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hinter mein Ohr, formte es zu einem Trichter.<br />

So ein Trichter funktioniert bei schwerhörigen<br />

Menschen schon seit alters her. Nichts zu<br />

machen. Auch da verstand ich nur jedes dritte<br />

Wort. Magdala … kostbares Salböl … folgte<br />

ihm … auf den Knien liegend … emporgehoben<br />

… als erste den auferstandenen Herrn<br />

gesehen…Verkünderin der frohen Botschaft...<br />

Apostelin… Vorsteherin… Urgemeinde …<br />

Sonnenaufgang... überirdisch...<br />

Statt eines Sonnenaufgangs floss der<br />

glühende Widerschein des Sonnenuntergangs<br />

irdisch in das Kirchenschiff. Kein Schiff ohne<br />

Wendeltreppen. Die einzige Wendeltreppe,<br />

die sich in diesem Schiff hinaufschraubte, war<br />

die Treppe zur Hochkanzel. Eine Predigtkanzel<br />

in schwindelerregender Höhe von fünf<br />

Metern mit einem Geländer aus metallisch<br />

glänzendem Glas, das auch den Kanzelplatz<br />

in einer schönen, weichen Rundung umfasste.<br />

Die Kanzel wirkte zurückgenommen. Nicht<br />

sie, sondern das gesprochene Wort sollte die<br />

Aufmerksamkeit erwecken. Das gesprochene<br />

Wort einer Frau und nicht das der heiligen<br />

Nachfolger des Herrn, die alles verdrehten und<br />

sich an die patriarchalische Macht klammerten,<br />

sollte gehört werden. Wie um dies zu<br />

unterstreichen, entdeckte ich Schriftzüge auf<br />

der matten Glasscheibe des Treppengeländers.<br />

Manche konnte ich entziffern, manche waren<br />

mir fremd.<br />

Nicht mein Ohr, sondern mein Auge war<br />

jetzt das Sinnesorgan, das umständehalber und<br />

fast verzweifelt auf Entdeckungsreise ging.<br />

Dies hier ist eine offene Kirche, stand groß<br />

gleich am Eingang und lud mich ein, auf der<br />

Suche nach einem stillen Platz im hektischen<br />

Treiben der heiligen Stadt über die Diffamierung<br />

und Herabsetzung des weiblichen<br />

Geschlechts durch die Nachfolger des Herrn<br />

nachzudenken, der den Frauen während<br />

seines unauslöschlich niedergeschriebenen<br />

Erdendaseins den Platz einräumte, der ihnen<br />

vorher verwehrt war. In diesem großen, mit<br />

hellem Holz gestalteten Kirchenraum lässt<br />

sich Selbstbewusstsein von Frauen in der Stille<br />

üben. Vielleicht ist dies aber auch ein Fehler<br />

und das Selbstbewusstsein der Frauen, auch<br />

meines, müsste lauter schreien.<br />

Meine Aufmerksamkeit bahnte sich<br />

wieder den Weg zur Kanzel. Ich glaubte ganz<br />

unten hebräische oder aramäische Schriftzüge<br />

zu erkennen, die ich nicht lesen konnte. So<br />

kamen die Übersetzer der Heiligen Schrift mit<br />

ins Spiel. Auch sie konnten nichts dafür, dass<br />

sich die Geschichte von der Frau aus Magdala<br />

von der Wahrheit immer weiter entfernte,<br />

wie im Gesellschaftsspiel Stille Post, über viele<br />

Treppen und Hürden hinweg, von Sprachen,<br />

wie aramäisch, koptisch, griechisch, syrisch,<br />

lateinisch und schließlich deutsch. Deutsch<br />

war meine Muttersprache, der ich vertraute,<br />

und ich glaubte einfach nicht, dass ein Wort,<br />

das nicht in die Zeit der Reformation passen<br />

wollte, einer Willkür zum Opfer fallen könnte.<br />

Die Turmspitze der Kirche zitterte erregt.<br />

Der Abendwind berührte zärtlich die von der<br />

untergehenden Sonne rosig gefärbte Haut<br />

der Kirchenfenster. Ihre Glut versank tief im<br />

Schoß der Dächer der heiligen Stadt, unter<br />

denen Gläubige ihr Abendbrot brachen. Die<br />

Reihen der Zuhörer und Anhänger der<br />

Lesung aus dem Buch der Maria Magdalena<br />

bebten ebenfalls vor Erregung. Gerade<br />

wurden sie an ein barockes Bild erinnert. Ich<br />

verstand nur den Namen des niederländischen<br />

Malers und das Bild erschien sofort vor<br />

meinen Augen. Der Maler zeigte die Frau zu<br />

Füßen des Herrn, so wie sich Braut und Bräutigam<br />

nach einer heiligen Hochzeit begegneten,<br />

fast nackt und in großer Schönheit. Die<br />

Hüfte des Herrn umschlang das purpurne<br />

Tuch der Könige. Die Frau, in weißes Linnen<br />

gehüllt, offenbarte ihre Unschuld. Züchtig<br />

kreuzte sie ihre Arme über ihre Nacktheit und<br />

bändigte gleichzeitig die Fülle ihres Haars.<br />

Durch einen Spalt von Zeigefinger und Mittelfinger<br />

der linken Hand lugte wie zufällig<br />

eine rosige Brust hervor.<br />

Die Zeit schritt unaufhaltsam voran. Sie zählte<br />

keine reuigen Sünder, sondern Menschen,<br />

die guten Willens sind. Der Herr vergibt für<br />

alle Zeit, denn die Liebe ist die größte Macht.<br />

So sprach der Dichter und sein letztes Wort<br />

stieg auf die Kanzel und erreichte endlich den<br />

Platz auf der Galerie, wo ich saß. Die frohe<br />

Botschaft der Frau aus Magdala war mächtig<br />

geworden. Auch nach der Lesung aus dem<br />

Buch Maria Magdalena kam ich nicht in die<br />

Nähe des Dichters. Zu lange brauchte ich für<br />

den Abstieg von oben. Er war bereits umringt<br />

von den namhaften Vätern der heiligen Stadt.<br />

Sie schüttelten lange seine Hände.<br />

Im Foyer der Kirche, das in seinem<br />

hellen Holzton warm leuchtete, wurde Wein<br />

gereicht und salziges Brot und auf dem<br />

Büchertisch lag das Werk des Dichters. An<br />

diesem Abend wurde es zum Vorzugspreis<br />

angeboten und wer nicht in Eile war, konnte<br />

es sich signieren lassen.<br />

Friederike Zelesko<br />

Sandra Neufeld<br />

RINKE TREUHAND GmbH – www.rinke.eu<br />

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