Die Beste Zeit Nr. 16.indd - Druckservice HP Nacke KG
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DIE BESTE ZEIT<br />
Das Magazin für Lebensart<br />
Wuppertal und Bergisches Land Ausgabe 16, 2012 - 3,50 Euro<br />
Bella Italia<br />
Von der Heydt-Museum Wuppertal<br />
Christian Hellmich<br />
Von der Heydt-Kunsthalle Barmen<br />
Kuss der Freiheit<br />
Wuppertaler Literatur Biennale<br />
Nachwirkung einer Lesung<br />
Luisa Altergott<br />
Orte der Ruhe<br />
Der Mühlenhof Breckerfeld<br />
Anselm Kiefer<br />
Bundeskunsthalle Bonn<br />
Wuppertals grüne Anlagen<br />
Öffentliches Grün<br />
German Song<br />
Teo Otto Theater Remscheid<br />
Claes Oldenburg<br />
Museum Ludwig Köln<br />
Auf die Lady...<br />
Portrait Mechthild Großmann<br />
Später Besuch<br />
Elisabeth Heinemann<br />
18695205<br />
Neue Bücher<br />
zu Geschichte und Kunst ISSN<br />
1
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Impressum<br />
„<strong>Die</strong> beste <strong>Zeit</strong>“ erscheint in Wuppertal und im Bergischen Land<br />
Erscheinungsweise: 5 – 6 mal pro Jahr<br />
Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> <strong>KG</strong> - <strong>Die</strong> beste <strong>Zeit</strong><br />
Friedrich-Engels-Allee 122, 42285 Wuppertal<br />
Telefon 02 02 - 28 10 40<br />
E-Mail: verlag@hpnackekg.de<br />
V. i. S. d. P.: HansPeter <strong>Nacke</strong><br />
Erfüllungsort und Gerichtsstand Wuppertal<br />
Bildnachweise/Textquellen sind unter den Beiträgen vermerkt.<br />
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Umschlagbild:<br />
© Elisabeth Heinemann<br />
Magdeburg<br />
Wege der Weltweisheit 2009<br />
Fotografi e (Ausschnitt)<br />
Gastbeiträge durch Autoren spiegeln nicht immer die Meinung des<br />
Verlages und der Herausgeber wider. Für den Inhalt dieser Beiträge<br />
zeichnen die jeweiligen Autoren verantwortlich.<br />
Kürzungen bzw Textänderungen, sofern nicht sinnentstellend, liegen<br />
im Ermessen der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Beiträge kann<br />
keine Gewähr übernommen werden.<br />
Nachdruck - auch auszugsweise - von Beiträgen innerhalb der gesetzlichen<br />
Schutzfrist nur mit der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages.<br />
Trotz journalistischer Sorgfalt wird für Verzögerung, Irrtümer oder<br />
Unterlassungen keine Haftung übernommen.
Editorial<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
Dass Wuppertal Musik- und Kunststadt ist, weiß man hier im Tal. <strong>Die</strong><br />
Wuppertaler zieht es in die Oper, aber genauso auch in den Skulpturenpark<br />
Tony Craggs. Wegen der Bildenden Kunst, aber auch wegen der Konzerte,<br />
die dort gegeben werden. <strong>Die</strong> Bergische Metropole war und ist es eines der<br />
Zentren der freien und improvisierten Musik. Weltweit wird Wuppertal mit<br />
dem Tanztheater Pina Bausch in Verbindung gebracht.<br />
Nun hat die erste Literatur Biennale vom 6. bis 16. Juni gezeigt, dass<br />
Wuppertal auch Literaturstadt werden kann. Anknüpfungspunkte in<br />
der Historie gibt es genügend: <strong>Die</strong> große Lyrikerin Else Lasker-Schüler,<br />
der mutige Freiheitskämpfer und Schriftsteller Armin T. Wegner und der<br />
Sozialphilosoph und Koautor des Kommunistischen Manifests Friedrich<br />
Engels stammen aus dem Wuppertal. Und Wuppertal verfügt über eine sehr<br />
aktive und vielfältige Literaturszene. Dazu gehören der Peter Hammer<br />
Verlag, der Nordpark Verlag ebenso wie die Literaturgesellschaften. Und<br />
natürlich die Autoren. Drei seien hier stellvertretend genannt: Karl Otto<br />
Mühl, Herrmann Schulz und Michael Zeller. Doch die junge Generation<br />
drängt nach. So war es die Idee Monika Heigermosers, Leiterin des<br />
Kulturbüros, diese Potenziale in einem auch überregional ausstrahlenden<br />
Literaturfest zusammenzuführen. Von Anfang an war klar, dass man<br />
dazu über den Tellerrand des Bergischen Landes schauen musste. <strong>Die</strong><br />
gemeinsame Klammer ergab sich aus dem Blick auf die Vergangenheit und<br />
die Gegenwart. Else Lasker-Schüler, Armin T. Wegner und Friedrich Engels:<br />
So unterschiedlich ihr Leben und Werk waren, so stehen sie doch gemeinsam<br />
für die Idee der Freiheit. Daher und im Hinblick auf die revolutionären<br />
Bewegungen in der arabischen Welt einigte sich der Künstlerische Beirat<br />
nach einigen Diskussionen auf die Freiheit als Rahmenthema der ersten<br />
Wuppertaler Literatur Biennale. Mit der Literatur-Nobelpreisträgerin<br />
Herta Müller, Christoph Ransmayr, Felicitas Hoppe, Margriet de Moor und<br />
John van Düffel wurden zudem prominente Autoren eingeladen. Mehr als<br />
3.000 Menschen besuchten die insgesamt 24 Veranstaltungen der Literatur<br />
Biennale. Ein großartiger Erfolg. Mehr über die (Hinter-) Gründe erfahren<br />
Sie in dieser Ausgabe der <strong>Beste</strong>n <strong>Zeit</strong>.<br />
Auch die <strong>Beste</strong> <strong>Zeit</strong> folgt dem Prinzip einer Mischung aus lokaler und<br />
überregionaler Orientierung.<br />
So blicken wir sowohl auf die Italiensehnsucht der Deutschen im Spiegel<br />
früher Photographien und Gemälde im heimischen von der Heydt-Museum<br />
als auch auf zwei großartige Ausstellungen in den Rheinmetropolen Köln<br />
und Bonn: Im Museum Ludwig ist dem Pop Art Künstler Claes Oldenburg<br />
unter dem Titel „The Sixties“ eine großartige Retrospektive gewidmet; in<br />
der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik (Bonn) werden Werke<br />
Anselm Kiefers präsentiert.<br />
Viel Vergnügen beim Lesen wünscht<br />
Heiner Bontrup<br />
3
4<br />
Keine Angst vor Berührung<br />
Barbara Neusel-Munkenbeck und die Urne “moi“<br />
seit 1813<br />
Alles hat seine <strong>Zeit</strong>.<br />
Berliner Straße 49 + 52-54 · 42275 Wuppertal · www.neusel-bestattungen.de Tag und Nacht 66 36 74
Inhalt<br />
Ausgabe 16, 4. Jahrgang, August/September 2012<br />
Von der Heydt-Museum<br />
Sehnsucht nach Italien<br />
Bella Italia<br />
von Ulrich Pohlmann Seite 6<br />
Von der Heydt-Kunsthalle<br />
Ausstellung Christian Hellmich<br />
von Beate Eickhoff Seite 9<br />
Kuss der Freiheit<br />
Wuppertaler Literatur Biennale<br />
Rückblicke von Heiner Bontrup Seite 11<br />
Nachwirkung einer Lesung<br />
von Luisa Altergott Seite 16<br />
Orte der Ruhe<br />
Der Mühlenhof in Breckerfeld<br />
von Matthias Dohmen Seite 19<br />
Anselm Kiefer - Am Anfang<br />
Aus der Sammlung Hans Grothe<br />
Bundeskunsthalle Bonn Seite 21<br />
<strong>Die</strong>go<br />
Kurzgeschichte von<br />
Dorothea Müller<br />
Öffentliches Grün<br />
Seite 29<br />
Wuppertals grüne Anlagen<br />
von Antonia Dinnebier Seite 33<br />
German Song<br />
Teo Otto Theater, Remscheid<br />
von Anne-Kathrin Reif Seite 36<br />
The Sixties<br />
Ausstellung Claes Oldenburg<br />
Museum Ludwig, Köln Seite 38<br />
Auf die Lady<br />
Portrait Mechthild Großmann<br />
von Klaus Göntzsche Seite 43<br />
Später Besuch<br />
von Elisabeth Heinemann Seite 46<br />
Arbeitsscheuer Präsident<br />
Kurzgeschichte von<br />
Karl Otto Mühl Seite 47<br />
Annäherung an ein Porträt<br />
von Heiko Meins<br />
von Mattias Dohmen Seite 49<br />
Neue Kunstbücher<br />
Nichts als die Wahrheit<br />
Vorgestellt von Thomas Hirsch Seite 51<br />
Geschichtsbücher, Buchgeschichten<br />
vorgestellt von Mattias Dohmen Seite 53<br />
Angenagte Herzen<br />
E-Mail-Dialog im TiC-Theater Wuppertal<br />
von Frank Becker<br />
Kulturnotizen<br />
Seite 54<br />
Kulturveranstaltungen aus der Region Seite 56<br />
5
6<br />
Bella Italia –<br />
Fotografi en und Gemälde<br />
1815 – 1900<br />
aus den Sammlungen Siegert,<br />
Münchner Stadtmuseum und<br />
Von der Heydt-Museum<br />
10. Juli – 9. September 2012<br />
Giorgio Sommer<br />
Makkaronifabrik, Neapel, um 1875<br />
Albuminpapier, 20,5 x 25,4 cm<br />
Sammlung <strong>Die</strong>tmar Siegert<br />
Sehnsucht nach Italien<br />
In den vergangenen Jahren fanden in<br />
europäischen Museen immer wieder<br />
Ausstellungen statt, die der Grand Tour<br />
und der Künstlerreise nach Italien im<br />
18. und 19. Jahrhundert gewidmet<br />
waren. <strong>Die</strong> Konzeption der aktuellen<br />
Ausstellung und Publikation ist von<br />
mehreren Ideen und Fragestellungen<br />
angeregt worden. Zum einen beschäftigt<br />
sich Bella Italia mit dem wechselvollen<br />
Verhältnis von Fotografi e und<br />
Malerei im 19. Jahrhundert. Insbesondere<br />
die Fotografen aus der Pionierzeit<br />
waren in der Wahl ihrer Motive und<br />
deren pittoreske Wiedergabe nachhaltig<br />
von der zeitgenössischen Malerei<br />
und der Druckgrafi k des frühen 19.<br />
Jahrhunderts beeinfl usst. Umgekehrt<br />
veränderte sich mit der allgegenwärtigen<br />
Präsenz und Verbreitung der Fotografi<br />
e auch das Erscheinungsbild vieler<br />
Gemälde. <strong>Die</strong> Künstler reagierten auf<br />
den Detailreichtum und die Präzision<br />
der Fotografi e, aber vor allem auf deren<br />
Wirklichkeitstreue.<br />
Ein weiterer Fokus dieser Ausstellung<br />
liegt auf dem Italienbild der Deutschen<br />
im 19. Jahrhundert, wie es in zahllosen<br />
Reiseberichten überliefert worden ist.<br />
Der Fotografi e kam in diesem Zusammenhang<br />
eine besondere Aufgabe zu.<br />
Viele Reisende haben vor Ort Fotografi<br />
en von Landschaft, Bau- und Kunstwerken<br />
als Souvenir erworben und<br />
später in Erinnerungsalben zusammengestellt,<br />
wo diese Memorabilien einer<br />
Bildungs- oder Vergnügungsreise für<br />
die Nachwelt überdauerten. Auf diese<br />
Weise konnte man nicht nur den<br />
Daheimgebliebenen von den Abenteuern<br />
und Anstrengungen anschaulich<br />
berichten, sondern sich das vergangene<br />
Geschehen auch selbst ins Gedächtnis
ufen. Reisefotografi en repräsentierten im<br />
19. Jahrhundert ein wichtiges Schaufenster<br />
zur Welt, das die Wahrnehmung der<br />
Fremde ähnlich präkonditionierte wie die<br />
literarischen Reiseberichte und Guiden,<br />
die dem Touristen den Ablauf der Reise<br />
vorstrukturierten.<br />
Unter dem Eindruck des südlichen Klimas<br />
und Lichtes verwandelte sich das Reiseerlebnis<br />
oft zu einem sinnlichen Prozess<br />
der Selbstfi ndung, wie Friedrich Theodor<br />
Fischer anlässlich eines Aufenthaltes in<br />
Rom im Jahre 1839 feststellte: »Als ich<br />
[nach Italien] kam, war mein Auge noch<br />
ein ungeschliffenes Glas; jetzt fange ich<br />
an zu sehen.« Der Deutsch-Römer Hans<br />
von Marées fasste 1872 in einem Brief<br />
an Adolf von Hildebrand die Sehnsucht<br />
nach persönlicher Reifung in die Worte<br />
»Italien ist sozusagen in uns selbst.«<br />
Bei der Lektüre der Reiseberichte stößt<br />
man zwangsläufi g auf Stereotypen und<br />
Klischees, die in Bezug auf die italienische<br />
Halbinsel und ihre Bewohner existierten.<br />
Fotografi en spielten bei der Konstruktion<br />
dessen, was man nördlich der Alpen als<br />
typisch italienische Lebenskultur ansah,<br />
ebenfalls eine wichtige Rolle.<br />
Wenn man die Fotografi en und Reiseliteratur<br />
miteinander vergleicht, dann stehen<br />
diese beiden Darstellungen häufi g in<br />
einem Spannungsverhältnis, gelegentlich<br />
auch im Widerspruch zueinander. Wenn<br />
man beispielsweise dem Reisejournal<br />
von Adolf Stahr Glauben schenken darf,<br />
dann waren romantische Schwärmereien<br />
für die Antike in Rom um 1860 unberechtigt,<br />
da die Neubauten vielerorten<br />
Oswald Achenbach, Blick auf Capri, 1884, Öl auf Leinwand, Von der Heydt-Museum Wuppertal<br />
das Erscheinungsbild der Stadt bestimmten<br />
und die Trümmer des antiken bzw.<br />
mittelalterlichen Roms dem Reisenden<br />
wie ein versprengtes Skelett erschienen.<br />
<strong>Die</strong> Fotografen blendeten das moderne<br />
Leben weitgehend aus, um stattdessen<br />
ein harmonisches Gesamtbild der Stadt<br />
zu repräsentieren, ohne die täglichen Eindrücke<br />
von Lärm, Schmutz und Chaos.<br />
Neben den Besichtigungstouren zu den<br />
klassischen Sehenswürdigkeiten hielten<br />
sich die Fremden vorzugsweise dort<br />
auf, wo man anderen gleichgesinnten<br />
Reisenden begegnete. Man traf sich in<br />
den gepfl egten Touristenhotels und -restaurants.<br />
Oder im Caffè Greco in Rom<br />
und der Bierkneipe Zum Kater Hiddigeigei<br />
auf Capri, die ihren Namen dem<br />
Versepos »Der Trompeter von Säckingen«<br />
7
8<br />
von Josef Viktor von Scheffel verdankte.<br />
<strong>Die</strong>se Lokalitäten waren in Deutschland<br />
hinlänglich bekannte Zufl uchtstätten, in<br />
denen sich die leutselige Gemütlichkeit<br />
des Nordens mit italienischer Lebenskultur<br />
zu vereinen schien.<br />
Vielfach bewegten sich die Touristen auf<br />
ihren Besichtigungsreisen wie Fremdkörper<br />
durch die Städte, ohne dabei zu merken,<br />
dass sie selber bereits Gegenstand<br />
intensiver Betrachtung durch die Italiener<br />
wurden. Sie repräsentierten mit ihren<br />
exzentrisch anmutenden Verhaltensformen<br />
den »komischen« Fremden, der im<br />
populären Pfennig-Magazin im Jahre<br />
1851 in sechs verschiedene Kategorien<br />
unterteilt wurde, die zwischen dem Plattfußtouristen<br />
und »undurchdringlichen«<br />
Reisenden variierten. <strong>Die</strong> Ausstellung<br />
Bella Italia folgt der klassischen Reiseroute<br />
von Nord- nach Süditalien. Traditionelle<br />
Schwerpunkte der Italienreise<br />
setzen Venedig, Rom und die Umgebung<br />
Neapels mit ihren Sehenswürdigkeiten,<br />
die zahllose prominente und weniger<br />
bekannte Reisende in ihren Bann zogen.<br />
<strong>Die</strong> Ausstellung präsentiert 210 Originalfotografi<br />
en und Gemälde aus dem <strong>Zeit</strong>raum<br />
von 1815 bis 1900. <strong>Die</strong> Gemälde<br />
aus der Sammlung des Von der Heydt-<br />
Museums sind fast ausnahmslos in der<br />
Spätromantik, also der präfotografi schen<br />
Epoche entstanden. <strong>Die</strong> Fotografi en, von<br />
mehr als 50 der bedeutendsten in- und<br />
ausländischen Fotografen aufgenommen,<br />
stammen aus der Sammlung <strong>Die</strong>tmar<br />
Siegert und aus der Sammlung Fotografi e<br />
des Münchner Stadtmuseums.<br />
Ulrich Pohlmann<br />
Zur Ausstellung ist ein reich bebilderter<br />
Katalog (240 Seiten) im Kehrer Verlag,<br />
Heidelberg, erschienen.<br />
Buchhandelsausgabe 35 Euro,<br />
Museumsausgabe 25 Euro<br />
Öffnungszeiten:<br />
Di – So 11 – 18 Uhr, Do 11 – 20 Uhr<br />
Mo geschlossen<br />
www.von-der-heydt-museum.de<br />
Truogoli di Santa Brigida, Genua<br />
Francesco Ciappei, 1880<br />
Albuminpapier, 26,1 x 21,3 cm<br />
Münchner Stadtmuseum, Sammlung<br />
Fotografi e
Von der Heydt-Kunsthalle, Barmen<br />
bis 7. Oktober 2012<br />
The World is mine<br />
2011, Öl auf Leinwand 64 x 50 cm<br />
Courtesy Tanja Pol Galerie, München<br />
© VG Bild-Kunst, Bonn 2012<br />
Christian Hellmich<br />
Christian Hellmichs (*1977) Malerei<br />
ist präzise und salopp zugleich. <strong>Die</strong><br />
aktuelle Ausstellung in der Von der<br />
Heydt-Kunsthalle zeigt mehr als 30<br />
Arbeiten von 2006 bis zu den jüngsten,<br />
im April 2012 entstandenen Bildern.<br />
Stand zunächst die gegenständlich<br />
anmutende Darstellung von Architekturen<br />
im Zentrum seines Schaffens, so<br />
treten in neueren Bildern Figuren und<br />
Formen hinzu. Mit Hilfe imaginärer<br />
Bauzäune, Pavillons, Stationen erkunden<br />
die Bilder die Grenze zwischen dem<br />
Konkreten und dem Abstrakten, dem<br />
Wie und dem Was der Malerei. Mit<br />
einem bewusst modulhaften Zusammensetzen<br />
der Bilder verweist er auf die<br />
Konstruiertheit der Wahrnehmung und<br />
die Möglichkeiten der Malerei. Seine<br />
Arbeiten sind, wie Hellmich es beschreibt,<br />
„ein Schnitt durch das visuelle<br />
Rauschen unserer <strong>Zeit</strong>“.<br />
Der Produktionsprozess bleibt sichtbar<br />
und erzeugt Bilder, die zwischen<br />
Offenheit und Geschlossenheit vermitteln.<br />
Man fühlt sich an Versatzstücke<br />
der Realität erinnert, ohne diese konkret<br />
benennen zu können. Genau diese<br />
irritierende Präzision in der Bestimmung<br />
des Vagen zieht sich durch das gesamte<br />
bisherige Werk des Künstlers.<br />
Hellmich lotet aus, wie weit er dieses<br />
Konzept in Richtung Abstraktion treiben<br />
und trotzdem eine Art Gegenständlichkeit<br />
aufrechterhalten kann. Er schöpft<br />
dabei aus den unterschiedlichsten<br />
9
10<br />
Lift, 2011<br />
Öl auf Leinwand 40 x 30 cm<br />
Courtesy Tanja Pol Galerie, München<br />
© VG Bild-Kunst, Bonn 2012<br />
Magazin und Kulisse, 2009<br />
Öl auf Leinwand 64 x 50 cm<br />
Courtesy Tanja Pol Galerie, München<br />
© VG Bild-Kunst, Bonn 2012<br />
Still, 2011<br />
Öl auf Leinwand 150 x 95 cm<br />
Courtesy Tanja Pol Galerie, München<br />
© VG Bild-Kunst, Bonn 2012<br />
Quellen – dem eigenen Fotoarchiv über<br />
den Bildervorrat der Kunstgeschichte bis<br />
hin zu ganz profanen Discounter-Prospekten.<br />
Ziel ist eine wertfreie Nebeneinanderstellung,<br />
schließlich auch eine<br />
Neukontextualisierung verschiedener<br />
Bildwelten und -realitäten.<br />
Als Maler fordert Hellmich ein „Erkennen<br />
ohne Wiedererkennen“ heraus und<br />
spielt gekonnt mit dem Kontrast präziser<br />
Linien und abstrahierender Motivdarstellungen,<br />
mit klarer Kontur und leuchtenden<br />
Farbfl ächen, mit räumlicher Tiefe<br />
und Flachheit. Verwaiste, halbbekannte<br />
Bildräume lassen den Betrachter vor dem<br />
Bild zur Hauptfi gur werden, lassen ihn<br />
förmlich in die Szenerie hineintreten.<br />
Beate Eickhoff<br />
Katalog mit Texten von Ludwig Seyfarth<br />
und Markus Heidingsfelder, 15 Euro<br />
Öffnungszeiten:<br />
Di – So 11-18 Uhr, Mo geschlossen
Rückblicke auf die erste<br />
Wuppertaler Literatur Biennale<br />
Dicht drängen sich die Menschen in<br />
dem hinteren dunklen, weil fensterlosen<br />
Raum der „Viertelbar“, die so heißt, weil<br />
sie so klein ist und in einem Szeneviertel<br />
Wuppertals liegt. Üblicherweise verkehrt<br />
hier ein jüngeres Publikum. Aber heute ist-<br />
Literatur Biennale und da ist alles anders.<br />
Längst ist der Raum prall gefüllt und noch<br />
immer drängen Menschen – die meisten<br />
von ihnen über 50 – nach.<br />
Es ist Donnerstag, die Fußball-EM läuft<br />
und doch ist diese Veranstaltung schon<br />
lange ausgebucht.<br />
Lesebühne: Szene aus<br />
Miranda Hubers Schauspiel „Gelandet“<br />
Kuss der Freiheit<br />
Abbas Khider hatte Mut bewiesen.<br />
Bereits als 19-jähriger hat er sich für<br />
die Freiheit in seinem Heimatland Irak<br />
eingesetzt. Doch das Regime unter<br />
Saddam Hussein schlug zurück. Abbas<br />
Khider musste ins Gefängnis und wurde<br />
gefoltert. Seine Lebenserfahrungen und<br />
das alltägliche Leben von Menschen<br />
in den <strong>Zeit</strong>en der Diktatur hat er in<br />
zwei Romanen verarbeitet. Jetzt sitzt<br />
er in der Viertelbar, erzählt aus seinem<br />
Leben und liest aus seinen Werken „Der<br />
falsche Inder“ und „<strong>Die</strong> Orangen des<br />
Präsidenten“.<br />
Vampire<br />
Abbas Khider, der von weitem und<br />
bei oberfl ächlicher Betrachtung dem<br />
Fußballer Sami Khedira ähnelt, hat das<br />
Publikum mit seinem virilen Charme<br />
schnell um den Finger gewickelt. Er<br />
erzählt, wie er als Pennäler Graffi tis mit<br />
versautem Inhalt an die Schulwände<br />
schmierte und lange <strong>Zeit</strong> nicht erwischt<br />
wurde. Bis ihn jemand verriet. <strong>Die</strong> Strafe,<br />
die er dafür erhielt, sollte ein bitterer<br />
Vorgeschmack sein für das, was er dann<br />
durch die Folterknechte Saddam Husseins<br />
im Gefängnis erleiden musste. Das<br />
Publikum hängt an den Lippen des gebürtigen<br />
Irakers, genießt vielleicht auch<br />
den Ausfl ug ins Reich der Schrecken –<br />
im Bewusstsein der eigenen Sicherheit:<br />
hier in Deutschland, hier in einem Land<br />
mit freiheitlich-demokratischer Grundordnung,<br />
hier im Dunkel der Viertelbar.<br />
Khider erzählt, wie er mit Fördermitteln<br />
der Bundesrepublik nach Ägypten reisen<br />
konnte, um dort die Revolution zu unterstützen.<br />
In dem sicheren Bewusstsein,<br />
dass er, sollte es dort gefährlich werden,<br />
Schutz bei der deutschen Botschaft<br />
fi nden würde.<br />
Das sind Augenblicke, in denen sich<br />
die Schatten der Vergangenheit des<br />
eigenen Lebens und der verzweifelte<br />
Kampf der Menschen in Ägypten und<br />
Syrien um Freiheit und Würde ins Anekdotenhafte<br />
aufzulösen drohen. Und<br />
es ist der Moment, in der eine Dame<br />
– sie mag so um die 60 sein – es nicht<br />
11
12<br />
mehr aushält. Sie bittet um das Wort<br />
und erzählt mit nur mühsam kontrollierter<br />
Wut in der Stimme, dass sie<br />
erlebt habe, dass die deutsche Botschaft<br />
sich eben nicht um Angehörige ihres<br />
Staates gekümmert habe, insbesondere<br />
wenn diese politisch missliebig seien.<br />
Und sie erinnert an die unerträglichen<br />
Zustände in deutschen Asylbewerberheimen.<br />
Und an subtile Formen<br />
der Zensur im eigenen Land. Es ist<br />
ein Moment, in dem der arabische<br />
Frühling mitten in Wuppertal, in dieser<br />
Literatur Biennale, angekommen ist.<br />
Denn Freiheit, radikal, also von der<br />
Wurzel her betrachtet, ist unteilbar.<br />
Das Publikum hält den Atem an, die<br />
Moderatorin holt Luft, wohl um der<br />
Dame das Wort zu verbieten. Im Namen<br />
der Freiheit? Aber es ist auch und<br />
vor allem ein Moment der Wahrheit<br />
über Abbas Khider. Er kommt der Moderatorin<br />
zuvor, gibt der Dame Recht<br />
und berichtet von den deprimierenden<br />
Erfahrungen in den deutschen Heimen.<br />
Abbas Khider gewinnt in diesem Augenblick<br />
an Glaubwürdigkeit. <strong>Die</strong> Gefahr<br />
jener falschen deutschen Gemütlichkeit,<br />
die schon Goethe im „Faust“ karikiert<br />
hatte, ist gebannt:<br />
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und<br />
Feiertagen, // Als ein Gespräch von Krieg<br />
und Kriegsgeschrei, // Wenn hinten, weit,<br />
in der Türkei, die Völker aufeinander<br />
schlagen. // Man steht am Fenster, trinkt ein<br />
Gläschen aus // Und sieht am Fluss hinab<br />
die bunten Schiffe gleiten; // Dann kehrt<br />
man abends froh nach Haus und segnet<br />
Fried’ und Friedenszeiten.<br />
Das ging schon zu Goethes <strong>Zeit</strong>en nicht<br />
und geht heute in einer globalisierten<br />
Welt noch weniger. Es ist Abbas Khider,<br />
