Autor: Tilmann P - Mediaculture online
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verdreckten Räumen. Andererseits erkannten die Kinoreformer die idealen Möglichkeiten,<br />
im Film Phänome abzubilden, Abläufe wiederzugeben. Bereits im Jahre 1911<br />
veröffentlichte der Pädagoge Ernst Schultze ein pädagogisches Werk mit dem Titel „Der<br />
Kinematograph als Bildungsmittel“, dem ein Jahr später Adolf Seilmann mit seinem Werk“<br />
Der Kinematograph als Volkserzieher“ folgte. Die Kinoreformbewegung, die später in der<br />
Schulfilmbewegung aufging, weist vor allem drei Schwerpunkte auf:<br />
1. Sie lehnt das vorhandene Angebot kommerzieller Filme ab und fordert<br />
jugendschützerische Maßnahmen von schulischer Prävention bis zu Zensur.<br />
2. Sie entwickelt erste Annahmen über die Funktionsleistung von Filmen wie über deren<br />
psychologische Wirkung beim Rezipienten.<br />
3. Sie fördert und fordert die Herstellung von pädagogisch geeigneten, in erster Linie<br />
dem Bildungsanspruch dienenden Filmen.<br />
1.1 Jugendschutz<br />
Die völlige Ablehnung des populären Films durch die Pädagogen hatte den Ruf nach<br />
staatlicher Zensur zur Folge. Dem kam der preußische Militärstaat schon im eigenen<br />
ideologischen Interesse durch seine Polizeidienststellen nach. Grundlage der Zensur war<br />
das Staatsinteresse, einen speziellen Kinder- und Jugendschutz gab es zu Anfang nicht.<br />
Darüber hinaus gab es bereits 1912 einen Erlaß des preußischen Kultusministers, „in dem<br />
dieser eingehend von den Gefahren des Kinos spricht; für Schüler werden<br />
Beschränkungen festgelegt, die in den Schulordnungen verankert werden; es wird aber<br />
gleichzeitig darauf hingewirkt, daß die Schulen eigene Veranstaltungen in Verbindung mit<br />
Besitzern der Theater veranstalten, die ausschließlich der Belehrung oder der den<br />
Ansichten der Schule nicht widersprechenden Unterhaltung dienen“ (Kerstiens 1964,<br />
S.185). Abgelehnt wird jede Form von fiktionaler Darstellung, Künstlichkeit, die<br />
nachgestellte, verfremdete, unechte Wirklichkeit. Gefordert wird das wahre Bild, die<br />
wirklichkeitsgetreue Abbildung dessen, was ist. So gesehen ist also nicht einmal die<br />
Qualität etwa einer Literaturverfilmung ein Beurteilungskriterium, sondern ausschließlich<br />
die Frage, inwieweit existente Phänomene reproduziert werden. Seilmann schreibt: „Die<br />
Dramenfilme bleiben natürlich Schundfilme, auch wenn die größten Künstler mitwirken<br />
sollten, denn diese sind im Kinodrama nichts anderes als Marionetten und seelenlose<br />
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