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In honore sancti Georgii martyris - Michael-buhlmann.de

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Erstmals fin<strong>de</strong>n wir einen Hinweis auf <strong>de</strong>n Georgskult in Diospolis o<strong>de</strong>r Lydda im Reisebericht<br />

<strong>de</strong>s vielleicht aus Nordafrika stammen<strong>de</strong>n Archidiakons (und Bibliothekars?) Theodosius<br />

(Theodosii <strong>de</strong> situ terrae sanctae). Die Pilgerfahrt <strong>de</strong>s Theodosius – <strong>de</strong>r Autorenname<br />

<strong>de</strong>s meist anonym überlieferten Werkes ist nicht gesichert – muss zwischen 518 und 530<br />

stattgefun<strong>de</strong>n haben, <strong>de</strong>r lateinische Bericht ist im abendländischen Europa in Abschriften<br />

ab <strong>de</strong>m 8./9. Jahrhun<strong>de</strong>rt auf uns gekommen, <strong>de</strong>r Reisebericht selbst ist in einem sehr einfachen<br />

Latein verfasst und enthält eine Fülle von Fehlern, Verwechslungen und Auslassungen.<br />

Aber jenseits dieser Mängel bieten die Ausführungen auch viel <strong>In</strong>formatives über Orte<br />

und Traditionen, u.a. die (erste) Erwähnung von Lydda und Georgskult.<br />

Ein (anonymer) Pilger von Piacenza, <strong>de</strong>r Stadt in <strong>de</strong>r oberitalienischen Tiefebene, war um<br />

570 in Palästina unterwegs. Die Reise fand wahrscheinlich unter <strong>de</strong>m Schutz <strong>de</strong>s heiligen<br />

Märtyrers Antoninus statt, <strong>de</strong>s Ortsheiligen von Piacenza, so dass sich <strong>de</strong>r Name <strong>de</strong>s Pilgerberichts<br />

– Antonini Placentini Itinerarum – wohl von daher erklärt. Die frühesten mittelalterlichen<br />

Handschriften <strong>de</strong>r Schrift stammen übrigens aus <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>nseeraum und datieren in<br />

die 1. Hälfte <strong>de</strong>s 9. Jahrhun<strong>de</strong>rts. Die lebendig geschriebene, kurzweilige Reiseschil<strong>de</strong>rung<br />

befasst sich an einer Stelle auch mit <strong>de</strong>m heiligen Georg und erwähnt Diospolis als Ort <strong>de</strong>s<br />

Erzmärtyrers und <strong>de</strong>ssen Heilungen und Wun<strong>de</strong>r.<br />

Die Reiseberichte <strong>de</strong>s Theodosius und <strong>de</strong>s Pilgers von Piacenza rahmen gleichsam die Regierungszeit<br />

Kaiser Justinians (527-565) ein und beleuchten damit schlaglichtartig die Verhältnisse<br />

in Palästina im 6. Jahrhun<strong>de</strong>rt. Es ist ein christliches Palästina, das als Teil <strong>de</strong>s<br />

oströmischen Reiches uns vor Augen steht. Es war kein friedliches Land, vielmehr eine Region,<br />

wo sich nicht nur monophysitisches und orthodoxes Christentum gegenüberstan<strong>de</strong>n,<br />

eine Region, die durch Persereinfälle und Erdbeben bedroht war. Auf <strong>de</strong>n langwierigen Perserkrieg<br />

(614-628), in <strong>de</strong>ssen Verlauf Palästina durch das persische Heer verwüstet wur<strong>de</strong><br />

(614), folgte nach kurzem oströmischen Zwischenspiel die islamische Eroberung <strong>de</strong>s Heiligen<br />

Lan<strong>de</strong>s (635). Neben Ju<strong>de</strong>n- und Christentum etablierte sich folglich <strong>de</strong>r Islam als dritte<br />

monotheistische Religion in Palästina. Die Pilgerfahrten blieben von diesen politischen und<br />

religiösen Verän<strong>de</strong>rungen zunächst weitgehend unberührt. Je<strong>de</strong>nfalls fin<strong>de</strong>n wir um 680,<br />

also nur wenige Jahre vor <strong>de</strong>m Bau <strong>de</strong>s muslimischen Felsendoms in Jerusalem (687-691),<br />

<strong>de</strong>n (uns nur namentlich bekannten) gallischen Bischof Arkulf im Heiligen Land. Die auf uns<br />

gekommenen „Drei Bücher über die heiligen Orte“ (Adamnani <strong>de</strong> locis <strong>sancti</strong>s libri tres) sind<br />

aber von <strong>de</strong>m irischen Abt Adomnanus vom <strong>In</strong>selkloster Iona (†704) verfasst wor<strong>de</strong>n auf<br />

Grund <strong>de</strong>s ihm von Bischof Arkulf Mitgeteilten. Das so Erzählte ergänzte <strong>de</strong>r Abt durch Einsichten<br />

etwa aus <strong>de</strong>n Schriften <strong>de</strong>s heiligen Hieronymus (†420), die in <strong>de</strong>r umfangreichen<br />

Bibliothek <strong>de</strong>s Klosters Iona neben <strong>de</strong>r Weltchronik eines Sulpicius Severus (†ca.420) und<br />

an<strong>de</strong>rem vorhan<strong>de</strong>n gewesen sein müssen. Einen wichtigen Platz im so entstan<strong>de</strong>nen Reisebericht<br />

nehmen dann die Legen<strong>de</strong>n ein, Legen<strong>de</strong>n von unterschiedlichem, meist aber<br />

niedrigem inhaltlichen Niveau. Unter diesen Erzählungen sind die vom Schweißtuch Jesu<br />

Christi und von <strong>de</strong>r Regentaufe zu fin<strong>de</strong>n, aber auch Legen<strong>de</strong>n vom heiligen Georg.<br />

Die orientalische Georgsverehrung umfasste dann nicht nur Lydda und Palästina, son<strong>de</strong>rn<br />

auch das oströmische Reich und <strong>de</strong>ssen Hauptstadt Konstantinopel sowie <strong>de</strong>n Raum bis<br />

nach Georgien [!]. Doch war die Gestalt <strong>de</strong>s heiligen Georg auch religionsübergreifend. Der<br />

christliche Märtyrer verband sich „in einem faszinieren<strong>de</strong>n Mischungsvorgang“ <strong>de</strong>r Kulturen<br />

mit <strong>de</strong>m jüdisch-christlichen Propheten Elias, <strong>de</strong>m jüdisch-samaritanischen Priester Pinehas<br />

und <strong>de</strong>m islamischen Heiligen el-Hadr (Hadir, „<strong>de</strong>r Grüne“). Dieser Synkretismus als Resultat<br />

eines wohl intensiven Georgskults in Palästina ließ eine religiöse „Kompositfigur“ entste-<br />

<strong>Michael</strong> Buhlmann, <strong>In</strong> <strong>honore</strong> <strong>sancti</strong> <strong>Georgii</strong> <strong>martyris</strong> 6

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