständigen für chinesische<br />

Kunst schätzen. Am 13. März<br />

2013 wurde die Schale von Sotheby’s<br />

versteigert – der Zuschlag erfolgte bei<br />

2,23 Millionen Dollar.<br />

Im Jahr 1967 betrug der Kunstmarktpreis<br />

für ein Bild von Gerhard<br />

Richter rund 5.000 DM. Im Jahr<br />

12.10.2012 wurde ein Bild von Gerhard<br />

Richter von Sotheby’s versteigert – der<br />

Zuschlag erfolgte bei 26,4 Millionen<br />

Euro.<br />

Seufz ! Hätte ich rechtzeitig in Keramikschalen<br />

oder Gerhard Richter<br />

investiert, hätte ich einen Gewinn von<br />

2.229.997 Dollar oder 26.397.444 Euro<br />

machen können.<br />

Und das Beste: auch noch vollkommen<br />

steuerfrei!<br />

Der Verkauf von privaten Wertgegenständen<br />

wie antiker chinesischer<br />

Keramik und Ölbildern ist nämlich nur<br />

dann als sogenanntes „privates Veräußerungsgeschäft“<br />

einkommensteuerpflichtig,<br />

wenn zwischen deren Anschaffung<br />

und Veräußerung weniger als ein Jahr<br />

vergangen ist.<br />

Im geschickten Ankauf der Werke<br />

von vielversprechenden jungen Künstlern<br />

(oder verkannter Trödelware), deren<br />

mindestens 12-monatige Aufbewahrung<br />

(gern auch über der Wohnzimmercouch<br />

oder im Geschirrschrank) und lukrativen<br />

späteren Verkauf (Sotheby’s scheint<br />

hier eine hervorragende Adresse zu sein)<br />

besteht also eine der wenigen noch legalen<br />

Möglichkeiten, in Deutschland für<br />

Gewinne keine Einkommensteuer zahlen<br />

zu müssen.<br />

Allerdings auch nur dann, wenn ich<br />

den An- und Verkauf nicht „gewerblich“<br />

betreibe, d. h. nicht mit der von vornherein<br />

feststehenden „Absicht, Gewinn zu<br />

erzielen“, nicht „unter Beteiligung am<br />

allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“<br />

und nicht „nachhaltig“.<br />

Aber was heißt das?<br />

Ohne die „Absicht, Gewinn zu<br />

erzielen“ heißt, dass ich auf dem Gebiet<br />

der Kunstkennerschaft eigentlich nur ein<br />

bisschen dilettieren darf. Wenn ich etwas<br />

kaufe, dann in erster Linie, weil es mir<br />

gefällt und nicht weil ich mit einer großartigen<br />

Wertsteigerung rechne. Die sollte<br />

allenfalls ein netter Nebeneffekt sein.<br />

Nicht „unter Beteiligung am allgemeinen<br />

wirtschaftlichen Verkehr“ heißt,<br />

dass ich nicht aktiv eine Vielzahl potentieller<br />

Käufer umwerbe.<br />

Und nicht „nachhaltig“ ist einfach<br />

die amtliche Umschreibung von „nicht<br />

zu oft“. Wie viele Keramikschalen und<br />

Bilder ich verkaufen darf, bevor ich als<br />

gewerblicher Kunsthändler betrachtet<br />

werde, steht dabei nicht genau fest.<br />

Ehrlich gesagt würde mir ein einziger<br />

Gerhard Richter aber auch reichen.<br />

www.rinke.eu<br />

„Am liebsten auf der Bühne,<br />

und wer weiß wo sonst noch,<br />

sind mir Sätze,<br />

die man auch tanzen<br />

könnte.“<br />

KARL OTTO MÜHL<br />

Zugelaufene Sprüche<br />

Neu<br />

Karl Otto Mühl<br />

Zugelaufene Sprüche<br />

„Das Leben ist sportlich:<br />

Der, den du überholst, sitzt dir danach<br />

im <strong>Nacke</strong>n.“<br />

„Mit guten Absichten überschminkt die<br />

Seele ihre Pickel“<br />

2013<br />

Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> Wuppertal<br />

80 Seiten, 9.00 Euro<br />

ISBN: 978-3-942043-90-8<br />

„Das wäre ein wunderbares Leben<br />

gewesen, sagte der Neunzigjährige, wenn<br />

man vorher gewusst hätte, dass alles gut<br />

geht.“<br />

76


Auch im idyllischen<br />

Hückeswagen – weiß der Krimi<br />

von Jürgen Kasten<br />

„Grüße aus dem Jenseits“<br />

Das Verbrechen ist überall<br />

Gibt es im lieblichen Bergischen Land,<br />

etwa auch im idyllischen Städtchen<br />

Hückeswagen Korruption, Verbrechen,<br />

sogar Mord? „Das Böse ist immer<br />

und überall“ wissen wir nicht zuletzt<br />

durch die Erste Allgemeine Verunsicherung.<br />

Und natürlich schlummert<br />

auch unter dem Grasgrün unserer<br />

Bergischen Heimat das Böse in Gestalt<br />

von bestechlichen Verwaltungsbeamten<br />

und Politikern, solchen, die sie zynisch<br />

korrumpieren, deren Handlangern, die<br />

auch vor einem Mord nicht zurückschrecken,<br />

Trittbrettfahrern, die ihr<br />

eigenes verbrecherisches Süppchen auf<br />

diesem schwelenden Feuer kochen und<br />

Erpressern, die als kriminelle Parasiten<br />

blutiges Geld aus den Übeltaten anderer<br />

saugen.<br />

Das weiß literarisch ein hochkarätiger<br />

Fachmann zu unterstreichen: Jürgen<br />

Kasten, über viele Jahre Chef der<br />

Mordkommission und der Ermittlungsstelle<br />

für Umweltverbrechen bei der<br />

Wuppertaler Kripo. Der ausgewiesene<br />

Kenner der Materie hat seine Erfahrungen<br />

mit allen Facetten des Verbrechens<br />

zu einem spannenden Kriminalroman<br />

umgemünzt, dessen raffiniert aufgebaute<br />

Handlung er mit dem Mittelpunkt<br />

Hückeswagen u.a. in Remscheid,<br />

Wuppertal, Solingen und Showdown<br />

in Basel angesiedelt hat. „Natürlich“,<br />

lässt der Autor seine Leser mit Augenzwinkern<br />

wissen, „ist alles, was ich in<br />

diesem Roman erzähle, reine Fiktion.<br />

Solche Figuren, wie den Hückeswagener<br />

Bauunternehmer van Houten, der<br />

politische Entscheidungsträger besticht<br />

und Dokumente ebenso wie Bilanzen<br />

fälscht, skrupellose Handlanger wie<br />

Oliver Meiners, Lokal-Politiker und<br />

Verwaltungsbeamte, die sich in Bordelle<br />

einladen lassen und damit erpreßbar<br />

werden, schmierige Rechtsverdreher wie<br />

van Houtens Intimus Dr. Garbsen gibt<br />

es im Bergischen Land selbstverständlich<br />

nicht.“ Weiß doch aber jeder, dass<br />

es eben genau so ist.<br />

gen und Sympathieträgern, schönen<br />

Frauen und Alltagshelden ist durch die<br />

Nähe zur Realität präzise gezeichnet,<br />

ob es der Ex-Bulle als Detektiv ist, ob<br />

es die einst hoffnungsvollen Studienabbrecher<br />