der diesen Weltzusammenhang am Ende<br />
in einem schönen Bild zusammenfasst:<br />
„Wir Menschen in der arabischsprachigen<br />
Welt waren lange <strong>Zeit</strong> Vampire.<br />
Wir wagten uns nur nachts und wenn<br />
niemand von den Spitzeldiensten uns<br />
zuhören konnte, das Blut der Wahrheit<br />
zu saugen. Dann trauten sich die ersten<br />
und sagten die Wahrheit auch am hellen<br />
Tag. Und je mehr Menschen mutig<br />
wurden, umso mehr verbreitete sich der<br />
Geruch der Freiheit. Vielleicht ist der<br />
arabische Biss in die Kehle der Wahrheit<br />
ein Kuss der Freiheit für die ganze<br />
Welt.“<br />
Dauerlächeln<br />
In Lesungen wie dieser ging das Konzept<br />
der ersten Literatur Biennale auf:<br />
durch die Begegnungen mit den literarischen<br />
Protagonisten des Arabischen<br />
Frühlings Verständnis und Empathie für<br />
die Menschen in der arabischsprachigen<br />
Welt herzustellen, einer Welt, der wir<br />
oft mit Vorurteilen begegnen - insbesondere<br />
wenn es um den Islam geht. Für<br />
eine nüchterne, differenzierte und pragmatische<br />
Betrachtung der aktuellen Vorgänge<br />
in der arabischen Welt warb der<br />
Politikwissenschaftler Dr. Jochen Hippler<br />
in seinem Vortrag bei der inhaltlich<br />
überfrachteten Auftaktveranstaltung<br />
im feierlichen Mendelssohn-Saal der<br />
Stadthalle. Man solle genau hinschauen,<br />
das Bild der arabischen Welt lasse<br />
sich nicht schwarz-weiß malen: hier<br />
die guten demokratischen und weltoffenen<br />
Kräfte, dort die dumpfen, noch<br />
Herta Müller Samar Yazbek Margriet de Moor<br />
im Mittelalter lebenden reaktionären<br />
Kräfte der Muslimbrüderschaften oder<br />
eines feindseligen Islamismus. Ein Bild<br />
in vielen Grautönen käme der Wahrheit<br />
näher, so Hippler, denn demokratische<br />
Kräfte gebe es bei den religiös Überzeugten<br />
ebenso wie Partikularinteressen<br />
bei den religionsfernen und demokratiefeindlichen<br />
Kräften. Und er zeichnete<br />
ein realistisches Zukunftsszenario: Es<br />
werde noch lange dauern, bis die Länder,<br />
die sich im sogenannten Arabischen<br />
Frühling auf den Weg zu einem Mehr<br />
an Freiheit aufgemacht haben, die<br />
demokratischen und rechtsstaatlichen<br />
Standards der Westlichen Welt erreichten.<br />
Aber ein einfaches Zurück in den<br />
ehemals von westlichen Staaten tolerierten<br />
und sogar aus geostrategischen<br />
Gründen unterstützten Despoten wäre<br />
ebenso unmöglich.<br />
Dass die zur Eröffnung eingeladenen<br />
Autorin Samar Yazbek (Syrien) und der<br />
Schriftsteller Chalid Al Chamissi (Ägypten)<br />
eine andere Sicht der Dinge haben,<br />
ist naheliegend. Ihre Erfahrungen,<br />
Erlebnisse und Einschätzungen der Revolutionen<br />
vermittelten sie am Tag nach<br />
der Eröffnungsveranstaltung im intimeren<br />
Rahmen der türkischen Kultur-<br />
Kneipe ADA. <strong>Die</strong> Lesung aus Chalid al<br />
Chamissis Buch „Taxi in Kairo“ zauberte<br />
ein Dauerlächeln in das Gesicht der<br />
Zuhörer, weil es mit viel Ironie und Humor<br />
das Alltagsleben im vorrevolutionären<br />
Ägypten schildert. „Wer wissen will,<br />
unter welchen Bedingungen die Ägypter<br />
bisher zu leben hatten und warum sie<br />
die Revolution wollten, der lese dieses<br />
Buch“, schreibt Kersten Knipp in der
Frankfurter Rundschau. Der Zuhörer im<br />
ADA erfährt noch mehr: wie Literatur,<br />
Humor und Ironie zu Überlebensmitteln<br />
in schwer erträglichen <strong>Zeit</strong>en werden<br />
können. Samar Yazbek, die in ihrer<br />
Heimat Syrien Romane schrieb und als<br />
Journalistin arbeitete, dokumentierte die<br />
Protestbewegungen in ihrer Heimat. Als<br />
ihr Name auf der Todesliste der Geheimdienste<br />
auftauchte, tauchte sie ab und<br />
fl oh mit ihrer Tochter ins Ausland. Ihr<br />
Buch über ihre Erfahrungen im Gefängnis<br />
ist – wie der Titel – „ein Schrei nach<br />
Freiheit“, der bei den Zuhörern im ADA<br />
dort ankam, wo er hingehört: mitten ins<br />
Herz.<br />
Woher noch Stühle nehmen?<br />
Als der Künstlerische Beirat dieser ersten<br />
Wuppertaler Literatur Biennale zusammentraf,<br />
gab es sehr ernste und kritische<br />
Diskussionen zum Rahmenthema. Ob<br />
wohl ein solch dezidiert politisches Thema<br />
im Rahmen eines Literaturfestivals<br />
richtig verortet sei? Ob die Wuppertaler<br />
sich durch ein solches Thema – wenn<br />
hinten weit im Morgenland – bewegen<br />
lassen würden? <strong>Die</strong> Biennale hat gezeigt,<br />
dass sich die inneren und äußeren Wirklichkeiten<br />
durch nichts besser transportieren<br />
lassen als durch Literatur. <strong>Die</strong><br />
Wuppertaler haben sich bewegen lassen:<br />
Weit mehr als 3.000 Menschen kamen<br />
zu den 24 Veranstaltungen der Biennale.<br />
„Oft hatten wir das Problem, woher wir<br />
noch Stühle bekommen“, sagte Monika<br />
Heigermoser, Leiterin des Kulturbüros<br />
und Initiatorin der Literatur Biennale.<br />
Hinzu kamen 50 Schullesungen des VS,<br />
die in die Literatur Biennale eingebunden<br />
waren.<br />
Der Erfolg beruht wohl auch auf dem<br />
vom Beirat entwickelten Konzept, das<br />
Thema „Freiheit“ multiperspektivisch<br />
abzubilden. So las John van Düffel in<br />
der prall gefüllten Universitätsbibliothek<br />
aus seinem Roman „Houwelandt“, in<br />
dem es um das Ausbrechen aus verkrusteten<br />
Familienstrukturen geht. In<br />
der von der Wuppertaler Kulturjournalistin<br />
Anne Linsel sensibel moderierten<br />
Lesung mit der niederländischen<br />
Autorin Margriet de Moor portraitiert<br />
die Autorin eine junge Frau, die aus<br />
ihrer Heimat Dänemark in das Amsterdam<br />
Rembrandts reist. Ein Schrei<br />
nach Freiheit ist der Mord an ihrer<br />
Zimmerwirtin, den sie nicht bereuen<br />
kann und will. Sie wird zum Tode<br />
verurteilt. Wenige Stunden nach ihrer<br />
Hinrichtung zeichnet sie ein Rembrandt<br />
nachempfundener Maler; er will diesen<br />
Augen-Blick festhalten, den Verfall aufhalten,<br />
dem gewesenen Leben Ewigkeit,<br />
dem Tode Schönheit abtrotzen. Der<br />
Roman ist ein großartiges artistisches<br />
Spiel und zugleich ein Ringen um den<br />
Zusammenhang von Kunst und Leben.<br />
Gelungen war das Zusammenspiel von<br />
Musik und Lesung. Ein Trio für Alte<br />
Musik (Viola da Gamba, Gitarre und<br />
Cembola) entführte die Zuhörer auch<br />
atmosphärisch in die <strong>Zeit</strong> des 17. Jahrhunderts.<br />
Musik und Wort<br />
Überhaupt erwies sich die musikalische<br />
Kontextualisierung der Literatur<br />
als ein gelungener Baustein dieser<br />
ersten Wuppertaler Literatur Biennale.<br />
Besonders beeindruckend war<br />
das „Zusammenspiel“ zwischen dem<br />
Jörg Degenkolb-Deg˘erli Karl Otto Mühl Michael Zeller<br />
Bassisten und Improvisationsmusiker<br />
Harald Eller und Christoph Ramsmayr,<br />
der im Barmer Bahnhof aus seinem<br />
Roman „Morbus Kitahara“ las und die<br />
Zuschauer in eine apokalyptische Welt<br />
nach einem fiktiven Krieg entführte,<br />
in der sich die Sieger an den früheren<br />
Peinigern rächen. <strong>Die</strong> beklemmenden<br />
Stimmungen, Bilder und Geschichten,<br />
aufgebaut aus komplexen Satzkaskaden<br />
und in einer filmisch bildhaften Sprache,<br />
spiegelte Eller in seinen Bass-Soli<br />
atmosphärisch präzise wieder.<br />
Zu dem Konzept der Biennale gehörte<br />
von Anfang an, neben Großautoren<br />
wie Christoph Ransmayr, Margriet de<br />
Moor und Literaturnobelpreisträgerin<br />
Herta Müller auch den Wuppertaler<br />
Autoren Gehör zu verleihen. Denn die<br />
Wuppertaler Literaturszene war und<br />
ist lebendig. Karl Otto Mühl, Jahrgang<br />
1923, Nestor der Wuppertaler<br />
Literaten, trat im Slam Poetry Wettbewerb<br />
gegen die Enkel-Generation<br />
Jörg Degenkolb-Degerli und Andre<br />
Wiesler an. Altersunterschied: 50<br />
Jahre. Herrmann Schulz, langjähriger<br />
Leiter des Wuppertaler Peter-Hammer-<br />
Verlages, Autor zahlreicher Romane<br />
und Jugendbücher betrat ebenfalls die<br />
„Generation-Stage“ und ließ sich auf<br />
die Kunst des schnell wirksamen Wortes<br />
ein. Der Wuppertaler Schriftsteller<br />
Michael Zeller, von der Heydt- und<br />
Andreas-Gryphius-Preisträger, erörterte<br />
mit seinen Kollegen Artur Becker<br />
und Dariusz Muzer – alle drei wurden<br />
in Polen geboren – die vielfältigen<br />
Formen der Zensur im Polen des real<br />
existierenden Kommunismus.<br />
13
14<br />
Schöne Ideen<br />
Mühl und Zeller waren auch mit von<br />
der Partie, als sich die Bergische <strong>Zeit</strong>schrift<br />
für Literatur „Karussell“ in der<br />
überfüllten Galerie Epikur vorstellte.<br />
<strong>Die</strong> Wuppertaler Autorin Friederike<br />
Zelesko hatte, als sie von den Planungen<br />
der Biennale erfuhr, die schöne<br />
Idee, rechtzeitig zum Start des Festivals<br />
eine Literaturzeitschrift zu gründen.<br />
Mit fi nanzieller Unterstützung des<br />
Herausgebers der „<strong>Beste</strong>n <strong>Zeit</strong>“ und des<br />
früheren Betreibers der Galerie Epikur<br />
Hans-Peter <strong>Nacke</strong> konnte dieser Plan<br />
verwirklicht werden. <strong>Die</strong> <strong>Zeit</strong>schrift,<br />
die mit mehr als 100 Seiten eher ein Almanach<br />
wurde, hat fast alle in Wuppertal<br />
schreibenden Autoren zwischen zwei<br />
Buchdeckeln zusammengeführt und<br />
vermittelt so einen beeindruckenden<br />
Überblick über die literarische Vielfalt<br />
im Wuppertal. Unter den zahlreichen<br />
Texten fi nden sich nicht wenige literarische<br />
Juwele.<br />
So wurde der Abend – moderiert von<br />
der Wuppertaler Autorin Christiane<br />
Gibiec – ein heiteres literarisches<br />
Potpourri. Menschen setzten sich auf<br />
den Boden, weil es keine Stühle mehr<br />
gab, standen auf der Treppe, lehnten an<br />
Wänden, um den Wuppertaler Literaten<br />
zu lauschen. <strong>Die</strong> <strong>Zeit</strong>schrift soll<br />
fortgeführt und zu einer Plattform für<br />
literarische Talente Wuppertals werden.<br />
Ebenfalls eine sehr schöne Idee war es,<br />
einen Autor aus einem Werk lesen zu<br />
lassen, das leider noch immer einen<br />
Verleger sucht. Für viele war es einer der<br />
berührendsten Veranstaltungen der Bi-<br />
ennale: Thomas Hoever las aus seinem<br />
Roman “Lilli“, in dem er die Entwicklung<br />
eines Mädchens mit Down-Syndrom<br />
vom ungeliebten, vernachlässigten<br />
Kind hin zu einer selbstbestimmten und<br />
freien Persönlichkeit beschreibt. Freiheit<br />
hat eben viele Facetten. Ebenso schön<br />
war auch die Idee, Felicitas Hoppe im<br />
Namen der Freiheit in einer Haftanstalt<br />
lesen zu lassen.<br />
Besinnung auf die Wurzeln<br />
Zu Gehör kamen am historischen Ort –<br />
der Concordia – auch die drei großen<br />
historischen Gestalten der Wuppertaler<br />
Literatur: Friedrich Engels, Armin<br />
T. Wegner und Else Lasker-Schüler,<br />
jeweils wunderbar vorgetragen von Rolf<br />
Becker. <strong>Die</strong> Musik – Klavierstücke von<br />
Arnold Schönberg – passten ausgezeichnet<br />
zu diesem Nachmittag, weil<br />
Schönberg in seiner neu gefundenen<br />
Musiksprache auch aus den Erstarrungen<br />
seiner bürgerlichen Herkunft und<br />
ihrer in der Musik seiner <strong>Zeit</strong> Ausdruck<br />
fi ndenden Ästhetik ausbrechen will.<br />
Auch er vollzieht wie die Literaten den<br />
Bruch mit der bürgerlichen Welt – aber<br />
auf seine ganz eigene Weise. Hervorzuheben<br />
ist die kluge und sensible<br />
Textauswahl durch Michael Okroy, der<br />
origineller- und dankenswerter Weise<br />
nicht noch einmal die in Wuppertal<br />
schon häufi g gehörte Else Lasker-<br />
Schüler zu Wort kommen lässt, sondern<br />
einen Rezensenten, der die Lesung der<br />
Lyrikerin in ihrer Heimatstadt sehr anschaulich<br />
beschreibt und dabei das für<br />
die damalige <strong>Zeit</strong> Fremde, den neuen<br />
Ton beschreibt, aber auch die verständnislosen<br />
Reaktionen einiger <strong>Zeit</strong>genos-<br />
Lopango Ya Banka (Rap) Dariusz Muszer Hermann Schulz<br />
sen gegenüber einer Schriftstellerin, der<br />
später „Hirnerweichung“ vorgeworfen<br />
werden sollte. Für die Biennale-Macher<br />
sollte die Auseinandersetzung mit diesen<br />
literarischen Wurzeln Wuppertals<br />
zu einer Konstante des Literaturfestes<br />
werden.<br />
Blick zurück und nach vorn<br />
„Wer vieles bringt, wird manchem etwas<br />
bringen“ lässt Goethe den erfolgsorientierten<br />
und geschäftstüchtigen<br />
Schauspieldirektor im „Faust“ sagen.<br />
Goethe, der das Theater in Weimar geleitet<br />
hat, wusste, wovon er spricht. Ein<br />
Erfolgsrezept, das auch in der Jetztzeit<br />
in Wuppertal aufgegangen ist. Neben<br />
der Vielfalt der Orte – Kirchen und<br />
Kneipen, Stadthalle und Botanischer<br />
Garten, Schauspielhaus und Off-Theater<br />
– war es sicherlich auch das bunte,<br />
an verschiedenen Zielgruppen orientierte<br />
Programm der Biennale, die den<br />
Start dieses Literaturfestes zu einem<br />
grandiosen Erfolg werden ließ. Dazu<br />
gehörten Veranstaltungsformate wie<br />
Slam Poetry und HipHop-Performances<br />
im Schauspielhaus ebenso wie die<br />
Lesebühne, bei der Schauspielschüler<br />
der Folkwang Universität drei Stücke<br />
junger Dramatiker in einer szenischer<br />
Lesung vorstellten. Eine hochkarätig<br />
besetzte Jury hatte diese drei Stücke<br />
ausgewählt, in deren Zentren junge<br />
Menschen stehen, die sich gegen alle<br />
Widerstände couragiert zur Wehr<br />
setzen. Ihre Schöpfer Michael Decar,<br />
Thomas Paulmann und Miranda<br />
Huber (Kanada) haben für die existentiellen<br />
Konfl ikte ihrer Protagonisten<br />
die richtige Sprache gefunden. Gerade
die von Gerold Theobalt und Jan<br />
Niklas konzipierte Lesebühne war ein<br />
ausgezeichnetes Beispiel dafür, dass ein<br />
Literaturfestival viel mehr bieten kann<br />
als die klassische Wasserglas-Lesung.<br />
Wuppertal hat gezeigt, dass Vielfalt<br />
nicht wie so häufi g in der Festivallandschaft<br />
Beliebigkeit bedeuten muss. <strong>Die</strong><br />
Orientierung an einem Rahmenthema,<br />
der Anspruch auf Qualität und Originalität<br />
waren Schlüssel zum Erfolg. Zu<br />
einem ähnlich Eindruck kommt auch<br />
die Rheinische Post: „Literatur Biennale?<br />
Ein zu pompöser Name, denkt man<br />
– aber nur bis zum ersten Blick ins<br />
Programm. 42 Seiten ist es dick und<br />
listet (…) Namen wie Herta Müller<br />
und Christoph Ransmayr, wie Felicitas<br />
Hoppe und John van Düffel, wie Margriet<br />
de Moor und Michael Kleeberg so<br />
selbstverständlich auf, als habe die Lit.<br />
Cologne neuerdings einen bergischen<br />
Ableger. <strong>Die</strong> Literatur Biennale ist aber<br />
anders als das kölsche Spektakulum:<br />
Sie ist das unglaubliche Produkt einer<br />
Zusammenarbeit von 23 Wuppertaler<br />
Kulturinstitutionen.“<br />
<strong>Die</strong> Literatur Biennale ist großartig<br />
gestartet, sie birgt das Potenzial in<br />
sich, Wuppertal auch überregional als<br />
(Literatur-)Stadt strahlen zu lassen.<br />
Neue Medienpartner müssen gefunden<br />
werden. Kontinuität ist gefordert, aber<br />
auch der Mut, weiterhin neue und<br />
überraschende Wege zu gehen.<br />
Heiner Bontrup<br />
Foto Hermann Schulz: Fritz Kohmann,<br />
Foto David Grashoff: Thomas Winkelhagen,<br />
alle anderen Fotos: Antje Zeis-Loi<br />
von links: Christoph Ransmayr, Harald Eller<br />
<strong>Die</strong> Literatur Biennale wurde von Monika Heigermoser, Leiterin des<br />
Wuppertaler Kulturbüros, initiiert.<br />
Ihre Idee war es, die Literaturvereinigungen der Stadt sowie viele weitere<br />
Institutionen wie die Universität und die Gedok zusammen zu führen.<br />
Eher ungewöhnlich, wurde auf den Einkauf eines Festivalleiters verzichtet, was<br />
nicht nur viel Geld sparte, sondern auch die Möglichkeit der Kooperation auf<br />
„Augenhöhe“ ermöglichte. Dem Künstlerischen Beirat gehören an:<br />
Monika Heigermoser, Ruth Eising (Literaturagentin), Anne Linsel (Kulturjournalistin,<br />
Dokumentarfi lmerin und Publizistin), Gerold Theobalt<br />
(Bühnenautor, freier Dramaturg, Dozent an der Folkwang Universität),<br />
Herrmann Schulz (Schriftsteller) und Heiner Bontrup (Lehrer und Autor)<br />
Thomas Hoever David Grashoff Ernest Wichner<br />
15
16<br />
Luisa Altergott wird am 20. Oktober 1991<br />
in dem kleinen russischen Dorf Karkawino<br />
geboren. Karkawino hat nur zwei Straßen<br />
und liegt im Grenzgebiet der Mongolei und<br />
Kasachstans. <strong>Die</strong> Tochter einer Russlanddeutschen<br />
geht mit nur acht Mitschülern<br />
in eine Dorfschulklasse. In der Familie wird<br />
nur russisch gesprochen. Im Oktober 2002<br />
– Luisa ist gerade 11 Jahre alt geworden –<br />
siedelt die Familie nach Deutschland um.<br />
Zunächst in ein Wohnheim in Barmen.<br />
Dort lebt die Familie – die alleinerziehende<br />
Mutter sowie die vier Schwestern – auf<br />
engstem Raum in nur e i n e m Zimmer.<br />
Mit elf Jahren (!) muss Luisa nun die 3.<br />
Grundschulklasse besuchen. Sie fi ndet<br />
einen Lehrer, der sie fördert und so lernt<br />
sie schnell Deutsch. Danach besucht sie<br />
die Gesamtschule Else Lasker-Schüler, wo<br />
sie wegen hervorragender Leistungen in<br />
allen Fächern das 7. Schuljahr überspringen<br />
kann. Dort erwirbt sie in diesem Jahr das<br />
Abitur mit einer Durchschnittsnote von<br />
1.6. Ihre Lieblingsfächer sind Deutsch und<br />
Philosophie. Hinsichtlich ihrer Studienwünsche<br />
ist sie offen für vieles. Aber eines<br />
ist klar: „Literarisches Schreiben soll eine<br />
Konstante in meinem Leben sein!“<br />
Fremde Freiheit<br />
Nachwirkung einer Lesung<br />
Am 16. Juni 2012 las Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller auf Einladung der Else-<br />
Lasker-Schüler-Gesellschaft im Rahmen der ersten WuppertalerLiteratur Biennale in der<br />
bis auf den letzten Platz gefüllten Barmer Immanuelskirche aus ihren Werken. Moderiert<br />
wurde die Lesung von dem langjährigen literarischen Wegbegleiter Ernest Wichner, Leiter<br />
des Literaturhauses Berlin. Über Ernest Wichner sagt Herta Müller, „dass wohl niemand<br />
mein Werk so gut kennt wie er“. <strong>Die</strong> sehr sensibel aufeinander abgestimmten Gespräche<br />
und Lesungen enthüllten, wie Menschen in Diktaturen wie dem Ceausescu-Regime Rumäniens<br />
sich selbst entfremdet werden. Zugleich zeigte die Lesung aber auch, wie Literatur<br />
zum Überlebensmittel in <strong>Zeit</strong>en des geistigen und seelischen Terrors werden kann.<br />
Luisa Altergott, die gerade an Gesamtschule Else Lasker-Schüler ihr Abitur gemacht hat,<br />
war bei der Lesung dabei. In einem literarischen Text verarbeitet sie den eigenen rezeptionsästhetischen<br />
Prozess und kommt gerade dadurch der verstörenden und betörenden Schönheit<br />
der Erzählweise Herta Müllers auf die Spur. (Heiner Bontrup)<br />
Heute ist der 16.06.2012, ich sage es,<br />
damit ich es nicht vergesse. Heute ist<br />
Samstag, ich sitze in einer Kirche mit<br />
hohen Decken und schlichter Verzierung,<br />
aber die Schlichtheit steht dem Raum.<br />
<strong>Die</strong> meisten Plätze sind verlassen, der<br />
Raum hat sich ebenso schnell geleert, wie<br />
er sich vor knapp zwei Stunden gefüllt<br />
hatte, eine lange Schlange hat sich vorne<br />
gebildet. Ich sehe Bücher in jeden Händen<br />
und sehe wie sie unterschreibt.<br />
Herta Müller. Nobelpreisträgerin. Talent<br />
bedarf keiner Preise, aber manchmal<br />
bedarf es Preise, um Talent erkennbar zu<br />
machen.<br />
Im Geiste umfl iegen mich Gedanken,<br />
ich habe mich immer noch nicht von dem<br />
hier Gehörten gelöst, die Befangenheit will<br />
nicht von mir weichen.<br />
Fast ist mir, als schließe ich die Augen,<br />
ich schließe sie und höre etwas in mir leise<br />
fl üstern. Unzählige Szenen werden von<br />
neuem aufgegriffen aus den Romanen<br />
„Niederungen“ „Herztier“, „Atemschaukel“.<br />
Bücher, die den Zuhörer sanft in<br />
ihren Bann ziehen.<br />
Auch mich hat der Bann erfasst und lässt<br />
die Szenen des Abends vor meinen Augen<br />
zu Bildern werden, die sich zu Wellen<br />
zusammenschließen und zu Wind und<br />
Blättern und mich ins Unbekannte ziehen,<br />
wo ich nicht Ich bin, wo niemand Ich ist,<br />
wo der Leser und der Erzähler und das<br />
Erzählte zusammenfallen.<br />
So sind es nicht meine Szenen und auch<br />
nicht meine Geschichten. Es sind Figuren,<br />
Schatten erzählter Worte, aber hier und<br />
jetzt sind sie ein Teil von mir.<br />
Ich sehe die kleinen Mäuse neben dem<br />
Kissen auf dem Bett, ihre rosige Haut, die<br />
kaum gelernt hat zu atmen. Ich sehe ihn,<br />
der die Mäuse in seinem Bett entdeckt. Ihn,<br />
den Deportierten, den zu Zwangsarbeit in<br />
einem Arbeitslager in der Ukraine verurteilten.<br />
Den Verlorenen, den Vergessenen.<br />
<strong>Die</strong> Mäuse, ein Herzschlag aus Glas und<br />
Porzellan, ein Hauch von Dasein und Leben,<br />
in dieser Welt, in der das Atmen einer<br />
Strafe gleicht und Leben einem Verbrechen.<br />
Doch seine Augen leuchten, beinah<br />
so, als ob er es nicht weiß.<br />
Ich fühle, wie er sich leise freut und sich<br />
umschaut und denkt auserwählt worden<br />
zu sein. Ich fühle die Liebe dieser Figur,<br />
die ein Schatten aus einer Geschichte ist<br />
und ein Teil von mir, vor allem fühle ich<br />
aber, dass er ein junger Mann ist, der ein<br />
Kind zu sein wünscht und beinah ein<br />
Kind zu sein glaubt und dass er nun mit<br />
einem Augenblick begreift, dass diese<br />
Mäuse bald fressen müssen. Hier, auf<br />
trockenem Boden, wo nur Hunger und<br />
Verzweifl ung erwächst.<br />
Wo Menschen zum Nichts verenden,<br />
wo niemand erwünscht ist und niemand<br />
willkommen.<br />
Er weiß, dass er die Mäuse nicht behalten<br />
kann. Und es schmerzt, auch wenn es<br />
ein stiller Schmerz ist, ein vermummter.<br />
Und sogleich bin ich das Kind, das er zu<br />
sein wünscht, seine Gedanken werden<br />
zu meinen. Um ein Kind zu sein, genügt<br />
der Wunsch allein nicht mehr, die <strong>Zeit</strong><br />
nimmt keine Wünsche an. <strong>Die</strong>se Mäuse<br />
können und dürfen nicht leben. Ich fühle<br />
die Kleinen, wie ich sie trage, etwas hat<br />
mich stumm gemacht, ich trage sie und<br />
lasse los und versuche nicht daran zu denken,<br />
wohin sie fallen, und beinahe sehe ich<br />
es doch.
