Die Stufe 145
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
echte spricht von 20.000 Menschen, die in Kapstadt wegen der<br />
WM aus ihren Siedlungen vertrieben und in „vorübergehende<br />
Umsiedlungsstätten“, so die offizielle Bezeichnung, verfrachtet<br />
wurden, in denen manche schon seit mehr als vier Jahren leben.<br />
Aufsehen erregte Symphony Way, besser bekannt unter ihrem<br />
Schimpfnamen Blikkiesdorp, die Bezeichnung für „Blechdosenstadt“<br />
in Afrikaans. Nur wenige Kilometer entfernt vom neuen<br />
Stadion Kapstadts, dem teuersten Bauwerk in der Geschichte<br />
Südafrikas, entstand in der windgepeitschten Halbwüste eine<br />
Siedlung von 3000 Wellblechhütten, die dichtgedrängt in endlosen<br />
Reihen stehen.<br />
15.000 Menschen leben in den sechs mal drei Meter großen<br />
Baracken, deren Wände so dünn sind, dass man sie mit einer<br />
Bastelschere zerschneiden kann. Im Sommer herrschen in den<br />
Hütten mörderisch hohe Temperaturen, im Winter bieten sie<br />
kaum Schutz vor der Kälte. Bis zu acht Familien teilen sich eine<br />
Toilette und einen Wasserhahn aus einer Standleitung.<br />
In Blikkiesdorp fehlen sowohl Einkaufsmöglichkeiten als auch<br />
eine Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel. Eltern müssen<br />
ihre Kinder mit leerem Magen zur Schule schicken. Bewohner<br />
und südafrikanische Zeitungen bezeichnen den eingezäunten<br />
und von der Polizei rund um die Uhr bewachten Ort als „Konzentrationslager“.<br />
Vertreter der Stadt Kapstadt bestreiten, dass Menschen wegen<br />
der Weltmeisterschaft umgesiedelt wurden und bezeichnen<br />
Blikkiesdorp als „Notunterkunft“. Bewohner entgegnen, dass<br />
mehrere hundert Menschen hierher vertrieben wurden, weil in<br />
Kapstadt ein Trainingsgelände für eine der WM-Mannschaften<br />
eingerichtet wurde. Einem neuen Gesetz zufolge ist jeder, der<br />
den Anweisungen zum Umzug nicht nachkommt, von einer<br />
Gefängnisstrafe von fünf Jahren bedroht.<br />
Der UN-Bericht weist auf einige indirekte Folgen von Sport-<br />
Großveranstaltungen hin, zum Beispiel steigende Mieten<br />
und Immobilienpreise, mangelnde Erschwinglichkeit für die<br />
Bevölkerung mit niedrigem Einkommen, der Verringerung der<br />
Verfügbarkeit von Sozialwohnungen.<br />
Polizeipatrouille in der „Blechdosenstadt“ Bliekkiesdorp:<br />
15000 Menschen in die Halbwüste zwangsumgesiedelt<br />
Präsident Jacob Zumas Regierung ist bestrebt, ihr Land in<br />
einem guten Licht zu präsentieren. Sie möchte, dass die WM<br />
Arbeitsplätze schafft und die Infrastruktur verbessert und will<br />
Südafrikas Image im Ausland verbessern. Aus diesem Grund<br />
werden Straßenkinder und Obdachlose aus den Innenstädten<br />
in weit außerhalb gelegene „Sicherheitszonen“ deportiert. Ihre<br />
Kriminalisierung und die damit verbundenen Säuberungen<br />
dürften das Trauma dieser ohnehin traumatisierten Kinder<br />
vertiefen und mühevolle soziale Aufbauarbeit zunichte machen.<br />
NGO-Vertreter sind der Ansicht, dass hinter dem WM-Spektakel<br />
sich der Überlebenskampf der armen Südafrikaner, denen<br />
Zwangsräumungen und Vertreibung drohen, verschärft durch<br />
mangelnde öffentliche <strong>Die</strong>nstleistungen und Arbeitslosigkeit. Sie<br />
werfen der Regierung vor, vermögende Ausländer auf Kosten<br />
der eigenen verarmten Menschen beeindrucken zu wollen.<br />
Das Mbombela-Stadion in Nelspruit wurde auf 118 Hektar<br />
historischem Land der Swazi errichtet. <strong>Die</strong> Swazi wurden gewaltsam<br />
von ihrem Land vertrieben. <strong>Die</strong> Betroffenen klagten<br />
vor dem Obersten Gerichtshof, dessen Richter den Stadtrat von<br />
Nelspruit mit Kolonialisten verglich. Der Stadtrat, in welchem<br />
die alte Widerstandsorganisation der Schwarzen, der ANC,<br />
© Frombelow<br />
© RossW, World Cup 2010 Shine 2010, Ngrund Panoramio<br />
Weiße Elefanten: Green Point-Stadion in Kapstadt, Moses Mabhida-Stadion in Durban, Nelson Mandela-Bay-Stadion in Port Elizabeth (v. l.)<br />
11