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Natürlich treffen alle in den unmöglichsten<br />
Konstellationen aufeinander.<br />
…und ihre Elemente<br />
Techniker und Mädchen für alles Tim<br />
Allgood (Alexander Klein, von hinreißender<br />
Müdigkeit), der seit 48 Stunden nicht<br />
geschlafen hat, klemmende Türen richten<br />
muß und auch noch für den zeitweise verschwundenen<br />
Selsdon Selsdon in der Rolle<br />
als Einbrecher einspringen soll, schläft quasi<br />
im Stehen und rundet die Truppe, die das<br />
völlig über drehte Stück Screwball umsetzen<br />
soll, eine Farce im Geiste Eugène Labiches<br />
und Dario Fos, in dem auch Bettlaken,<br />
Pappkartons, ein klebender Brief und - ja,<br />
Sardinen eine Rolle spielen. Dazu Eifersüchteleien,<br />
hochkochende Gefühle, viele Mißverständnisse,<br />
noch einmal Sardinen, immer<br />
wieder Sardinen, ein Scheich mit Scheichin,<br />
etliche falsch adressierte Blumensträuße<br />
sowie ein Telefon und – ja, Sardinen. Von<br />
den hoch motivierten Schauspielern wird<br />
in dem atemberaubend rasanten, höchst<br />
turbulenten und intelligenten Stück in<br />
Iljas Enkaschews pfiffigem Bühnenbild (7<br />
Türen, ein Vorhang, ein Fenster zum Einbrechen<br />
und ein ohne Drehbühne brillant<br />
gelöstes „Backstage“) viel verlangt. Sie geben<br />
es und noch mehr.<br />
Interna<br />
Die Handlung parallel zum Stück: Der<br />
übersensible Garry hat ein Verhältnis mit<br />
der wesentlich älteren Dotty. Frederick kann<br />
keine Gewalt ertragen, bekommt davon<br />
sofort Nasenbluten. Belinda ist betulich<br />
und sucht den Ausgleich – aber nur bis zu<br />
einer gewissen Grenze. SeIsdon ist nicht so<br />
recht durchschaubar, wird als Alkoholiker<br />
verdächtigt, ist aber nicht ein einziges Mal<br />
betrunken. Aber dafür Dotty bei der Dernière.<br />
Regisseur Lloyd hat was mit Brooke, die<br />
in tumber Ahnungslosigkeit und mit leerem<br />
Blick viel blonden Sex versprüht. Und er<br />
hatte auch was mit Poppy, die, wir erfahren<br />
es im ungünstigsten Moment wie es sich<br />
gehört, ein Kind von ihm erwartet.<br />
Stumme und stürmische Turbulenzen, eine<br />
im wortlosen Ringen von Hand zu Hand<br />
gehende Feueraxt, Whisky-Flaschen, Blumensträuße<br />
und Sardinenteller halten die<br />
Zwerchfelle in Bewegung. Hannah Klein ist<br />
eine Entdeckung. Zuckersüß und strohdoof<br />
schmeißt ihre Brooke als talentfreies<br />
Dummchen Szene um Szene, weil sie zwar<br />
kurvenreich, aber talentfrei keinen Plan hat<br />
und gelegentlich auch mal ihre Kontaktlinsen<br />
verliert. Als schließlich aber alles aus<br />
dem Leim geht, zieht sie als einzige unbeirrt<br />
textsicher ihren Streifen durch – köstlich.<br />
Theater auf dem Theater<br />
Theater auf dem Theater ist stets eine<br />
Delikatesse, Boulevard ein allzu oft unterschätztes<br />
Genre. Boulevard über Boulevard<br />
ist ein geradezu abenteuerliches Unternehmen.<br />
Michael Frayns Farce „Der nackte<br />
Wahnsinn“ gehört zum Schwierigsten,<br />
was die Branche zu bieten hat, aber auch<br />
zum Besten, ein Sprachkunstwerk und ein<br />
Meisterwerk an Präzision - wenn es gelingt.<br />
Thomas Gimbel setzt Frayns Meisterwerk,<br />
das vor 27 und vor sechs Jahren an den<br />
Wuppertaler Bühnen (hier war Gimbel<br />
von 1991-1998 Ensemblemitglied) volle<br />
Häuser feiern konnte und vor 13 Jahren<br />
mit der Wuppertaler Theatertruppe „neue<br />
WuTh“ (der Thomas Gimbel auch einmal<br />
angehörte) einen Sensationserfolg hatte, mit<br />
leicht erscheinender, sicherer Hand so um,<br />
wie Frayn es sich wohl gedacht hat. Das<br />
Ergebnis überzeugt von der ersten Sardine<br />
bis zum letzten Einbrecher. Lassen Sie sich<br />
im TiC für zweieinhalb Stunden bestens<br />
unterhalten.<br />
Frank Becker<br />
Fotos Martin Mazur<br />
Weitere Informationen:<br />
www.tic-theater.de<br />
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