Ein anderes Bild, verschwommen,<br />
umschattet, ergreift sodann Besitz von<br />
mir. Ich sehe das Kätzchen, das der Gefangene,<br />
als er noch ein Kind war, in die<br />
Ecke getrieben hat und wie es nach dem<br />
Fremden faucht. Ich fühle, wie das Herz<br />
der Fremden sich für einen Augenblick<br />
zusammenzieht und ich sehe die ausgestreckte<br />
Hand und wie die Zähne des<br />
Kätzchens sich in sein Fleisch bohren und<br />
nicht loslassen. Ein leiser Stich durchfährt<br />
mich, mich, die ich zur Fremdem werde,<br />
zu Worten auf Papier. Ich bin nicht die<br />
Figur, und dennoch sind es beinah meine<br />
Finger, die sich um den kleinen Hals<br />
schließen und zudrücken. Es sind nur<br />
Augenblicke, bloß Sekunden, in denen<br />
ich nicht anders kann und mich Bitterkeit<br />
umschließt. Und dann ist es auch<br />
schon zu spät. Wenn man geben will und<br />
wird gebissen … die wahre Wunde ist<br />
dann nicht zusehen. Doch wie viel ist die<br />
Liebe wert, wenn sie den anderen nicht<br />
erreicht und kann es gar zu viel der Liebe<br />
geben? Vor allem wenn man gar nicht<br />
weiß, was Liebe ist und gar nicht weiß,<br />
was man bewirken kann …<br />
Das Bild verblasst, ein anderes drängt<br />
sich mir auf. Ich sehe, wie die alte Russin<br />
die Suppe auf den Tisch stellt und wie<br />
der Gefangene, der ich bin und doch<br />
nicht ich, die Suppe verschlingt. Ich sehe<br />
die zwei Hühner auf dem Stuhl. Ich sehe<br />
den Sohn der alten Russin, der in der<br />
Fremde ist. Ich sehe, wie der Gefangene<br />
unwohl auf dem Stuhl verharrt. Wie<br />
er die Last der Sehnsucht dieser alten<br />
Frau fühlt, die ihr Eigenkind zu sehen<br />
wünscht. In ihren Augen spiegelt sich<br />
sein Spiegelbild, er ist es nicht, nach<br />
dem das Herz ihr schreit. Ich sehe, wie<br />
er fühlt zwei Personen in einem zu sein<br />
und es ihn zerreißt, da schon er selbst<br />
zu sein zu viel ist. Ich sehe, wie die alte<br />
Russin ihm das Taschentuch reicht, das<br />
einem Schatz gleich entgegengenommen<br />
wird. Ich sehe, wie er fühlt, dass es zu<br />
viel ist. Ich sehe das Huhn, das auf dem<br />
Rückweg an ihm vorbei läuft. Ich sehe<br />
ihn, der zu einem Klumpen aus Leim<br />
zerfällt. Er, der ein Zaun ist, ein Schatten,<br />
ein Gegenstand. Formlos, unsichtbar,<br />
vergänglich, bewegungslos und<br />
stumm. Er, der verkommen ist, zu Etwas<br />
Seelenlosem Totem. <strong>Die</strong> Schönheit, die<br />
das Taschentuch birgt, schmerzt, es<br />
macht bewusst, welch Hässlichkeit einen<br />
umgibt. Doch zugleich ist es die Naht,<br />
die einen an die Hoffnung bindet.<br />
Ich habe das Bild der Großmutter vor<br />
mir, die sagt, dass man zurückkehrt,<br />
dann klammert sich die Hand erneut an<br />
das Taschentuch, sacht, weil es zu kostbar<br />
ist. Und ich fühle das leise Versprechen,<br />
dass dieses Taschentuch meine Zukunft<br />
ist und mein Schicksal.<br />
Ich sehe die Frau, die am Telefon steht<br />
und lautlos schluckt, doch laut genug,<br />
dass sie ertappt zu sein glaubt, mit einer<br />
Hand geht sie über ihren Hals und senkt<br />
für einen Augenblick den Kopf. Ihr<br />
Blick huscht zur Seite, fällt auf zerrissene<br />
Briefumschläge und neueingegangene<br />
Post. Eine Sekunde lang stockt ihr der<br />
Atem, sie braucht den Inhalt gar nicht<br />
erst zu lesen. Fast hört sie die Drohbriefe<br />
leise lachen, als hätten sie gewonnen. Am<br />
Ohr hängt immer noch der Hörer, doch<br />
sie vernimmt nichts mehr. Ihre Freundin<br />
kommt. Weshalb, warum, fragt der<br />
Verstand, und wie? Doch das Herz hat<br />
Klebeband und hört es nicht.<br />
Ich sehe, wie sie kommt und sie ihr<br />
glauben will. Auch als sie sagt, sie wurde<br />
hergeschickt und dass sie sie nicht verrät.<br />
Sie will ihr glauben und sie tut es nicht.<br />
Und weil sie es nicht tut, schließt sie<br />
die Augen. <strong>Die</strong> Hände krallen sich nach<br />
Halt, meine Hände, ihre Hände, ich<br />
bin sie und sie ist ich. Dinge, denen ich<br />
mich nicht stelle, die gibt es nicht. Also<br />
lasse ich sie alleine. Vor dem Auge ziehen<br />
sich Fäden zu einem Band zusammen,<br />
die Fäden reißen, fügen sich zusammen,<br />
greifen ineinander. Und sodann zerfl ießt<br />
das Band in Bilder aus Farben, die darauf<br />
beharren nicht nur Erinnerungen zu sein.<br />
Ich sehe den Schlüssel, mein Herz vergisst<br />
für einen Augenblick zu schlagen,<br />
meine Beine stolpern zu der Tür, der<br />
Schlüssel passt. Eine Mauer hat sich aufgebaut.<br />
Ich lasse sie den Koffer packen,<br />
wir stehen da und sehen uns nicht an. Sie<br />
will bleiben, auch ich will, dass sie bleibt<br />
und dennoch muss sie gehen. Sie weint<br />
nicht, der Kopf steht wie auf Steinen,<br />
auf den Lippen brennen Worte und sie<br />
schweigt. Auch sie versteht, dass Worte<br />
hier nichts mehr bedeuten. Sie geht, ich<br />
schicke sie zurück und schicke ein Stück<br />
von mir mit ihr und ein Stück von ihr<br />
bleibt hier zurück.<br />
Ich sehe Bilder um Bilder in mir schwören.<br />
Bilder, die ich nur sehen, doch nicht<br />
beschreiben will. Ich sehe ein Leben, das<br />
nicht meines ist und das sich meiner Vorstellung<br />
beinah ganz entzieht. Ich kenne<br />
nicht das Gefühl, in einem Dorf erdrückt<br />
zu werden. Einen Staat, der Bücher zu<br />
Feinden erklärt, einen Staat, der Andersdenkende<br />
fürchtet und entsorgt. Es lebt,<br />
atmet und wächst, ein Ungeheuer, das<br />
sich in Kleider fremder Freiheit zwängt<br />
und das Unrecht zum Gesetz sich macht.<br />
Es lebt, aber ich kenne es nicht.<br />
Es ist ein Bild, das in mir erwächst, wie<br />
die Bilder der erzählten Geschichten. Es<br />
bleibt meiner Vorstellung überlassen, was<br />
ich denke. Und Vorstellen heißt nicht<br />
Erleben, Vorstellen heißt nicht Verstehen,<br />
aber es heißt, verstehen zu wollen<br />
und nichts anderes zählt, die Alternative<br />
ist Augen schließen.<br />
Herta Müller. Lesen. Schreiben. Menschen<br />
die Wahrheit aufzuzeigen, die eigene<br />
Wahrheit, sodass sie im Geiste eines<br />
jeden zu neuer Wahrheit münden kann.<br />
<strong>Die</strong> Autogrammstunde neigt sich dem<br />
Ende, ich nenne meinen Namen und<br />
schaue zu, wie sie unterschreibt. Im<br />
Grunde ist sie für mich eine Fremde, und<br />
dennoch empfi nde ich es nicht so. Ich<br />
fühle nur die Bilder.<br />
Buchstaben erheben sich zu Wellen,<br />
Wasser, das mit sanfter Entschlossenheit<br />
auf Felsen prallt, auf Stein der Jahrhunderte<br />
und zerschellt. Giganten aus Stein<br />
ragen aus kalter Erde hervor und türmen<br />
sich zu Riesen, doch den Wellen wachsen<br />
Flügel und aus Wasser werden Diamanten.<br />
Kein Stein kann Wasser je bezwingen<br />
und niemals beugt es sich Giganten.<br />
Es sind nicht bloße Worte auf Papier.<br />
Luisa Altergott<br />
17
Mühlenhof Breckerfeld Alles original: <strong>Die</strong> Bockwindmühle, das<br />
Gerade die kleinste der neun Städte im<br />
benachbarten Ennepe-Ruhr-Kreis ist<br />
eine Reise wert. Weithin sichtbar, bildet<br />
die Bockwindmühle ein Wahrzeichen<br />
der Gemeinde, die etwas mehr als 9.000<br />
Einwohner zählt und aus dem kleineren<br />
Ortsteil Waldbauer und dem größeren<br />
Breckerfeld besteht. <strong>Die</strong> alte Hansestadt<br />
liegt an der Grenze zum Märkischen<br />
Sauerland, verfügt über einen historischen<br />
Ortskern mit Wehrmauer und hat einige<br />
besuchenswerte Kirchen. Bekannt ist weit<br />
über die Grenzen des staatlich anerkannten<br />
Erholungsortes die Glörtalsperre.<br />
Fotos: Stadt Breckerfeld, Wikipedia<br />
Orte der Ruhe<br />
Herzstück des Mühlenhofs Breckerfeld,<br />
stand ursprünglich in Beeskow bei Frankfurt<br />
an der Oder, wo sie 1846 erbaut wurde.<br />
150 Jahre später wurde sie dann ab- und<br />
dort aufgebaut, wo sie heute steht. Zur<br />
Ausstattung zählen zwei Kammräder, ein<br />
Sackaufzug und ein Steinhebekran. Zwei<br />
der vier Flügel sind mit Segeltuch bespannt,<br />
die anderen sind so genannte Jalousiefl ügel.<br />
Aus der Bauernschaft Ostönnen im<br />
Kreis Soest stammt der Backspeicher mit<br />
Backstube, Küche und „Altenteilerstuben“,<br />
in denen zu früheren <strong>Zeit</strong>en die nicht mehr<br />
aktiven Familienmitglieder einer Bauernfamilie<br />
ihre letzten Jahre verbrachten.<br />
Ebenfalls Kreis-Soester Ursprungs sind der<br />
Kornspeicher und das Bienenhaus.<br />
Eine weitere Attraktion: das Backhaus,<br />
das anno 1775 im westmünsterländischen<br />
Heiden als Dreiständerhaus erbaut wurde.<br />
Bis kurz nach dem Ersten Weltkrieg lebten<br />
hier die Bauersleute mit Gesinde und Tieren<br />
unter einem Dach. Auch das Backhaus,<br />
in dessen Erdgeschoss sich ein Krämerladen<br />
befi ndet, wurde vor nunmehr 16 Jahren<br />
ab- und in Breckerfeld wieder aufgebaut.<br />
Im Laden gibt es frisches Mühlenbrot,<br />
Vollkorn- und Müslibrot, Stuten, Schinken,<br />
Hausmacherwurst und Käse zu kaufen.<br />
Im ersten Stock befi ndet sich ein<br />
Selbstbedienungscafé mit zivilen Preisen.<br />
Im Backspeicher gleich nebenan existiert<br />
ein Restaurant, das sich auf jeden Fall zu<br />
besuchen lohnt und das dem Gast eine<br />
den beengten Verhältnissen angepasste<br />
Karte mit nahrhaften wie wohlschmeckenden<br />
Speisen präsentiert: Waffeln und<br />
Pfannkuchen, Sauerbraten und Rouladen,<br />
Wurstplatten und die klassische bergische<br />
Kaffeetafel, von der es in einem Bericht auf<br />
der Internetseite reisen.ciao.de heißt, dass<br />
man dafür „mindestens einen Tag hungern<br />
sollte“, sind zu empfehlen. Backhaus wie<br />
Backspeicher stehen voll mit alten Möbeln<br />
beziehungsweise Mobiliar aus den 1950er-<br />
Jahren.<br />
Der Mühlenhof ist mit öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln, aber natürlich auch mit<br />
dem Auto erreichbar (kostenlose Parkplätze).<br />
<strong>Die</strong> Öffnungszeiten: Mittwoch und<br />
Donnerstag sowie am Wochenende und an<br />
19
20<br />
Ausfl ugtipp<br />
<strong>Die</strong> Fachbuchhandlung<br />
Baedecker, Friedrich-Ebert-<br />
Straße 31 (Elberfeld),<br />
www.baedecker-buecher.de,<br />
Tel. 0202/305011, empfi ehlt<br />
für Wanderungen rund um<br />
Breckerfeld den Wanderführer<br />
„20 Wanderungen im Ennepe-<br />
Ruhr-Kreis“ von Jörg Mortsiefer,<br />
erschienen im Droste<br />
Verlag. Im engeren Umkreis<br />
von Breckerfeld sind allein drei<br />
schöne Rundwanderungen<br />
beschrieben. Kartenskizzen im<br />
Buch runden die Touren ab.<br />
Das Buch kostet 9.95 Euro<br />
Feiertagen von 12 bis 20 beziehungsweise<br />
22 Uhr.<br />
Einen Besuch lohnt auch die Alte<br />
Schmiede. Fast 400 Jahre alt, diente sie bis<br />
zu ihrer Umwidmung der Herstellung von<br />
Kleineisenteilen, sprich Feuerzangen, Zirkeln<br />
oder Kohlenschaufeln. Mitte der 1960er-<br />
Jahre renoviert, profi lierten Maria und Helmut<br />
Kühne ihre Gaststätte mit Steaks aus<br />
dem Schmiedefeuer, Waffeln, Irish Coffee<br />
und fränkischem Wein. Der lukullische Ort<br />
ist dienstags bis samstags von 14 bis 18 Uhr<br />
geöffnet.<br />
Wer vor dem guten Essen oder auch<br />
danach wandern möchte, verfügt an der<br />
Schnittstelle von Ruhrgebiet, Bergischem<br />
Land und Sauerland über ein reichliches<br />
Angebot, wozu nicht zuletzt die höchste<br />
Erhebung des Ennepe-Ruhr-Kreises und des<br />
gesamten Ruhrpotts gehört, der 442 Meter<br />
hohe Wengeberg. Um die alte Hansestadt<br />
herum locken etwa 100 Kilometer Rundwanderwege<br />
mit 19 Streckenführungen. Jede<br />
Menge Infos fi nden sich auf der sehr schön<br />
gestalteten und übersichtlichen Website<br />
ennepe-ruhr-tourismus.de, auf der auch die<br />
Städte des EN-Kreises vorgestellt werden,<br />
nämlich Ennepetal,Gevelsberg, Hattingen,<br />
Herdecke, die Kreisstadt Schwelm, Sprockhövel,<br />
Wetter (Ruhr), Witten und eben<br />
Breckerfeld. Wer es ausführlich liebt, ist mit<br />
dem vom Heimatverein herausgegebenen<br />
Festbuch „Breckerfeld 600 Jahre Stadt“ gut<br />
bedient. Es ist übrigens in dem Jahr erschienen,<br />
das der Stadt den Mühlenhof bescherte.<br />
Matthias Dohmen<br />
<strong>Die</strong> topografi sche Karte Hagen /<br />
Gevelsberg, Iserlohn, Witten, Blatt 17,<br />
im Maßstab 1:25.000, ist für Touren<br />
im Gebiet empfehlenswert.<br />
<strong>Die</strong> Stadt Hagen liegt im Zentrum der<br />
Karte, Breckerfeld im unteren Drittel.<br />
Erschienen im Geo-Center Verlag mit<br />
der Kartografi e des Landesvermessungsamtes<br />
NRW.<br />
<strong>Die</strong> Karte kostet 7,95 Euro
Werke aus dem Privatbesitz<br />
Hans Grothe<br />
Noch bis 16. September 2012 in<br />
der Kunst- und Ausstellungshalle<br />
der Bundesrepublik Deutschland<br />
in Bonn<br />
Shebirat Ha Kalim<br />
1990, Blei, Glas, Kleid, Asche und<br />
Frauenhaar auf Holz, 380 x 250 x 35 cm<br />
Privatbesitz Familie Grothe<br />
© Anselm Kiefer, 2011, courtesy Stiftung<br />
für Kunst und Kultur e.V., Bonn<br />
Am Anfang – Anselm Kiefer<br />
Anselm Kiefer schuf im Laufe seiner<br />
künstlerischen Produktion seit Ende der<br />
60er Jahre systematisch seinen eigenen<br />
labyrinthischen Kosmos, was ihm bis heute<br />
erlaubt, existenziellen philosophischen<br />
Fragen nach den Mythen, der christlichen<br />
Religion, der jüdischen Mystik, der Geistesgeschichte,<br />
der Natur, der Musik und<br />
der Literatur in bildnerischen Strategien<br />
nachzugehen und sie immer wieder neu<br />
oder in anderen Zusammenhängen zu<br />
komponieren.<br />
In der Ausstellung werden 24 teilweise<br />
mehrteilige, großformatige Werke aus den<br />
Jahren 1978 bis 2012 aus dem Privatbesitz<br />
der Familie Grothe gezeigt. Weltweit<br />
einmalig ist dieses größte Werkkonvolut<br />
in einer privaten Sammlung. <strong>Die</strong> Auswahl<br />
des Sammlers belegt – auch in der<br />
Ergänzung um neu erworbene skulpturale<br />
Werke – die Einzigartigkeit von Anselm<br />
Kiefers Werk. <strong>Die</strong> ausgestellten Gemälde<br />
und Skulpturen belegen exemplarisch die<br />
umfassende Themenvielfalt bei Kiefer<br />
21
und bieten vielfältige Assoziationsmöglichkeiten: Themen,<br />
die seinen persönlichen ‚Bild-Gedächtnis-Kosmos‘ spiegeln<br />
und die er durch Erinnerungen und Spurensetzungen<br />
refl ektiert und interpretiert.<br />
Anselm Kiefers epische Werke sind durch ihre ungewöhnliche<br />
Materialwahl geprägt, die die inhaltliche Aussage<br />
unterstützt: Dick aufgetragene Farbschichten, Erde, Blei,<br />
Lack, Pfl anzen, Kleidung oder Haare sowie skulpturale<br />
Applikationen – wie Boote oder Flugzeuge – lassen die Arbeiten<br />
über den zweidimensionalen Bildraum hinausgreifen<br />
und die Grenze zwischen Bild und Skulptur erweitern.<br />
Kiefer sucht die Geschichte hinter der Geschichte: „Ich mache<br />
ein Loch und gehe hindurch.“ <strong>Die</strong>ser Ansatz beinhaltet<br />
auch das Prozesshafte von<br />
Geschichte und Gedächtnis<br />
/ Erinnerungen,<br />
gekoppelt mit der subjektiven<br />
Interpretation, dem<br />
sehr persönlichen, freien<br />
Gebrauch, der individuellen<br />
Mythologie und der<br />
eigenen künstlerischen<br />
Geste. So zeigen Werke<br />
in der vom Künstler mit<br />
inszenierten Ausstellung<br />
wie 20 Jahre Einsamkeit,<br />
1971/91, oder Volkszählung<br />
(Leviathan),<br />
1987–1989, viel von<br />
Kiefers persönlicher, innerer<br />
Haltung, während die<br />
für die Ausstellung speziell<br />
dem Raum angepasste, spiralförmige Skulptur Bavel Balal<br />
Mabul (Babel, Sprachverwirrung, Sintfl ut), 2012, mehr auf<br />
die Themenvielfalt und -vernetzung bei Kiefer verweist.<br />
Katalog zur Ausstellung<br />
Am Anfang – Anselm Kiefer.<br />
Werke aus dem Privatbesitz Hans Grothe<br />
Eine Kooperation mit der Stiftung Kunst und Kultur e.V.<br />
200 Seiten mit 5 Klapptafeln, Format: 24,5 x 28 cm<br />
Preis: 32 Euro, Buchhandelsausgabe bei Wienand, Köln<br />
ISBN 978-3-86832-104-3<br />
Öffnungszeiten<br />
Di und Mi: 10 bis 21 Uhr, Do bis So: 10 bis 19 Uhr<br />
Fr für Gruppen ab 9 Uhr geöffnet, Mo geschlossen<br />
www.bundeskunsthalle.de<br />
Wege der Weltweisheit: <strong>Die</strong> Hermannsschlacht<br />
1978/1991, Holzschnitt auf Papier, 400 x 580 cm<br />
Privatbesitz Familie Grothe, © Anselm Kiefer, 2011,<br />
courtesy Stiftung für Kunst und Kultur e.V., Bonn<br />
23
Ausstellungsansicht Am Anfang, Anselm Kiefer – © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland – Foto: David Ertl<br />
24
26<br />
Anselm Kiefer ist einer der bedeutendsten<br />
internationalen Künstler unserer <strong>Zeit</strong>. Seine<br />
epischen Werke faszinieren nicht zuletzt<br />
durch ihre ungewöhnliche Materialwahl,<br />
die die inhaltliche Aussage unterstützt:<br />
Dick aufgetragene Farbschichten, Erde,<br />
Blei, Lack, Pfl anzen, Kleidung oder Haare<br />
lassen die Arbeiten über den zweidimensionalen<br />
Bildraum hinausgreifen.<br />
Parallel zur dOCUMENTA 13 in Kassel<br />
präsentiert die Bundeskunsthalle in Bonn<br />
auf über 2000 m² wichtige Werke des 1945<br />
geborenen Künstlers aus dem Privatbesitz<br />
Familie Grothe.<br />
Von den Arbeiten Anselm Kiefers hat sich<br />
Hans Grothe 2005 beim Verkauf seiner<br />
umfangreichen Sammlung nicht getrennt,<br />
da die Faszination des Sammlers für die<br />
einzigartige künstlerische Haltung Kiefers<br />
ungebrochen über die Jahrzehnte anhielt.<br />
Erstmalig wird in der Bundeskunsthalle<br />
dieses größte Werkkonvolut aus einer privaten<br />
Sammlung fast vollständig präsentiert.<br />
Eine Auswahl der wichtigsten Werke aus<br />
drei Jahrzehnten wurde mit dem Schwerpunkt<br />
auf der 2000er-Dekade getroffen –<br />
hier belegen Bildensembles aus den Jahren<br />
2010 und 2011 Kiefers großes Interesse<br />
am Thema des Panoramas. Es dominieren<br />
christlich-jüdische und mythologische Themen<br />
im Gegensatz zu den frühen Bildern<br />
und Ensembles vor der Übersiedlung des<br />
Künstlers nach Frankreich vor 20 Jahren,<br />
die sich mit der deutschen Vergangenheit<br />
und Mythologie befassen. Das oft beschriebene<br />
Pathos in Kiefers Werken erscheint in<br />
diesen neuen Arbeiten eigentümlich gebrochen,<br />
zurückgenommen und neutralisiert.<br />
Voyage au bout de la nuit, 2001<br />
Öl, Emulsion, Mischtechnik und Blei auf<br />
Leinwand, 385 x 560 cm<br />
Privatbesitz Familie Grothe<br />
© Anselm Kiefer, 2011, courtesy Stiftung<br />
für Kunst und Kultur e.V., Bonn
28<br />
Robert Fleck verlässt Bundeskunsthalle<br />
<strong>Die</strong> Vorwürfe an den Intendanten der<br />
Bonner Bundeskunsthalle waren hart. Mit<br />
der Präsentation von Werken des Künstlers<br />
Anselm Kiefer, die ausschließlich aus der<br />
Privatsammlung Grothe stammen, hat die<br />
Kritik an Robert Fleck einen Höhepunkt<br />
erreicht.<br />
Am Montag wurde bekannt, dass Fleck<br />
das Haus Ende kommenden Jahres verlassen<br />
wird. Der Vertrag werde in gegenseitigem<br />
Einvernehmen nicht mehr über 2013 verlängert,<br />
teilte ein Sprecher von Kulturstaatsminister<br />
Bernd Neumann (CDU) in Berlin mit.<br />
Fleck wolle sich verstärkt seiner Lehrtätigkeit<br />
an der Düsseldorfer Kunstakademie widmen.<br />
Wieder wird ein neuer Intendant für die<br />
Bundeskunsthalle gesucht, die der Bund mit<br />
jährlich rund 16,5 Millionen Euro fi nanziert.<br />
Nach einem Bericht des Bundesrechnungshofes,<br />
der der Leitung der Kunsthalle<br />
wirtschaftliche Fehler und Versäumnisse im<br />
Umgang mit Bundesmitteln vorgehalten hatte,<br />
hatte 2007 Intendant Wenzel Jacob sein<br />
Amt eingebüßt. Unter seiner Ägide hatte sich<br />
das Haus mit zahlreichen Eigenproduktionen<br />
internationales Renommee erworben und zu<br />
einem Besuchermagneten entwickelt.<br />
Fleck löste 2009 den zwei Jahre zuvor eilig<br />
berufenen Interimsintendanten Christoph<br />
Vitali ab. Da waren die Besucherzahlen schon<br />
in den Keller gerutscht. <strong>Die</strong> Bundeskunsthalle<br />
sei ein Haus unter den ersten zehn Häusern<br />
der Welt, sagte Fleck beim Amtsantritt. Es sei<br />
ein Haus, das eine kulturpolitische Funktion<br />
habe. „Wenn man die überantwortet<br />
The art of tool making<br />
bekommt, ist das mit die tollste Aufgabe, die<br />
einem eigentlich übertragen werden kann.“<br />
