In honore sancti Georgii martyris - Michael-buhlmann.de
In honore sancti Georgii martyris - Michael-buhlmann.de
In honore sancti Georgii martyris - Michael-buhlmann.de
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>de</strong>rte zurück in die Zeit <strong>de</strong>s Mainzer Erzbischofs Hatto I. (891-913), <strong>de</strong>r gleichzeitig u.a. Abt<br />
<strong>de</strong>r Reichenau gewesen war. Hatto war in <strong>de</strong>r Politik <strong>de</strong>s damaligen ostfränkischen Reiches<br />
König Arnulfs von Kärnten (887/88-899) stark und erfolgreich engagiert, beteiligte sich an<br />
Romzug und Kaiserkrönung <strong>de</strong>s karolingischen Herrschers (896) und erhielt von Papst Formosus<br />
(891-896) anlässlich seines Romaufenthalts Georgsreliquien, darunter ein Schä<strong>de</strong>lstück<br />
<strong>de</strong>s Heiligen. Im Rahmen einer Reliquientranslation gelangten die (angeblichen?)<br />
Überreste Georgs nach Schwaben, u.a. in die von Hatto neu gegrün<strong>de</strong>te Klosterzelle Oberzell<br />
auf <strong>de</strong>r Reichenau. Oberzell kann neben <strong>de</strong>r Person <strong>de</strong>s Erzbischofs und Abtes als Ausgangspunkt<br />
für <strong>de</strong>n nachmerowingerzeitlichen Georgskult in Südwest<strong>de</strong>utschland gelten.<br />
Die Reichenau soll – früher Klostertradition zufolge - im Jahr 724 vom alemannischen Klosterbischof<br />
Pirmin (†vor 755) gegrün<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n sein. Spätestens ab <strong>de</strong>r 2. Hälfte <strong>de</strong>s 8. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />
war das <strong>In</strong>selkloster eng mit <strong>de</strong>n karolingischen Hausmeiern, Königen und Kaisern<br />
verbun<strong>de</strong>n gewesen, wobei immer wie<strong>de</strong>r – nicht zuletzt durch die im Reichsdienst stehen<strong>de</strong>n<br />
Reichenauer Äbte – politische Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen im fränkischen Reich Unruhe in<br />
das Kloster hineintrugen. Auch die Einsetzung Hattos als Abt <strong>de</strong>r Reichenau gehört in diese<br />
Zusammenhänge, doch gab <strong>de</strong>r Mainzer Erzbischof <strong>de</strong>r Mönchsgemeinschaft auf <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>nseeinsel<br />
offenbar wichtige Impulse, wie nicht zuletzt <strong>de</strong>r Bau von Georgskirche und Kloster<br />
in Oberzell zeigt.<br />
Der durch Hatto eingeführte Kult um <strong>de</strong>n heiligen Georg lässt sich auf <strong>de</strong>r Reichenau auch<br />
in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Jahrhun<strong>de</strong>rten <strong>de</strong>s hohen Mittelalters gut verfolgen. Um- und Ausbauten<br />
<strong>de</strong>r Georgskirche weisen auf die Beschäftigung mit <strong>de</strong>m Heiligen hin. Ob ein <strong>de</strong>m 10. o<strong>de</strong>r<br />
11. Jahrhun<strong>de</strong>rt angehören<strong>de</strong>s alemannisch-althoch<strong>de</strong>utsches Georgslied, das in <strong>de</strong>r Abschrift<br />
eines Wisolf überliefert ist, seinen Ursprung beim Bo<strong>de</strong>nseekloster hat, ist dagegen<br />
ungewiss. Um die Mitte <strong>de</strong>s 11. Jahrhun<strong>de</strong>rts verfasste <strong>de</strong>r bekannte Reichenauer Historiograf<br />
Hermann Contractus (*1013-†1054) eine Historia <strong>sancti</strong> <strong>Georgii</strong> („Geschichte <strong>de</strong>s heiligen<br />
Georg“), eine lateinische Dichtung, die lei<strong>de</strong>r verloren gegangen ist. Aus einer Reichenauer<br />
Handschrift <strong>de</strong>s 12. Jahrhun<strong>de</strong>rts stammen schließlich mehrere mit Neumen, <strong>de</strong>r mittelalterlichen<br />
Notenschrift versehene, lateinische Zeilen, ein Loblied auf <strong>de</strong>n Märtyrerheiligen.<br />
Von <strong>de</strong>r Reichenau aus verbreitete sich die Georgsverehrung u.a. nach St. Gallen, <strong>de</strong>m Hohentwiel<br />
und Stein am Rhein.<br />
Als <strong>de</strong>r schon erwähnte Hezelo im Jahr 1084 das Kloster in St. Georgen mit begrün<strong>de</strong>te, war<br />
seine Familie schon seit Generationen im Besitz <strong>de</strong>r Reichenauer Klostervogtei. Von Landold<br />
(I.) (970/92-1000), <strong>de</strong>m Urgroßvater Hezelos, erfahren wir als Erstes, dass er <strong>de</strong>r weltliche<br />
Sachwalter <strong>de</strong>r <strong>In</strong>teressen <strong>de</strong>s Bo<strong>de</strong>nseeklosters gewesen war. Auch Hezelos Großvater<br />
Landold (II.) (1000-1024) und <strong>de</strong>r Vater Ulrich (1030-1050) waren Vögte <strong>de</strong>r Reichenau,<br />
und Hezelo selbst hat dieses Amt bis zu seinem Tod im Jahr 1088 ausgeübt. Die Familie<br />
Hezelos war darüber hinaus eingebun<strong>de</strong>n in das Netzwerk schwäbischer A<strong>de</strong>lsfamilien, das<br />
von <strong>de</strong>n Welfen bis zum Schwabenherzog und Gegenkönig Rudolf von Rheinfel<strong>de</strong>n (1057<br />
bzw. 1077-1080) reichte, und <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n Vorbereitungen <strong>de</strong>r St. Georgener Klostergründung<br />
beteiligte Graf Manegold von Altshausen war <strong>de</strong>r Bru<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s eben erwähnten Reichenauer<br />
Geschichtsschreibers Hermann <strong>de</strong>s Lahmen.<br />
Aus <strong>de</strong>m engen Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>nseekloster und <strong>de</strong>n Klostervögten aus<br />
<strong>de</strong>r Familie Hezelos ergibt sich also zwanglos die Kenntnisnahme <strong>de</strong>s Reichenauer Georgskults<br />
durch die Reichenauer Vögte. Adlige Kriegerkultur mag dabei die Annäherung an <strong>de</strong>n<br />
Heiligen beför<strong>de</strong>rt haben, stellte sich doch <strong>de</strong>r Märtyrer Georg nunmehr als Ritter dar und erlangte<br />
so in <strong>de</strong>r Zeit eines sich verstärkt ausbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n adligen Familienbewusstseins zuneh-<br />
<strong>Michael</strong> Buhlmann, <strong>In</strong> <strong>honore</strong> <strong>sancti</strong> <strong>Georgii</strong> <strong>martyris</strong> 13