Als PDF-Datei herunterladen - Ärzteblatt Sachsen-Anhalt
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Bernard Werber<br />
Die Invasion<br />
Roman, Wilhelm Heyne Verlag, München 2010, ISBN 978-3-453-52726-3,<br />
a. d. Französischen v. M. Mosblech, M. Hofmann, a. v. Reinhardt,<br />
Taschenbuch im Kleinoktav-Format, 1407 S., € 16,-<br />
Sind Staaten bildende Insekten in<br />
ihrem Verband mehr als die Summe<br />
ihrer einzelnen Individuen? Sind<br />
Ameisen wirklich eine Weltmacht und<br />
taugen sie für soziale Modellvorstellungen?<br />
Titel, Untertitel und Umfang<br />
der Trilogie reizen zum Zugreifen.<br />
Wenn ein Taschenbuch fast anderthalb<br />
tausend Seiten hat, passt es wohl kaum<br />
noch in eine Jacken- oder Manteltasche.<br />
Es provoziert in seiner Kompaktheit<br />
den Leser, der es auch nicht als<br />
sehr handfreundlich erfahren wird.<br />
Zudem dürfte die Haltbarkeitsdauer<br />
seiner Einbandheftung limitiert sein.<br />
Ob es dann zufällig in die drei Bücher<br />
zerfällt, aus denen hier eine Trilogie<br />
kreiert wurde, ist unwahrscheinlich.<br />
Bernard Werber, Wissenschaftsjournalist<br />
und offensichtlich erfolgreicher<br />
französischer Buchautor, überwiegend<br />
des fantastischen Sujets, legte bereits in<br />
den 90er Jahren im zeitlichen Versatz<br />
seine Romane „Die Ameisen“, „Der<br />
Tag der Ameisen“ und „Die Revolution<br />
der Ameisen“ vor. Es geht also erst<br />
einmal um diese Familie der Insekten,<br />
hier vor allem der roten Waldameisen,<br />
die handelnde Masse des Buchinhaltes<br />
sind. Hinzu kommen natürlich<br />
Personen aus der Gesellschaft, die<br />
irgendwie einen Bezug zu den Tierchen<br />
haben müssen.<br />
Im ersten Buch des Dreierpacks wird<br />
die Konstruktion des Gesamtwerkes<br />
deutlich. Es ist dann auch der stärkste<br />
der drei Teile. In ihm werden die<br />
Subjekte der Handlung vorgestellt und<br />
die Basis des weiteren Ablaufes gelegt.<br />
Zwei Handlungsstränge und ihre<br />
Aktiven kommen zum Zuge. Da ist<br />
zum ersten die Familie Wells, Nachkommen<br />
eines eigenbrötlerischen<br />
Insektenforschers und Erben seines<br />
Hauses mit furchtbar tiefem Keller in<br />
Fontainebleau bei Paris. Zum Erbe<br />
gehört auch eine „Enzyklopädie des<br />
relativen und absoluten Wissens“ des<br />
Erblassers Edmond Wells. Ihre drei<br />
Bände gelangen, verteilt über die drei<br />
Bücher, in die Hände der Romanhelden.<br />
Der Keller bildet den symbolischen<br />
und realen Einstieg in eine<br />
andere Welt des Denkens und Erlebens,<br />
in die Welt der Ameisen. Zuerst<br />
aber landen noch weitere, mehr oder<br />
weniger zufällig einbezogene Personen<br />
des öffentlichen Dienstes in ihrer<br />
Amtsausübung nota bene in die<br />
isolierte und sonderbare Gesellschaft<br />
in der Tiefe. Rätselhafte Türen und<br />
Scharen von Ratten verbauen ihnen<br />
die Rückkehr.<br />
Parallel dazu wird die Geschichte mit<br />
den roten Ameisen erzählt. Ihre Aktivitäten<br />
und ihr Verhalten als Mitglieder<br />
verbreiteter und zahlreicher Staatsgesellschaften<br />
in der Art- und Volkserhaltung<br />
bilden den einen Handlungsablauf<br />
des Buches. Es ist der Kampf um<br />
die Arbeits- und Lebensbedingungen<br />
im Zusammenspiel mit der Umwelt<br />
und den anderen, konkurrierenden<br />
oder ernährenden, verwandten oder<br />
familienfremden Lebewesen. Hier<br />
wird bekanntes, wenn auch z. T.<br />
neueres biologisches Wissen zu einer<br />
für den Neuling spannenden Abhandlung<br />
umgearbeitet. Natürlich haben<br />
die Handelnden hier auch eine Identifikation,<br />
die Königin einen Namen, die<br />
Mannschaften Nummern, das Arbeitsvolk<br />
nur Berufsbezeichnungen. Die<br />
dritte literarische Form, immer wieder<br />
unmittelbar im Romanverlauf auftauchend,<br />
sind Texte aus der o. g. Enzyklopädie.<br />
Sie stehen mehr oder weniger<br />
im Bezug zu der aktuellen Handlung<br />
und bilden sozusagen den pädagogischen<br />
oder ideologischen Hintergrund.<br />
Das Buch greift durchaus auf die<br />
Methoden eines Spannungsaufbaus<br />
zurück, kann diesen jedoch nicht<br />
konsequent durchhalten. Teil I erzählt<br />
von dem Funktionieren dieser hochinteressanten<br />
Insektenpopulation, die<br />
jedoch mehr auf Expansion als auf<br />
reinen Bestandserhalt hinausläuft. Die<br />
forschende Biologie wird das u. U.<br />
bestätigen können. Das im Text verarbeitete<br />
Modell ist in den wissenschaftlichen<br />
Publikationen nachweisbar.<br />
Kastenbildung, Nahrungsbeschaffung,<br />
Fortpflanzung, Kolonienbildung – das<br />
ist der Natur entlehnter Romanstoff.<br />
Aber der Autor lässt hier schon Züge<br />
der individuellen Intelligenz der Tiere<br />
aufscheinen und bringt sie somit in die<br />
Nähe des ganz andersartigen<br />
Menschen. Es soll ja auch mehr als<br />
eine naturwissenschaftliche Schilderung<br />
sein, mehr Abenteuer, mehr<br />
Beziehung etc. Es geht immerhin um<br />
des Überleben des Staates und seiner<br />
Nutznießer, um Kämpfe, Eroberungen,<br />
60 <strong>Ärzteblatt</strong> <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> 22 (2011) 7