als gewissenlose Verbrecher<br />

oder die Duzfreunde in Bauamt und<br />

Bauwirtschaft sind. Auch die Szenenbilder,<br />

um mit einem Begriff des Films zu<br />

sprechen, sind griffig, von der Observation<br />

eines Schließfachs bis zur Obduktion<br />

des Mordopfers in der Pathologie.<br />

Jürgen Kasten weiß eben, wovon er<br />

spricht. Was mit einem grausigen Mord<br />

in Wuppertal und rätselhaften Erpresserbriefen<br />

beginnt, ein Fall, den der<br />

massige Wuppertaler Kriminalhauptkommissar<br />

Faber gemeinsam mit der<br />

zauberhaften Staatsanwältin Patrizia von<br />

Schuchnitz zu klären hat, entwickelt<br />

sich zu einem raffinierten, weite Kreise<br />

ziehenden Geflecht im Dunst der Bergischen<br />

Baumafia.<br />

Jürgen Kasten –<br />

„Grüße aus dem Jenseits“<br />

Bergischer Verlag, 2012<br />

285 Seiten, Broschur, 9,90 Euro.<br />

Das hervorragend recherchierte Buch,<br />

das Weg und Steg kennt und nennt,<br />

läßt durchaus glaubhaft Parallelen zur<br />

regionalen Politik und Bauwirtschaft<br />

erkennen. Sein Personal aus Widerlin-<br />

Weitere Informationen:<br />

www.bergischerverlag.de.<br />

Frank Becker<br />

77


Neue Kunstbücher<br />

Monographien zur Malerei<br />

vorgestellt von Thomas Hirsch<br />

Die Malerei ist – zum Glück – nicht kaputt<br />

zu kriegen. Bei allen Ausweitungen in den<br />

Raum und aller faktischen Konzentration<br />

auf die reprografische oder virtuelle<br />

Oberfläche, mit denen die Kunst ihre<br />

Gegenwart reflektiert, behauptet sich die<br />

Malerei auch weiterhin. Über die Jahrhunderte<br />

hat sie Wandlungen von der reinen<br />

Funktionszuweisung in der Frühzeit über<br />

die Vermittlung des christlichen Glaubens<br />

in der Renaissance vollzogen, sie diente<br />

Kirchenfürsten und Feldherren, erreichte im<br />

Ständeportrait eine hohe gesellschaftliche<br />

Anerkennung und eine weitere Personalisierung<br />

des Künstlers, ehe sie als Metier mit<br />

freier Motivwahl gänzlich autonom wurde.<br />

Die Scheidung von der Werkstatt und den<br />

Schülern führt (ungeachtet des künstlerischen<br />

Mediums) zur Frage nach der Werkgenese<br />

und sie äußert sich in heutiger Zeit<br />

in der Monographie, die eine Abfolge der<br />

Schaffensphasen bereithält und Urheberschaften<br />

klärt oder aufwirft ... Lange wurden<br />

dem Caravaggisten Orazio Gentileschi Gemälde<br />

zugeschrieben, die von seiner Tochter<br />

Artemisia stammen; erst im 20. Jahrhundert<br />

wird ihr Beitrag für die Kunst des Barock<br />

aufgearbeitet. Artemisia Gentileschi (1593<br />

– um 1651) gehört zu den bedeutenden<br />

Künstlerinnen in Zeiten, in denen nur sehr<br />

wenige Frauen den Beruf des Künstlers ergriffen.<br />

Ihr Leben steht unter dem Schatten<br />

der Vergewaltigung durch ihren Lehrer, dem<br />

anschließenden Prozess und der Abreise aus<br />

Rom nach Florenz; später hält sie sich, als<br />

Künstlerin hochangesehen, wieder in Rom<br />

und Neapel auf. Sie malt Porträts, Stillleben,<br />

Historienbilder und biblische Stoffe. Leitmotivisch<br />

durchziehen Frauengestalten ihr<br />

Werk. Die Malerei ist souverän, dynamisch<br />

in der Wendung der Körper. Gesicht und<br />

Kleidung werden durch Licht und Schatten<br />

modelliert. Dramatisch sind oft die Posen,<br />

unterstützt noch durch die Komposition im<br />

Bildraum, den die Figuren massiv besetzen<br />

… Das zeigt nun die gute geschriebene,<br />

feuilletonistische Monographie von Dagmar<br />

Lutz, die vom Leben dieser bemerkenswerten<br />

Malerin ausgeht. Natürlich ist es hilfreich,<br />

vergleichende Bilder etwa von Orazio<br />

Gentileschi oder Caravaggio zu integrieren,<br />

allerdings ist dies mitunter infolge der allzu<br />

komplexen Grafik verwirrend. Insgesamt<br />

aber entsteht ein fundierter Einblick in das<br />

Werk der Artemisia Gentileschi.<br />

In vielerlei lässt sich dieses Buch mit<br />

der aktuellen Monographie zur Malerei von<br />

John Everett Millais vergleichen. Der (leider<br />

nur englische) Text von Jason Rosenfeld ist<br />

jedoch ausführlicher, das Buch ist grafisch<br />

viel klarer, wenngleich eine reine Bildstrecke<br />

gutgetan hätte. John Everett Millais<br />

(1829-1896), der als damals jüngster<br />

Student in die Schule der Royal Academy<br />

aufgenommen wurde, gründet 1848 mit<br />

William Hunt und Dante Gabriel Rosetti<br />

die Gemeinschaft der Präfraffaeliten. Millais<br />

wendet sich jedoch bald vom lieblichem<br />

Impetus ab. Seine Sache<br />

ist die<br />

Wirklichkeitsschilderung mit hoher<br />

atmosphärischer Verdichtung mittels einer<br />

brillanten Farbigkeit, dazu entstehen Genreund<br />

Landschaftsdarstellungen; vor allem<br />

mit letzterem wird er später gepriesen. Jason<br />

Rosenfelds Verdienst ist es unter anderem,<br />

die Bedeutung der Natur im gesamten<br />

Werk herauszuarbeiten, und das Verdienst<br />

des Buches ist es, John Everett Millais<br />

überhaupt in einer respektablen Einzeldarstellung<br />

zu würdigen.<br />

Aber wie unterschiedlich doch Werkübersichten<br />

ausfallen! So wie das Buch zu<br />

Millais dem erzählerischen Charakter seiner<br />

Bilder entspricht, so ist das so viel andere<br />

Buch zu Hans Hofmann punktgenau für<br />

dessen Kunst. Auch Hans Hofmann ist zu<br />

entdecken, jedenfalls in Europa. Das klingt<br />

paradox, schließlich hat Hofmann (1880-<br />

1966) die ersten 53 Jahre seines Lebens in<br />

Deutschland verbracht, hier malen gelernt,<br />

seine eigene Kunst dann aber eingestellt,<br />

um Malschulen zu gründen. Über den<br />

Kunstunterricht kam er mit Amerika in<br />

Kontakt, wurde als Lehrer eingeladen und<br />

erhielt die Möglichkeit, als er von den ersten<br />

Untaten der Nationalsozialisten hörte,<br />

zu bleiben und amerikanischer Staatsbürger<br />

