Empörung in den Städten? - repOSitorium - Universität Osnabrück
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<strong>Empörung</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Städten</strong>? – Welche Signale geben die Zusammenstöße <strong>in</strong> Frankreich?<br />
zen der sozialen Entmischung, die dort bereits <strong>in</strong> <strong>den</strong> 1970er, 1980er<br />
Jahren begannen und zu <strong>den</strong> aktuellen Zustän<strong>den</strong> <strong>in</strong> Frankreich geführt<br />
haben.<br />
Im H<strong>in</strong>blick auf die kulturelle Homogenität und die kulturelle Zusammensetzung<br />
wird die Situation <strong>in</strong> unseren <strong>Städten</strong> zunehmend schwieriger.<br />
Die Anteile von ethnischen M<strong>in</strong>derheiten steigen, und auch <strong>in</strong>nerhalb der<br />
Bevölkerung mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund nimmt die Heterogenität zu. In<br />
vielen Quartieren unserer Innenstädte ist das vor allem <strong>in</strong> <strong>den</strong> Schulen<br />
spürbar. Migranten haben durchschnittlich mehr K<strong>in</strong>der als die e<strong>in</strong>heimische<br />
Bevölkerung. Deshalb haben wir Schulen <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>in</strong>nerstädtischen<br />
Gebieten, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en 50-70% der Schüler e<strong>in</strong>e nicht-deutsche Muttersprache<br />
haben. In Berl<strong>in</strong> erreicht dieser Wert <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen E<strong>in</strong>gangsklassen bereits<br />
100%. Darauf s<strong>in</strong>d unsere Schulen nicht vorbereitet, und sie wer<strong>den</strong> damit<br />
bisher schlecht fertig. Das hat zur Folge, dass die Bildungserfolge <strong>in</strong> diesen<br />
Schulen ger<strong>in</strong>ger s<strong>in</strong>d als <strong>in</strong> Schulen mit weniger K<strong>in</strong>dern, die e<strong>in</strong>e nichtdeutsche<br />
Herkunftssprache haben. Angesichts von PISA-Studien und<br />
anderen aktuellen Debatten ist zu fragen: Welche Bedeutung haben die<br />
Schulen heute? In welchen Schulen lernt man etwas? Hier reagiert <strong>in</strong>sbesondere<br />
die Mittelschicht sensibel. Eltern mit K<strong>in</strong>dern, die <strong>in</strong> Quartieren<br />
wohnen, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en der Migrantenanteil relativ hoch ist, ziehen entweder<br />
weg oder sie versuchen auf andere Weise, ihre K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Schulen außerhalb<br />
unterzubr<strong>in</strong>gen. Erreicht der Migrantenanteil an e<strong>in</strong>er Schule e<strong>in</strong>e gewisse<br />
Höhe, so steigt er oft rasch weiter an, weil die deutsche Mittelschicht flieht.<br />
Das war auch <strong>in</strong> Frankreich zu beobachten, selbst <strong>in</strong> <strong>den</strong> Quartieren<br />
wie <strong>den</strong> zones d’éducation prioritaire, für die spezielle Förderprogramme<br />
aufgelegt wur<strong>den</strong>. Dort wer<strong>den</strong> Schulen mit hohem Migrantenanteil vom<br />
Staat besonders gut ausgestattet. Gerade aus diesen Schulen wandern aber<br />
die e<strong>in</strong>heimischen französischen Mittelschichtk<strong>in</strong>der ab, weil die Festlegung<br />
als zone d’éducation prioritaire zeigt, dass es hier e<strong>in</strong> Problem gibt.<br />
Diese Ten<strong>den</strong>z der Schulsegregation stellen wir auch <strong>in</strong> Deutschland fest.<br />
Das größte Problem für die Migrantenk<strong>in</strong>der ist aber, dass sie, wenn sie<br />
<strong>den</strong> Aufforderungen unserer Politiker folgen wollen, sich zu <strong>in</strong>tegrieren,<br />
sich e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen und Kontakt zur deutschen Bevölkerung aufzunehmen,<br />
<strong>in</strong> Schulen lan<strong>den</strong>, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en ke<strong>in</strong>e Deutschen mehr s<strong>in</strong>d. Manche Kommunalpolitiker<br />
haben nun die Idee, die K<strong>in</strong>der mit Bussen durch die Stadt zu<br />
fahren, um e<strong>in</strong>e soziale Durchmischung zu fördern. Wenn aber <strong>in</strong> Frankfurt<br />
von der Gesamtbevölkerung heute 42,5% e<strong>in</strong>en Migrationsh<strong>in</strong>tergrund<br />
haben – <strong>in</strong> weniger als zehn Jahren wird es die Hälfte se<strong>in</strong> –, ist<br />
sehr fraglich, ob e<strong>in</strong> solches Konzept Zukunft haben kann.<br />
Die E<strong>in</strong>wanderungspolitik der Städte ist bei uns bisher überwiegend allzu<br />
paternalistisch geprägt gewesen: Man wollte sich um die Migranten und<br />
ihre Probleme ›kümmern‹, ihnen helfen. Das ist sicher e<strong>in</strong>e normale Hal-<br />
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