Kritiker meinen, das habe er nicht geschafft.<br />
International beachtete Ausstellungen<br />
seien ihm schon seit längerem nur in Ausnahmefällen<br />
gelungen, hieß es in der „Süddeutschen<br />
<strong>Zeit</strong>ung“. <strong>Die</strong> „Frankfurter Allgemeine<br />
<strong>Zeit</strong>ung“ spricht im Zusammenhang mit<br />
der Kiefer-Schau von einem Skandal. Es sei<br />
in der Bundeskunsthalle inzwischen üblich<br />
geworden, einzelnen Sammlern ein Denkmal<br />
zu setzen, statt ihre Kollektionen sorgsam<br />
in einen kunsthistorischen Zusammenhang<br />
einzugliedern.<br />
Bei der Vorstellung der Kiefer-Ausstellung<br />
hatte Fleck erklärt, es sei die bedeutendste<br />
Retrospektive seit 1991. Allerdings waren Teile<br />
der Grothe-Sammlung von Oktober 2011<br />
bis Februar 2012 in der Sammlung Frieder<br />
Burda in Baden-Baden ausgestellt. Auch das<br />
Wiener Essl Museum zeigt in diesem Jahr<br />
eine umfangreiche Ausstellung<br />
Kritik gab es aber auch zuvor. So wurde<br />
eine lange angekündigte Ausstellung von<br />
Rosemarie Trockel kurzerhand ohne Begründung<br />
abgesagt. Selbst an der erfolgreichen<br />
Max-Liebermann-Ausstellung gab es Beanstandungen.<br />
<strong>Die</strong> Kenner bemängelten das<br />
Fehlen wichtiger Bilder aus dem Werk der<br />
Künstlers.<br />
Felix Heyder / dpa
Dorothea Müller<br />
lebt und arbeitet in Wuppertal.<br />
Mitglied im Verband Deutscher Schriftsteller<br />
(VS) , Arbeitsgebiete: Lyrik, Prosa,<br />
Theaterszenen, Texte für Kinder und<br />
mit Kindern. (Kinderschreibwerkstatt,<br />
Buchprojekt: „Ich und du“, interkulturelles<br />
Kinderbuch, 2003).<br />
Buchveröffentlichungen:<br />
„Netz über dem Abgrund“,<br />
„Als der Supermarkt noch Tante Emma hieß“.<br />
Weitere Veröffentlichungen in <strong>Zeit</strong>ungen,<br />
<strong>Zeit</strong>schriften, Anthologien, Rundfunk<br />
(WDR).<br />
<strong>Die</strong>go<br />
Als erstes waren mir seine Hände aufgefallen.<br />
Sensible Hände und doch<br />
kraftvoll, langfi ngrig mit kurz geschnittenen<br />
Nägeln. Er hatte sie in einer<br />
zärtlich anmutenden Geste seinem Sohn<br />
entgegen gestreckt, um ihn willkommen<br />
zu heißen.<br />
Erschrocken versuchte ich die Tränen<br />
zurück zu halten, die mir unvermutet in<br />
die Augen geschossen waren, zusammen<br />
mit einem schmerzlichen Ziehen, das<br />
jäh meinen ganzen Körper erfasst hatte.<br />
Ich verspürte das drängende Verlangen,<br />
mich in diese Hände zu schmiegen, um<br />
in ihnen, wie in einer Höhle, Zufl ucht<br />
zu fi nden.<br />
Sekunden später, als wir einander vorgestellt<br />
wurden, hatte ich mich wieder in<br />
der Gewalt und versuchte ein Lächeln,<br />
das zurückhaltend erwidert wurde.<br />
Ich war gekommen um mir die Bilder<br />
anzusehen, von denen der Sohn erzählt<br />
hatte. Möglicherweise konnte das ein<br />
oder andere für eine geplante Sammelausstellung<br />
geeignet sein.<br />
Nachdem der Sohn sich verabschiedet<br />
hatte, führte der Maler mich in das Atelier,<br />
das neben der kleinen Wohnung<br />
über den Hof lag. <strong>Die</strong>go, wie er seine<br />
Werke signierte, zeigte mir schweigend<br />
seine Leinwände. Viele der Bilder<br />
waren großformatig, von politischen<br />
oder sozialkritischen Themen geprägt,<br />
andere dagegen erinnerten an Miniaturen.<br />
Stillleben lagerten neben Porträts,<br />
surrealistische neben abstrakten Werken,<br />
dazwischen zartfarbene Aquarelle.<br />
Erstaunlich viele Bilder waren unvollendet,<br />
so, als hätte er mitten in der Arbeit<br />
den Pinsel niedergelegt, um etwas<br />
anderes zu beginnen.<br />
Ich stellte ihm einige Fragen, die er aber<br />
kaum beantwortete. Das war eigenartig<br />
und verwirrend, konnte aber an möglichen<br />
Sprachdefi ziten liegen. Darum<br />
verabschiedete ich mich schnell, nicht<br />
ohne das Versprechen, von mir hören<br />
zu lassen. Mit dem Sohn als Dolmetscher<br />
und Moderator würde wir wohl<br />
zu einer Verständigung kommen.<br />
29
30<br />
Unvermutet traf ich <strong>Die</strong>go wenige Tage<br />
später in der Fußgängerzone unserer<br />
Stadt. Er schien sich über unsere<br />
Begegnung zu freuen, und so lud ich<br />
ihn spontan in das kleine Eiscafe am<br />
Marktplatz ein, das später ein häufi ger<br />
Treffpunkt für uns werden sollte.<br />
Vor dem Cafe spielte sich eine groteske<br />
Szene zwischen einem älteren Paar ab,<br />
über die wir herzlich lachen mussten.<br />
Er begann von seinen Eltern zu<br />
erzählen, seiner Kindheit in der kleinen<br />
Stadt, wo er in den Staub des Hofes mit<br />
einem Stock seine ersten Zeichnungen<br />
geritzt hatte, begleitet vom Lachen seines<br />
Vaters. Sie waren zu arm gewesen,<br />
um Papier und Stifte zu besitzen.<br />
Ich war überrascht und erfreut, dass<br />
er unsere Sprache so gut beherrschte.<br />
Kaum einmal suchte er nach dem passenden<br />
Wort. So fl oss seine Erzählung<br />
dahin, und entführte mich in die Sonne<br />
und zu dem Duft seines Landes.<br />
Doch allzu schnell brachte mich der<br />
Terminkalender wieder in meinen<br />
Alltag zurück.<br />
Am nächsten Abend fand ich in<br />
meinem Briefkasten die wunderschöne<br />
Zeichnung eines Schmetterlings, der<br />
mich zu einem Abendessen bei <strong>Die</strong>go<br />
einlud. Heute denke ich manchmal<br />
über die Symbolik dieses Motivs nach.<br />
Damals fand ich es einfach nur entzückend.<br />
<strong>Die</strong>go war ein ausgezeichneter Koch.<br />
Der Tisch, mit Blumen und Kerzen<br />
geschmückt, zeugte von Geschmack<br />
und Gastlichkeit. Lediglich eine Schale<br />
mit überreifen Bananen, die auf der<br />
Fensterbank stand, störte das perfekte<br />
Ambiente. Der Duft des köstlichen<br />
Essens aber übertönte schon bald den<br />
unangenehmen Geruch er schon fast<br />
schwarzen Früchte, und ließ sie auch<br />
mich vergessen. Wie so Vieles, was ich<br />
vielleicht nicht vergaß, aber beiseite<br />
legte während der <strong>Zeit</strong>, in der <strong>Die</strong>go<br />
immer tiefer in mein Leben drang, und<br />
ich in das seine.<br />
Noch nie in meinem Leben hatte ich<br />
so viel Zuwendung, Fürsorge und<br />
Zärtlichkeit erfahren. Ich, die ohne<br />
Vater aufgewachsen war, fand in ihm<br />
all das, was ich lebenslang entbehrt und<br />
gesucht hatte. Und mehr als das.<br />
Aber auch ich konnte ihm helfend beistehen.<br />
Es war mir nicht lange verborgen<br />
geblieben, dass die banalen Dinge<br />
des Alltags ihm Schwierigkeiten bereiteten.<br />
So faszinierend die Gespräche mit<br />
ihm waren, die mir neue Sichtweisen<br />
zeigten, niemals belehrend, aber unendlich<br />
bereichernd, so erschreckte mich<br />
andererseits seine Unfähigkeit, den<br />
einfachsten Ordnungsregeln zu folgen.<br />
Ungeöffnete Rechnungen fanden sich<br />
zwischen <strong>Zeit</strong>schriften und Buchseiten,<br />
Mahnungen wurden ignoriert, Briefe<br />
und Anfragen nicht beantwortet.<br />
Nach und nach übernahm ich für<br />
diesen Teil seines Lebens die Führung.<br />
Er ließ mich gewähren, ja, er schien<br />
dankbar zu sein, wenn ich vertrackte Situationen<br />
entschärfte, Dinge klärte und<br />
erledigte, zu denen er nicht in der Lage<br />
war, oder die ihm lästig erschienen.<br />
Dank meiner Beziehungen konnte ich<br />
ihm zu einigen Aufträgen verhelfen und<br />
ebnete ihm manche Wege, indem ich<br />
ihn mit einfl ussreichen Leuten bekannt<br />
machte. <strong>Die</strong> Dinge entwickelten sich<br />
gut und versprachen, noch besser zu<br />
werden.<br />
Zwischen uns hatten sich schon bald<br />
einige Rituale entwickelt. Niemals<br />
zuvor hatte ich so vertraut, mich einem<br />
anderen Menschen so geöffnet. <strong>Die</strong>go<br />
hatte eine besonderen Namen für mich.<br />
Wenn er in bestimmten Momenten,<br />
ohne es zu bemerken, in seine Muttersprache<br />
wechselte, bekam dieser Name<br />
eine besondere Melodie, voller Harmonie<br />
und Wärme.<br />
Einmal, als unsere Körper schweißnass<br />
neben einander lagen und unser Atem<br />
sich noch nicht beruhigt hatte, sprach<br />
<strong>Die</strong>go plötzlich von Trennung. Erst als<br />
seine Tränen und Küsse mich wieder<br />
berührten, konnte ich mich aus der<br />
schweigenden Erstarrung lösen.<br />
Am nächsten Tag empfi ng mich eine<br />
Blumen geschmückte Wohnung.<br />
Inmitten der blühenden Pracht thronte<br />
eine Pierrot-Puppe. Schwarz glänzte<br />
die Träne im weißen Maskengesicht.<br />
<strong>Die</strong>gos Umarmung glich eher einer<br />
Umklammerung.<br />
Bis heute bin ich nicht sicher, ob ich<br />
die Zeichen nicht sah, oder sie nicht<br />
zu deuten wusste. Zwar spürte ich<br />
zeitweise ein diffuses Unbehagen, das<br />
sich aber nicht manifestierte, sondern<br />
durch unsere leidenschaftliche, enge<br />
Beziehung, die fast symbiotische Züge<br />
angenommen hatte, verdeckt wurde.<br />
All diese Gefühle überrollten mich fast,<br />
waren beglückend und stark. Es war,<br />
als würde ein inneres Leuchten mich<br />
erfüllen.<br />
<strong>Die</strong>go war ebenso erfüllt, schien in<br />
einem Schaffensrausch. Es entstanden<br />
zahlreiche Bilder, ausdrucksstark und<br />
beeindruckend. Bald sollte seine erste<br />
Einzelausstellung stattfi nden, deren<br />
Ankündigung in der Presse bereits ein<br />
großes Echo gefunden hatte.<br />
Während <strong>Die</strong>go wie besessen gemalt<br />
hatte, hatte ich alle erforderlichen Gespräche<br />
und Verhandlungen geführt.<br />
<strong>Die</strong>gos Stimmung, die häufi g großen<br />
Schwankungen unterworfen war, wechselte<br />
immer häufi ger zwischen Euphorie<br />
und Resignation, Selbstzweifeln und<br />
Überheblichkeit. War er kurz zuvor<br />
noch der zärtliche Freund oder leidenschaftliche<br />
Geliebte gewesen, begegnete<br />
er mir plötzlich verschlossen und ablehnend,<br />
fast so, als sei ich ihm zuwider.<br />
In dieser <strong>Zeit</strong> begann ich, Beruhigungsmittel<br />
zu nehmen, um den emotionalen<br />
Wechselbädern gewachsen zu sein, und<br />
um meine Arbeit weiterhin verrichten<br />
zu können. Arbeit, die sich zu einem<br />
nicht unerheblichen Teil auf <strong>Die</strong>gos<br />
Karriere bezog.<br />
Zwei Tage vor einer wichtigen Pressekonferenz,<br />
die <strong>Die</strong>gos Teilnahme<br />
erforderte, war er verschwunden.
Der Zustand der Wohnung ließ auf<br />
einen wütenden und hastigen Aufbruch<br />
schließen. Er hatte keine Nachricht<br />
hinterlassen. Anrufe bei Freunden und<br />
Bekannten blieben ohne Ergebnis. Der<br />
Sohn befand sich schon seit vielen Monaten<br />
in den Staaten. Von ihm waren<br />
weder Rat noch Auskunft zu erwarten.<br />
In mir wechselten sich Sorge, Panik<br />
und Wut ab. Um mich abzulenken,<br />
und meinem inneren Aufruhr Herr zu<br />
werden, begann ich am nächsten Tag<br />
Ordnung in das Chaos der Wohnung<br />
zu bringen.<br />
Eine kostbare Vase lag zerbrochen am<br />
Boden, das Blumenwasser hatte die<br />
Seiten mehrerer Bücher durchtränkt,<br />
zerrupfte Blüten und faulig riechende<br />
Blütenstängel bildeten ein trauriges<br />
Stillleben.<br />
In der Küche lag alles <strong>Beste</strong>ck auf dem<br />
Tisch, als wären die Schubladen achtlos<br />
ausgekippt worden, um Salat und Obst<br />
unter sich zu begraben.<br />
Ich hatte ihn nicht kommen hören. Erst<br />
als er im Türrahmen stand, spürte ich<br />
seine Gegenwart und drehte mich um.<br />
Mit einem schiefen Lächeln und ausgebreiteten<br />
Armen kam er auf mich zu.<br />
Zum ersten Mal drehte ich mich von<br />
ihm weg und entzog mich seiner Umarmung.<br />
Wie eine plötzliche Eruption brachen<br />
Worte und Sätze aus ihm heraus. Flüsternd,<br />
schreiend, zischend schrie er mir<br />
Beleidigungen entgegen, Worte voller<br />
Erniedrigung, demütigende Worte,<br />
die in die Schwärze des Gedächtnisses<br />
gefallen sind. Nur die Gefühle wirbelten<br />
in einem roten Feuerstrom heiß durch<br />
Kopf und Körper.<br />
Da war kein Denken mehr, nur dieser<br />
rote Wirbel in und außer mir. Ich weiß<br />
nicht, wie das Messer in meine Hand<br />
kam. Rot der Feuerstrom, rot, rot wie<br />
das Blut, das viele Blut, und <strong>Die</strong>go am<br />
Boden.<br />
Unsere Kulturförderung<br />
ist gut für die Sinne.<br />
Schweigend legte der Anwalt das letzte<br />
Blatt, von dem er abgelesen hatte, auf<br />
den vor ihm liegenden Aktenstapel.<br />
Der Vorsitzenden Richter schob den<br />
Ärmel seiner Robe zurück und verkündete<br />
eine einstündige Verhandlungspause.<br />
<strong>Die</strong> Angeklagte wurde aus dem Gerichtssaal<br />
geführt. Sie hielt das Gesicht<br />
hinter den Händen verborgen.<br />
Hoch über dem Gerichtsgebäude fl og<br />
am strahlend blauen Himmel eine Formation<br />
Wildgänse Richtung Süden.<br />
Dorothea Müller<br />
Sparkassen-Finanzgruppe<br />
Kunst und Kultur prägen die gesellschaftliche Entwicklung. <strong>Die</strong> Sparkassen-Finanzgruppe ist der größte nicht-staatliche Kulturförderer<br />
Deutschlands. Auch die Stadtsparkasse Wuppertal ist ein wichtiger Partner für Kunst und Kultur in unserer Stadt. Das ist gut für<br />
die Kultur und gut für Wuppertal. www.sparkasse-wuppertal.de<br />
Sparkasse. Gut für Wuppertal.<br />
S<br />
31
Öffentliches Grün braucht<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
links: Platanenallee im Nordpark<br />
unten: Blick vom Weyersbuschturm<br />
Wuppertals grüne Anlagen<br />
Mit Gartencharme hat Wuppertal noch<br />
selten von sich reden gemacht. Erinnert<br />
sich doch Mancher, der die Stadt besucht<br />
hat, nur an die große Anzahl von Bahnhöfen<br />
oder Autobahnabfahrten und hat<br />
das lange Tal als Abfolge städtebaulicher<br />
Sünden und Löcher in Erinnerung. Doch<br />
gerade in dieser Stadt verbergen sich<br />
Freiräume ungeahnter Größe und Bedeutung.<br />
Wer die „Talachse“ B 7 verlässt und<br />
die Höhen erwandert, fi ndet nicht nur<br />
versteckte Haus- und Villengärten und<br />
zahllose Kleingartensiedlungen. Ausgedehnte<br />
Parkanlagen und Wälder überraschen,<br />
die die Stadt mit einem grünen<br />
Kranz umgeben.<br />
Zu verdanken ist dies einerseits dem<br />
früh zu wirtschaftlicher Kraft gelangten<br />
Bürgertum, Stichwort „Frühindustrialisierung“.<br />
Andererseits gehörte der Gegensatz<br />
von elenden Lebensbedingungen weiter<br />
Bevölkerungsteile und außerordentlichem<br />
sozialem Engagement zur Konstellation,<br />
aus der die ungewöhnliche Größe des öffentlichen<br />
Grüns in Wuppertal herrührt.<br />
Wird der grüne „Schatz“ Wuppertals<br />
von der Bevölkerung auch stark genutzt,<br />
so fehlt doch die rechte Wertschätzung<br />
in der Stadt. So ist der Förderverein<br />
Historische Parkanlagen Wuppertal e.V.<br />
vor einigen Jahren angetreten, Aufklärungsarbeit<br />
zu leisten. Der Bau einer<br />
Tiefgarage ausgerechnet, brachte eine<br />
Gruppe von Bürgern zum Nachdenken<br />
über Geschichte und Bedeutung der<br />
anscheinend einfach gegebenen Freiräume<br />
in der Großstadt an der Wupper. Aus<br />
der Empörung über neue Bauten in und<br />
am De Weerth Garten wuchs bald die<br />
Erkenntnis, dass eine reiche Gartenkultur<br />
die Stadt nicht weniger prägt als die<br />
industrielle Vergangenheit.<br />
<strong>Die</strong> intensive Suche nach der Vergangenheit<br />
des De Weerth Gartens führte<br />
33
34<br />
in Archive, zu <strong>Zeit</strong>zeugen und Familiendynastien.<br />
Es stellt sich heraus, dass<br />
hier einst der erste Landschaftsgarten<br />
im Wuppertal angelegt worden war. Der<br />
vermögende Elberfelder Rentier Peter de<br />
Weerth hatte sich für die Anlage seines<br />
Gartens eine Kapazität geholt, Peter Joseph<br />
Lenné den Älteren. <strong>Die</strong> Recherche<br />
lieferten interessante Erkenntnisse über<br />
das Wirken des Bonner Hofgärtners, der<br />
in der Gartenkunst-Forschung bislang<br />
kaum mehr denn als Vater des berühmten<br />
Preußischen Hofgärtners gleichen<br />
Namens beachtet worden ist.<br />
Schon bald konnten die Ergebnisse<br />
in Vorträgen und Ausstellungen der<br />
Öffentlichkeit näher gebracht werden.<br />
Schließlich entstand die Idee, die reiche<br />
Geschichte des einst privaten Gartens<br />
und heutigen Stadtparks vor Ort zu erzählen.<br />
2006 stellte der Verein sechs Tafeln<br />
auf, für die das Grafi kbüro Neisser<br />
Zöller ein Corporate Design mit hohem<br />
Wiedererkennungswert erfand. Fruchtbar<br />
hat sich auch die Zusammenarbeit<br />
mit dem Gartenamt entwickelt, das die<br />
privat initiierte Öffentlichkeitsarbeit für<br />
öffentliches Grün zu schätzen weiß.<br />
<strong>Die</strong> Vereinsaktivitäten dehnten sich<br />
auf weitere Parks aus, und so erschien<br />
2006 erstmals die patentgefaltete Karte<br />
„Wuppertals grüne Anlagen. Freiräu-<br />
me, Stadtparks, Naturerlebnisse“. 33<br />
Anlagen laden jederzeit griffbereit in<br />
der Handtasche zum Parkbesuch ein.<br />
Nachdem die ersten 10.000 Exemplare<br />
bald verteilt waren, erschien 2010 eine<br />
aktualisierte Aufl age. Auch in einer Stadt<br />
nämlich, die sich gern als Looser präsentiert,<br />
tut sich in Sachen Grün durchaus<br />
Neues und das gleich spektakulär. Mit<br />
der Nordbahntrasse ist ein noch im Bau<br />
befi ndlicher Rad- und Wanderweg in<br />
die Karte aufgenommen worden, der an<br />
die bürgerschaftliche Tradition im Tal<br />
auf neue Weise anknüpft und auf einer<br />
breiten Beteiligung basiert. Von hohem<br />
Niveau ist der Skulpturenpark Waldfrieden,<br />
den der Bildhauer Tony Cragg in<br />
seiner Wahlheimat Wuppertal ins Leben<br />
gerufen hat. Seine Stiftung geht nach<br />
furiosem Anfang bereits auf Erweiterungskurs.<br />
– Keine Frage also, dass die<br />
beiden grünen Neuzugänge nun in der<br />
Karte zu fi nden sind.<br />
Inzwischen sind auch in anderen Parkanlagen<br />
Tafeln aufgestellt worden: 2007<br />
Hardt, 2009 Hohenstein und Nordpark.<br />
Das erarbeitete Wissen wird außerdem<br />
in Führungen und Vorträgen sowie in<br />
Texten weitergegeben.<br />
Mit dem Projekt, Parkführer zu veröffentlichen,<br />
erlangt die Arbeit des<br />
Vereins eine neue Qualität. Anlässlich<br />
des 200-jährigen Jubiläums des Landschaftsgartens<br />
Hardt erschien die erste<br />
Broschüre, für die Rose Wörner, Grand<br />
Dame der deutschen Gartendenkmalpfl<br />
ege, den Text verfasste. Daraus ist<br />
die Reihe „Wuppertals grüne Anlagen“<br />
erwachsen, für die sich die Wuppertaler<br />
Edition Köndgen begeistern ließ.<br />
Im letzten Jahr erschienen die beiden<br />
Führer „Waldanlage Nordpark“, der die<br />
Faltkarte beiliegt, und „Grüne Meile<br />
Lüntenbeck“. Im Herbst wird der Band<br />
„Wasserreich Mirker Hain“ die großartige<br />
Parkanlage am Vogelsangbach und<br />
ihre Umgebung vorstellen.<br />
<strong>Die</strong> reichen Hinterlassenschaften, die<br />
die Nachforschungen über Peter de<br />
Weerth im Privatbesitz einer weitverzweigten<br />
Familie zutage förderten, gaben<br />
Anstoß zur Ausstellung „Von Tugend<br />
und Glück. <strong>Die</strong> private Welt des Bürgers<br />
1815 – 1850“. In Zusammenarbeit<br />
mit dem Bergischen Geschichtsverein<br />
brachten 2009/2010 erstmals vier<br />
Einrichtungen eigene Beiträge in eine<br />
Kooperation ein: Von der Heydt-Museum,<br />
Historisches Zentrum Wuppertal,<br />
Citykirche Elberfeld und Museum für<br />
Völkerkunde.<br />
So hat sich aus Aufbegehren gegen Investorenpolitik<br />
ein weites Feld von Aktivitäten<br />
entwickelt, Wissen über Grün-
Gartenruine Lilienthal<br />
anlagen in Wuppertal zu erarbeiten und<br />
öffentlich zu verbreiten. Ziel ist es dabei,<br />
auf Grün aufmerksam zu machen und<br />
Interesse für seine Vielfalt zu wecken,<br />
Lobbypolitik im besten Sinne. Grüne<br />
Anlagen unterscheiden sich nicht nur<br />
durch gestalterische Moden, sondern<br />
erzählen immer auch Naturgeschichten,<br />
Stadt-, Familien- und Sozialgeschichten.<br />
So gibt es über öffentliche Parkanlagen,<br />
Villen- und Kleingärten viel zu erzählen.<br />
<strong>Die</strong> ehrenamtliche Öffentlichkeitsarbeit<br />
des Vereins Historische Parkanlagen<br />
Wuppertal erfreut sich der Unterstützung<br />
durch Spender und Sponsoren,<br />
für die Brigitte Alexander mit den<br />