zu werden. Er gründete Schulen in New<br />

York und Provincetown und setzte wieder<br />

mit der Malerei ein. Hofmann etablierte<br />

sich als einer der bedeutenden Maler des<br />

abstrakten Expressionismus. Neben den<br />

Franzosen beeindruckte ihn Kandinsky<br />

nachhaltig, er erreicht mit seiner abstrakten,<br />

aus dem Gestus gewonnen Farbmalerei<br />

D. Lutz, Artemisia Gentileschi, Leben und<br />

Werk, 128 S. mit ca. 110 Farbabb., geb.<br />

mit Schutzumschlag, 28,5 x 25 cm, Belser,<br />

39,95 Euro<br />

J. Rosenfeld,<br />

John Everett<br />

Millais, engl., 256 S. mit<br />

190 farb. Abb., geb. mit Schutzumschlag,<br />

29 x 25 cm, Phaidon, 49,95 Euro<br />

Hans Hofmann, Magnum Opus, Hrsg.<br />

B. Buhlmann, dt./engl., 164 S. mit 65 farb.<br />

Abb., Leinen, geb. mit Schutzumschlag,<br />

29 x 30 cm, Hatje Cantz, 39,80 Euro<br />

78


ein Schweben im Raum. Berühmt wird er<br />

mit seinen Setzungen von monochromen<br />

Rechtecken im Bild, teils in verschiedenen<br />

Größen in Überlappung – daraus entwickelte<br />

er das „push and pull“-Prinzip in der<br />

Fokussierung der Farbflächen, mit dem er<br />

sich auch der Farbfeld-Malerei zuordnen<br />

lässt … Was hier reichlich theoretisch wirkt,<br />

hebt sich in der Malerei sinnlich auf und<br />

wird nun durch die Monographie im Verlag<br />

Hatje Cantz vermittelt. Ein mustergültiges<br />

Buch: Es beinhaltet profunde Essays aus<br />

deutscher wie auch amerikanischer Perspektive<br />

und es stellt großzügig die Malerei<br />

in ihrer Farbigkeit vor und zeigt, warum<br />

wir unbedingt mehr von Hans Hoffmann<br />

wissen sollten.<br />

kann ... Irgendwann nach seinem Tod aber<br />

war Fritz Köthe vergessen. Vielleicht weil<br />

sich kein rechter Galerist seines Werkes annahm,<br />

vielleicht auch, weil keine angemessene<br />

Publikation über ihn verfügbar war.<br />

Nun also gibt es mit Thomas Levy einen<br />

Galeristen in Hamburg, der auch gleich ein<br />

Buch herausgegeben hat. Die Enttäuschung<br />

ist groß: Die Bilder erschlagen sich in ihrer<br />

Fülle; zudem zeigt die Hälfte des Kataloges<br />

das Frühwerk mit zum Teil unwichtigen<br />

Studien. Wie schade!<br />

Dass der Kerber Verlag eigentlich ganz<br />

andere Bücher publiziert, belegt die Monographie<br />

Egocinema von Gustav Kluge. Der<br />

1947 geborene, in Hamburg studierte und<br />

in Karlsruhe an der Kunstakademie lehrende<br />

NEU<br />

Die zweite Ausgabe<br />

Karussell<br />

ist erschienen<br />

Erzählung | Lyrik | Essay<br />

Jörg Aufenanger, Barbara Commandeur,<br />

Lavinia Korte, Stefan Mettler, Karl<br />

Otto Mühl, André Poloczek, Dietrich<br />

Rauschtenberger, Dorothea Renckhoff,<br />

Karla Schneider, Michael Zeller<br />

Fritz Köthe, dt./engl., 120 S. mit 112 farb.<br />

Abb und DVD, Hardcover, 24 x 16,5 cm,<br />

Kerber Verlag, 29,90 Euro<br />

Ein weiterer Maler der Avantgarde ist Fritz<br />

Köthe. Fritz Köthe (1916-2005) gehört<br />

zu den wichtigsten deutschen Malern im<br />

Kontext der Pop Art. Anfang der 1960er<br />

Jahre findet Köthe zu den für ihn typischen<br />

Motiven, die er sozusagen auf der Straße<br />

findet und die seinen Realismus vorgeben.<br />

Er malt Plakat-Abrisse anhand der Klischees<br />

aus den Lifestyle-Illustrierten: Er zeigt, als<br />

Ausriss vereinzelt und mitunter verdoppelt,<br />

Augen, Fußballer, Rennwagen, Zigaretten<br />

zwischen Lippen und er verstärkt die<br />

Attraktion durch Lichteffekte – das wirkt in<br />

der Nüchternheit, mit der Köthe Knautschungen<br />

und Risse malt, ebenso virtuos<br />

wie die Malerei doch zur Masche erstarrt,<br />

auch wenn sie zeitkritisch gelesen werden<br />

Gustav Kluge, Egocinema, Hrsg. R. Spieler,<br />

200 S., 336 farb. Abb., geb. mit Schutzumschlag,<br />

30 x 23 cm, Kerber Verl., 39,80 Euro<br />

Künstler zählt längst zu den bedeutenden<br />

figurativen Malern in Deutschland. In seinem<br />

frühen Werk wird die Figur in massive<br />

Gespinste aus Farben eingebunden, die sein<br />

zentrales Thema verdeutlichen: das Gefangen-Sein<br />

des Geistes im physischen Körper.<br />

Kluges oft düstere Bilder besitzen etwas Bedrängendes,<br />

sind augenblicklich existenziell<br />

und reflektieren häufig zeitgeschichtliche und<br />

gesellschaftliche Zusammenhänge. Daneben<br />

entstehen seit einem Jahrzehnt Porträts, die<br />

Persönlichkeiten des Kunstbetriebes in ihrem<br />

Wesen vorstellen. Die Dimensionen dieses<br />

Werkes vermittelt nun die Monographie<br />

exemplarisch und detailliert. Eine Demonstration<br />

für die Aktualität und Notwendigkeit<br />

des Mediums Malerei !<br />

Karussell |<br />

Bergische Zeitschrift für Literatur<br />

Nr. 2/2012 – 92 Seiten, 7.– Euro –<br />

ab sofort im Buchhandel<br />

Herausgeber: Verband Deutscher<br />

Schriftsteller (VS), Region Bergisch<br />

Land und die Autorengemeinschaft<br />

Literatur im Tal mit freundlicher<br />

Unterstützung durch Kulturbüro<br />

der Stadt Wuppertal<br />

Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> Wuppertal<br />

ISBN 978 - 3 - 942043 - 91 - 5<br />

79


Geschichtsbücher, Buchgeschichten<br />

Vorgestellt von Matthias Dohmen<br />

Pirat und Apotheker.<br />

Die Story über Rob und Ben erinnert<br />

an „Max und Moritz“ und stammt aus<br />

der Feder von Robert Louis Stevenson.<br />

Robin zieht es aufs Meer, wo er als Pirat<br />

reich wird. Sein Freund Ben bevorzugt<br />

eine bürgerliche Karriere, wird Apotheker<br />

und verkauft Leitungswasser gegen<br />

echtes Gold. Seiner Geldgier verdankt<br />

die Mutter eines kleinen Mädchens den<br />

frühen Tod. Als nun die alten Kameraden<br />

ihr Leben vergleichen, empört sich<br />

der Raubritter über seinen alten Kumpanen<br />

und erschlägt ihn in einer biblischen<br />

Zornesaufwallung.<br />

Mit wunderschönen oft ganzseitigen<br />

Bildern hat Henning Wagenbreth<br />

