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Tanz ums goldene Kalb<br />

Harsch und zynisch jedoch macht Claire, die<br />

von Anbeginn Güllen mit der Macht ihres<br />

Geldes und zerstörerischer Stimmfrequenz in<br />

Schach hält, dem Wahn ein Ende. Sie nennt<br />

ihren Preis: den Tod Alfred Ills, der sie vor<br />

Jahrzehnten geschwängert, verlassen, durch<br />

Meineid zur Hure gemacht und den Tod des<br />

gemeinsamen Kindes verschuldet hat. Dafür<br />

bietet sie Güllen 1 Milliarde Euro (bei der<br />

Uraufführung 1956 war es noch 1 Million -<br />

so inflationär hat sich die Welt entwickelt).<br />

Die lautstarke Empörung der Güllener<br />

sowie die scheinbar konsequente Ablehnung<br />

des unmoralischen Angebots wandelt sich<br />

subkutan, eine durch die Verbesserung der<br />

Garderobe sichtbar gemachte Veränderung,<br />

die auch Alfred Ill nicht entgeht. Der Tanz<br />

ums goldene Kalb hat längst begonnen.<br />

Claire wird nicht nachgeben, zu groß ist der<br />

Haß, aus dem heraus sie ihre „Gerechtigkeit“<br />

brutal einfordert – und bekommen wird.<br />

v.l.n.r. Heisam Abbas, Harald Schwaiger, An Kuohn<br />

Starke Bilder, schroffe Striche<br />

Friedrich Dürrenmatt hat den Konflikt<br />

zwischen Geld und Moral, Schuld und<br />

Vergebung, Heuchelei und Aufrichtigkeit<br />

als moralische „tragische Komödie“ auf<br />

eine Spitze getrieben, bei der das Gelächter<br />

gallebitter ist. In Sybille Fabians dröhnender<br />

Inszenierung hat Gelächter im Stakkato<br />

kakophoner Klang-Kollagen, gepreßter, zerhackter,<br />

verzögerter Sprache keine Chance.<br />

Im wuchtigen Bühnenbild von Herbert<br />

Neubecker, einem sich auf einen Erdhaufen<br />

zu verjüngenden, neonbeleuchteten<br />

Säulengang in Speer-Architektur, wird die<br />

zigmal geliftete, fast nur noch aus Ersatzteilen<br />

bestehende „alte Dame“ mit operativ<br />

eingefrorenem Grinsen zur grotesken Nebenfigur<br />

eines Dramas, in dem die Chargen<br />

zu beängstigenden Exempeln bürgerlicher<br />

Verlogenheit aufsteigen. Die Karikaturen,<br />

die Sybille Fabian hier mit schroffen Strichen<br />

zeichnet, gehen unter die Haut, ins Mark.<br />

Ein Haufen Arschkriecher.<br />

Thomas Braus als nach unten tretender<br />

Polizist, Markus Haase als an seinem Stuhl<br />

klebender salbadernder Bürgermeister,<br />

Marco Wohlwend als verlogener Humanist<br />

und vor allem Heisam Abbas in seiner körperlich<br />

gelebten Rolle des bigotten Pfarrers<br />

geben dem Stück den schauspielerischen<br />

Glanz, der der Inszenierung ansonsten<br />

abgeht. Silvia Munzón López zeigt in vielen<br />

kleinen Rollen (herrlich: ihr Pfändungsbeamter)<br />

Wandlungsfähigkeit, und Juliane<br />

Pempelfort holt aus Mathilde, der farblos<br />

inszenierten Ehefrau Alfred Ills doch noch<br />

Farbe heraus. Was inhaltlich in qualvoll<br />

künstlich gedehnten zweieinviertel Stunden<br />

dadurch bisweilen langweilig auf die Bühne<br />

gebracht wurde, hätte in einer gerafften<br />

Aufführung eventuell überzeugen können.<br />

Sybille Fabian hat ihren bisherigen, teils auch<br />

kontrovers diskutierten Arbeiten für die<br />

Wuppertaler Bühnen (Kafka: „Der Prozeß“,<br />

Wedekind: „Lulu“, Molnar: „Liliom“) mit<br />

der ihr eigenen wuchtigen Bildsprache eine<br />

neuerlich das Bild vom bürgerlichen Theater<br />

umstürzende Inszenierung hinzugefügt. Das<br />

kam nicht bei allen Zuschauern der Premiere<br />

gut an, viele, sehr viele verließen die Aufführung<br />

vor der Zeit.<br />

Ein grausamer Spaß<br />

„Klara, sag, daß das alles nur ein Spaß, ein<br />

grausamer Spaß ist!“ Diesen verzweifelten<br />

Satz Alfred Ills mochte mancher der tapfer<br />

ausharrenden Zuschauer noch im Ohr<br />

haben, als er nach zweieinviertel quälenden<br />

Stunden ohne Pause den Saal des Teo Otto<br />

Theaters in Remscheid verließ. Man muß<br />

Sybille Fabians „Besuch der alten Dame“<br />

nicht mögen, aber man sollte ihn vielleicht<br />

doch gesehen haben. Wenn auch nur als<br />

abschreckendes Beispiel für mißverstandenes<br />

Theater.<br />

Premiere war am Samstag, 6. April 2013,<br />

19.30 Uhr als Gastspiel der Wuppertaler<br />

Bühnen vor nahezu ausverkauftem Haus im<br />

Remscheider Teo Otto Theater. Die Kooperation<br />

der Theater endet nach dieser Spielzeit<br />

durch Aufkündigung seitens Remscheid.<br />

Die Wuppertaler Premiere war am 17.<br />

Mai im Opernhaus.<br />

Frank Becker<br />

www.wuppertaler-buehnen.de<br />

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