Broschüre - Ökumenisches Netz Rhein-Mosel-Saar
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Die Kapitalismuskritik des <strong>Netz</strong>es ist<br />
ergänzungsbedürftig!<br />
Kritische Anmerkungen aus feministischer Perspektive<br />
Das Ökumenische <strong>Netz</strong> denkt und handelt aus der Empfindsamkeit<br />
für das Leiden von Menschen. Dies treibt zu einer radikalen<br />
Kapitalismuskritik. Sie lässt das Leiden von Menschen<br />
als gesellschaftliches Leiden sichtbar werden, mit dem Ziel, diesem<br />
Leiden im und am Kapitalismus ein Ende zu bereiten.<br />
Diese Orientierung hat zu einer Entwicklung von der Marktkritik<br />
hin zur Wertkritik geführt.<br />
Die Dynamik des Kapitalismus ist allein aus der Logik des Werts<br />
nicht verstehbar. Denn auch im Kapitalismus müssen Kinder<br />
erzogen, Haushaltstätigkeiten und Pflegetätigkeiten verrichtet<br />
werden. Der Bereich der Produktion ist nicht ohne den Bereich<br />
der Reproduktion zu haben. Es findet „eine geschlechtspezifische<br />
Abspaltung“ (Scholz 2000, 18) statt, „die mit dem Wert<br />
dialektisch vermittelt ist. Das Abgespaltene ist kein bloßes ‚Subsystem‘<br />
dieser Form […], sondern wesentlich und konstitutiv<br />
für das gesellschaftliche Gesamtverhältnis. […] Die Abspaltung<br />
ist der Wert und der Wert ist die Abspaltung“ (ebd.). Das Verhältnis<br />
von Wert und Abspaltung ist zugleich der verschwiegene<br />
Hintergrund der Verwertungsbewegung. Das Abgespaltene<br />
„stellt das Verschwiegene der Theorie selbst dar und kann deswegen<br />
nicht mit dem Instrumentarium der Wertkritik erfasst<br />
werden“ (ebd.).<br />
Der abgespaltene Bereich erfährt zudem eine Abwertung, die<br />
mit einer strukturellen Abwertung der Frau einhergeht, da sie<br />
mit den abgespaltenen, abgewerteten Tätigkeiten in Verbindung<br />
gesetzt wird. Der Frau werden aber nicht nur die abgespaltenen<br />
Tätigkeiten zugeschrieben, sondern auch Gefühle<br />
und Eigenschaften wie Sinnlichkeit, Emotionalität, aber auch<br />
Verstandes- und Charakterschwäche.<br />
Das männliche Aufklärungssubjekt ist dagegen geprägt von<br />
(Durchsetzungs-)Kraft, Intellekt und Charakterstärke. Der<br />
Mann ist dazu aufgefordert, die Natur zu beherrschen, indem<br />
er sie in Kultur umwandelt. Die Frau dagegen wird mit Natur<br />
kurzgeschlossen. Naturbeherrschung und die Beherrschung<br />
des Weiblichen bedingen sich gegenseitig (vgl. Scheich 1993).<br />
Frauenunterdrückung, die Marginalisierung des Weiblichen<br />
und die damit einhergehende Vernachlässigung des Sozialen<br />
und der Natur gehört somit zum verschwiegenen Hintergrund<br />
des warenproduzierenden Patriarchats (vgl. Scholz 2000, 110f).<br />
Zur ‚Verinnerlichung‘ von Wert und Abspaltung<br />
Das Verschweigen, Verleugnen und Verdrängen des Zusammenhangs<br />
von Wert und Abspaltung verweist darauf, dass dieser<br />
sich in Tiefenschichten abgelagert hat und als<br />
‚androzentrisches 1 gesellschaftliches Unbewusstes‘ (vgl. ebd.,<br />
111) wirkt. Der Zwang, der sich aus der Dynamik von Wert<br />
und Abspaltung ergibt, bleibt nicht äußerlich. Das Denken,<br />
Fühlen und Handeln von Menschen ist zunächst auch von<br />
einer für den Kapitalismus spezifischen Geschlechtlichkeit geprägt,<br />
ob dies nun den AkteurInnen bewusst ist oder nicht. Die<br />
verschiedenen einzunehmenden Rollen bedeuten auch, dass<br />
Frauen und Männer unterschiedliche Konflikte auszuhalten<br />
und zu bearbeiten haben. Freilich ist immer zu beachten, dass<br />
weder Männer noch Frauen in der ihnen zugeschriebenen<br />
Form gänzlich aufgehen. Dennoch ist im Kapitalismus von<br />
einem Zwang auszugehen, eine bestimmte geschlechtliche<br />
Identität ausbilden zu müssen. Und ebenso ist zu beachten,<br />
dass Frauen strukturell benachteiligt, ausgegrenzt und diskriminiert<br />
werden. Insofern ist diesem Leiden ein besonderer<br />
Platz einzuräumen, zumal gerade ‚weibliches Leiden‘ in an-