Stevensons Ballade von 1882 illustriert.<br />

Der international bekannte Zeichner<br />

gründete 1989 mit Freunden die Berliner<br />

Künstlergruppe „PGH Glühende<br />

Zukunft“ (www.wagenbreth.de). Der<br />

von ihm auch übersetzte „Pirat“ schaffte<br />

es auf die „Hotlist der unabhängigen<br />

Verlage“ und errang den „Melusine-<br />

Huss-Preis“ des deutschen Buchhandels.<br />

Robert Louis Stevenson, Der Pirat und der<br />

Apotheker. Eine lehrreiche Geschichte, illustriert<br />

von Henning Wagenbreth, Wuppertal:<br />

Peter Hammer 2012. 40 S., 26,00 Euro<br />

Gewagt und gewonnen.<br />

Das schier Unmögliche unternommen<br />

und zu Ende geführt: Auf über eineinhalbtausend<br />

Seiten unterbreitet der in<br />

Wipperfürth geborene Historiker Jürgen<br />

Osterhammel das Panorama des vorvorigen<br />

Jahrhunderts, in dem er den „frühen<br />

Spuren“ der Globalisierung nachgeht,<br />

wozu auch die Konstituierung der Kritik<br />

der noch kolonial geprägten Weltordnung<br />

gehören: der Arbeiter-, der Frauen-, der<br />

Friedens- und der (neudeutsch formuliert)<br />

Dritte-Welt-Bewegung.<br />

Rezensenten von der FAZ bis zur<br />

„Tageszeitung“ haben die Souveränität<br />

hervorgehoben, mit der der Inhaber<br />

des Lehrstuhls für Neuere und Neueste<br />

Geschichte an der Universität Konstanz<br />

die Forschungsergebnisse anderer Historiker<br />

auf den Punkt bringt und in sein<br />

Panorama einfügt. Vor- und Nachwort<br />

sowie umfangreiche Register ermöglichen<br />

vielfältige Zugänge zu dem Opus. Da ist<br />

es schon fast tröstlich, dass man jemanden<br />

vergeblich sucht, der ebenfalls zu diesem<br />

„langen Jahrhundert“ Maßgebliches beigetragen<br />

hat wie der Sozialist Moses Hess<br />

(auch Heß geschrieben).<br />

Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der<br />

Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts,<br />

München: Beck 2013. 1568 S., 24,00 Euro<br />

SPD und Pershing II.<br />

Wieder ein Rahmenthema im AfS, das es in<br />

sich hat: 25 Autoren befassen sich in Einzelaufsätzen<br />

mit dem „Wandel des Politischen:<br />

Die Bundesrepublik Deutschland während<br />

der 1980er Jahre“. Themen sind Finanzen,<br />

Telekommunikation, Aids und neue soziale<br />

Bewegungen, der private Rundfunk und das<br />

Aufkommen der Grünen sowie der Nachrüstungsstreit<br />

in der SPD, für die Sozialdemokratie<br />

eine Kontroverse „zwischen Staat<br />

und Straße“. Jan Hansen erinnert daran,<br />

dass Willy Brandt die Nordsüdproblematik<br />

in eine erbittert geführte Diskussion einführte,<br />

die die Republik umgekrempelt hat.<br />

Ein Plakat der Jungsozialisten aus dem Jahr<br />

1983 zeigt einen hilflosen, einen mageren<br />

Schatten werfenden Menschen im Angesicht<br />

der drohenden Raketen aus Ost und<br />

West, der SS 20 und der Pershings (S. 535).<br />

Sammelrezensionen des mit 1732 Gramm<br />

schwergewichtigen Bandes gelten dem<br />

rheinischen Kapitalismus, der Psychoanalyse-<br />

und der Völkerrechtsgeschichte beziehungsweise<br />

dem „neuen Menschen in der<br />

Sowjetunion“. Kurzum: Mit seinen rund<br />

300 (teilweise übers Internet verfügbaren)<br />

Buchbesprechungen ein kolossales Werk.<br />

Archiv für Sozialgeschichte. Bd. 52 (2012),<br />

Bonn: J. H. W. Dietz 2012. 913 S., 68,00<br />

Euro<br />

80


Kulturnotizen<br />

GEDOK Wuppertal<br />

Veranstaltungen<br />

Sonntag, 9. Juni 2013, 18:00 Uhr<br />

CityKirche Elberfeld, Kirchplatz<br />

„Nuit d’Étoiles“<br />

Ein GEDOK-Liederabend mit<br />

romantischen, französischen Liedern von<br />

Claude Debussy, Maurice Ravel, Gabriel<br />

Fauré, Henry Duparc, Eric Satie u. a.<br />

Miriam Sabba, Sopran – Michel<br />

Hänschke, Klavier (a.G.)<br />

Dienstag, 11. Juni 2013, 19:00 Uhr;<br />

Evang. Bibelwerk, Rudolfstraße 135,<br />

42285 Wuppertal<br />

Buchvorstellung „Töchter der Schrift<br />

– Literarische Blicke auf biblische<br />

Frauen“<br />

Im Dialog präsentieren die Lektorinnen<br />

Dr. Jutta Höfel und Marianne<br />

Ullmann die thematischen Konzepte der<br />

beiden Publikationen und referieren die<br />

einzelnen Beiträge.<br />

Dienstag, 9. Juli 2013, 16:00 Uhr<br />

Sommerfest für Künstlerinnen und<br />

Kunstförderer im Weissen Haus<br />

Westfalenweg 211, 42111 Wuppertal,<br />

Telefon: 0202/754270<br />

Vorankündigung<br />

Montag, 2. September 2013, 18 Uhr<br />

GEDOK Wuppertal e. V.-Jahreshauptversammlung<br />

2013<br />

Uta Majmudar „50 Jahre Manu Factum“<br />

Ausstellung der NRW-Staatspreisträger<br />

Glas, 22. 6. bis Oktober 2013, Glasmuseum<br />

Hentrich, Ehrenhof 4 – 5, Düsseldorf<br />

Uta Majmudar, Fossil, 30 x 20cm<br />

GEDOK Gemeinschaft der<br />

Künstlerinnen und Kunstförderer<br />

e.V., Gruppe Wuppertal<br />

www.gedok-wuppertal.de ·<br />

gedok-wuppertal@t-online.de<br />

Kreativ50plus<br />

Großes Spektrum an Sommerangeboten<br />

Kreativ50plus bietet Theater, Kunst,<br />

Fotografie, autobiografisches Schreiben,<br />

Apple und Heilpflanzen.<br />

Im Rahmen der Reihe Kunst im Dialog<br />

haben Sie Gelegenheit, sich aktiv mit dem<br />

künstlerischen Werdegang von bekannten<br />

sowie weniger bekannten Künstler/innen<br />

zu beschäftigen. Diesmal geht es um zwei<br />

Frauen: Die österreicherische Malerin<br />

Maria Lassnig (* 8. September 1919), die<br />

über ein faszinierendes Spätwerk verfügt<br />

und die immer noch arbeitet. In Dialog<br />

gesetzt wird sie mit der in Deutschland<br />

weitgehend unbekannten Aborigines-<br />

Künstlerin Emily Kame Kngwarreye (*<br />

1910 – † 1996), die erst mit 77 Jahren<br />

anfing zu malen, es aber noch bis auf die<br />

Biennale nach Venedig schaffte. Beide<br />

mussten sich ihren Weg hart erkämpfen.<br />

Was hat diese Künstlerinnen auf ihren<br />

jeweils eigenen Weg gebracht?<br />

Dem Motto Bewegung folgen die diesjährigen<br />