abgeschlossenen Projekten wirbt. <strong>Die</strong><br />
Produkte mit dem einheitlichen Erscheinungsbild<br />
von Neisser Zöller haben Stil,<br />
und so fi nden die Veröffentlichungen<br />
auf Papier, Alu oder im Internet viele<br />
Unterstützer, die Material und Herstellung<br />
dankenswerterweise mit kleinen<br />
und großen Beträgen fördern.<br />
Als Dach wurde die Bezeichnung „Wuppertals<br />
grüne Anlagen“ gewählt, um den<br />
Blick auf die Gartenkunst, aber auch<br />
darüber hinaus zu lenken. <strong>Die</strong> Bandbreite<br />
reicht so von Parks und Gärten über<br />
Gärtnereien, Friedhöfe und Tiergärten<br />
bis zu Wäldern, Wegen und Brachfl<br />
ächen. Ein locker geknüpftes Netzwerk<br />
fördert den Austausch zwischen<br />
verschiedenen Akteuren und fi ndet<br />
gelegentlich zu gemeinsamen Aktionen<br />
zusammen. Klaus-Günther Conrads<br />
organisiert die „Offene Gartenpforte“,<br />
Dirk Fischer widmet sich den Wuppertaler<br />
Beiträge zur „Straße der Gartenkunst<br />
zwischen Rhein und Maas“. Auch<br />
Zusammenarbeit mit anderen Vereinen<br />
hat sich als produktiv erwiesen, vom<br />
Bergischen Geschichtsverein und Rheinischem<br />
Verein für Denkmalpfl ege und<br />
Landschaftsschutz über den Förderverein<br />
des Botanischen Gartens bis zu<br />
einzelnen Bürgervereinen. <strong>Die</strong> Internetseite<br />
www.wuppertals-gruene-anlagen.de<br />
ist im Aufbau.<br />
Jede Menge Kommunikationsarbeit und<br />
eine gehörige Portion Forscherdrang<br />
haben Wuppertals grünen Anlagen<br />
eine erhöhte öffentliche Wahrnehmung<br />
erobert. Dabei ist es gelungen, unterschiedliche<br />
Medien zu nutzen und<br />
verschiedene gesellschaftliche Kreise<br />
einzubeziehen. Neben den Besitzern und<br />
Nutzern von grünen Anlagen konnten<br />
zahlreiche Vereine, Wohnungsbaugesellschaften<br />
und Unternehmen für die<br />
Öffentlichkeitsarbeit gewonnen werden.<br />
Antonia Dinnebier<br />
links und oben:<br />
Einweihungsfeier Tafeln de Weerth-Garten<br />
linke Seite:<br />
WDR am Hohenstein<br />
links außen:<br />
Spielplatz Weyersbuschturm<br />
35
36<br />
<strong>Die</strong> Rezension erschien zuerst am 5. Juni<br />
2012 im Remscheid er General-Anzeiger<br />
„Es ist ein Weinen in der Welt, als ob<br />
der liebe Gott gestorben wär...“. Schier<br />
grenzenlose Traurigkeit und Verlorenheit<br />
spricht aus den Zeilen des Gedichts von<br />
Else Lasker-Schüler. Und wer sie schon<br />
einmal für sich gelesen - mithin „innerlich“<br />
gehört - hat, der hat ihnen vermutlich<br />
einen entsprechend dunkelschweren Ton<br />
verliehen. Doch Caroline Keufen spricht sie<br />
ganz hell und mit einem Lächeln.<br />
German Song beeindruckte<br />
Immer wieder schenkt die Schauspielerin<br />
und Regisseurin der literarischen<br />
Performance „German Song“ den<br />
Gedichten einen überraschend hellen,<br />
leichten Klang. Ein gekonnter Kunstgriff,<br />
denn die Irritation erzeugt eine<br />
unterschwellige Spannung, von der<br />
man als Zuhörer gepackt wird, ohne<br />
sogleich zu wissen warum.<br />
Es geht um die dunkelste <strong>Zeit</strong> deutscher<br />
Geschichte<br />
Und das zieht sich durch diesen<br />
Abend: Worte, Klänge, Tanz, Licht<br />
und Bilder in wandfüllenden Projektionen,<br />
collagenhaft zusammengesetzt,<br />
schaffen eine dichte Atmosphäre,<br />
wecken Gefühle, erzeugen wechselnde<br />
Stimmungen und unterlaufen damit<br />
eventuell vorhandene intellektuelle<br />
Barrieren zur Abwehr schwer erträglicher<br />
Inhalte.<br />
Denn leichte Kost sind die nicht,<br />
soviel ist schon im ersten Moment<br />
klar, wenn noch im Bühnendunkel<br />
ein markerschütternder Schrei ertönt.<br />
Ein Schrei aus dem Schützengraben,<br />
vielleicht, der Schrei eines Mannes,<br />
den seine grausamen Erlebnisse bis in<br />
die Träume verfolgen. Es geht um die<br />
dunkelste <strong>Zeit</strong> deutscher Geschichte<br />
(„der Tod ist ein Meister aus Deutschland“),<br />
um Schuld, die sich ebenso<br />
wenig abwaschen lässt wie das Blut im<br />
Blaubart-Märchen, um Verblendung,<br />
wenn ein 16-Jähriger sich freiwillig<br />
zur Waffen-SS meldet und in seinem<br />
Kriegstagebuch von russischen Soldaten<br />
als „Futter für mein MG“ spricht.<br />
Und am Ende auch darum, dass von<br />
solcher Art Verblendung auch der<br />
Terror unserer Tage lebt.<br />
Aber es geht auch darum, was<br />
Poesie, Kunst und Musik vermag: Unsagbares<br />
auszudrücken und zugleich<br />
Gegenwelten zu Grausamkeit und<br />
Gewalt zu schaffen. „Ich will in das<br />
Grenzenlose“ heißt es in Else Lasker-<br />
Schülers Gedicht „Meinwärts“, und<br />
dazu öffnet sich lichtblau und weit<br />
der Himmel, zieht ein Vogel vorbei,<br />
und wenn die Worte verklungen sind,
im Teo Otto Theater<br />
tragen der Tanz der phantastischen Chrystel Guillebeaud<br />
und die sachten Piano- und Percussionklänge die Zuschauer<br />
weit hinaus in den ersehnten hellen, freien Raum.<br />
Trotz einiger kleiner technischer Unstimmigkeiten bei<br />
der Uraufführung am Sonntag im Teo Otto Theater, die<br />
gelegentlich die Intensität schwächten: <strong>Die</strong>ser Abend bot<br />
eine große Dichte an Eindrücken, die sich anschicken,<br />
noch lange nachzuklingen.<br />
Anne-Kathrin Reif<br />
<strong>Die</strong> Akteure<br />
German Song ist eine Ensembleleistung von:<br />
Heiner Bontrup (Autor/Sprecher),<br />
Ulrike Müller (Autorin),<br />
Caroline Keufen (Sprecherin/Regie), Andreas Ramstein (als Sprecher<br />
eingesprungen für Hans Richter),<br />
Faith Iyere (Sprecherin/Gesang),<br />
Chrystel Guillebeaud (Tanz),<br />
Charles Petersohn (Flügel, Syntheziser), <strong>Die</strong>trich Rauschtenberger<br />
(Schlagwerk, Saxophon) und Wasiliki Noulesa (Videobühnenbild).<br />
37
38<br />
The Sixties – Ausstellung Claes Oldenburg<br />
22.Juni bis 30.September 2012<br />
im Museum Ludwig, Köln<br />
<strong>Die</strong> großangelegte Ausstellung im Museum<br />
Ludwig bietet den bislang umfassendsten<br />
Überblick zu Oldenburgs künstlerischem<br />
Werdegang von den späten 1950er bis in<br />
die Mitte der 1970er Jahre, angefangen<br />
mit den historisch bedeutenden Installationen<br />
„The Street“ und „The Store“ sowie<br />
den parallel entstandenen Happenings,<br />
über die verschiedenen Soft-, Hard-,<br />
Ghost- und Giant-Versions seiner Objektskulpturen<br />
der 1960er Jahre bis hin zu den<br />
Zeichnungen und Collagen öffentlicher<br />
Monumente. Einen weiteren Schwerpunkt<br />
bildet die Konzeptualisierung seines<br />
Ansatzes in den 1970er Jahren, in deren<br />
Zentrum das „Mouse Museum“ steht, ein<br />
begehbares Miniaturmuseum in Form einer<br />
„Geometric Mouse“, für das Oldenburg<br />
seit den späten 1950er Jahren insgesamt<br />
381 Gegenstände: Souvenirs, Kitschobjetke<br />
und Ateliermodelle gesammelt hat.<br />
Shoestring Potatoes, Spilling from a Bag,<br />
1966, Leinen gefüllt mit Kapok, Leim, bemalt<br />
mit Acryl, 274,3 x 132,1 x 101,6 cm<br />
Collection Walker Art Center,<br />
Minneapolis; Schenkung der<br />
T. B. Walker Foundation, 1966<br />
© Claes Oldenburg<br />
Claes Oldenburg (*1929 in Stockholm)<br />
zählt zu den großen Namen der amerikanischen<br />
Pop Art. Seine zumeist an<br />
banalen Alltagsgegenständen orientierten<br />
Skulpturen bergen stets ein Überraschungsmoment,<br />
seien es nun die<br />
überdimensional großen Lichtschalter<br />
oder Eishörnchen aus schlaffen, gefütterten<br />
Stoffen oder seine monumentalen<br />
Außenskulpturen in zahlreichen Metropolen<br />
der Welt.<br />
Riesige, ca. zwei Meter lange Pommes<br />
frites fallen aus einer Tüte von der<br />
Decke des Ausstellungsraums, ein riesiges<br />
Tortenstück und ein ca. 3,5 Meter langes<br />
Eishörnchen aus schlaffem Stoff liegen<br />
auf Sockeln, wie auf einem riesigen Bett<br />
im Ausstellungsraum. Ein Eishörnchen<br />
aus Kunststoff befi ndet sich auch auf dem<br />
Dach eines Kölner Einkaufszentrums am<br />
Neumarkt. Mit derartigen Monumenten<br />
im öffentlichen Raum, die in zahlreichen<br />
Metropolen der Welt zu fi nden sind, ist<br />
Claes Oldenburg einer großen Zahl von<br />
Menschen bekannt geworden.<br />
Claes Oldenburg (*1929 in Stockholm)<br />
ist einer der Hauptvertreter der<br />
amerikanischen Pop Art. Er gehört zu<br />
einer Generation von Künstlern, die<br />
sich um 1960 auf die Fahnen geschrieben<br />
hatte, die Kunst aus ihren elitären<br />
Kreisen zu befreien, sie auf radikale Weise<br />
populär und lebensnah zu machen. Mit<br />
schöpferischem Elan propagierte er eine<br />
neue Kunst, die „trieft, die schwer ist und<br />
stumpf und plump und süß und blöd wie<br />
das Leben selbst“.<br />
<strong>Die</strong> Ausstellung im Museum Ludwig<br />
bietet nun den bislang umfassendsten<br />
Überblick zu Oldenburgs künstlerischem<br />
Werdegang von den späten 1950er bis in<br />
die Mitte der 1970er Jahre. Mit zahlreichen,<br />
nur selten in dieser Dichte zu<br />
sehenden Exponaten und Werkensembles,<br />
beleuchtet sie die Entstehungsgeschichte<br />
seines künstlerischen Vokabulars - angefangen<br />
mit den historisch bedeutenden<br />
Installationen: „The Street“, ein Figurenensemble<br />
aus Pappkarton, Sackleinen,<br />
<strong>Zeit</strong>ungspapier und anderen<br />
gebrauchten Materialien, das<br />
von Graffi ti<br />
inspirierte<br />
Darstellungen<br />
der Schattenseiten<br />
Manhattans aufgreift
oben: Lipstick (Ascending) on Caterpillar<br />
Tracks, installiert auf der Beinecke Plaza,<br />
Mai 1969 bis März 1970, Oldenburg van<br />
Bruggen Studio, Foto Shunk-Kender ©<br />
Roy Lichtenstein Foundation<br />
links: Monument for Yale University: Giant<br />
Traveling and Telescoping Lipstick with<br />
Cangeable Parts in Three Stages of Extension<br />
– Modell, 1969, Pappe und Leinen,<br />
versteift mit Leim; besprüht mit Lackfarbe<br />
und beschichtet mit Schellack<br />
Raupenfahrzeug: 14 x 41,9 x 74,9 cm<br />
Lippenstift Phase 1: 10,2 x 21,6 x 26 cm<br />
Lippenstift Phase 2: 36,8 x 21,6 x 26 cm<br />
Lippenstift Phase 3: 59,7 x 21,6 x 26 cm<br />
Foto: David Heald (Guggenheim Found.)<br />
39
40<br />
Two Cheeseburgers, with Everything (Dual Hamburgers), 1962, Jute, getränkt in Gips, bemalt mit Lackfarbe 17,8 x 37,5 x 21,8 cm,<br />
Museum of Modern Art, New York; Philip Johnson Fund, © Claes Oldenburg<br />
U.S.A. Flag, 1960, Musselin getränkt in Gips über Drahtgestell, bemalt mit Lackfarbe, 61 x 76,2 x 8,9 cm, National Gallery of Art,<br />
Washington; Schenkung John und Mary Pappajohn, © Claes Oldenburg
und „The Store“, eine Installation von<br />
1961 in seinem New Yorker Laden-Atelier,<br />
in dem er nachgebildete Gebrauchsgegenstände,<br />
überwiegend Kleidungsstücke und<br />
Esswaren wie „White Shirt“, „Brown Jacket<br />
„ oder „Pastry Case“ präsentierte.<br />
Seit 1963 begann Oldenburg die Serie<br />
„The Home“, für die er Haushaltsgegenstände<br />
in verschiedenen Größen und unterschiedlichen<br />
Materialien als Soft-, Hard,<br />
Giant- und Ghost Versionen anfertigte.<br />
Damals entdeckte Oldenburg Vinyl als<br />
Werkstoff und entwarf Gegenstände mit<br />
makellosen Oberfl ächen, denen allerdings<br />
die Spannkraft fehlt und die von der<br />
Schwerkraft zu Boden gezerrt werden. Ein<br />
Ventilator, dessen Flügel schlapp herabhängen,<br />
eine Toilette, die in sich zusammen<br />
sinkt, ein riesiger Mixer, der schlaff von der<br />
Decke hängt. <strong>Die</strong> alltäglichen Gegenstände<br />
wirken plötzlich fremd und überraschend.<br />
Da sie ihrer Funktion enthoben sind,<br />
lenken sie den Blick auf die Form.<br />
Einen Höhepunkt der Ausstellung bildet<br />
das „Mouse Museum“, ursprünglich für<br />
die documenta 5 (1972) geschaffen, das<br />
385 kuriose Gegenstände und Ateliermodelle<br />
präsentiert, die Claes Oldenburg<br />
über Jahre hinweg gesammelt hat. Ein<br />
Kugelschreiber in Form eines Frauenbeins,<br />
eine überdimensionierte Zahnbürste, ein<br />
Tortenstück aus Plastik. Derartige Dinge<br />
bilden eine begehbare Schausammlung<br />
von Oldenburgs Motivquellen.<br />
Floor Cone (1962) vor der Dwan Gallery,<br />
Los Angeles, 1963<br />
Oldenburg van Bruggen Studio,<br />
Foto: Dennis Hopper © Claes Oldenburg<br />
41
42<br />
Teils unbekanntes Archivmaterial wie<br />
die „Clippings“, Ausschnitte aus Magazinen,<br />
deren Motive sich später in skulpturalen<br />
Werken wiederfi nden und von<br />
Oldenburg selbst gedrehte Super-8 -Filme<br />
sowie Filmdokumentationen seiner<br />
Happenings bereichern die Ausstellung<br />
weiterhin.<br />
<strong>Die</strong> Ausstellung wurde von Achim<br />
Hochdörfer für das mumok Wien konzipiert,<br />
weitere Europastation ist das Guggenheim<br />
Museum Bilbao. Anschließend<br />
reist sie weiter ins Museum of Modern<br />
Art New York und ins Walker Art Center.<br />
Im Museum Ludwig Köln, das auch als<br />
größter Leihgeber fi rmiert, wird sie vom<br />
22. Juni bis 30. September 2012 zu sehen<br />
sein. Kurator für das Museum Ludwig ist<br />
Dr. Stephan <strong>Die</strong>derich.<br />
<strong>Die</strong> Ausstellung wird unterstützt von<br />
der Peter und Irene Ludwig Stiftung, der<br />
Commerzbank-Stiftung sowie der Terra<br />
Foundation for American Art.<br />
www.museum-ludwig.de<br />
Giant Soft Fan, 1966-67<br />
Vinyl gefüllt mit Schaumstoff, Leinen,<br />
Holz, Metall, Kunststoff Fan, approximately<br />
/ ca. 305 x 149,5 x 157,1 cm,<br />
Gesamtlänge mit Schnur 739,6 cm<br />
The Museum of Modern Art, New York.<br />
The Sidney and Harriet Janis Collection<br />
Photo: mumok, © Claes Oldenburg<br />
links:<br />
Soft Dormeyer Mixer, 1965 , Vinyl, Kapok<br />
Holz, Aluminiumrohre, Elektrokabel und<br />
Gummi 79.7 x 51.1 x 30.5 cm<br />
Whitney Museum of American Art, New<br />
York Purchase, with funds from the Howard<br />
and Jean Lipman Foundation, Inc. / Ankauf<br />
ermöglich durch die Howard and Jean<br />
Lipman Foundation, Foto: mumok / Jerry<br />
L. Thompson © Claes Oldenburg<br />
rechts:<br />
Soft Toilet, 1966, Holz, Vinyl, Kapok, Draht,<br />
Acrylglas auf Metallständer und bemaltem<br />
Holzsockel , 144,9 x 70,2 x 71,3 cm,<br />
Whitney Museum of American Art, New<br />
York 50th Anniversary, Schenkung Mr. und<br />
Mrs. Victor W. Ganz anlässlich des 50-jährigen<br />
<strong>Beste</strong>hens, Foto: Sheldan C. Collins<br />
© Claes Oldenburg
… und doch nicht in der<br />
Gosse gelandet<br />
Mechthild Großmann<br />
Szenenfoto aus „Two cigarettes in the<br />
dark“, Aufführung des Wuppertaler Tanztheater<br />
Pina Bausch aus den 80er Jahren<br />
Foto: Günter Krings<br />
Auf die Lady …<br />
An ihrer Medienpräsenz in Wuppertal gab es<br />
eigentlich nichts zu mäkeln. Der Name<br />
Mechthild Großmann kam vor allem immer<br />
wieder ins Gespräch, wenn es um Pina<br />
Bausch ging. Der populäre Münsteraner<br />
ARD-Tatort an sich und ihre eher kleine, aber<br />
sehr wirkungsvolle Rolle als Staatsanwältin<br />
Wilhelmine Klemm im Besonderen waren<br />
ein weiterer, sehr zwingender Grund für<br />
eine Folge über Mechthild Großmann in der<br />
<strong>Beste</strong>-<strong>Zeit</strong>-Serie über die Schauspieler und<br />
Sänger, deren Karrieren eng mit dem Namen<br />
Wuppertal verbunden sind und waren. Zumal<br />
Mechthild Großmann zur Kategorie der<br />
Künstler zählt, über die man in der Öffentlichkeit<br />
trotz eines beachtlichen Bekanntheitsgrades<br />
im Grunde eher wenig als viel wusste.<br />
Das machte sie keineswegs unsympathisch, den<br />
Autor aber umso neugieriger. Nach den spannenden<br />
Erfahrungen der ersten Serie aus den<br />
Jahren 2002/2003 ging es um die Strategie,<br />
Frau Großmann von der aktiven und unbedingt<br />
wichtigen persönlichen Präsenz beim<br />
Gespräch zu überzeugen. <strong>Die</strong>sem Wunsch zu<br />
Hilfe kam eine Information des Rundschau-<br />
Kollegen Stefan Seitz. Er hatte Mechthild<br />
Großmann bei einer Premiere im Opernhaus<br />
gesehen und das bedeutete: sie war wohl in<br />
der Stadt. Das Netzwerk wurde verdichtet:<br />
Rundschau-Redaktionsleiter Hendrik Walder<br />
telefonierte mit der Tanztheater-Pressechefi n<br />
Ursula Popp und bat um Kontaktaufnahme<br />
mit der Künstlerin und den Hinweis, sie<br />
gehöre doch nun ganz sicher in dieser Serie.<br />
Machen wir es kurz: das war ein Volltreffer<br />
und wenig später meldete sich Mechthild<br />
Großmann tatsächlich am Handy. Sie war<br />
am Zuge. Das Treffen für das Gespräch wurde<br />
sehr kurzfristig vereinbart. Etwas aufgeregt<br />
(was ansonsten eher selten vorkommt) wurde<br />
an der vereinbarten Schelle eines Hauses an<br />
der Wittensteinstraße in Unterbarmen geklingelt.<br />
Mechthild Großmann erschien, entsorgte<br />
noch etwas Hausmüll und dann ging es in<br />
Richtung Toelleturm zu einem sehr angenehmen<br />
Gespräch auf die Terrasse des Restaurants<br />
„Zur alten Bergbahn“. Mechthild Großmann<br />
war „im Kasten.“<br />
43
44<br />
Achtzehn Jahre lang hat Mechthild Großmann<br />
in Wuppertal gewohnt. Sie hat in<br />
dieser Stadt gelebt, gelitten, genossen und<br />
mit Pina Bausch und ihrer Compagnie<br />
des Tanztheaters die Welt bereist. Im<br />
Jahre 1997 ist die in Münster geborene<br />
Schauspielerin nach Hamburg gezogen.<br />
Dort lebt sie im Stadtteil Uhlenhorst.<br />
Im Deutschen Schauspielhaus gegenüber<br />
dem Hamburger Hauptbahnhof (dem<br />
mit 1192 Plätzen größten deutschen<br />
Sprechtheater) ist sie anlässlich der Verleihung<br />
des renommierten Henry Nannen-<br />
Preise 2011 mit einer Lesung aufgetreten.<br />
Mechthild Großmann wird gern und<br />
oft für Lesungen gebucht. Kein Wunder,<br />
bei dem Bass. Der hat seine Ursache in<br />
verknorpelten Kiefer-und Stirnhöhlen,<br />
festgestellt von einem Arzt bei einer<br />
Untersuchung im Teenager-Alter wegen<br />
einer starken Erkältung. <strong>Die</strong> tiefe Stimme<br />
hat einen ihrer Deutschlehrer zu der<br />
Bemerkung veranlasst: „Du landest in<br />
der Gosse.“ Der Pädagoge irrte. <strong>Die</strong> tiefe<br />
Stimme der ausgebildeten Schauspielerin<br />
Mechthild Großmann hat – das konnte<br />
nicht ausbleiben – zu vielen Rollen von<br />
Figuren im Rotlichtmilieu geführt. Wobei<br />
einem nicht einmal Insider verraten<br />
können, ob Prostituierte bevorzugt tiefe<br />
Stimmen haben müssen. <strong>Die</strong> Stimme<br />
ist neben etlichen anderen unverwechselbaren<br />
Attributen das Markenzeichen<br />
der Rolle mit dem Namen Wilhelmine<br />
Klemm. Das ist die oftmals zu wirklichkeitsfremden<br />
<strong>Zeit</strong>en und in ebensolchem<br />
Outfi t an Tatorten auftauchende, stets<br />
vom Leben und dem Alltag gezeichnet<br />
wirkende Staatsanwältin im Münsteraner<br />
Tatort. Mit Axel Prahl als Kommissar<br />
Thiel und Jan Josef Liefers als komischer<br />
Gerichtsmediziner Professor Karl-Friedrich<br />
Boerne. Und seiner aus Remscheid<br />
stammenden, kleinwüchsigen Assistentin<br />
ChristTine Urspruch als „Alberich“. Es ist<br />
Deutschlands beliebtester Tatort geworden<br />
mit Einschaltquoten von über 11<br />
Millionen und selbst eine Wiederholung<br />
„Fluch der Mumie“ am Pfi ngstsonntag<br />
2011 sahen noch sagenhafte 6,3 Millionen<br />
Menschen. Mechthild Großmann<br />
ist von Beginn des Münsteraner Tatortes<br />
dabei und die Rolle der Staatsanwältin<br />
bestand „eigentlich nur darin, dass sie<br />
rauchte.“ Mechthild Großmann hat für<br />
das Profi l gesorgt.<br />
Mechthild Großmann mit Axel Prahl. Szenenfoto aus Tatort Münster, 2003. Foto: WDR<br />
Mechthild Großmann mit dem Schauspieler Sierk Radzei<br />
Doch alle ARD-Tatorte, „Berlin Alexanderplatz“<br />
mit der Legende Rainer Werner<br />
Fassbinder „Nirgendwo in Afrika“ mit<br />
der dafür Oscar-preisgekrönten Regisseurin<br />
Caroline Link und unzählige andere<br />
Auftritte dieser Frau mit ihren vielen<br />
Gesichtern und Gebärden verblassen,<br />
wenn es um Pina Bausch geht.<br />
Obwohl die künstlerische Arbeit von<br />
Mechthild Großmann in Wuppertal keineswegs<br />
auf Pina Bausch beschränkt war<br />
und ist. Sie spielte im „Faust“ die Rolle<br />
der Marthe Schwerdtlein, die Hauptrolle<br />
in „Mutter Courage“ und wurde für ihr<br />
Ein-Personen-Stück „Wo meine Sonne<br />
scheint“ gefeiert.
