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Empörung in den Städten? - repOSitorium - Universität Osnabrück

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<strong>Empörung</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Städten</strong>? – Welche Signale geben die Zusammenstöße <strong>in</strong> Frankreich?<br />

soziale Maßnahmen im Rahmen der ›Sozialen Stadt‹. Aber es gab auch<br />

Gewaltausbrüche männlicher Jugendlicher, deren direkter Auslöser – wie<br />

fast jedes Mal auch <strong>in</strong> Frankreich – e<strong>in</strong> repressives Vorgehen der Polizei<br />

war. Nach e<strong>in</strong>er recht gewaltsamen Verhaftung e<strong>in</strong>es Jugendlichen wegen<br />

Drogenhandels wur<strong>den</strong> zwei abgemeldete Autos, die auf e<strong>in</strong>em Parkdeck<br />

stan<strong>den</strong>, angezündet. Daraufh<strong>in</strong> kam es zu maßlos übertriebenen Reaktionen<br />

der Medien und auch der Polizei. E<strong>in</strong> Hubschrauber kreiste mehrere<br />

Stun<strong>den</strong> lang über <strong>den</strong> Wohnblöcken. E<strong>in</strong>e Eskalation drohte. Glücklicherweise<br />

reagierte die Leitungsebene: Der Landrat, der Polizeipräsi<strong>den</strong>t<br />

und der Bürgermeister, Sozialarbeiter, Ordnungsamt, Ausländerbeirat<br />

schlossen sich zu e<strong>in</strong>er ›Task Force‹ zusammen, um ihre Maßnahmen zu<br />

koord<strong>in</strong>ieren. Dann scherte der Bürgermeister aus: Hessen stand vor der<br />

Kommunalwahl, und man befürchtete, die Wähler könnten <strong>den</strong>ken, dass<br />

zu viel des Guten getan würde, und der Partei die Zustimmung entziehen.<br />

Hier zeigte sich Angst und Unsicherheit gegenüber der migrantischen<br />

Bevölkerung, die ihre Jugendlichen nicht unter Kontrolle hat. Diese Unsicherheit<br />

teilte sich auch der Politik mit, die zwischen Offenheit, Misstrauen<br />

und repressiven Maßnahmen schwankte und damit weder der deutschen<br />

noch der ›<strong>in</strong>ternationalen‹ Bevölkerung klare Signale gab. Die Situation<br />

blieb konfliktträchtig, und e<strong>in</strong>e solche Politik fördert auch die Segregationsten<strong>den</strong>zen<br />

der deutschen Bevölkerung, die sich gern aus e<strong>in</strong>er solchen<br />

Geme<strong>in</strong>de verabschiedeten, wenn sie es könnten.<br />

Die brennen<strong>den</strong> Autos <strong>in</strong> Frankreich s<strong>in</strong>d auch e<strong>in</strong> Fanal männlicher<br />

Jugendlicher. Es s<strong>in</strong>d Machtdemonstrationen von im Grunde Ohnmächtigen.<br />

Untergründig s<strong>in</strong>d hier auch die erheblichen Spannungen zwischen<br />

<strong>den</strong> Geschlechtern <strong>in</strong>nerhalb der Migrationsbevölkerung spürbar. Im<br />

Oktober 2002 wurde e<strong>in</strong>e 17-Jährige <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vorstadtsiedlung von Paris<br />

von Jugendlichen mit Benz<strong>in</strong> übergossen. Sie verbrannte. Als daraufh<strong>in</strong><br />

kaum öffentliche Reaktionen erfolgten, machten junge Frauen aus diesen<br />

Siedlungen mobil und gründeten die Bewegung Ni Putes Ni Soumises,<br />

»Weder Huren noch Unterworfene«. Sie führten 2003 aus <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en<br />

Quartieren der banlieue e<strong>in</strong>en Marsch auf Paris an, machten an vielen<br />

Orten Halt und <strong>in</strong>formierten über ihre Lage. Sie erhielten politische Unterstützung<br />

von vielen Gruppen. Mit dieser Aktion wurde das Selbstbewusstse<strong>in</strong><br />

der jungen Französ<strong>in</strong>nen zumeist nordafrikanischer Herkunft demonstriert,<br />

die sich gegen die Herabsetzung als ›Huren‹, aber auch gegen<br />

die Stigmatisierung durch die französische Gesellschaft als unterdrückte<br />

Frauen wehrten. Daraus sollten wir lernen, die Lage der Frauen mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund<br />

bei uns nicht pauschal durch e<strong>in</strong>e ethnisierende oder<br />

religiöse Brille zu betrachten und sie als Opfer von Ehrenmor<strong>den</strong> und<br />

Zwangsheiraten praktisch abzuschreiben. Solcherart Dämonisierung dieser<br />

anderen kulturellen Verhältnisse würde weder uns noch <strong>den</strong> Migranten<br />

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