Theatertage. Die Teilnehmer<br />

können in Begleitung der Dortmunder<br />

Choreografin Barbara Cleff „Eigenes in<br />

der Bewegung“ in einem Workshop zum<br />

Tanztheater einsetzen. Die Wirkung von<br />

Bewegungen und Gesten im Schauspiel<br />

kann im Seminar „Gut bewegt ist halb<br />

gewonnen“ erprobt werden.<br />

Für künftige Hobbyfotografen bietet die<br />

Akademie Remscheid ein Einsteigerseminar<br />

in die Digitalfotografie. Einige Wochen<br />

später können Fortgeschrittene das<br />

Sommerwetter nutzen, um sich der Architekturfotografie<br />

zu widmen. Außerdem<br />

finden Seminare zum autobiografischen<br />

Schreiben und zu den Möglichkeiten des<br />

Applecomputers statt. Und wer sich von<br />

Heilpflanzen überraschen lassen möchte,<br />

kann diese bei einem geführten sommerlichen<br />

Spaziergang kennen lernen.<br />

Weitere Informationen erhalten Sie unter:<br />

www.kreativ50plus.de<br />

Veranstaltungen Juni/Juli 2013<br />

Darüber könnte ich ein Buch schreiben<br />

10. Juni, 15 Uhr – 14. Juni, 12 Uhr<br />

Fotografieren statt knipsen; für Einsteiger<br />

in die Digitalfotografie<br />

17. Juni, 15 Uhr -19. Juni, 12 Uhr<br />

Die Bühne stürmen – gut vorbereitet<br />

ist halb inszeniert!<br />

17. Juni, 15 Uhr - 21. Juni, 12 Uhr<br />

Theatertage Bewegung<br />

Eigenes in der Bewegung – Tanztheater<br />

24. Juni, 15 Uhr – 26. Juni, 18 Uhr<br />

Theatertage Bewegung<br />

Gut bewegt ist halb gewonnen<br />

24. Juni, 15 Uhr – 26. Juni, 18 Uhr<br />

Apple Spezial<br />

21. Juni, 15 Uhr – 23. Juni, 12 Uhr<br />

Kunst im Dialog:<br />

Kunsttheorie mal anders<br />

6. Juli, 10 - 18 Uhr<br />

Ein Tag mit Heilpflanzen im Sommer<br />

6. Juli, 10 - 18 Uhr<br />

Herzstücke unter der Lupe:<br />

Schreibworkshop<br />

10. Juli, 15 Uhr – 12.07., 12 Uhr<br />

Fotografie und Architektur<br />

15. Juli, 15 Uhr – 19.07, 12 Uhr<br />

Weitere Informationen erhalten Sie unter:<br />

www.kreativ50plus.de<br />

in der Reihe RATdigital ist die Textsammlung<br />

„Kulturpolitik als Mentalitätspolitik?“<br />

von Max Fuchs erschienen.<br />

Das Buch umfasst die Themenbereiche<br />

„Kultur und Gesellschaft“, „Kulturpolitik<br />

und ihre Grundlagen“ und „kulturelle<br />

Bildung und Teilhabe“. Es kann kostenfrei<br />

heruntergeladen werden:<br />

www.akademieremscheid.de/fileadmin/<br />

user_upload/3-01_Kulturpaedagogik/<br />

Fuchs_2013_Kulturpolitik_als_Mentalitaetspolitik.pdf<br />

Müllers Marionettentheater<br />

Ritter Suppengrün und das süße<br />

Geheimnis<br />

nach dem gleichnamigen Kinderbuch<br />

von Klara Schneider<br />

Mit Süßigkeiten kennt sich Prinzessin<br />

Caramella aus dem Puddingland gut aus.<br />

81


Kulturnotizen<br />

Zum Leid ihres Vaters verliebt sie sich in<br />

seinen größten Feind, in Ritter Suppengrün.<br />

Und weil sie ebenso stur ist wie<br />

ihr Vater heiratet sie den Gemüsebaron<br />

und bekommt mit ihm vier Kinder. Alle<br />

diese kleinen Suppengrüns essen gerne<br />

Zwiebeln und Knoblauch, Tomaten und<br />

Bohnen, nur die kleinste Tochter Mürbchen<br />

mag all das Gemüse nicht. Eines<br />

Tages bittet sie ihre Mutter, zum Opa<br />

nach Puddingland reisen zu dürfen….<br />

Musik von Ludwig van Beethoven<br />

Die Bremer Stadtmusikanten<br />

Theatermärchen von Fritz Fey<br />

Der Esel wird fortgejagt, der Hund<br />

soll erschlagen werden, die Katze ertränkt<br />

und den Hahn will man aufessen! Und<br />

das alles nur, weil die vier alt geworden<br />

sind. Glücklicherweise aber hat der Esel<br />

eine gute Idee: alle vier Tiere wollen<br />

versuchen, Bremer Stadtmusikanten zu<br />

werden. Bei so klugen Stadtmusikanten<br />

haben selbst die Räuber im Wald nichts<br />

zu lachen...<br />

Sonntag, 16. Juni > 18 Uhr > open air ><br />

Butterscotch & Trio > Beat-Box meets Jazz<br />

Butterscotch Vocals, Beatbox, Gitarre, Piano<br />

Veranstaltungen im Juli<br />

Samstag, 20. Juli > 19 Uhr > open air ><br />

Avishai Cohen Quartett > Plugged<br />

Avishai Cohen E-Bass, Kontrabass, Gesang<br />

Eli Degibri Saxofon, Nitai Hershkovits<br />

Klavier, Keyboard, Ofri Nehemya Schlagzeug<br />

Avishai Cohen ist nicht nur ein phänomenaler<br />

Bassist, er ist auch ein starker<br />

Komponist, der in seiner Musik die<br />

Klangfarben und Rhythmen des Nahen<br />

Ostens mit westlichem Jazz zusammenbringt.<br />

Sonntag, 21. Juli > 19 Uhr > open air ><br />

Acoustic Africa > Women’s Voices<br />

Aufführungstermine:<br />

2., 8., 16. und 22. 6. jeweils um 16.00<br />

Uhr und am 20. 6. um 11.00 Uhr<br />

Der Froschkönig<br />

Theatermärchen nach den Gebrüdern<br />

Grimm von Günther Weißenborn<br />

Wer möchte schon einen Frosch küssen?<br />

Die Prinzessin will es eigentlich auch<br />

nicht, aber schließlich küsst sie ihn doch,<br />

um das aufdringliche Glibbertier endlich<br />

los zu werden. Nach dem Kuss wartet auf<br />

sie die allerschönste Überraschung!<br />

Aufführungstermine:<br />

28. 7. um 16.00 Uhr, 4. und 11. 8. um<br />

16.00 Uhr, 7. 8. um 11.00 Uhr<br />

im Skulpturenpark Waldfrieden, Wuppertal<br />

Veranstaltungen im Juni<br />

Samstag, 15. Juni > 19 Uhr > open air ><br />

Christian Muthspiel 4 feat. Steve Swallow<br />

Sea ven Teares A tribute to John Dowland<br />

Christian Muthspiel Posaune, Piano,<br />

Komposition, Matthieu Michel Trompete,<br />

Dobet Gnahoré Gesang, Percussion, Manou<br />

Gallo Gesang, E-Bass, Kareyce Fotso Gesang,<br />

Gitarre, Aly Keïta Balafon, Zourmana<br />

Diarra Gitarre, Boris Tschango Schlagzeug<br />

Drei Stimmen, drei Frauen von der<br />

Elfenbeinküste und aus Kamerun mit ganz<br />

verschiedenen künstlerischen Einflüssen.<br />

Sie singen Lieder auf Zulu, Malinke,<br />

Wolof, Bete und Lingala. Es eint sie der<br />

Rhythmus und die Klangwelt des afrikanischen<br />

Kontinents.<br />

www.skulpturenpark-waldfrieden.de<br />

Aufführungstermine:<br />

