Empörung in den Städten? - repOSitorium - Universität Osnabrück
Empörung in den Städten? - repOSitorium - Universität Osnabrück
Empörung in den Städten? - repOSitorium - Universität Osnabrück
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Empörung</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Städten</strong>? – Welche Signale geben die Zusammenstöße <strong>in</strong> Frankreich?<br />
Zusammenhang mit der Globalisierung, so muss man auch bei uns alarmiert<br />
se<strong>in</strong>. Aus Sicht der ökonomischen Globalisierung handelt es sich bei<br />
<strong>den</strong> Unruhen <strong>in</strong> Frankreich um e<strong>in</strong>en ›Aufstand der Überflüssigen‹, die <strong>in</strong><br />
früheren Zeiten als schlecht Ausgebildete noch Hilfsarbeiter-Jobs gefun<strong>den</strong><br />
hätten, für die es aber heute ke<strong>in</strong>en Bedarf mehr gibt. Wo könnte es die<br />
Arbeitsplätze jener Jugendlichen geben, die aufgrund ihrer schulischen<br />
Leistungen und der Sozialisation <strong>in</strong> ihrem Elternhaus nicht <strong>in</strong> der Lage<br />
s<strong>in</strong>d, qualifizierte Arbeitsplätze zu erhalten? Diese Frage betrifft auch<br />
Deutsche. Dabei wissen wir, was zu tun ist, um das Ausbildungsniveau zu<br />
erhöhen: Zum e<strong>in</strong>en muss die Durchlässigkeit unseres dreigliedrigen Schulsystems,<br />
<strong>in</strong> dem bei uns die Klassengesellschaft weiterlebt, gestärkt wer<strong>den</strong>,<br />
<strong>den</strong>n die Selektion der später Chancenlosen setzt viel zu früh e<strong>in</strong>. Zweitens<br />
ist die schnelle E<strong>in</strong>führung von Ganztagsschulen wünschenswert, deren<br />
zahlreiche positive Effekte nicht hoch genug zu schätzen s<strong>in</strong>d.<br />
Hartmut Häußermann: Der Begriff ›banlieue‹ geht etymologisch zurück<br />
auf die ›Verbannung‹ bestimmter Menschen, die man <strong>in</strong> der Stadt nicht<br />
wollte, an bestimmte Orte am Rande der Stadt. Politisch-rechtlich längst<br />
abgeschafft, besteht dieses Muster <strong>in</strong> sozialer und kultureller H<strong>in</strong>sicht fort.<br />
Das ist e<strong>in</strong>e wesentliche Differenz zwischen <strong>den</strong> <strong>Städten</strong> <strong>in</strong> Deutschland<br />
und <strong>in</strong> Frankreich. In Frankreich ist die Kernstadt, die Innenstadt, bourgeois<br />
geprägt, während man die sozialen Probleme möglichst an <strong>den</strong> Rand<br />
schiebt. Die typische französische Stadt hält sich die sozialen Probleme aus<br />
dem Zentrum heraus. Die Stadt Paris hat sozialen Wohnungsbau sogar<br />
außerhalb ihres Stadtgebietes betrieben, um <strong>den</strong> sozial Bedürftigen Wohnungen<br />
zu verschaffen. Die großen Siedlungen <strong>in</strong> Frankreich, die jetzt Orte<br />
der ›<strong>Empörung</strong>‹ waren, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ersten Welle <strong>in</strong> <strong>den</strong> 1950er Jahren<br />
und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er zweiten Welle <strong>in</strong> <strong>den</strong> 1970er Jahren entstan<strong>den</strong> – durchaus als<br />
Orte der sozialen Mischung, als Orte der Integration. Anfangs waren sie<br />
überwiegend Wohngebiete von Mittelschicht und Arbeiterklasse. Deren<br />
Angehörige aber s<strong>in</strong>d sukzessive aus diesen Siedlungen entweder <strong>in</strong>s Eigenheim<br />
weiter außerhalb gezogen – das ist e<strong>in</strong>e Entwicklung, die wir auch<br />
<strong>in</strong> Deutschland haben – oder zurück <strong>in</strong> die Stadt, wo viele Viertel saniert,<br />
verschönt und auch für die bürgerliche Mittelschicht bewohnbar gemacht<br />
wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d. Das geschah zu e<strong>in</strong>er Zeit, als die Migranten <strong>in</strong> größerer<br />
Zahl aus Nordafrika nach Frankreich kamen und dann <strong>in</strong> diese Quartiere<br />
mehr oder weniger absichtsvoll gelenkt wur<strong>den</strong>. Heute s<strong>in</strong>d diese Vororte<br />
häufig eben nicht mehr die Orte der Integration, der sozialen Mischung,<br />
als die sie konzipiert waren, sondern Orte der sozialen Ausgrenzung. Fragt<br />
man nach Erklärungen dafür, woher diese <strong>Empörung</strong>, diese Wut, dieser<br />
Hass, der sich <strong>in</strong> <strong>den</strong> Aufstän<strong>den</strong> der Jugendlichen zeigt, kommen, kann<br />
man vier Dimensionen nennen.<br />
52