Die Stufe 145
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FIFA ihre Verpflichtungen gegenüber den ausrichtenden Ländern<br />
nur ungenügend vertritt und umsetzt. In ihrem Bericht fordert<br />
sie die UN-Mitgliedsstaaten, die FIFA und das IOC auf, ihren<br />
menschenrechtlichen Verpflichtungen bei der Organisation von<br />
Großveranstaltungen nachzukommen. Alle Interessengruppen<br />
müssten eine verantwortungsvolle Haltung gegenüber den Auswirkungen<br />
von Großveranstaltungen einnehmen und das Recht<br />
auf angemessenen Wohnraum in allen Phasen der Veranstaltung<br />
berücksichtigen. Bisher hat die FIFA keine Anforderungen auf<br />
angemessenen Wohnraum in ihr Bieterverfahren aufgenommen<br />
und ignoriert seit mehreren Jahren die Anfragen der UN zu<br />
diesem Thema.<br />
Viele Aussagen nähren die Vermutung, dass die FIFA und ihre<br />
Sponsoren die Fußball-Weltmeisterschaft dem Schwellenland<br />
Südafrika überstülpen wie einem hoch entwickelten Industrieland.<br />
Getrieben vom Schneller-höher-weiter des Globalkapitalismus,<br />
der keine Rücksicht auf die kulturellen und sozialen<br />
Verhältnisse vor Ort nimmt, läuft das Mega-Event in Südafrika<br />
Gefahr, die Mehrheit derjenigen von der Weltmeisterschaft<br />
auszuschließen, wegen derer es doch wohl ursprünglich an<br />
diesen Ort gekommen ist. Noch ist der FIFA-Slogan "Celebrate<br />
Africa's Humanity" nicht überall angekommen.<br />
Seit vielen Jahren begeistern Spieler aus afrikanischen<br />
Ländern in den europäischen Topligen mit ihrer Eleganz und<br />
ihren technischen Fertigkeiten. <strong>Die</strong> Entscheidung für Südafrika<br />
steht für das Ende des Eurozentrismus und die Ankunft der<br />
Globalisierung im Fußballgeschäft.<br />
Für Fußballfans bedeutet das, sich auf eine andere (Fußball)-<br />
Kultur einzulassen und verlangt Mut, kulturelle Scheuklappen<br />
abzulegen. Kaum eines der letzten Austragungsländer stellte als<br />
Reiseland eine ernsthafte Herausforderung dar (außer vielleicht<br />
an den Geldbeutel). Wer jetzt seinen Blick auf Südafrika richtet,<br />
sollte mehr im Kopf haben als nur Fußball.<br />
Wir haben die WM nie nötig gehabt“, sagt Andile Mngxitama,<br />
politischer Kommentator und Kolumnist. „Sie ist eine Schauveranstaltung<br />
von Politikern, die die Aufmerksamkeit ablenkt<br />
von 16 Jahren Demokratie, die bei der Mehrheit der schwarzen<br />
Menschen nicht angekommen ist. Wir werden mit weißen<br />
Elefanten-Stadien gefangen werden. Der WM geht es nicht um<br />
Fußball oder sogenannten Tourismus. Es geht um Politiker, die<br />
hoffen, dass sie uns für einen Monat auf Trab hält und ihnen<br />
und ihren Freunden enorm viel Geld bringt."<br />
Germar Schulte-Hunsbeck<br />
Wie Fußball-Weltmeisterschaften vergeben werden<br />
1924 und 1928 wurde die Mannschaft Uruguays Olympiasieger.<br />
Der damalige Vorsitzende des Fußballweltverbandes<br />
(FIFA), der Franzose Jules Rimet, konnte den wohlhabenden<br />
uruguayischen Diplomaten Enrique Buero für seine Idee einer<br />
Weltmeisterschaft gewinnen. 1930 fand die erste WM in<br />
Uruguay statt, dem europäischen Mitbewerber Italien wurde<br />
die Veranstaltung vier Jahre später zugesagt.<br />
<strong>Die</strong> Vergabe der ersten Weltmeisterschaften nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg waren sportpolitisch geprägt. Brasilien (1950) wurde<br />
vom Krieg kaum beeinflusst, die Schweiz (1954) und Schweden<br />
(1958) waren im Krieg neutral. Seit 1958 war es Tradition, die<br />
Weltmeisterschaft im Wechsel zwischen Europa einerseits und<br />
dem amerikanischen Kontinent zu veranstalten.<br />
2000 beschloss die FIFA ein Rotationsverfahren, nach welchem<br />
ab 2010 Weltmeisterschaften im kontinentalen Wechsel zwischen<br />
den sechs Kontinentalverbänden stattfinden sollen. Das<br />
Rotationsverfahren wurde mittlerweile wieder aufgehoben,<br />
weil in den Kontinentalverbänden von Ozeanien, Afrika und<br />
Nordamerika nur eine geringe Zahl möglicher Austragungsländer<br />
bereitsteht. <strong>Die</strong> Kontinentalverbände wurden überwiegend<br />
in den Fünfziger und Sechziger Jahren gegründet.<br />
Der Afrikanische Fußballverband (CAF) ist mit 55 Landesverbänden<br />
der mitgliederstärkste und wäre ohne die zur<br />
gleichen Zeit stattfindende Dekolonisation Afrikas nicht<br />
möglich gewesen.<br />
Seit 1970 sind afrikanische Mannschaften regelmäßig bei<br />
Fußball-Weltmeisterschaften vertreten. War bis 1978 nur eine<br />
Mannschaft vertreten, so werden in diesem Jahr erstmals<br />
sechs Mannschaften vom afrikanischen Kontinent teilnehmen.<br />
<strong>Die</strong> FIFA trägt mit Vergabe der Weltmeisterschaft an<br />
Südafrika der wachsenden Bedeutung afrikanischer Teams<br />
Rechnung, von denen seit 20 Jahren immer eine Mannschaft<br />
mindestens das Achtelfinale erreicht hat. Schon viele Mannschaften<br />
haben gegen Teams vom afrikanischen Kontinent<br />
eine unliebsame Überraschung erfahren, darunter auch die<br />
Deutschen, die 1982 gegen Algerien 1:2 verloren.<br />
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