30. 6., 7., 14. und 21. 7. jeweils 16.00 Uhr<br />

4. 7. um 10 und 15.00 Uhr, 18. 7. 11 Uhr.<br />

Butterscotch<br />

Flügelhorn, Franck Tortiller Vibrafon,<br />

Steve Swallow E-Bass<br />

15. 6. 19:30 Uhr //// Opernhaus<br />

Premiere mit öffentlicher Premierenfeier<br />

Ein Sommernachtstraum<br />

von William Shakespeare<br />

Deutsch von Frank Günther<br />

82


20. Juli 19:30 Uhr //// Opernhaus<br />

Ein Tanzprojekt<br />

mit Jugendlichen aus Wuppertal –<br />

Choreographie von Josef Eder<br />

Das Projekt fördert die (körperliche)<br />

Bewusstwerdung, die spielerische Interaktion<br />

und die Balance zwischen dem<br />

Bedürfnis, sich selbst auszudrücken, und<br />

dem Vermögen, die Anderen in ihrem<br />

Ausdrucksverlangen wahrzunehmen und<br />

zu respektieren. Gemeinsam mit dem<br />

erfahrenen Choreographen entstehen so<br />

beeindruckende Tanztheatervorstellungen.<br />

Juni/Juli /// Oberbarmen<br />

¡Ay Gitano!<br />

Ein Musik und Theaterprojekt<br />

Eine künstlerische Auseinandersetzung<br />

(auch) mit der romantisierenden<br />

Bild- und Musikwelt der Roma<br />

Konzerte Juni/Juli 2013<br />

2. 6. 2013 | 11:00 Uhr<br />

Stadthalle, Großer Saal<br />

9. Sinfoniekonzert<br />

3. 6. 2013 | 20:00 Uhr<br />

Stadthalle, Großer Saal<br />

9. Sinfoniekonzert<br />

13. 6. 2013 | 10:00 Uhr<br />

Stadthalle, Großer Saal<br />

4. Schulkonzert<br />

Best of American classical music<br />

23. 6. 2013 | 11:00 Uhr<br />

Stadthalle, Großer Saal<br />

4. Familienkonzert<br />

Orchesterolympiade<br />

24. 6. 2013 | 20:00 Uhr<br />

Stadthalle, Mendelssohn Saal<br />

5. Kammerkonzert<br />

Nachholtermin aus 2011/12<br />

30. 6. 2013 | 11:00 Uhr<br />

Stadthalle, Großer Saal<br />

10. Sinfoniekonzert<br />

1. 7. 2013 | 20:00 Uhr<br />

Stadthalle, Großer Saal<br />

10. Sinfoniekonzert<br />

12. 7. 2013 | 20:00 Uhr<br />

Laurentiusplatz, Open Air<br />

Stummfilm & Live-Musik<br />

13. 7. 2013 | 20:00 Uhr<br />

Laurentiusplatz, Open-Air<br />

Open-Air Gala<br />

Gobi-Quartett<br />

Samstag, 8. Juni > 19 Uhr > Pavillon<br />

Badamkhorol Samdandamba Gesang<br />

Saadet Turköz Gesang<br />

Gunda Gottschalk Viola<br />

Peter Jacquemyn Kontrabass<br />

Die beiden Sängerinnen, Baadma und<br />

Saadet, haben ähnliche Wurzeln. Saadet<br />

Tüköz ist türkisch-kasachischer Herkunft,<br />

Badamkhorol Samdandamba kommt aus<br />

der Mongolei. Beide Künstlerinnen verbindet<br />

eine Musik tradition, in der das Musizieren<br />

in ummittelbarer Beziehung zu den<br />

umgebenden Landschaften steht.<br />

Als diesjähriger Artist-in-Residence der<br />

Peter Kowald Gesellschaft verbindet Saadet<br />

Türköz diese musikalische Praxis mit der<br />

Tradition des Jazz. In der Zusammenarbeit<br />

mit Gunda Gottschalk und Peter Jacquemyn<br />

im "Gobi-Quartett" belegen die Musikerinnen<br />

einmal mehr, dass die Sprache der<br />

Improvisation Menschen verschiedenster<br />

Herkunft miteinander verbinden kann.<br />

Vor und nach dem Konzert besteht<br />

die Gelegenheit, die von Tony Cragg für<br />

die Peter Kowald Gesellschaft gefertigten<br />

Druckgrafiken „Waldzimmer“ einzusehen<br />

und zu erwerben.<br />

Eine Veranstaltung der Peter Kowald<br />

Gesellschaft / ort e.V.<br />

Konzerte im Alten Pfandhaus Köln<br />

Donnerstag, 20. Juni 2013 | 20:00<br />

John Goldsby Quartett<br />

»The New York - Miami Connection«<br />

Gary Campbell - Saxophone (USA/<br />

Miami) | Rob Schneiderman - Piano<br />

(USA/New York) | Hans Dekker -<br />

Drums (NL/Köln) | John Goldsby -<br />

Bass (USA/Köln)<br />

Info unter john.goldsby.de<br />

Freitag, 21. Juni 2013 | 20:00<br />

Butterscotch – »Konzert«<br />

Sonntag, 30. Juni 2013 | 15:00<br />

Schubert-Zyklus im Alten Pfandhaus<br />

»Kennst Du das Land? Franz Schubert<br />

und Italien«<br />

Natalie Mol – Sopran | Hartmut Schulz -<br />

Bariton | Margita Linde – Klavier<br />

Hartmut Schulz<br />

Wenige Gedichte stehen so sehr für<br />

die deutsche Sehnsucht nach Italien<br />

wie Goethes „Kennst Du das Land, wo<br />

die Zitronen blüh‘n?“, das Lied der<br />

Mignon aus seinem Romanfragment<br />

„Wilhelm Meisters theatralische<br />

Sendung“. Zahlreiche Komponisten<br />

haben den Text vertont, mit die<br />

berühmteste Fassung stammt von<br />

Franz Schubert.<br />

Dieses Lied und die anderen Wilhelm-Meister-Lieder<br />

Schuberts bilden das<br />

Zentrum dieses sommerlichen Schubert-<br />

Liederkonzerts.<br />

Mehr Info: www.schubert-zyklus.de<br />

Samstag, 6. Juli 2013 | 20:00<br />

Friedel & Friends – »Konzert«<br />

Friedel Kroschewski Git/Voc | Michaela<br />

Senger Voc | Mickie Stickdorn Schlagzeug<br />

| Holger Trull Bass | Jho Kaufmann Keyboards<br />

| Susanne Schulz Violine | Willem<br />

Schulz Cello | Johannes Pappert Sax<br />

weitere Info: www.friedel-friends.de<br />

Skulpturenpark Waldfrieden<br />

Cragg Foundation, Wuppertal<br />

William Tucker – Skulpturen<br />

29. Juni bis 1. September 2013<br />

William Tucker gehörte in den 1970er<br />

Jahren zu dem Kreis englischer Bildhauer,<br />

die 1965 in London als „New Generation“<br />

in der gleichnamigen Ausstellung in<br />

der Whitechapel Art Gallery vorgestellt<br />

83


Kulturnotizen<br />

Galerie Kunstkomplex<br />

Adele Mills – Hostage<br />

Mixed Media Paintings<br />

7. Juni - 31. Juli<br />

William Tucker – Foto: privat<br />

Hausaltar, 2011, Mischtechnik, 130 x 180 cm<br />

heroisch oder quälend als Arbeiterinnen,<br />

Raumpflegerinnen, Verkäuferinnen und<br />

viele andere mehr vorgestellt werden,<br />

sondern um Frauen voller Würde und<br />

Anmut, die stolz auf ihre Tätigkeiten<br />

verweisen.<br />

Vishnu + Victory, Foto: Buchmann<br />

wurden und entscheidende Impulse für<br />

die Entwicklung der abstrakten Skulptur<br />

und die Erweiterung des Skulpturenbegriffes<br />

lieferten. Er gilt heute als einer der<br />

