In honore sancti Georgii martyris - Michael-buhlmann.de
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wir: Das Georgslied besteht aus an die 60 Versen in zehn überlieferten Strophen, die <strong>de</strong>r<br />
Abschreiber <strong>de</strong>s 11. Jahrhun<strong>de</strong>rts aber nur unzulänglich orthografisch wie<strong>de</strong>rgegeben hat.<br />
Alemannische und fränkische Dialektmerkmale sind vorhan<strong>de</strong>n, manches weist ins Rheinund<br />
Mittelfränkische. Orthografische Ähnlichkeiten fin<strong>de</strong>n sich in <strong>de</strong>n Murbacher Hymnen<br />
und Glossen, die wie<strong>de</strong>rum in Verbindung zum frühmittelalterlichen Kloster Reichenau stehen.<br />
Bewusste Buchstabenumstellungen, wie sie im Reichenauer Verbrü<strong>de</strong>rungsbuch auftreten,<br />
kommen ebenfalls vor. Die zehn Strophen, in binnengereimten Langzeilen und mit<br />
drei unterschiedlichen Refrains versehen, besitzen verschie<strong>de</strong>ne Länge und wur<strong>de</strong>n sehr<br />
wahrscheinlich mit einer Melodie vorgetragen. Zwar wird diese musikalische Gestaltung <strong>de</strong>s<br />
Georgslie<strong>de</strong>s uns nie bekannt wer<strong>de</strong>n, doch können wir davon ausgehen, dass wegen <strong>de</strong>r<br />
Ungleichzeiligkeit <strong>de</strong>r Strophen die Melodie Liedzeile für Liedzeile wie<strong>de</strong>rholt wur<strong>de</strong>, vielleicht<br />
mit einer Ka<strong>de</strong>nz am En<strong>de</strong> einer je<strong>de</strong>n Strophe. Dabei wur<strong>de</strong> wohl wie bei einer Antiphon,<br />
einem Wechselgesang, <strong>de</strong>r fortlaufen<strong>de</strong> Strophentext von einem Einzelsänger o<strong>de</strong>r<br />
einem Chor vorgetragen, während ein antworten<strong>de</strong>r Chor <strong>de</strong>n Refraintext vorsang.<br />
<strong>In</strong>sgesamt betrachtet, ist das Georgslied ein strophischer Hymnus in einem balla<strong>de</strong>nhaften,<br />
volkstümlichen Stil, es ist die erste <strong>de</strong>utsche Heiligenlegen<strong>de</strong>. Es zeichnet die Lebensstationen<br />
<strong>de</strong>s Heiligen auf, <strong>de</strong>r hier als Wun<strong>de</strong>rtäter (Strophe I-IV), Märtyrer (Strophe (V-VII) und<br />
Bekenner (Strophe VIII-X) erscheint. Georg ist also noch nicht <strong>de</strong>r Drachentöter und <strong>de</strong>r Ritter,<br />
wie er uns dann im hohen Mittelalter begegnet.<br />
Das Georgslied verweist mit seinen <strong>In</strong>halten auf die in Spätantike und frühem Mittelalter verbreiteten<br />
Georgslegen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s christlichen Orients und Okzi<strong>de</strong>nts. Alle Legen<strong>de</strong>n berichten<br />
– teilweise mit Weglassungen o<strong>de</strong>r Ergänzungen – das Folgen<strong>de</strong>: 1. Der persische König<br />
Datian lädt seine untergebenen Könige zu einer Versammlung ein. 2. Der Soldat und Befehlshaber<br />
Georg erscheint ebenfalls. Christus wird von <strong>de</strong>n Versammelten geschmäht,<br />
Georg verteilt sein Geld an die Armen. 3. Georg bekennt sich vor Datian zum Christentum.<br />
4. Georg wird gemartert. 5. Im Gefängnis erscheinen Georg nachts Gott und seine Engel<br />
und stärken ihn. 6. Am darauf folgen<strong>de</strong>n Tag gehen die Martern weiter. 7. Der Magier Athanasius<br />
soll gegen Georg antreten. 8. Den Wettkampf zwischen Georg und Athanasius gewinnt<br />
<strong>de</strong>r Heilige. Athanasius bekehrt sich zum Christentum und wird enthauptet. 9. Am folgen<strong>de</strong>n<br />
Tag geht das Martyrium Georgs weiter. Georg stirbt zum ersten Mal und wird von<br />
Gott und <strong>de</strong>m Erzengel <strong>Michael</strong> wie<strong>de</strong>r zum Leben erweckt. 10. Der Auferstan<strong>de</strong>ne steht<br />
wie<strong>de</strong>r vor <strong>de</strong>m Gericht Datians und wird weiter gefoltert. 11. Georg verwan<strong>de</strong>lt 14 Thronsessel<br />
in Bäume zurück. 12. Georg wird in zwei Teile zersägt, stirbt erneut, wird zum Leben<br />
erweckt. 13. Vor Datians Gericht bekennt sich Georg wie<strong>de</strong>rum zum Christentum. Georg erweckt<br />
einen toten Ochsen zum Leben. 14. Georg erweckt Tote zum Leben, die er mit <strong>de</strong>m<br />
Wasser einer Quelle tauft. 15. Datian schickt Georg in das Haus <strong>de</strong>r ärmsten Witwe <strong>de</strong>r<br />
Stadt. Georg heilt <strong>de</strong>n Sohn <strong>de</strong>r Witwe, die Witwe bekehrt sich zu Christus, ein Holzpfeiler<br />
<strong>de</strong>s Hauses beginnt zu wachsen, als Georg sich daneben hinsetzt. 16. Das Martyrium geht<br />
weiter, Georg stirbt zum dritten Mal, ein Erdbeben zeigt an, dass Gott <strong>de</strong>n Heiligen wie<strong>de</strong>r<br />
auferstehen lässt. 17. Scheinbar geht Georg darauf ein, <strong>de</strong>m Gott Apollo zu opfern. Die Königin<br />
Alexandra bekehrt sich heimlich zum Christentum. 18. Beim Zusammentreffen zwischen<br />
Georg und <strong>de</strong>m Götzen Apollo bekennt Letzterer, nicht <strong>de</strong>r wahre Gott zu sein. Georg<br />
verbannt Apollo in die Hölle und stürzt die Götzenbil<strong>de</strong>r im Tempel um. 19. Alexandra bekennt<br />
sich offen zu Christus, wird gemartert und hingerichtet. 20. Die versammelten Könige<br />
verurteilen Georg zum Tod durch das Schwert. Georg wird hingerichtet. 21. Wie Passecras<br />
(Pasikrates), <strong>de</strong>r Diener Georgs, berichtet, dauerte das Lei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Heiligen sieben Jahre,<br />
<strong>Michael</strong> Buhlmann, <strong>In</strong> <strong>honore</strong> <strong>sancti</strong> <strong>Georgii</strong> <strong>martyris</strong> 8