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v.l.n.r.: Chor der Wuppertaler Bühnen / Annika Boos, Boris Leisenheimer, Miljan Milovic, Joslyn Rechter, Miriam Ritter<br />

Dieses Lied ist eine der vielen Anspielungen,<br />

die im Stück verborgen sind. Man<br />

kann es nämlich durchaus verstehen als ein<br />

Gegenstück zur Leporello-Arie in „Don<br />

Giovanni“, ebenso wie das Ständchen Don<br />

Quichottes eine Anspielung auf das von<br />

Don Giovanni ist, genauso voll von Wohlklang,<br />

aber doch ganz anders und auf ganz<br />

eigene Weise komponiert. Die Wanderungen<br />

der beiden in der weiten Ebene werden<br />

sehr geschickt dargestellt durch das Laufen<br />

Sancho Pansas, dessen Esel nur durch<br />

eine Eselsmaske vergegenwärtigt wird, der<br />

immer um Don Quichotte auf Rosinante<br />

im Kreis herumläuft (Rosinante ist eine<br />

Leiter, die sogar gelegentlich gestreichelt<br />

wird); dazu kommt eine Bildprojektion mit<br />

einem Blick von unten auf Bäume.<br />

Von der Regie besonders deutlich gemacht<br />

wird im 3. Akt, wie die Phantasie Don<br />

Quichottes die Handlung steuert. Die<br />

Räuber, die Don Quichotte sucht und die<br />

ihn dann überfallen, erscheinen alle auf<br />

Papier liegend, als Produkte der schriftstellerischen<br />

Fantasie also. Anders als im<br />

wirklichen Leben, wo sie den armen Ritter<br />

ohne großes Federlesen ermordet hätten,<br />

werden sie bei Don Quichottes letztem Gebet<br />

weich, geben ihm sogar den Schmuck<br />

zurück und entzünden um ihn einen Kreis<br />

von Kerzen. Sie wirken dabei nicht mehr<br />

wie Räuber, sondern wie Mönche oder<br />

gar Gralsritter (wieder eine Anspielung).<br />

Das Surreale dieser Handlung wird noch<br />

betont durch das Naturbild am Anfang des<br />

Aktes, eine Meerlandschaft mit Gebirge,<br />

in der aber unübersehbar die Uhr und der<br />

Regenschirm hängen. Das wirkt wie ein<br />

Bild von Dalí!<br />

Im 4. Akt findet bei Dulcinée ein Fest statt<br />

(der Text des Chores, komplett, auch die<br />

Frauen, gleichförmig als Toreros gekleidet,<br />

erinnert an „La Traviata“), aber die Dame<br />

ist melancholisch und düster gestimmt<br />

und denkt, durch Totenköpfe versinnbildlicht,<br />

an Alter und Ende. Sie ist ungeheuer<br />

beeindruckt, als Don Quichotte ihr das<br />

gestohlene Diadem zurückbringt, ebenso<br />

die Festgesellschaft, die den langen Ritter<br />

schon lächerlich machen wollte. Den Heiratsantrag<br />

Don Quichottes lehnt sie aber<br />

ab – und das trifft ihn, der den ständigen<br />

Spott seiner Umgebung ertragen oder ihn<br />

gar nicht gemerkt hat, so tief, dass seine<br />

Lebensgeister zu erlöschen beginnen. In<br />

diesem Moment ändert sich auch die Projektion:<br />

Wo vorher ein prächtiger Ballsaal<br />

war, erscheint jetzt plötzlich eine hässliche<br />

Wand mit abblätternder Tapete. Kann<br />

es sein, dass sich hier die Fantasie nicht<br />

durchsetzen kann, der Einbruch der Wirklichkeit<br />

zu brutal ist? Jedenfalls zeigt Don<br />

Quichottes Zusammenbruch Wirkung: Bei<br />

Dulcinée, die sich erst höhnisch lachend<br />

wieder in ihre Festgesellschaft zurückziehen<br />

will, schlägt das Lachen urplötzlich in<br />

Weinen um, und Sancho Pansa, der bisher<br />

zwischen Verachtung und Wohlwollen<br />

schwankte, Hauptsache er konnte abends<br />

in die Kneipe gehen, verteidigt seinen<br />

Meister mit einer flammenden Rede und<br />

vergleicht ihn, seinen Idealismus lobend,<br />

sogar mit Jesus.<br />

Obwohl Don Quichotte dann stirbt,<br />

wieder in seinem Zimmer, endet der 5. Akt<br />

nicht traurig, sondern eher versöhnlich. Es<br />

scheint so, als habe der „irrende Ritter“ in<br />

die Fantasiewelt zurückgefunden, aber die<br />

Verbindung zur Realität trotzdem nicht<br />

verloren. Dulcinée erscheint ihm noch einmal,<br />

in der Vorstellung und auf der Bühne<br />

sogar tatsächlich, Sancho Pansa bleibt bei<br />

ihm, seine Botschaft ist verstanden und<br />

wird weitergegeben.<br />

Fritz Gerwinn<br />

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