wichtigsten Vertreter der abstrakten Bildhauerei,<br />

dessen Schaffen mit zahlreichen<br />

internationalen Preisen geehrt wurde. Die<br />

Cragg Foundation präsentiert im Skulpturenpark<br />

Waldfrieden aktuelle Skulpturen,<br />

die einen Bezug zur menschlichen<br />

Figur haben, in ihrer Form aber nicht<br />

direkt zu entschlüsseln und zu benennen<br />

sind. Die Werke eröffnen ein weites Feld<br />

möglicher Assoziationen und erlangen so<br />

eine eindringliche Physis.<br />

Skulpturenpark Waldfrieden<br />

Hirschstraße 12, 42285 Wuppertal<br />

02 02 / 4 78 98 12-0<br />

Öffnungszeiten: März - November :<br />

Di – So von 10 bis 18 Uhr, Dezember -<br />

Februar: Fr – So von 10 bis 17 Uhr<br />

An allen Feiertagen geöffnet<br />

www.skulpturenpark-waldfrieden.de<br />

Heine-Kunst-Kiosk<br />

Trabajadoras del Mundo<br />

Arbeiterinnen der Welt<br />

Die in Bielefeld lebende, international<br />

tätige, argentinische Künstlerin<br />

Cecilia Herrero - Laffin<br />

stellt im Heine-Kunst-Kiosk Skulpturen<br />

und Objekte aus.<br />

Bei den Arbeiten von Cecilia<br />

Herrero-Laffin handelt es sich nicht<br />

agitprop-ähnliche Frauengestalten, die<br />

Die Ausstellung ist bis zum 30. Juni<br />

2013 zu besichtigen – nach telefonischer<br />

Vereinbarung: 0202/475098 und<br />

02191/73162<br />

www.herrero-arte.com/index.html<br />

Artemide präsentiert IN-EI ISSEY MIYAKE<br />

Konzeption und Technologie der neuartigen Leuchten für<br />

Artemide gehen dabei auf das im Jahre 2010 vom Miyake<br />

Design Studio Reality Lab.) entwickelte Projekt „132 5.<br />

ISSEY MIYAKE“ zurück. Dieses Projekt bezeichnet<br />

eines auf 3D-Geometrie basierenden Mathematikprogramms<br />

zur Herstellung von Kleidung. Das<br />

Ergebnis ist ein Kleidungsstück aus einem Stück<br />

Stoff, das sowohl fl ach gefaltet werden kann – als<br />

auch dreidimensionale Formen annehmen kann.<br />

Der Kern des Projekts ist ein vollkommen<br />

aus recycelten Materialien hergestelltes<br />

Gewebe, das das Licht auf sehr interessante<br />

Weise streut. Es handelt<br />

sich um eine Faser, die durch<br />

die Verarbeitung von PET-<br />

Flaschen gewonnen wird. Die<br />

Flaschen werden dafür mittels einer<br />

innovativen Technik verarbeitet, die den<br />

Energieverbrauch und die CO2-Emissionen<br />

im Vergleich zur Produktion neuer Materialien<br />

um bis zu 40 % reduziert. Artemide belebt diese<br />

nachhaltigen Artefakte anschließend mit neuester<br />

LED-Technologie. Die Leuchtenkollektion IN-EI ISSEY<br />

MIYAKE umfasst Steh-, Tisch- und<br />

Pendelleuchten.<br />

Frank Marschang e.K., Karlstrasse 37, 42105 Wuppertal<br />

Tel 0202-24 43 440, www.lichtbogen-wuppertal.de<br />

Di – Fr 10 –18 Uhr und 14 –18.30 Uhr, Sa 11–16 Uhr<br />

Galerie Kunstkomplex, Hofaue 54, Eing.<br />

Wesendonkstr. 12, Öffnungszeiten: di – fr<br />

12 – 19h, sa+so unregelmäßig oder nach<br />

Vereinbarung – www.kunstkomplex.net<br />

84


Termine Literaturhaus<br />

Wuppertal e.V.<br />

4. 6. 2013 – 19:30 Uhr<br />

Jörg Aufenanger: „Bin ich nun ein<br />

Trümmerkind...“<br />

Der in Berlin lebende Autor Jörg Aufenanger<br />

erzählt in 63 Miniaturen von seiner<br />

Nachkriegskindheit im Wuppertaler Zooviertel.<br />

Dort hat er bis zu seinem zehnten<br />

Lebensjahr gelebt.<br />

5. 6. 2013 – 18:29 Uhr<br />

„Kunsthochdrei“: zum 200. Geburtstag<br />

von Richard Wagner<br />

Dr. Gerhard Finckh spricht über Richard<br />

Wagner in der Bildenden Kunst.<br />

Musik von Richard Wagner spielen Stefanie<br />

Krahnenfeld, Sopran, und Jan Ehnes,<br />

Klavier. Ingeborg Wolff liest von Thomas<br />

Mann: „Reden zu Richard Wagner“.<br />

11. 6. 2013 – 19:30 Uhr<br />

Gabriele Sander liest aus „Gold und<br />

Silber. Gedichte“<br />

In der neuen Gedichtanthologie der Literaturwissenschaftlerin<br />

Gabriele Sander<br />

findet sich eine lyrische Schatztruhe, die<br />

den ganzen Reichtum des Doppelthemas<br />

Gold und Silber in der deutschen Literatur<br />

aufschließt.<br />

25. 6. 2013 – 19:30 Uhr<br />

Hermann Schulz: „Mandela & Nelson.<br />

Das Rückspiel“<br />

Nach seinem Buch „Mandela & Nelson.<br />

Das Länderspiel“ hat der Wuppertaler<br />

Autor Hermann Schulz jetzt zum Rückspiel<br />

eingeladen. Er liest an diesem Abend<br />

im Literaturhaus aus dem zweiten Band<br />

von „Mandela & Nelson“.<br />

28. 6. 2013 – 19:30 Uhr<br />

Hans Nieswandt: Lesung<br />

Der bekannte DJ, Musikproduzent und<br />

Buchautor Hans Nieswandt liest an<br />

diesem Abend im Literaturhaus aus seinen<br />

Texten. Eine Kooperationsveranstaltung<br />

mit der Bergischen Universität Wuppertal.<br />

www.literaturhaus Wuppertal.de<br />

K1 Art-Cafe<br />

Im Zentrum von<br />

Wichlinghausen,<br />

in einem alten<br />

Fachwerkhaus,<br />

nicht weit vom<br />

Wichlinghauser<br />

Markt entfernt, hat seit dem 1. Nov. 2007<br />

in der Oststraße 12 das K1 Art-Café sein<br />

Domizil. Neben kulinarischen Angeboten<br />

ist Kunst und Kultur das zweite Standbein<br />

des neuen Unternehmens. die Idee<br />

entstand, Kunstwerken und Künstlern<br />

einen öffentlichen Raum zu bieten, wo<br />

den Menschen auf entspannte Weise<br />

Betrachtung und Auseinandersetzung mit<br />

den Kunstwerken ermöglicht wird. Was<br />

man in herkömmlichen Galerien kurzzeitig<br />

durch eine Vernissage erreicht, wird im<br />

Art-Café K1 permanent geboten.<br />

Noch bis 9. Juli 2013<br />

Dagmar Mühl-Friebel<br />

Keramik-Objekte<br />

Marek Wojciechowski<br />

Fotografien<br />

Am Samstag, den 8. Juni 2013, findet<br />

eine Lesung mit dem Schriftsteller Karl<br />

Otto Mühl im K1 statt; ein heiterer<br />

Abend mit Geschichten zum Thema<br />

„Aus dem Hinterhalt“. Bitte Reservierung<br />

unter Tel., 0202 - 260 41 24 da nur<br />

begrenzt Plätze vorhanden sind. Einlass<br />