<strong>Die</strong> Frau, die im Jahre 1975 eher<br />
plötzlich und unerwartet in das Leben<br />
von Mechthild Großmann trat, ist am<br />
30.Juni 2009 nicht nur aus ihrem Leben,<br />
sondern hoch verehrt und geachtet aus<br />
dem von Menschen in aller Welt geschieden:<br />
Pina Bausch. Unser Gespräch<br />
für diesen Text auf der Terrasse des<br />
Restaurants „Zur Alten Bergbahn“ in<br />
den Barmer Anlagen begann mit einem<br />
„Zum Wohle“ und dem Blick nach oben<br />
„auf die Lady.“ Schnelle Rückblende in<br />
das Jahr 1975. Mechthild Großmann<br />
spielte am Württembergischen Staatstheater<br />
in Stuttgart, zuvor in Bremen<br />
bei Kurt Hübner und am Bochumer<br />
Schauspielhaus. Der vom Thalia-Theater<br />
aus Hamburg nach Wuppertal gewechselte<br />
Kurzzeit-Intendant Hanno Lunin<br />
hatte am Schauspielhaus an der Kluse das<br />
Schiller-Trauerspiel „Kabale und Liebe“<br />
auf dem Spielplan, Premiere war am<br />
17.Januar 1976. Peter Striebeck führte<br />
Regie, Mechthild Großmann war für<br />
die Rolle der „Lady Milford“ vorgesehen.<br />
Gerd Mayen spielte die Rolle des<br />
Präsidenten von Walter, Erich Leukert<br />
den Hofmarschall von Kalb und Siemen<br />
Rühaak den Ferdinand. Auch der seit<br />
Jahren in vielen TV-und Bühnenproduktionen<br />
engagierte Siemen Rühaak zählte<br />
in seiner einzigen Rolle im Wuppertaler<br />
Schauspielhaus als „Ferdinand“ zur Besetzung<br />
des Schiller-Klassikers mit dem<br />
Bühnenbild von Hanna Jordan.<br />
Eher zufällig ist dabei Pina Bausch<br />
aufgetaucht und heute sagt Mechthild<br />
Großmann ehrlich: „Ich kannte sie nicht,<br />
war auch nie einem Stück von ihr gewesen.<br />
Sie suchte eine Sängerin und hat gefragt,<br />
ob ich das könnte. Schließlich habe<br />
ich den Surabaya Johnny von Brecht<br />
gewählt. Man musste mir aber den Text<br />
geben. Ich habe mich hinter dem Notenständer<br />
verkrochen und noch ein Bein<br />
hochzogen, damit man mich nicht sehen<br />
konnte.“ <strong>Die</strong> Kurzfassung: „Dann hat<br />
sie gefragt: wollen wir es versuchen?“ Für<br />
die damals 28-Jährige begann ein anderes<br />
Leben, als sie es jemals plante und gegen<br />
die Warnung von Kollegen „Im Ballett<br />
sieht dich kein Schwein mehr.“ Auch das<br />
war ein Irrtum.<br />
1979 ist Mechthild Großmann Bürgerin<br />
Wuppertals geworden. Immer mit Wohnungen<br />
in fußläufi ger Entfernung zu<br />
„Pinas Nest“ am Fingscheid in Unterbarmen.<br />
Weltweit unterwegs und gefeiert.<br />
Mit unzähligen kleinen und großen<br />
Erinnerungen. In Paris traf sie nach einer<br />
Vorstellung den damaligen Opern-Intendanten<br />
Rolf Liebermann wieder. 1968<br />
war er Intendant der Hamburger Staatsoper.<br />
Dort hatte Mechthild Großmann<br />
1968 in einer Tannhäuser-Inszenierung<br />
von Harry Meyen eine kleine Rolle, die<br />
der Studentin eine dankbar genommene<br />
Abendgage von 800 DM brachte. Mit<br />
Pina Bausch trat Mechthild Großmann<br />
in der Mailänder Scala auf und hat auf<br />
der großen Scala-Bühne einige wenige<br />
Zeilen gesungen. Sie traute sich auf der<br />
Bühne viel zu “denn bei Pina war ich<br />
mir immer sicher. Trotzdem habe ich<br />
mich bemüht, nur Dinge zu tun, die<br />
ich richtig kann. Dafür habe ich alles<br />
benutzt: den Kopf, die Haare, die Arme,<br />
die Beine und wenn ich Menschen<br />
spiele, dann muss man sie auch riechen<br />
können.“<br />
Zum Ende: die Todesnachricht der<br />
großen Pina Bausch hat ihr in Hamburg<br />
ihr Freund, der Tänzer Professor Lutz<br />
Förster telefonisch überbracht. Etliche<br />
Stunden vor der Information an die<br />
Öffentlichkeit. Trotzdem geht das Leben<br />
mit Pina Bausch weiter. Zu besonderen<br />
Anlässen trägt Mechthild Großmann<br />
ein Kleidungsstück von Pina Bausch.<br />
Eine leichte, sehr chice dunkle Jacke.<br />
Bei unserem Gespräch hat sie diese Jacke<br />
getragen. Auf die Lady.<br />
Klaus Göntzsche<br />
45
46<br />
Später Besuch<br />
Alter Friseurmeister<br />
<strong>Die</strong> Eingangspforte führt mich in eine andere Welt. Seltsame Stille umfängt mich.<br />
Aus meinem Alltag kehre ich zurück in dieses Haus, das Altenheim am Rande der Stadt.<br />
Ein Jahr ist vergangen. Ich erinnere mich an meine Fototermine, an die Gespräche und Begegnungen mit den Menschen, die hier wohnten.<br />
Sie leben nicht mehr.<br />
Ich nehme den Fahrstuhl in die dritte Etage, werfe einen Blick durch geöffnete Türen.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Zeit</strong> scheint sich zu verstecken. Zwischen Möbeln, Blumen und Fotoalben.<br />
An diesem Ort treffen sich Vergangenheit und Gegenwart.<br />
Meine Gedanken lasse ich treiben.<br />
Der Raum neben dem Speisesaal gehört einer vornehmen alten Dame, ehemals Primaballerina eines großen Theaters, das Zimmer gegenüber<br />
einem Friseurmeister, der begeistert über seine Arbeit redet. <strong>Die</strong> Nachbarin berichtet über ihre Flucht aus Ostpreußen im Winter 1945, die sie<br />
als junge Frau überstehen musste. Eine Bildhauerin, stark von Krankheit gezeichnet, kann ihre Gefühle nicht mehr in Worte fassen. Ihre Augen<br />
und Hände sprechen. Bald pendelt sie zwischen Wachen und Schlaf.<br />
Ich sehe die Heimbewohner vor mir. Ihre Freude, ihre Trauer. Sie haben geliebt, gelitten, gekämpft und geträumt. So wie wir.<br />
Erinnerungen werden mitgenommen auf die Reise in die Nacht. Manchmal ist es ein langsamer Abschied.<br />
Mit meinen Fotografi en habe ich versucht, Augenblicke ihres Lebens zu bannen, ihnen Dauer zu verleihen.<br />
In Ihren Gesichtern spiegelt sich gelebtes Leben. Jede Falte erzählt eine Geschichte.<br />
Einige Geschichten trage ich in mir. Ich bewahre sie.<br />
Vor dem Fenster pfeift nun ein kalter Wind. Nachdenklich verlasse ich dieses Gebäude, das mir durch meine Besuche vertraut geworden ist.<br />
<strong>Die</strong> Momente, die ich mit den alten Menschen verbringen konnte, kehren nicht wieder.<br />
Alles ist in Bewegung, an eine bestimmte <strong>Zeit</strong> gebunden. Das zu akzeptieren, fällt mir schwer. Neue Bewohner sind eingezogen. Wie lange<br />
werden sie bleiben...<br />
Foto und Text: Elisabeth Heinemann
Elisabeth Heinemann<br />
geboren in Zittau als Tochter von<br />
Pia-Monika Nittke und Willy Jähnig<br />
aufgewachsen in Meißen und Magdeburg,<br />
Schulzeit in Magdeburg (Abitur)<br />
Pädagogik-Studium in Erfurt (Kunst und<br />
Russisch), verheiratet, zwei Kinder<br />
seit 1993 Beschäftigung mit Fotografi e<br />
seit 1996 freiberufl iche Tätigkeit als<br />
Fotografi n<br />
zahlreiche Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen<br />
sowie Preise bei Fotowettbewerben<br />
Arbeit am Ausstellungsprojekt „außer<br />
gewöhnlich (Künstlerportraits)<br />
gemeinsames Ausstellungsprojekt „<strong>Die</strong><br />
Feinheit des Sehens” mit dem Maler und<br />
Grafi ker Willy Jähnig<br />
Veröffentlichungen (Auswahl)<br />
1999<br />
fotografi sche Gestaltung des Gedichtbandes<br />
„Poetic Allegories”, Pennsylvania, USA<br />
mit Prof. Claude R. Foster, Lyrik, und<br />
Pia-Monika Nittke, Nachdichtung und<br />
Vertonung<br />
2002<br />
Kalender „Von Frauen und Katzen” mit<br />
Gedichten von Torsten Olle<br />
2003<br />
Lyrik-Foto-Band „schon morgen ist alles<br />
anders”- mit Dorothea Iser<br />
2003<br />
Fotografi en für den Gedichtband „Trügerische<br />
Ruhe” von Pia-Monika Nittke<br />
2004<br />
Fotografi en für die Anthologie „Herz über<br />
Kopf”<br />
2005<br />
„Alte Liebe” - mit Dorothea Iser und<br />
Marcus Waselewski<br />
2005<br />
„Lebenswege Magdeburger Frauen in<br />
Porträts und Texten”<br />
2006 und 2009<br />
Fotografi en für die Gedichtbände „Zwölf<br />
Monde” und „Zwischentöne” von Pia-<br />
Monika Nittke<br />
2010<br />
Fotografi en für das Buchprojekt „<strong>Die</strong><br />
Facetten des Alter(n)s” von Prof. Gerd K.<br />
Schneider<br />
Weitere Informationen:<br />
www.elisabeth-heinemann.de<br />
Arbeitsscheuer Präsident<br />
„Zum ersten Male habe ich ihn in der<br />
Volkshochschule gesehen, im Philosophiekursus“,<br />
sagte seine Frau zu mir, als er<br />
gestorben war. „Er kam etwas später, ging<br />
an der Wand vorsichtig an den Sitzreihen<br />
vorbei, damit er niemanden anstieß, und<br />
da dachte ich: „Wat fürn lev Männeken!<br />
Den musste haben.“<br />
Damals waren beide etwa fünfzig Jahre<br />
alt, fi el mir ein. Es muss um 1966 herum<br />
gewesen sein.<br />
Er war etwa Vierzig, als ich ihn kennenlernte.<br />
Das war in einem Sprachkurs der<br />
Volkshochschule. Er war, wie man bei uns<br />
sagt, ein schmales Handtuch, nicht groß,<br />
immer bereit, in der Mitte ein wenig<br />
einzuknicken. Sein Gesicht war wie das<br />
eines Alien, falls Sie schon einen gesehen<br />
haben, tief liegende Augen, blass, dicke<br />
Brille, wenig Haare, ein kleiner Kopf, aber<br />
ein höfl iches Gesicht.<br />
Das war der Präsident, wie wir ihn also<br />
nannten, so liebten ihn alle, vor allem<br />
wegen seiner Diskretion und Bescheidenheit.<br />
Er konnte von sich behaupten, noch<br />
nie im Leben einen Beruf ausgeübt zu<br />
haben, aber er lebte in einem interessanten,<br />
alten Haus, das er von seinen Eltern<br />
geerbt hatte. Wovon er lebte? Ich glaube,<br />
er bekam eine kleine Waisenrente – als<br />
Beamtenkind -, denn die Ärzte hatten ihn<br />
von Jugend auf als arbeitsunfähig zertifi -<br />
ziert, als Neurastheniker.<br />
Und doch habe ich nie erlebt, dass er<br />
krank war. Oder schwach, denn das war<br />
er eigentlich auch nicht, bei unseren<br />
stundenlangen Spaziergängen hielt er<br />
tapfer mit.<br />
Ich denke nicht, dass dies der Diagnose<br />
der Ärzte widersprechen muss. Ein<br />
Simulant war er sicherlich nicht. Vielleicht<br />
hatte er gelernt, das zu tun, was er<br />
aushielt, vielleicht auch nur das, was er<br />
gerne tat und bei dem nicht die Gefahr<br />
des Versagens bestand.<br />
Manche meinten, er sei einfach arbeitsscheu,<br />
ein Mann, der bei seinen Eltern<br />
lebte, vormittags in die Stadt ging und im<br />
Schaukasten die <strong>Zeit</strong>ung las, einen langen<br />
Mittagsschlaf machte, dann einen kleinen<br />
Spaziergang, dann mit angespanntem Ge-<br />
sicht in seinem Zimmer vor dem Radio<br />
saß. Er sammelte außerdem Schiffsmodelle.<br />
<strong>Die</strong> standen in Regalen ringsum im<br />
Zimmer.<br />
An dieser Stelle muss ich einschieben,<br />
dass in kurzer Folge seine altgewordenen<br />
Eltern starben. Er blieb jeweils einige Tage<br />
von Gemeinsamkeiten fern, dann tauchte<br />
er wieder auf. Man merkte ihm nicht an,<br />
ob ihn der Tod der Menschen, die ihn<br />
sein Leben lang beschützt hatten, sehr<br />
getroffen hatte.<br />
Eines Tages kam er auch zu uns in den<br />
TURM. Für diesen Kreis brauchten wir<br />
eines Tages, als es schon mit der TURM-<br />
Arbeit zu Ende ging, einen Vorsitzenden,<br />
und er ließ sich tatsächlich überreden,<br />
diesen Posten zu übernehmen.<br />
Seitdem nannten wir ihn „Präsident“.<br />
Wir beide sahen uns oft. Mir kam das<br />
entgegen, denn ich war in dieser <strong>Zeit</strong> viel<br />
allein und war es nicht gerne. Er war so<br />
anhänglich und anpassungswillig, dass ich<br />
ihn sozusagen überall mitnehmen konnte,<br />
die Leute gewöhnten sich daran, dass er<br />
mich häufi g begleitete. Eine merkwürdige<br />
Kumpanei. Selten versuchte er, seinen<br />
Willen oder seine Wünsche durchzusetzen,<br />
aber es wäre falsch, zu sagen, dass<br />
man ihn nicht als Person respektierte.<br />
Schließlich war er ja ein durch und durch<br />
anständiger, bürgerlicher Mensch.<br />
Eine Führungsrolle übernahm er nie,<br />
auch nicht im TURM. Das wäre zu viel<br />
verlangt gewesen von einem Menschen,<br />
der nicht glaubte, im sozialen Gefüge<br />
irgendeine Rolle zu spielen. Er blieb<br />
bescheiden, und nie ließ er sich korrumpieren<br />
oder zu Liebedienereien hinreißen.<br />
Und noch eine Eigenschaft von ihm:<br />
Er sprach so gut wie nie von sich, aber<br />
er zeigte ein intensives Interesse an den<br />
Äußerungen anderer Leute.<br />
Es war meine <strong>Zeit</strong> langer und fast täglicher,<br />
gemeinsamer Spaziergänge. An den<br />
Wochenenden wurden Wanderungen daraus.<br />
Vielleicht wollte auch ich das Leben<br />
aufschieben. Es war auch die <strong>Zeit</strong> unserer<br />
Freundschaft. Er nahm Anteil an meinem<br />
Leben, ich an seinem.<br />
47
48<br />
Was uns hauptsächlich verband, waren<br />
die unzähligen langen Abendspaziergänge,<br />
die Wanderungen an Samstagen und<br />
Sonntagen – lehmgelbe Wege, Zäune,<br />
glitzernde Kuhaugen, spiegelnde Weiher,<br />
die geheimnisvolle grüne und bemooste<br />
Schönheit von Lichtungen, weiße Wolken,<br />
unter denen der Sommerwind fächelte;<br />
sprachlose Wanderungen meistens,<br />
aber ich behaupte, sie verbanden uns, die<br />
wir widerstands- und konfl iktlos miteinander<br />
durch die <strong>Zeit</strong> wanderten. Denn es<br />
vergingen Jahre.<br />
Tagsüber war ich im Büro einer mittelgroßen<br />
Versandfi rma, diktierte Briefe auf<br />
ein Gerät und kümmerte mich um die<br />
Werbung. <strong>Die</strong> bestand hauptsächlich<br />
aus Postwurfsendungen, die wir zunächst<br />
in meiner Abteilung kouvertierten. Aber<br />
das hielt uns alle sehr auf, und es war gut,<br />
dass ich einen ungewöhnlichen Einfall<br />
hatte.<br />
Nachdem ich mir die Genehmigung vom<br />
Geschäftsführer besorgt hatte, fragte ich<br />
den Präsidenten, ob er die Arbeit des<br />
Werbeversands nicht bei sich zu Hause<br />
erledigen könne, gegen Bezahlung,<br />
versteht sich. Der magere, blasse Präsident<br />
erkannte, dass er keine Aufseher und<br />
keine Kritiker haben würde, und er traute<br />
sich das Adressensammeln und Einschätzen<br />
von vermuteten Abnehmern zu, das<br />
Versenden natürlich auch.<br />
Aus dem angeblich arbeitsscheuen<br />
Präsidenten war bald eine hoch motivierte<br />
Arbeitskraft geworden. Niemand<br />
in der Firma arbeitete so präzise wie er.<br />
Bald war er die erste Adresse für jeden<br />
Mitarbeiter, wenn der etwas Detailliertes<br />
über Branchen oder Firmen und<br />
deren Umsätze oder Bedarf erfahren<br />
musste – der Präsident verfügte bald<br />
über eine Fülle von Wirtschaftsinformationen.<br />
Sobald er sich eingearbeitet hatte, wurde<br />
er auch sozial aktiv. Er verabredete sich<br />
mit einer zarten, leisen Lehrerin aus dem<br />
TURM – klingt merkwürdig, aber solche<br />
gab es – und traf sich einige Male mit ihr<br />
im Café. Er hat mir nie erzählt, was sie<br />
besprachen, aber es muss Missverständnisse<br />
gegeben haben, ich weiß aus einer<br />
kurzen Begegnung, dass sie ein empfi ndliches<br />
Seelchen war und sonst niemals<br />
Männer traf.<br />
Aber für den Präsidenten war es ein tiefes<br />
Erlebnis. Ein Mensch war durch ihn<br />
bewegt worden, vielleicht enttäuscht, vielleicht<br />
sogar erschüttert. Und er hatte das<br />
auf dem Gewissen! Ich tat mein <strong>Beste</strong>s,<br />
um ihn davon zu überzeugen, dass diese<br />
Lehrerin völlig ungeeignet für eine Gemeinschaft<br />
war. Ich weiß aber nicht, ob<br />
ihn irgend jemand überhaupt von irgend<br />
etwas überzeugen konnte. Er versteckte<br />
sich ja sein Leben lang auf eine unerhört<br />
höfl iche Art.<br />
Aber er hatte doch einen weiteren Schritt<br />
ins Leben getan, denke ich. Er hatte zu<br />
tun, er wurde gebraucht, er musste hier<br />
hin und dort hin – aber vor allem hatte<br />
er gefühlt, dass ein Mensch ein Vulkan ist,<br />
der ausbrechen kann. Und starke Gefühle<br />
können unerträglich sein. Das alles war<br />
vorher für ihn anders gewesen.<br />
Jetzt macht meine Erinnerung einen<br />
Sprung, der Präsident ist nicht mehr im<br />
Blickfeld, sondern die Szenen, in denen<br />
mein Lebens- und Berufsweg eine andere<br />
Richtung einschlug. Ich wechselte die<br />
Firma und zog in eine andere Stadt.<br />
Ich habe noch zu berichten, dass mein<br />
arbeitsscheuer, blasser, magerer, dünnknochiger<br />
Präsident in dem Jahr meiner<br />
Abwesenheit zum Leiter der EDV-Abteilung<br />
ernannt worden war und endlich<br />
sozialversichert. Mit Unterschriftsberechtigung.<br />
Ich glaube, er war der zuverlässigste<br />
und eifrigste Mitarbeiter geworden,<br />
dieser Eigenbrötler, der bis vor kurzem<br />
den Status Waisenkind innehatte; er, der<br />
nie direkt widersprach, der niemanden<br />
bewertete, der sich für zu unwichtig hielt,<br />
um zu erwarten, dass sich jemand um ihn<br />
kümmerte, er, dieser unendlich liebenswerte<br />
Mensch.<br />
Übrigens hatte er geheiratet. Eine ebenfalls<br />
dünnknochige, kleine Schneidermeisterin.<br />
Sie wurden ein glücklich turtelndes,<br />
betuliches Paar, er und die Frau, die, wie<br />
schon erwähnt, bei seinem ersten Anblick<br />
gedacht und gefühlt hatte: Wat fürn lev<br />
Männeken. Den musste haben.<br />
Schließlich hatte er aufhören müssen zu<br />
arbeiten, und nun war er krank, schlimmer<br />
noch, er war halbseitig gelähmt.<br />
Er hatte einen Schlaganfall gehabt, und<br />
danach verschlechterte sich sein Zustand<br />
rasch. Schließlich konnte er nicht mehr<br />
sprechen.<br />
Ich hörte davon. Als ich anrief, sagte mir<br />
seine Frau, dass ich ihn besuchen dürfe.<br />
Ich fuhr hin und fand ihn in seinem<br />
riesigen Ledersessel in einem kleinen<br />
Wohnzimmer. Es war im Reihenhaus<br />
seiner verstorbenen Eltern, ein Haus aus<br />
der <strong>Zeit</strong> vor dem ersten Weltkrieg, und<br />
die Zimmer waren sehr klein. Er war immer<br />
noch das kleine, graue Männlein mit<br />
den großen, wasserblauen Alien-Augen.<br />
Sprach nicht, blickte nur vor sich hin.<br />
Ich merkte, ich konnte nur mit seiner<br />
Frau sprechen, der Präsident schien aber<br />
aufmerksam zuzuhören. Ich sah aber, dass<br />
die beiden sich mühelos verständigten.<br />
