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Broschüre - Ökumenisches Netz Rhein-Mosel-Saar

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5<br />

von Rassismus und Chauvinismus geprägten Debatten um<br />

Flüchtlinge und die Änderung des Asylrechts, mit dem ersten<br />

Golfkrieg …<br />

In dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende des sog. real<br />

existierenden Sozialismus 1989 glaubten manche ZeitzeugInnen<br />

einer geschichtlichen Zäsur zu sein. Manche träumten von<br />

einer Friedensdividende, andere riefen gar das Ende der Geschichte<br />

in dem nun erreichten ‚Paradies‘ von Markt und Demokratie<br />

aus.<br />

Wer genauer hinsah, konnte bereits anderes wahrnehmen: Wenige<br />

Tage nach dem Fall der Mauer wurde – von der euphorisierten<br />

Öffentlichkeit kaum beachtet – die Jesuitenkommunität<br />

San Salvadors überfallen sowie ihre Köchin und deren Kind<br />

ermordet. Statt Friedensdividende eskalierte die Gewalt. Der<br />

erste Golfkrieg wurde geführt. In einem Papier aus dem Verteidigungsministerium<br />

war zu lesen: Bei militärischen Zielsetzungen<br />

müsse es um die „Aufrechterhaltung des freien<br />

Weltmarktes und des Zugangs zu strategischen sicheren Rohstoffen“<br />

gehen. Einige Jahre zuvor waren die ‚Geheimen Strategiepapiere‘<br />

des amerikanischen Militärs veröffentlicht<br />

worden. 2 Darin hatte eine Gruppe aus US-amerikanischen und<br />

lateinamerikanischen Militärs – angesichts stärker werdender<br />

Opposition u. a. aus befreiungstheologisch inspirierten Gruppen<br />

in Lateinamerika – Strategien entwickelt, die darauf ausgerichtet<br />

waren, westliche Interessen wie den Zugriff auf<br />

Rohstoffe und Energiequellen, die Zweidrittelwelt als Absatzund<br />

Investitionsmarkt zu sichern und kapitalistische Demokratien<br />

gegen den Kommunismus zu sichern sowie linke oppositionelle<br />

Bewegungen in einem Krieg ‚niederer Intensität‘ zu<br />

bekämpfen. Wesentliche Zielscheibe dieses Krieges war die<br />

Kirche der Armen. 3<br />

Wie war diese Situation zu bewerten? Was bedeutete sie für<br />

unsere Suche nach Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der<br />

Schöpfung – einer Perspektive, die von den Kirchen in verschiedenen<br />

konziliaren Versammlungen vorangetrieben<br />

wurde? Angesagt waren Vernetzung und darin inhaltliche und<br />

praktische Orientierung.<br />

In der Erinnerung an die 500jährige Geschichte der Eroberung<br />

Lateinamerikas ist unser Blick auf Geschichte und Gegenwart<br />

geschärft worden. Es musste die Perspektive der Besiegten und<br />

VerliererInnen, der Opfer von Macht und Gewalt sein. Damit<br />

zeichnete sich bereits ein Bruch mit einem naiven Fortschrittsoptimismus<br />

ab, wie er sich in der Vorstellung der Entwicklung<br />

zu immer besseren Verhältnissen verbirgt. Das vermeintliche<br />

Ende der Geschichte in Markt und Demokratie beinhaltete für<br />

viele eine Katastrophe: für die Armen, die aus der Perspektive<br />

des Einsatzes als Arbeitskräfte ‚überflüssig‘ wurden, die Opfer<br />

der Verschuldungskrise, die Menschen, die fliehen, weil ihre<br />

ökologischen und sozialen Lebensgrundlagen zerstört werden.<br />

Ausgerechnet Flüchtlinge hatten die politischen Parteien zu Beginn<br />

der 1990er Jahre als Problem ausgemacht. Sie wurden in<br />

Zeiten des Sozialabbaus als Gefahr für Wohlstand und sozialen<br />

Frieden stigmatisiert, als ScheinasylantInnen verhöhnt und<br />

unter den Generalverdacht des Missbrauchs sozialer Leistungen<br />

gestellt. Damit waren sie dem Volkszorn und den Anschlägen<br />

von Rechtsextremisten preisgegeben, die vor 20 Jahren die<br />

politische Landschaft prägten.<br />

Brennpunkte der Kapitalismuskritik<br />

Kritik des ‚Totalen Marktes‘<br />

Schon in der Gründungsphase des Ökumenischen <strong>Netz</strong>es war<br />

es uns wichtig, analytisch hinter die Phänomene zu sehen, die<br />

uns im Alltag beschäftigten und unser vielfältiges Engagement<br />

herausforderten: „Hinter all dem verbirgt sich der Versuch, ein<br />

neoliberales System des Marktes weltweit durchzusetzen“,<br />

hatte der Trägerkreis in seinem Positionspapier formuliert. Kritisiert<br />

wurde die Unterwerfung des Globus unter die Logik des<br />

Marktes. Mit der Entfesselung der Marktkräfte – so das neoliberale<br />

Versprechen – sollten wirtschaftliche Kräfte frei gesetzt<br />

werden, die Entwicklung und Fortschritt ermöglichten. Wer jedoch<br />

versuchte, die Welt aus der Perspektive der VerliererInnen<br />

zu sehen, konnte schon damals erkennen, dass dieses Versprechen<br />

durch die Wirklichkeit widerlegt wurde. Die Produktion<br />

geriet immer mehr unter den Druck der Konkurrenzfähigkeit<br />

auf dem Weltmarkt. Dies ging zu Lasten der Produktion für<br />

Lebensbedürfnisse, vor allem von Armen.<br />

Die Zweidrittelwelt litt unter der Verschuldungskrise. Die<br />

Schulden waren in der Hoffnung auf ‚nachholende Entwicklung‘<br />

aufgenommen worden. Die erhoffte Entwicklung war<br />

aber ausgeblieben, die Schulden jedoch geblieben. Die Rückzahlungen<br />

führten sogar zu einem Nettokapitaltransfair aus<br />

den armen in die reichen Länder. Um die Zahlungsfähigkeit<br />

der armen Länder zu erhalten und den Kollaps des Finanzsystems<br />

zu vermeiden, wurden die verschuldeten Länder den berüchtigten<br />

Strukturanpassungsprogrammen von<br />

Internationalem Währungsfonds und Weltbank unterworfen.<br />

Damit wurde der Zwang verschärft, für den Weltmarkt statt<br />

für den Bedarf der eigenen Bevölkerung zu produzieren. „Die<br />

Armen decken den Reichen den Tisch“, kritisierten Bischöfe<br />

aus Lateinamerika diesen Zusammenhang. Die Logik des<br />

Marktes erzwang die ‚Alternative‘, das Leben der Menschen<br />

den ‚Gesetzten des Marktes‘ zu unterwerfen oder außerhalb<br />

des Marktes als ‚Überflüssige‘ dahinzuvegetieren. Folge war die<br />

Zerstörung sozialer und ökologischer Lebensgrundlagen. Sie<br />

wurden im und außerhalb des Marktes zerstört. Diese Zerstörungsprozesse<br />

sollten in den kommenden Jahren im wirtschaft-<br />

1996<br />

„Einem System, das über Leichen geht, Einhalt<br />

gebieten. Flüchtlinge schützen“<br />

Erklärung des Ökumenischen <strong>Netz</strong>es

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