18:00, Beginn 20:00 Uhr. Der Eintritt<br />

ist frei!<br />

Kontakthof Wuppertal<br />

Der Kontakthof ist ein neuer und besonderer<br />

Ort im Herzen von Wuppertal, der seine<br />

Gäste zum Verweilen, Lachen, Nachdenken<br />

wie auch Träumen anregen will. In einem<br />

einzigartigen und stilvollen Ambiente wird<br />

hier der Café-Besuche zu einer wahren<br />

Entdeckungsreise.<br />

Gleichermaßen ist der Kontakthof ein<br />

Ort der Kultur und Kommunikation und<br />

eine Schnittstelle zwischen Künstlern und<br />

Publikum. Unser Programm hält dabei vom<br />

Theater-, Kabarett- und Kleinkunstprogramm<br />

über stilvolle Chanson-Abende und<br />

akustischer Live-Musik bis hin zu leidenschaftlichen<br />

Talkrunden und berührenden<br />

Lesungen eine große Bandbreite bereit,<br />

die wirklich für jeden Geschmack etwas zu<br />

bieten hat. Hierbei setzt der Kontakthof auf<br />

Gastspiele etablierter Künstler wie auch bewusst<br />

und insbesondere auf die Einbindung<br />

lokaler Kulturschaffender. Der Kontakthof<br />

ist daher auch als ein klares und starkes<br />

Bekenntnis zu Wuppertal, seinen Menschen<br />

und seiner kulturellen Vielfalt zu verstehen.<br />

Er möchte aktiv einem allgegenwärtigen<br />

Negativtrend entgegenwirken und gemeinsam<br />

mit vielen engagierten und kreativen<br />

Menschen Impulse setzen.<br />

Samstag, 8. Juni, 20:00<br />

Uhr<br />

Weltmusik<br />

Salao – Spanisches<br />

Flair im Tal<br />

Swing Flamenco Latin Pop<br />

Mittwoch, 12. Juni,<br />

20.00 Uhr<br />

Literatur, Lesung,<br />

Hörspiel<br />

Michael Baute – Der<br />

Hobbit<br />

Eine Fortsetzungslesung in sieben Teilen<br />

Weitere Termine: 19. u. 26. 6. 20.00 Uhr<br />

Sonntag, 16. Juni,<br />

19.30 Uhr<br />

Singer, Songwriter,<br />

Chanson<br />

Christian Surrey<br />

[Akustik#Schlacht Wpt]<br />

Möge die Schlacht der Töne & Wörter<br />

beginnen!<br />

Weiterer Termin Sonntag, 21. 7. 19.30 Uhr<br />

Samstag, 22. Juni,<br />

20:00 Uhr<br />

Rock<br />

Stanke ohne Strom<br />

Das Kontakthof-<br />

Wohnzimmerkonzert<br />

www.kontakthof-wuppertal.de<br />

85


Kulturnotizen<br />

ort – Peter Kowald Gesellschaft<br />

Am 21. April wäre Peter Kowald 69<br />

Jahre alt geworden. Mit seiner Energie,<br />

seiner Neugier und Kreativität war Peter<br />

Kowald Ideengeber, Motor, Seele des ort-<br />

Projektes. Doch hervorgebracht wurde<br />

der ort von allen, die sich bereit erklärten,<br />

ihn mit Leben zu füllen: ein organischkünstlerisch-musikalisches<br />

Gebilde, eine<br />

„soziale Plastik“.<br />

Termine<br />

Juni 2013 – Artist in Residence<br />

Saadet Türköz – Stimme<br />

Sie singt Wiegenlieder, Liebes- und<br />

Klagelieder, Heimat- und Heimwehlieder<br />

– kasachische, aserbaidschanische, anatolische<br />

oder aus der Schwarzmeer-Region<br />

stammende Volkslieder. Und sie singt diese<br />

Lieder pur; so pur, dass man das Persönliche<br />

und Eigene in der Annäherung an das<br />

Fremde spürt. – www.saadet.ch<br />

4. Juni 2013 Eröffnungskonzert AiR<br />

– Türköz//Lovens//Oberg<br />

8. Juni 2013 GOBI-Quartett<br />

Türköz//Samdandamba//Gottschalk//<br />

Jacquemyn<br />

5. Juli 2013 Konzert Blemishes<br />

Lumley//Hein//Herzog//Wandt<br />

13. Juli Konzert Duo Kontrasax<br />

www.kowald-ort.com<br />

Leo-Theater<br />

Thorsten Hamer als Heinz Erhardt in:<br />

Ach Egon<br />

Eine Komödie von Heinz Erhardt<br />

Premiere Freitag, 14.06.2013, 20 Uhr<br />

Inszenierung: Stephan Bleck<br />

Öhder Straße 19 A, Tel. 0202 87 07 29 64<br />

www.leo-theater.de<br />

Museum Ludwig Köln<br />

Meisterwerke der Moderne.<br />

Die Sammlung Haubrich<br />

ab 4. August 2012<br />

Ausstellungsansicht<br />

Die Sammlung gilt als eine der besten<br />

des Expressionismus in Europa, berücksichtigt<br />

aber auch Neue Sachlichkeit und<br />

andere Tendenzen der Klassischen<br />

Moderne.<br />

In der Vorbereitung der Ausstellung<br />

und des Katalogs wurden drei bemalte<br />

Gemälde-Rückseiten wiederentdeckt,<br />

von denen zwei, Ernst-Ludwig Kirchners<br />

Fränzi in Wiesen und Alexej von Jawlenskys<br />

Variation, noch nie ausgestellt worden<br />

sind. Die Neupräsentation wird diese<br />

Doppelbilder besonders herausstellen.<br />

www.museum-ludwig.de<br />

Sparkassen-Finanzgruppe<br />

„Wunderbar, dass unsere Sparkasse<br />

einer der größten Kulturförderer<br />

Wuppertals ist.“<br />

<br />

Die Stadtsparkasse Wuppertal unterstützt Soziales, Kultur und Sport in Wuppertal mit rund 5 Mio. € pro Jahr. Wir sind uns als Marktführer unserer<br />

Verantwortung für die Menschen und Unternehmen in unserer Stadt bewusst und stellen uns dieser Herausforderung. Mit unserem Engagement unterstreichen<br />

wir, dass es mehr ist als eine Werbeaussage, wenn wir sagen: Wenn’s um Geld geht – Sparkasse<br />

86


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Tanzschule<br />

Edgar Bellinghausen<br />

Mirker Straße 48 · 42105 Wuppertal<br />

im Mirker Bahnhof · Tel. 0202/2956859<br />

www.tanzschule-bellinghausen.de<br />

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Grabenstraße 4 · 42103 Wuppertal<br />

Telefon (0202) 97 65 808<br />

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Telefon (0202) 24 800-50<br />

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Barmer Bahnhof<br />

Winklerstraße 2 · 42283 Wuppertal<br />

Telefon (0202) 59 53 85<br />

Museums-Shop<br />

Turmhof 8<br />

42103 Wuppertal<br />

Telefon (0202) 563-6231<br />

www.von-der-heydt-museum.de<br />

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Karlstraße 37 · 42105 Wuppertal<br />

Telefon (0202) 2 44 34 40<br />

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42103 Wuppertal<br />

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42653 Solingen<br />

Tel. 0212/258140<br />

www.museum-baden.de<br />

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