Ob sie die ganze Pfl ege übernahm, ob ein<br />
Pfl egedienst kam, erfuhr ich nicht.<br />
Irgendwann sagte seine Frau etwas<br />
Hoffnungsvolles zu ihm, ich versuchte es<br />
auch, erinnerte an die alten <strong>Zeit</strong>en, wo<br />
wir Abend für Abend Gesundheitsspaziergänge<br />
machten, aber auch wundervolle<br />
Wochenend-Wanderungen. <strong>Die</strong> Wiesenwege<br />
im Bergischen Land tauchten auf,<br />
verlorene Paradiese, und dem Präsidenten<br />
rollten einige Tränen die Wangen herab.<br />
Ich nahm ihn in den Arm, drückte ihn<br />
an mich, und verabschiedete mich. Er sah<br />
mich stumm an, und dann liefen Tränen<br />
über sein Gesicht. Weinen konnte er<br />
noch.<br />
An der Haustür sagte ich zu seiner Frau<br />
etwas über die Kraft, die sie jetzt brauche<br />
– aber sie unterbrach mich: „Wir sind<br />
aber glücklich. Es ist so schön, dass ich<br />
ihn noch habe.“<br />
Ich war beschämt. Ich sah, hier gab es<br />
etwas, das stärker war als das Schlimmste.<br />
Karl Otto Mühl
Annäherungen an ein Porträt<br />
von Heiko Meins<br />
Einer, der sich engagiert.<br />
Neugierig geblieben ist und gerne seine<br />
Kenntnisse weitergibt an Kollegen und<br />
Freunde, Auszubildende oder –<br />
Stichwort Junioruni – an Kinder:<br />
Heiko Meins, geboren am 21. März 1969<br />
in Vohwinkel, arbeitet bei den Wuppertaler<br />
Stadtwerken (WSW), in deren Betriebsrat<br />
er seit der letzten Wahl Sitz und<br />
Stimme hat.<br />
Elektroniker, Geocacher, Dozent<br />
Im Westen der Stadt ist er aufgewachsen:<br />
Nach dem Besuch der Grundschule<br />
Elfenhang und der Hauptschule Alte<br />
Dorfstraße ging er bei den WSW in die<br />
Lehre, die er als Elektroanlageninstallateur<br />
und Energieanlagenelektroniker<br />
abschloss. Im Unternehmen durchlief<br />
er verschiedene Abteilungen und ist<br />
momentan als technischer Sachbearbeiter<br />
in der „Planung und Projektierung<br />
Strom“ beschäftigt. So gehörte es zu<br />
seinen Aufgaben, den voraussichtlichen<br />
Strombedarf der neuen Justizvollzugsanstalt<br />
in Ronsdorf zu ermitteln und zu<br />
überprüfen, welche neuen Leitungen<br />
zu bauen waren, damit nicht am Tag X<br />
die Lichter in der JVA an- und in der<br />
Umgebung ausgingen.<br />
Dabei kam ihm seine Weiterbildung<br />
zum staatlich geprüften Techniker<br />
(Fachrichtung Elektrotechnik) zugute,<br />
die er 2001 beendete. <strong>Die</strong>se Qualifi kation<br />
ist mit dem Fachabitur verbunden.<br />
Zwei Jahre zuvor hatte er schon die<br />
Berechtigung erworben, selber auszubilden.<br />
Kindern Grundkenntnisse der Elektronik<br />
zu vermitteln, macht ihm großen<br />
Spaß. Bisher hat er als Dozent an der<br />
Junioruniversität sieben bis zehn Jahre<br />
Auf der Weihnachtsfreier der SPD Heckinghausen-Heidt<br />
Foto: David Mintert<br />
alte Mädchen und Jungen auf eine Reise<br />
in die Elektrotechnik mitgenommen.<br />
„Wie kommt der Strom in die Steckdose?“<br />
hieß die Ausgangsfrage. Warum<br />
bleiben Haare am Kamm hängen? Das<br />
Phänomen kennt jeder, die Erklärung<br />
ist eine andere Sache. Heiko Meins<br />
demonstriert an einem Luftballon, an<br />
dem ein Wollschal gerieben wird, wie<br />
sich Elektronen bilden: Styroporkügelchen<br />
bleiben jetzt an dem Ballon<br />
hängen, die vorher, also ohne Reibung<br />
mit dem Schal, nicht gehaftet hätten.<br />
Komplexe Vorgänge anschaulich zu<br />
machen, ist sein Anspruch. <strong>Die</strong> Kinder<br />
sollen „keine Angst, aber Respekt“ vor<br />
technischen Abläufen haben, die ja auch<br />
bei Fehlbenutzung gefährlich werden<br />
können. Sein jüngster Kurs über Mikrocontrollerprogrammierung<br />
richtet sich<br />
an Zehn bis 14-Jährige. Mikrocomputer<br />
stecken heutzutage in jeder Waschmaschine<br />
oder jedem Handy, das Interesse<br />
ist schnell geweckt.<br />
<strong>Die</strong> Arbeit für die Junioruni ist ehrenamtlich.<br />
„Sie gibt mir sehr viel.“ Aus<br />
„Spaß an der Freude“ ist Meins auch<br />
Schöffe geworden. Einmal im Monat<br />
nimmt er an einer Gerichtsverhandlung<br />
teil. Bei der Konstellation „ein Richter,<br />
zwei Schöffen“ kann es durchaus<br />
49
50<br />
vorkommen, dass die Beisitzer den<br />
ausgebildeten Juristen überstimmen.<br />
Bei einem seiner letzten Fälle ging es<br />
um den <strong>Die</strong>bstahl von Thermomixgeräten,<br />
in denen, der Leser ahnt es schon,<br />
ebenfalls ein kleiner Mikrocomputer<br />
steckt, der ausgelesen werden kann und<br />
Auskünfte darüber gibt, wie lange solch<br />
ein innovativer Küchenhelfer benutzt<br />
worden ist und ob es sich beispielsweise<br />
um ein Vorführgerät handelt. Aus<br />
diesem „Fall“ lässt sich unter Weglassung<br />
von Namen und Daten durchaus<br />
lebendiger Unterricht gestalten.<br />
Nicht meckern, sondern anpacken,<br />
könnte sein Lebensmotto heißen, und<br />
so ließ er sich auch nicht lange bitten,<br />
als ihm sein SPD-Ortsverein nahelegte,<br />
für die Bezirksvertretung Heckinghausen<br />
zu kandidieren. Über seine Arbeit<br />
in dem Gremium berichtet er kontinuierlich<br />
auf seiner eigenen Internetseite<br />
www.heiko-meins.de. Erfreut konnte er<br />
bei einem der letzten – regelmäßig stattfi<br />
ndenden – Informationsstände seiner<br />
Partei feststellen, dass Öffentlichkeitsarbeit<br />
zu bestimmten <strong>Zeit</strong>en aufmerksam<br />
registriert wird: „Ihr seid die Einzigen,<br />
die sich auch, wenn keine Wahlen angesagt<br />
sind, blicken lassen.“<br />
Dem umtriebigen Meins sind auch<br />
in seiner Freizeit schweißtreibende<br />
Geocaching: beim Klettern (Nordpark<br />
Wuppertal) Foto: Michael <strong>Die</strong>derichs<br />
Tätigkeiten nicht fremd. Gemeinsam<br />
mit seiner Lebensgefährtin Claudia<br />
Schmidt, die im Einzelhandel beschäftigt<br />
ist, geht er regelmäßig in die<br />
Tanzschule: Standard und Latein sind<br />
die Disziplinen. Beide leben seit sieben<br />
Jahren zusammen. Dritter im Bunde ist<br />
eine Katze namens „Pünktchen“. Und<br />
beide frönen einer weitgehend noch<br />
unbekannten Lieblingsbeschäftigung,<br />
dem Geocaching.<br />
Dabei handelt es sich um eine „Schnitzeljagd<br />
per Satellit“, wie es in einer<br />
Reportage heißt, die in der WSW-<br />
Mitarbeiterzeitschrift „Kontakt“<br />
erschienen ist. Heiko Meins wurde zu<br />
diesem Zweck auf die Hardt begleitet,<br />
wo er mittels eines „Cashes“ und eines<br />
GPS-Empfängers eine kniffl ige Aufgabe<br />
zu bewältigen hatte. Das Gerät, das<br />
der Verarbeitung des global positioning<br />
systems, das vielen Autofahrern vom Navi<br />
her ein Begriff ist, dient, sieht aus wie<br />
ein in die Jahre gekommenes Handy und<br />
ist das wichtigste Werkzeug des „Schatzsuchers“.<br />
<strong>Die</strong> Koordinaten des Caches holt sich<br />
der Interessent von bestimmten Seiten<br />
im Internet, die www.geocaching.de oder<br />
ähnlich heißen. Ein Geocache ist in der<br />
Regel ein wasserdichter Behälter, in dem<br />
sich ein Logbuch, in das sich der Besucher<br />
einträgt, und kleine Gegenstände<br />
befi nden, beispielsweise eine CD oder<br />
DVD oder ein Buch, die man herausnimmt<br />
beziehungsweise tauscht.<br />
<strong>Die</strong> Kunst besteht darin, das Versteck zu<br />
fi nden, in dem der Cache deponiert ist.<br />
Bei komplizierteren Aufgaben müssen<br />
Koordinaten ermittelt werden, die zu<br />
weiteren Caches führen. <strong>Die</strong>ses moderne<br />
Schatzsucherspiel ist vor allem in den<br />
nordeuropäischen Ländern Dänemark,<br />
Finnland, Schweden und Norwegen<br />
stark verbreitet. Weltweit existieren 1,6<br />
Millionen „aktive Caches“, darunter<br />
über 200.000 in der Bundesrepublik.<br />
Heiko Meins arbeitet derzeit selbst an<br />
der Installierung eines solchen Verstecks,<br />
das, so viel verrät er schon jetzt, „mit der<br />
Geschichte Wuppertals“ zu tun hat.<br />
Für den Motorradfahrer und Jogger, der<br />
17 Jahre beim Deutschen Roten Kreuz<br />
tätig war, ist die moderne Schatzsuche<br />
„genau das richtige Hobby, weil ich<br />
dabei meine Leidenschaft für Technik,<br />
Elektronik und Informationsverarbeitung<br />
mit dem Bedürfnis, mich nach der<br />
Arbeit in der freien Natur zu bewegen,<br />
verbinden kann“. Hauptsache, man<br />
kann sich orientieren.<br />
Matthias Dohmen<br />
Geocaching in einem Einbahntunnel am Dahler Berg (Eisenbahnstrecke stillgelegt)<br />
Foto: Heiko Meins (Selbstauslöser)
Neue Kunstbücher<br />
Nichts als die Wahrheit<br />
vorgestellt von Thomas Hirsch<br />
Robert Capa, der als Endre Friedmann<br />
1913 in Budapest geboren wurde, ist eine<br />
Legende. Bis heute gilt er als der wichtigste,<br />
vielleicht einzig wirklich bekannteste<br />
Kriegsfotograf, auch weil er selbst seinem<br />
Metier zum Opfer gefallen ist, als er 1954<br />
in Indochina auf eine Mine trat. Capa fotografi<br />
erte für Agenturen den Spanischen<br />
Bürgerkrieg, die japanische Invasion<br />
in China, den Zweiten Weltkrieg und<br />
die Kriege in Palästina und Indochina.<br />
Zu einer <strong>Zeit</strong>, als die Fotokamera noch<br />
schweres Gepäck war, hat Capa Ikonen<br />
der Kriegsberichterstattung geschaffen.<br />
Aber er war auch Lebemann und Frauenheld.<br />
Eine gute, aus dem Französischen<br />
übersetzte und von Knesebeck verlegte<br />
Biographie von Bernard Lebrun und<br />
Michel Lefebvre geht all dem akribisch<br />
Bernard Lebrun, Michel Lefebvre: Auf den<br />
Spuren von Robert Capa, 264 S. mit 200<br />
üwg. s/w-Abb., Hardcover, 26 x 21,5 cm,<br />
Knesebeck, 39,95 Euro<br />
nach und versucht die Widersprüche und<br />
die Konsequenzen herauszuarbeiten. Vor<br />
allem ordnet sie Capa in seine <strong>Zeit</strong> ein<br />
und stellt den kulturellen Kontext her, in<br />
dem sich Capa virtuos bewegte. Und sie<br />
zeigt, dass Capa über die Kriegsberichterstattung<br />
hinaus das gesellschaftliche<br />
Leben und zeitgeschichtliche Ereignisse<br />
meisterlich fotografi ert hat. Das Buch<br />
konzentriert sich auf die <strong>Zeit</strong> in Paris, wo<br />
Capa Wohnsitz und Atelier hatte, welches<br />
nun gesichtet wurde. Hilfreich ist gewiss<br />
auch zu sehen, wie Capas Fotografi en in<br />
den Magazinen publiziert wurden. Schade<br />
ist, dass im Buch die eigentlichen und die<br />
begleitenden Fotografi en gleich behandelt<br />
werden und vor allem deshalb nur wenig<br />
von der Energie der eigentlichen Bilder<br />
rüberkommt. Aber: Gut und lebhaft<br />
geschrieben!<br />
Hier hilft ein anderes Buch weiter.<br />
Robert Capa, 96 S. mit 33 s/w und 10<br />
Farbabb., Hardcover, 36 x 26,5 cm, Stern<br />
Portfolio <strong>Nr</strong>. 66. TeNeues, 18,- Euro<br />
TeNeues hat in seiner Reihe der Stern<br />
Portfolio zu den großen Fotografen nun<br />
den Band zu Robert Capa aufgelegt. Dort<br />
ist Robert Capa nahezu ausschließlich<br />
Kriegsberichterstatter. <strong>Die</strong> Bilder haben<br />
nun die Größe und Wucht, um etwas von<br />
dem Schockierenden zu vermitteln, das<br />
sie zum <strong>Zeit</strong>punkt ihrer Veröffentlichung,<br />
inmitten der Konfl ikte, zweifelsohne<br />
besaßen. Zumal durch die doppelseitigen<br />
Aufnahmen erschließt sich, was die Qualität<br />
von Capas Fotos ausmacht, die genau<br />
die Sekunde festhalten, die berührt. Und<br />
in anderen Aufnahmen wendet er sich<br />
den Details am Rande zu. Beide Bücher<br />
zusammen runden das Wissen um Capa.<br />
Vielleicht ist der Schweizer Fotograf und<br />
Maler Jakob Tuggener (1904-1988) in<br />
seiner Intensität dem verwandt. Seine<br />
s/w-Bildfolge „Fabrik“ enthält nicht nur<br />
Maschinen- und Fabrikaufnahmen sondern<br />
zeigt auch die Arbeiter in ganzseitigen<br />
Porträts sowie Ansichten der Natur,<br />
und zwar in einer expressiv subjektiven<br />
Bildsprache, die etwas unterschwellig<br />
Bedrohliches besitzt: Es war das Jahr 1943<br />
und die Schweiz produzierte unbehelligt<br />
Waffen für den Zweiten Weltkrieg. Tuggener<br />
hat riesige Zahnräder aus der Nähe<br />
aufgenommen, eine Lokomotive verschwindet<br />
im Rauch, die hoch aufragende<br />
Backsteinfront einer Fabrikhalle nimmt<br />
das ganze Format ein. Aber plötzlich<br />
bahnt sich die Gischt eines Gebirgsbaches<br />
einen Weg zwischen den Felsen.<br />
<strong>Die</strong> Dramaturgie ist – wie die Bilder<br />
selbst – meisterlich. Aber kaum jemand<br />
in der Schweiz wusste beim Erscheinen<br />
die Kritik zu verstehen, schon bald geriet<br />
das Buch in Vergessenheit. Großartig,<br />
dass es endlich mit Unterstützung der Jak<br />
Tuggener Stiftung als Faksimile bei Steidl<br />
wieder aufgelegt wurde, schon die Haptik<br />
des Papiers, welche das Schwarz vertieft,<br />
ist ein Genuss.<br />
Tuggener selbst sprach übrigens von einem<br />
„Bildepos“, das und seine Hinwendung<br />
zu Fragen der Zivilisation hat er mit dem<br />
so ganz anderen Künstler Dan Graham<br />
gemeinsam. <strong>Die</strong> Fotografi e ist der<br />
wahrscheinlich am wenigsten bekannte<br />
Teil von Grahams Werk, das vor allem<br />
Objekte, Installationen und popkultur-<br />
und gesellschaftsanalytische Texte umfasst.<br />
Jak Tuggener, Fabrik, Ein Bildepos der<br />
Technik, 104 S. mit 95 s/w Abb., Leinen<br />
mit Schutzumschlag, 30 x 22 cm, Steidl,<br />
Faksimile der Originalausgabe von 1943,<br />
65,- Euro<br />
51
52<br />
Dan Graham’s New Jersey, englisch, 192 S.<br />
mit 110 Farbabb., geb. in Leinen, 26 x 19<br />
cm, Lars Müller Publishers, 45,- Euro<br />
Damit gehört Dan Graham (geb. 1942) zu<br />
den einfl ussreichsten US-amerikanischen<br />
Künstlern. Ein Fokus seiner Arbeit liegt auf<br />
den Riten und Formen des Bürgerlichen.<br />
Das ist nun auch das Thema der farbfotografi<br />
schen Serien „Homes for America“,<br />
die Graham in der zweiten Hälfte der<br />
1960er Jahre aufgenommen hat, und des<br />
inhaltlich daran anschließenden Projektes<br />
„Dan Graham’s New Jersey“ aus dem Jahr<br />
2006. Beides fasst nun ein grandioses Buch<br />
zusammen, für das er eine konzentrierte dialogische<br />
Auswahl getroffen hat – mitunter<br />
kehren die frühen Orte und Motive später<br />
wieder. Zu sehen sind gutbürgerliche Einfamilienhäuser,<br />
Plätze und Straßensituationen<br />
an der urbanen Peripherie, wobei sich<br />
Graham für Oberfl ächen, Fassaden und<br />
Architekturstrukturen interessiert. In den<br />
frühen Fotografi en geht er extrem nahe<br />
heran und arbeitet mit Unschärfen und<br />
Spiegelungen. 2006 ist es immer noch der<br />
gleiche Blick, der banale Funktionalitäten<br />
fokussiert, aber Graham wahrt nun mehr<br />
die Übersicht und zeigt das Ganze. Übrigens<br />
hat Graham einzelne der Fotografi en<br />
kommentiert, lapidar, trocken. Fotografi e<br />
ist hier kein autarkes Ereignis, sondern<br />
kontextorientiertes Medium zur Analyse.<br />
Das Buch aber, das Lars Müller Publishers<br />
daraus gemacht hat, gehört (obzwar leider<br />
nur in Englisch) mit zu den schönsten<br />
und besten auf dem Kunstbuch-Markt der<br />
letzten <strong>Zeit</strong>.<br />
Was ist aus der „eigentlichen“ Fotografi e<br />
geworden, die im 19. Jahrhundert mit<br />
dem Anspruch angetreten ist, in einzelnen<br />
prägnanten Bildern aufrichtig nichts als die<br />
Wahrheit zu vermitteln? Bei Capa ist sie<br />
von einer bestimmten Intention gesteuert<br />
(und unterliegt bei ihm sogar der Vermutung<br />
gestellter Aufnahmen), bei Tuggener<br />
Cindy Sherman, Das Frühwerk 1975-<br />
1977, 374 S. mit 240 Duplex- und 44<br />
Farbabb., geb. mit Schutzumschlag, 28,5 x<br />
23 cm, Hatje Cantz, 58,- Euro<br />
Kultur, Information und Unterhaltung im Internet<br />
Täglich neu – mit großem Archiv<br />
Literatur – Musik – Bühne – Film – Feuilleton – Museen – Comic – Fotografi e – Reise<br />
Unabhängig, werbefrei und ohne Maulkorb<br />
www.musenblaetter.de<br />
verfügt sie über einen Subtext, der das<br />
fotografi sch Ansichtige in Frage stellt. Mit<br />
der Autonomie als Kunstform und der Nobilitierung<br />
konzeptueller Verfahren aber ist<br />
alles möglich. Dan Graham behandelt die<br />
Fotografi e als Referenzmaterial. Und Cindy<br />
Sherman (geb. 1954) setzt sie bewusst<br />
zur Camoufl age ein: Sie ist Regisseurin,<br />
Kostümbildnerin und Akteurin vor und<br />
hinter der Kamera. Sie inszeniert Bilder,<br />
die bedeutungsschwanger, erzählerisch und<br />
verstörend sind. Einziger Gegenstand ihrer<br />
Aufnahmen ist sie selbst in Verkleidungen,<br />
auch die Anmutung als Bild wechselt –<br />
dazu hat Sherman ein Repertoire entwickelt,<br />
das immer weitere Kreise zieht. Wie<br />
sehr dieses schon zu Beginn ihres künstlerischen<br />
Tuns ausdifferenziert ist, das zeigt<br />
nun der Werkkatalog der Jahre 1975-77,<br />
erschienen bei Hatje Cantz. Das Frühwerk<br />
wird hier minutiös aufgeblättert; zu sehen<br />
sind Cutouts inszenierter, verkleideter Figuren,<br />
die nun an der Ausstellungswand ein<br />
Theaterstück aufführen, wobei Sherman<br />
selbst alle Rollen einnimmt. Es gibt Tableau<br />
mit Porträts, die sich unmittelbar aufeinander<br />
beziehen, oder sukzessive Serien ein<br />
und derselben fotografi erten Person, wobei<br />
lediglich Körperhaltung und Mimik differieren.<br />
Vieles aus dem späteren Programm<br />
ist schon da zu sehen und deswegen ist<br />
dieses Buch so wichtig für die Rezeption<br />
von Shermans weltweit geschätztem Werk.<br />
Auch ihre soziokulturellen Themen liegen<br />
bereits vor; mit diesen behandelt Sherman<br />
Fragen der weiblichen Identität und der<br />
Entstehung von Klischees und Rollenbildern<br />
in unserer Gesellschaft und geht<br />
der emotionalen Wirkung fotografi scher<br />
Bilder nach. Fotografi e erweist sich bei ihr<br />
als indirektes Medium, ohne an Direktheit<br />
einzubüßen – aus diesem brisanten Wechselverhältnis<br />
erwächst bedeutende Kunst.
Geschichtsbücher, Buchgeschichten<br />
Vorgestellt von Matthias Dohmen<br />
Einen zu Unrecht vergessenen deutschen<br />
Spitzenpolitiker stellt Dr. Hildegard Wehrmann<br />
in ihrer wissenschaftlichen Biographie<br />
„Hermann Pünder“ vor. Der in Trier<br />
geborene Jurist war schon in frühen Jahren<br />
Staatssekretär unter Luther, Marx, Müller<br />
und Brüning sowie Regierungspräsident<br />
in Münster, in der jungen Bundesrepublik<br />
dann Oberbürgermeister von Köln<br />
und Oberdirektor der Bizone respektive<br />
Trizone. In der Weimarer <strong>Zeit</strong> Mitglied<br />
der Zentrumspartei, gehörte er nach 1945<br />
zu den Mitbegründern der CDU und<br />
engagierte sich an exponierter Stelle für<br />
Europa. Nach dem 20. Juli 1944 wurde er<br />
verhaftet und in den Konzentrationslagern<br />
Buchenwald und Dachau drangsaliert. Zu<br />
unterschiedlichen <strong>Zeit</strong>en gehörte er dem<br />
nordrhein-westfälischen Landtag, dem<br />
Deutschen Bundestag und dem Europaparlament<br />
an. Sohn seiner <strong>Zeit</strong>, sah er die<br />
„bolschewistische Weltanschauung“ als fulminante<br />
Bedrohung gerade des westlichen<br />
Deutschland. Auch wenn das ständige<br />
Einrücken von Zitaten den Lesefl uss mitunter<br />
hemmt: Dem beachtenswerten Werk<br />
ist eine große Verbreitung zu wünschen.<br />
Hildegard Wehrmann, Hermann Pünder<br />
(1888-1976). Patriot und Europäer, Essen:<br />
Klartext 2011 (= Düsseldorfer Schriften<br />
zur Neueren Landesgeschichte und zur<br />
Geschichte Nordrhein-Westfalens, Bd. 85).<br />
523 S., 49,95 Euro<br />
Der Wahrheit eine Gasse. In seiner außergewöhnlich<br />
materialreichen und auch<br />
noch gut geschriebenen Untersuchung<br />
„Nicht ermittelt“ weist der Historiker<br />
und Journalist Dr. Stefan Klemp nach,<br />
dass trotz erwiesener systematisch begangener<br />
Gräueltaten „Angehörige der<br />
Ordnungspolizei und insbesondere von<br />
Polizeibataillonen systematisch von einer<br />
Strafverfolgung ausgenommen worden<br />
sind“. Einer dieser Schergen schrieb<br />
1941 über seine Verwendung an einem<br />
osteuropäischen Schauplatz an seine Frau:<br />
„<strong>Die</strong> Juden werden gänzlich ausgerottet.<br />
Liebe Hannah, mach dir keine Gedanken<br />
drüber. Es muss sein. Und dem Rüdiger<br />
nichts davon erzählen, später mal.“ Des<br />
Sohnes Altersgenossen ging es weniger<br />
kommod: „Helm. F. und ich haben einen<br />
Juden und jeder eine Jüdin, die eine ist<br />
15 und die andere 19 Jahre alt, die eine<br />
heißt Eide und die andere Chahwa. <strong>Die</strong><br />
machen für uns alles, was wir wollen“<br />
(sämtliche Zitate S. 7 f.).<br />
Es kam im Westen, dem Eldorado hoher<br />
und höchster NS-Polizeioffi ziere, zu<br />
ganzen 17 Verurteilungen, in der DDR<br />
dagegen zu 26 (S.10). Das wird zu gerne<br />
vergessen.<br />
Stefan Klemp, „Nicht ermittelt“. Polizeibataillone<br />
und die Nachkriegsjustiz – Ein<br />
Handbuch, Essen: Klartext 22011 (= Villa<br />
ten Hompel, Bd. 5). 601 S., 39,95 Euro<br />
Ein Tabuthema, gewiss. Aber ein Autor,<br />
der als international renommierter<br />
Palliativmediziner und in der Philosophie<br />
von Seneca bis Schopenhauer bewanderter<br />
Mann „Über das Sterben“ schreibt<br />
und, wie es schon im Vorwort heißt, den<br />
Menschen „ein Stück weit“ die „Angst vor<br />
einem qualvollen Sterben“ nehmen will,<br />
weil Panik zu einer Art sich selbst erfüllender<br />
Voraussage werde, wie es Prof. Dr.<br />
Gian Domenico Borasio in seinem Vorwort<br />
formuliert.<br />
Das Buch ist im besten Sinne populärwissenschaftlich<br />
und bietet desungeachtet<br />
einen Anmerkungsapparat sowie eine<br />
Liste nützlicher Internetseiten. Nicht das<br />
Sterben sei das Problem, zitiert er eine<br />
britische Ärztin, sondern „festzustellen,<br />
dass man nicht gelebt hat“.<br />
„Was wissen wir über das Sterben?“, heißt<br />
das erste Kapitel. Der Autor beschäftigt<br />
sich ferner mit den Orten, an denen man<br />
zu Tode kommt (Krankenhäuser, Hospize,<br />
zu Hause), mit den Dingen, die der<br />
Mensch am Lebensende benötigt (medizinische<br />
Therapie, psychosoziale Begleitung,<br />
spirituelle Begleitung, allem gemeinsam:<br />
Kommunikation), Vorsorge, Sterbehilfe<br />
und dem „Geschenk der Palliativmedizin“.<br />
Gian Domenico Borasio, Über das Sterben.<br />
Was wir wissen – Was wir tun können –<br />
Wie wir uns darauf einstellen, München:<br />
Beck 2012.207 S., 17,95 Euro<br />
53
54<br />
Daniel Glattauers E-Mail-Dialog<br />
„Gut gegen Nordwind“<br />
im TiC-Theater Wuppertal<br />
Regie: Ralf Budde<br />
Bühne: Iljas Enkaschew<br />
Kostüme: Wiebke Fichte<br />
Besetzung:<br />
Petra Koßmann als Emmi Rothner<br />
und André Klem als Leo Leike<br />
unten links:<br />
Petra Koßmann als Emmi Rothner<br />
unten rechts:<br />
André Klem als Leo Leike<br />
Fotos: Martin Mazur<br />
Angenagte Herzen<br />
Nicht neu, aber originell<br />
Es ist im <strong>Zeit</strong>alter der E-Post offenbar<br />
beinahe unmöglich, ein <strong>Zeit</strong>schriften-<br />
Abonnement zu kündigen, zumindest<br />
wenn man sich konsequent bei der<br />
elektronischen Adresse vertippt. Das<br />
passiert Emmi Rothner (Petra Koßmann),<br />
als sie das LIKE-Magazin abbestellen will<br />
und durch einen permanenten Tippfehler<br />
immer wieder im PC-Postfach des Kommunikationsberaters<br />
und Sprachpsychologen<br />
Leo Leike (André Klem) landet. <strong>Die</strong><br />
gleichermaßen charmant unterhaltsame<br />
wie dramatisch überzeugende Geschichte,<br />
die Daniel Glattauer aus der nicht<br />
gänzlich neuen Idee („The Shop around<br />
the Coner“/“E-Mail for you“) entwickelt<br />
hat, wurde von Ralf Bude mit sicherer<br />
Hand auf zweigeteilter Bühne im Wuppertaler<br />
TiC-Theater in Szene gesetzt.<br />
Aus dem anfangs schnippischen, wenn<br />
auch neugierigen Austausch von Belanglosigkeiten<br />
entsteht bald ein reger Dialog<br />
zweier Menschen, die sich nicht kennen,<br />
aber ganz offenbar das Bedürfnis haben,<br />
sich jemandem zu öffnen. Spitzfi ndig,<br />
wortreich, humorvoll, ironisch – ja, auch<br />
frivol, entwickelt sich das ewige Spiel der<br />
Geschlechter, wobei Emmi jene ist, die<br />
dabei die Köder auslegt, welche von Leo<br />
zu gerne geschluckt werden.<br />
Petra Koßmann zieht alle Register<br />
Ist Emmi wirklich verheiratet, wie sie im<br />
Moment der ersten Möglichkeit einer<br />
wirklichen Begegnung behauptet? Hat<br />
sie Angst vor einem „richtigen“ Kontakt?<br />
Und schiebt das zum Schutz vor? Es sieht<br />
ganz so aus, denn natürlich ist sie nicht<br />
verheiratet, mutmaßt der Zuschauer,<br />
die Zuschauerin, werden doch Emmis<br />
Avancen beim zweiten Anlauf intimer,<br />
erotischer. Leo hingegen räumt seine<br />
Schwachstelle, seine „Ex“ Marlene offen<br />
ein, die ihm auch jetzt noch im Kopf<br />
herumspukt. Wer und was beide aber<br />
sind, wissen sie geschickt voreinander<br />
zu verbergen, wobei Emmi den Schleier<br />
dichter hält als Leo. Während Leos<br />
verliebtes Emmi-Dossier wächst, spielt
Emmi ihr Spiel – durchaus durchtrieben<br />
und gelegentlich sogar ein bißchen<br />
perfi de. Petra Koßmann, eine brillante<br />
Charakterdarstellerin, deren „Fräulein<br />
Else“, „Iphigenie“, „Camille Claudel“<br />
oder die „Blanche“ in „Endstation Sehnsucht“<br />
noch vital in Erinnerung sind, zog<br />
alle Register der Schauspielkunst, ließ<br />
dabei die tiefe Emotionalität erkennen,<br />
die in der scheinbaren Leichtigkeit des<br />
Stoffes liegt. So wie ihre Emmi ziemlich<br />
durchtrieben ihr Mail-Gegenüber Leo<br />
bei gelegentlichem Wechsel des Kräfteverhältnisses<br />
über die entscheidenden<br />
Strecken des Stückes führt, hatte auch<br />
Petra Koßmann mit brillanter Sprache,<br />
Körpersprache und Mimik stets den<br />
Faden des Geschehens in der Hand. Ob<br />
schmelzend sehnsuchtsvoll oder verführerisch<br />
lockend, fordernd zornig oder<br />
melancholisch betrübt, verzagt ängstlich<br />
oder forsch geradeaus, provozierend<br />
erotisch oder abwartend zögerlich – sie<br />
beherrscht nicht nur ihren (linken) Teil<br />
der Bühne (Iljas Enkaschew).<br />
Angenagte Herzen<br />
Fast unmerklich entwickelt sich der elektronische<br />
Flirt zu einer wenn auch berührungslosen,<br />
aber doch handfesten Affäre<br />
mit unverhüllten erotischen Begehrlichkeiten,<br />
schäumender Eifersucht, vorbehaltlosen<br />
Liebesgeständnissen „Leo, Sie sind<br />
phantastisch gut gegen Nordwind!“ und<br />
unverhüllten Angeboten – wobei die<br />
erotischen Impulse genauso wie die kalten<br />
Duschen von Emmi ausgehen. <strong>Die</strong> dramatische<br />
Wendung tritt mit einer aus dem<br />
Off gelesenen Mail von Emmis Ehemann<br />
Bernhard an Leo ein Er existiert tatsächlich,<br />
ebenso wie offenbar die Kinder des<br />
Paares. Doch hier gelingt es Glattauer nicht<br />
ganz, die eigene Vorgabe spritziger Intelligenz,<br />
mit der er den Stoff angegangen ist,<br />
zu halten – es wird verstörend kitschig,<br />
wenn auch notwendig für die Katharsis.<br />
Leos Lage wird unhaltbar. André Klem<br />
vermittelt den Schockzustand, in den Leo<br />
dadurch tritt, nachvollziehbar. Doch auch<br />
trotz seines festen Entschlusses, von Emmi<br />
zu lassen, die für die Phase des ersten<br />
Erschreckens ebenfalls Abstand zu nehmen<br />
vorhat, läßt sich Leo erneut auf das Spiel<br />
mit dem Feuer ein, erliegt der – Verzeihung<br />
meine Damen – typisch weiblichen Manipulation<br />
Emmis in typisch – Verzeihung<br />
meine Herren – männlicher Bereitschaft,<br />
sich verführen, überreden zu lassen. <strong>Die</strong><br />
verhängnisvolle Affäre steuert unter großer<br />
Spannung auf eine Entscheidung zu…<br />
Dramatisches Kammerspiel<br />
Ralf Budde hat das sich dramatisch zuspitzende<br />
Kammerspiel auf der originellen<br />
Bühne in großer Dichte umgesetzt und<br />
dabei vor allem mit Petra Koßmann, einer<br />
mit allen Wassern gewaschenen Schauspielerin<br />
einen wirklichen Glücksgriff<br />
getan. Gelegentliche Unsicherheiten bei<br />
ihrem Partner André Klem werden sich in<br />
der Praxis der Aufführung abschleifen.<br />
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55
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Museum Ludwig<br />
Ausstellung David Hockney<br />
27. Oktober 2012 - 3. Februar 2013<br />
Seine Swimmingpool-Paintings gehören<br />
zu den populärsten Bildformeln der<br />
1960er Jahre. Als schillernde Figur des<br />
„Swinging London“ und Bildchronist<br />
eines coolen Californian Way of Life<br />
wurde David Hockney weltbekannt, aber<br />
auch mit seinen einfühlsamen Porträts,<br />
meisterhaften Stillleben oder Lanschaftsgemälden,<br />
Fotocollagen, Bühnenbildern<br />
und intelligenten Verarbeitungen<br />
kunstgeschichtlicher Phänomene hat er<br />
seit Jahrzehnten einen Platz unter den<br />
bedeutendsten Künstlern der Gegenwart.<br />
David Hockney „The Arrival of Spring in<br />
Woldgate, East Yorkshire in 2011 (Twenty<br />
Eleven) - 2 January 2011!“ (1 Zeichnung<br />
aus einem 52 -teiligen Werk), Zeichnung<br />
auf Papier 144,14 x 107,95 cm<br />
© David Hockney<br />
Öffnungszeiten<br />
<strong>Die</strong>nstag bis Sonntag: 10 – 18 Uhr, jeden<br />
ersten Donnerstag im Monat: 10 – 22 Uhr<br />
www.museum-ludwig.de<br />
Museum Folkwang<br />
Im Farbenrausch - Munch, Matisse<br />
und die Expressionisten<br />
29. September 2012 - 13. Januar<br />
2013<br />
Das Museum Folkwang widmet<br />
einem der spannendsten Kapitel der<br />
Kunst des frühen 20. Jahrhunderts eine<br />
einzigartige Ausstellung. Sie stellt erstmals<br />
die „Fauves“, die sogenannten Wilden in<br />
der französischen Kunst, Henri Matisse,<br />
André Derain, Maurice de Vlaminck, den<br />
Norweger Edvard Munch und die jungen<br />
deutschen und russischen Expressionisten<br />
wie Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel,<br />
Alexej von Jawlensky, Wassily Kandinsky,<br />
Gabriele Münter und Franz Marc einander<br />
gegenüber. <strong>Die</strong> Fauves vollzogen eine<br />
grundlegende Neuerung, sie defi nierten<br />
in ihren Bildern das Verhältnis zwischen<br />
Natur und Kunst neu und ließen den<br />
Bildraum aus dem kraftvollen Zusammenwirken<br />
der Farben entstehen.<br />
Max Pechstein<br />
Sitzendes Mädchen / Sitzender weiblicher<br />
Akt, 1910, Staatliche Museen zu Berlin,<br />
Nationalgalerie<br />
© 2012 Pechstein, Hamburg/Tükendorf<br />
© Foto: Staatliche Museen zu Berlin,<br />
Nationalgalerie, Roman März<br />
André Derain, Vue de Collioure, 1905,<br />
Collioure. Das Dorf und das Meer<br />
Museum Folkwang, Essen<br />
© VG Bild-Kunst, 2011<br />
© Foto: Museum Folkwang, 2011<br />
Öffnungszeiten:<br />
Di bis So 10-20 Uhr, Fr 10-22.30 Uhr<br />
Montags geschlossen<br />
www.museum-folkwang.de/ausstellungen
im Skulpturenpark Waldfrieden, Wuppertal<br />
KUNST. MUSIK. NATUR.<br />
Im vierten Jahr bietet die Konzertreihe<br />
KlangArt im Skulpturenpark in der<br />
Sommerzeit 2012 mit sieben Konzerten<br />
in internationaler Besetzung ein Spektrum<br />
von zeitgenössischem Jazz, Improvisierter<br />
Musik und Weltmusik.<br />
Konzerte im August<br />
Samstag 18. > 19 Uhr > OPEN AIR ><br />
Jazz goes HipHop <<br />
SQUEEZEBAND<br />
Chico Freeman, Saxofon - Dany Martinez,<br />
Gitarre - Michel Alibo, Bass - Nino G., Beatbox<br />
- Reto Weber Schlagzeug, Perkussion<br />
<strong>Die</strong> „Squeezeband“ ist ein Projekt des<br />
Schweizer Perkussionisten Reto Weber. Mit<br />
dem Vocalisten NINO G, der zur Weltklasse<br />
der Beatboxszene gehört, hat er das<br />
Squeezeprojekt auf einen neuen Level gehoben.<br />
Er lud weitere seiner Freunde ein, allen<br />
voran Chico Freeman aus den USA. Neu in<br />
der Squeezeband sind auch der Gitarrist und<br />
Komponist Dany Martinez aus Cuba sowie<br />
Michel Alibo aus Martinique am Bass.<br />
Sonntag 19. > 19 Uhr > OPEN AIR<br />
> Ukuba Noma Unkungabi <<br />
JASPER VAN’T HOF‘s PILI PILI<br />
Jasper van‘t Hof Keyboards, Piano - Tutu<br />
Puoane, Gesang - Tineke Postma, Saxofon<br />
- Vasile Darnea, Violine - Anton Peisakhov<br />
Cello - Nic Thijs, Bass - Dra Diarra, Perkussion,<br />
Kora<br />
Der niederländische Pianist und Komponist<br />
Jasper van’t Hof verfolgt ein besonderes<br />
Interesse an afrikanischer Musik, das zur<br />
Zusammenarbeit mit afrikanischen Musikern<br />
und zur Gründung der Gruppe „Pili<br />
Pili“ führte.<br />
www.skulpturenpark-waldfrieden.de<br />
Kunstsammlung NRW<br />
Thomas Schütte – Wattwanderung<br />
noch bis zum 9. September 2012<br />
K21 Ständehaus<br />
Das Werk Wattwanderung setzt sich<br />
aus 138 einzelnen Radierungen zusammen,<br />
die auf einer Spannleine aufgehängt<br />
sind. Der Titel unterstreicht die Idee<br />
des Wanderns und des Entdeckens. Das<br />
Bildnis des Meeres assoziiert Ebbe und<br />
Flut, die Bewegung von einem Bild zum<br />
anderen. <strong>Die</strong> Motive bestehen zum großen<br />
Teil aus Portraits, Frauen und Blumen,<br />
Themen, die sich seit vielen Jahren wie<br />
Leitfäden durch das Oeuvre von Thomas<br />
Schütte (geboren 1954, lebt in Düsseldorf)<br />
ziehen. <strong>Die</strong> einzelnen Blätter verstehen<br />
sich auch als eine Art Tagbuch, in<br />
dem der Künstler 2001 die dramatischen<br />
und die banalen Geschehnisse des Alltags<br />
festhält.<br />
Thomas Schütte, Wattwanderung, No. 122,<br />
2001, Kupferstich, 32 x 44 cm, Kunstsammlung<br />
Nordrhein-Westfalen, erworben<br />
2004, © VG Bild-Kunst, Bonn 2012<br />
Foto: © Kunstsammlung NRW<br />
Viele der Radierungen sind mit Wörtern<br />
untermalt. Durch diese Wortspiele<br />
wirft der Künstler ernste Themen und<br />
Fragen auf: „Desaster des Friedens“, „Wie<br />
sieht eine Seele aus“, „Ground zero wie<br />
geht es weiter“ oder „Atmen nicht vergessen“.<br />
<strong>Die</strong> unterschiedlichen Bilder und<br />
Wörter lösen Assoziationen aus; Bilder aus<br />
der eigenen Welt werden wachgerufen.<br />
Durch die Reise zwischen den Bildern<br />
entfaltet sich die passive Bildanschauung<br />
zu einer aktiven Bildaufnahme, in der der<br />
Betrachter selbst Position zu beziehen hat.<br />
Öffnungszeiten:<br />
dienstags bis freitags 10.00-18.00 Uhr<br />
samstags, sonntags, feiertags<br />
www.bundeskunsthalle.de<br />
11.00-18.00 Uhr<br />
montags geschlossen<br />
www.bundeskunsthalle.de<br />
Sinfonieorchester Wuppertal<br />
Das Orchester wird 150 Jahre alt und<br />
spielt, was die Gäste hören wollen: In der<br />
neuen Saison gibt es viele Überraschungen.<br />
Bei der Vorstellung des Programms für<br />
die Saison 2012/2013: Chef-Dirigent<br />
Toshiyuki Kamioka mit Gerald Hacke,<br />
Nicola Hammer und Martin Schacht vom<br />
„Education-Team“ der Sinfoniker (von<br />
links nach rechts) Foto: Uwe Schinkel<br />
Im Jubiläumsjahr gibt’s sechs statt der<br />
sonst üblichen fünf Kammerkonzerte.<br />
Neben einem Gastspiel in Mailand (27.<br />
Februar) sind auch sechs Sonderauftritte<br />
in der Heimat geplant – darunter ein<br />
Konzert, in dem Abonnenten mitspielen<br />
(2. Februar).<br />
Los geht’s mit einem Paukenschlag:<br />
Das große Festkonzert soll am Samstag,<br />
15. September, um 20 Uhr in der Stadthalle<br />
über die Bühne gehen – mit Stücken<br />
57
58<br />
Kulturnotizen<br />
von Richard Wagner (Meistersinger-<br />
Ouvertüre) und Ludwig van Beethoven<br />
( Sinfonie <strong>Nr</strong>. 5 c-Moll op. 67). Beendet<br />
wird der Festreigen an der frischen Luft:<br />
Bei einer Open-Air-Gala soll sich der<br />
Laurentiusplatz am 13. Juli 2013 in eine<br />
große Bühne verwandeln.<br />
Schon einen guten Monat zuvor gibt<br />
es einen weiteren Grund zum Feiern: Mathias<br />
Christian Kosel komponiert eigens<br />
für das Wuppertaler Orchester ein neues<br />
Stück, das „Pan“ heißt und im neunten<br />
Sinfoniekonzert (2. und 3. Juni 2013)<br />
vorgestellt wird.<br />
Bundeskunsthalle Bonn<br />
Pixar – 25 Years of Animation<br />
Fr 6. Juli 2012 - So 6. Januar 2013<br />
Abb.: © Disney/Pixar<br />
Ab Sommer ist es soweit: Mit Nemo<br />
and Friends kommen zum ersten Mal<br />
die Helden von Pixars weltbekannten<br />
Animationsfi lmen nach Deutschland und<br />
machen ein halbes Jahr lang Station in der<br />
Bonner Bundeskunsthalle. <strong>Die</strong> Ausstellung<br />
bietet die seltene Gelegenheit, einen Blick<br />
hinter die Kulissen des kalifornischen<br />
Filmkonzerns zu werfen, der 1995 mit<br />
dem ersten vollständig computeranimierten<br />
Film 'Toy Story' riesige Erfolge feierte.<br />
Mit intelligentem Humor, feinem Gespür<br />
für Charaktere und immer brandneuer<br />
Animationstechnik gelingt es den PIXAR-<br />
Machern seit Jahren, ein Film-Highlight<br />
nach dem anderen zu produzieren. Für die<br />
bisher 12 Spiel- und diversen Kurzfi lme<br />
hat das Studio bereits 14 Oscars erhalten<br />
und war für 36 weitere nominiert.<br />
Dabei steht besonders die Arbeitsweise<br />
von Pixar mit über 500 Skizzen, Grafi ken,<br />
Farbzeichnungen und Skulpturen im<br />
Fokus. Zu den Höhepunkten der Ausstellung<br />
zählen das Artscape, ein Kinoraum,<br />
in dem Originalzeichnungen digital zum<br />
Leben erweckt werden und das Zoetrop,<br />
eine Art rotierendes Daumenkino. Besonders<br />
das junge Publikum dürfte sich auf<br />
eine Begegnung mit den Protagonisten aus<br />
'Ratatouille', 'Das große Krabbeln' und<br />
'Cars' freuen!<br />
Museumsmeile Bonn<br />
Friedrich-Ebert-Allee 4 53113 Bonn<br />
Öffnungszeiten:<br />
dienstags bis freitags 10.00-18.00 Uhr<br />
samstags, sonntags, feiertags<br />
www.bundeskunsthalle.de<br />
Theaterfest<br />
der Wuppertaler Bühnen<br />
am 8. und 9. September 2012<br />
Unser Theaterfest, mit dem wir die neue<br />
Spielzeit 2012/2013 eröffnen, fi ndet an<br />
einem Wochenende statt, an dem zugleich<br />
einige andere Feste gefeiert werden: am 8.<br />
und 9. September gratulieren die Wuppertaler<br />
ihrem Stadtteil Unterbarmen und<br />
der Friedrich-Engels-Allee zu ihrem 200.<br />
Geburtstag, feiern das Geschichtsfest und<br />
veranstalten am Samstagabend unter dem<br />
Titel „Flanieren auf der Allee“ ein autofreies<br />
Straßenfest. Der 9. September ist zudem der<br />
Tag des offenen Denkmals. Das Opernhaus<br />
markiert das Ende der Allee, es ist gleichzeitig<br />
ein „offenes Denkmal“ und mit einigem<br />
Recht Teil der Geschichte Wuppertals.<br />
Also nehmen wir an allen Festen teil. Am<br />
Samstag ab 14:00 Uhr lässt sich das Theater<br />
hinter die Kulissen schauen und zeigt dabei<br />
alles, was es kann: Maskenvorführungen,<br />
Kostümherstellung (inkl. Kostümversteigerung),<br />
Technikvorführungen, Beleuchtungsshows,<br />
Tonpräsentationen etc. Am Abend,<br />
wenn fl aniert wird, laden wir zu musikalischen<br />
Abstechern in historische Gebäude<br />
entlang der Allee ein. Und am Sonntag<br />
öffnen wir unser Denkmal für zahlreiche<br />
Führungen und berichten über die bewegte<br />
Geschichte des Theaters in Wuppertal und<br />
des Gebäudes in Barmen.<br />
Großes Kino an der Gathe:<br />
TALFLIMMERN – Freiluftkino<br />
im August<br />
<strong>Die</strong> Freiluftkino-Reihe in der Alten<br />
Feuerwache verspricht wieder einen guten<br />
Mix aus Mainstream und Anspruch.<br />
Mark Tykwer und Mark Rieder sind<br />
beiden Macher der „Talfl immern“-Reihe<br />
die schon die 15. Aufl age erlebt.<br />
Am 7. Juli hieß es das erste Mal „Film<br />
ab!“ – mit dem Oscar-gekrönten Meisterwerk<br />
„The Artist“.<br />
Steven Spielbergs Comic-Adaption<br />
„<strong>Die</strong> Abenteuer von Tim und Struppi“<br />
(16. August ) dürften an der Gathe<br />
ebenso ihr Publikum fi nden wie Andreas<br />
Dresens anspruchsvolles Drama „Halt auf<br />
freier Strecke“ (11. Juli) oder „The Lady“,<br />
das von Amnesty International am 24.<br />
August präsentierte Porträt der birmanischen<br />
Friedensnobelpreisträgerin Aung<br />
San Suu Kyi.<br />
Auch eine Vorpremiere ist wieder<br />
dabei: „Le Skylab – Familientreffen“ von<br />
Julie Delpy am 5. August. Dazu steht<br />
am 15. August mit „Buschka entdeckt<br />
Deutschland“ eine der im Moment angesagtesten<br />
Independent-Reportagen der<br />
Republik auf dem Spielplan. Regisseur<br />
Jörg Buschka wird seine Improvisations-<br />
Dokumentation selbst an der Gathe<br />
vorstellen – unterstützt vom Wuppertaler<br />
Musiker Sascha Gutzeit, der ab 22 Uhr<br />
das Publikum mit Live-Musik auf den<br />
Film einstimmt.<br />
<strong>Die</strong> Abendkasse ist an den jeweiligen<br />
Veranstaltungsabenden ab 20 Uhr geöffnet.<br />
Alles dazu und das volle Programm<br />
gibt es auf:<br />
www.talfl immern.de<br />
Freilichtbühne im Innenhof der Alten<br />
Feuerwache in der Elberfelder Nordstadt,<br />
Gathe 6, 42107 Wuppertal
Öffnungszeiten: Fr von 15 – 22 Uhr | Sa von 11 – 15 Uhr | Eintritt frei | Schloss Lüntenbeck | 42327 Wuppertal | www.schloss-luentenbeck.de<br />
KA<br />
RUS<br />
SELL<br />
Bergische<br />
<strong>Zeit</strong>schrift für<br />
Literatur<br />
Ausgabe 1/2012<br />
9,00 Euro<br />
Wuppertaler Literatur Biennale 2012<br />
TANZ ANZ TRÄUM TRÄUME<br />
Jugendliche tanzen „Kontakthof“ von Pina Bausch.<br />
Das Buch zum Film von Anne Linsel und Ulli Weiss<br />
Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> Wuppertal, 2011<br />
120 Seiten, 23 x 17 cm, Softcover<br />
ISBN 978-3942043-81-6, 19,80 Euro<br />
Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> <strong>KG</strong><br />
Friedrich-Engels-Allee 122<br />
42285 Wuppertal -<br />
Telefon 0202 - 28 10 40<br />
verlag@hpnackekg.de<br />
Götterspeise<br />
14. / 15. September 2012<br />
Kulinarische Meile Schloss Lüntenbeck<br />
1<br />
NEU<br />
zur Wuppertaler Literatur Biennale 2012<br />
Prosa | Lyrik | Essay<br />
von Marlene Baum, Eugen Egner,<br />
Christiane Gibiec, Arnim Juhre,<br />
Karl-Otto Mühl, Karla Schneider,<br />
Hermann Schulz, Andreas Steffens,<br />
Michael Zeller u. v. a.<br />
Karussell | Bergische <strong>Zeit</strong>schrift für Literatur<br />
<strong>Nr</strong>. 1/2012 – 115 Seiten, 9.– Euro –<br />
ab Juni im Buchhandel<br />
Herausgeber: Verband Deutscher Schriftsteller (VS),<br />
Region Bergisch Land und die Autorengemeinschaft<br />
Literatur im Tal mit freundlicher Unterstützung<br />
durch Kulturbüro der Stadt Wuppertal<br />
Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> Wuppertal<br />
ISBN 978 - 3 - 942043 - 85 - 4<br />
59
Der Tipp für alle<br />
ab 60<br />
Mit dem BärenTicket sind Sie im ganzen<br />
VRR-Gebiet unterwegs, rund um die Uhr und<br />
in der 1. Klasse.<br />
Weitere Infos im MobiCenter<br />
Tel.: 0202 569-5200<br />
www.wsw-online.de<br />
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