Albvereinsblatt_2004-5.pdf
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Die Kleidung und das Gemälde hat eine aus Württemberg<br />
stammende, bürgerliche Familie in liebevoller Erinnerung<br />
an den Verstorbenen über 200 Jahre pietätvoll bewahrt. Damit<br />
bietet sich eine der sehr seltenen Möglichkeiten, historische<br />
Garderobe mit ihrer malerischen Darstellung vergleichen<br />
zu können. Auf dem Porträt sind sowohl die rote<br />
Seidenhaube als auch die schwarzen Lederschuhe mit rotem<br />
Absatz und Silberschnallen detailgetreu gemalt. Auch<br />
in der Wiedergabe des bodenlangen Mantels erkennt man<br />
zweifelsfrei das überlieferte Original, wenn auch das kleinteilige<br />
Muster des Druckstoffs vom Maler etwas summarisch<br />
behandelt worden ist. Nach dem Gemälde scheint der Hausmantel<br />
den auch von Männern getragenen Exemplaren zu<br />
entsprechen. Dass es sich um eine kindgerechte Variante<br />
handelt, überliefert nur das Originalkostüm: Die auf der<br />
Vorderseite angebrachten Knöpfe sind reine Dekoration.<br />
Der Mantel ist hinten zu öffnen – eine praktische Lösung,<br />
die es erleichtert hat, das Kind sauber zu halten.<br />
Herrenbekleidung<br />
im Wandel der Zeit<br />
Von einem weiteren Hausmantel des 18. Jahrhunderts, allerdings<br />
für einen Herren, ist zumindest bekannt, in welcher<br />
Familie er getragen wurde. Er kam 1995 im Neuen Schloss<br />
in Baden-Baden zur Versteigerung, stammt also aus dem<br />
Kleiderschrank der Markgrafen von Baden. Zusammen mit<br />
weiteren reich gemusterten Schlafröcken wird er in Ludwigsburg<br />
erstmals gezeigt, unter dem Thema „Der<br />
Höfling zu Hause – Bequeme Repräsentation“. Auch im<br />
18. Jahrhundert kleidete man sich nämlich in den<br />
eigenen vier Wänden bequem: In adligen und<br />
großbürgerlichen Kreisen legte der Mann Rock und Weste<br />
ab und trug stattdessen einen luxuriösen Hausmantel. In<br />
diesen repräsentativ gestalteten Gewändern empfing der<br />
Hausherr seinen Besuch, und er ließ sich in ihnen auch<br />
gern porträtieren. Der anspruchsvolle Mantel aus dem<br />
Hause Baden ist aus einem Seidengewebe mit<br />
großformatigem Muster gefertigt, das exotische Blumenund<br />
Früchtebouquets in abgestuften Farbübergängen zeigt.<br />
Stil und Qualität dieses höchst luxuriösen Stoffes verweisen<br />
auf Lyon als Herstellungsort.<br />
In den Bereichen des 19. und 20. Jahrhunderts sind Informationen<br />
zu der ausgestellten Kleidung oder auch deren<br />
Herkunft naturgemäß häufiger überliefert; vereinzelt haben<br />
sich sogar Fotos erhalten. In diesem Zusammenhang sei auf<br />
zwei Ausstellungseinheiten hingewiesen: 1995 konnten aus<br />
dem Nachlass von Frau Yvonne Klett Teile der Garderobe<br />
ihres Mannes aufgenommen werden, des ehemaligen Stuttgarter<br />
Oberbürgermeisters Dr. Arnulf Klett (1905–1974).<br />
Seine Anzüge und Kopfbedeckungen – vom Frack bis zum<br />
Trachtenanzug und vom Zylinder bis zur Kappe für Fahrten<br />
im Cabrio – vertreten im Modemuseum die Herrenkleidung<br />
der Zeit zwischen 1950 und 1970. Sie ist unter das Motto gestellt:<br />
„Ein Mann für jede Gelegenheit – Uniforme Varianten“.<br />
Fotos: Peter Frankenstein / Hendrik Zwietasch, WLM Stuttgart<br />
Damenschuhe mit zugehörigen Überschuhen,<br />
sogenannten Patten, um 1730<br />
Ein besonderer Ausdruck modischer Kreativität sind die<br />
von Arnulf Klett bevorzugten Fliegen, die in einer bunten<br />
Reihe präsentiert werden.<br />
Den Rundgang durch das Modemuseum beschließt eine<br />
Ausstellungseinheit mit dem Titel „Erinnerungen“. In dieser<br />
Vitrine tritt die stil- und kostümgeschichtliche Darstellung<br />
in den Hintergrund. Versammelt ist eine Auswahl von Kleidung<br />
mehrerer Generationen, die sich im Haus der Familie<br />
Benger in Bregenz erhalten hatte. Im Zentrum steht wieder<br />
ein Kinderkostüm; der kleine Herbert Benger trug es 1931<br />
im Fasching. Ein kurzer Film zeigt ihn in seiner Rolle als Liftboy.<br />
Ausschnitte aus einem im Jahr 2003 geführten Interview<br />
mit Dorit Benger und ihrem Bruder fassen die Atmosphäre<br />
dieser emotional bestimmten Präsentation in Worte: Kleidung<br />
kann Erinnerungen wecken an vergangene Zeiten, an<br />
bestimmte Menschen oder Situationen, sie lässt Gefühle<br />
und Sehnsüchte aufkommen.<br />
Wandervogelkittel, wohl Heidelberg, um 1920,<br />
getragen von Herrn Dr. Hellmuth Lehmann<br />
(1896–1946), Heidelberg<br />
Modemuseum im Schloss<br />
Ludwigsburg, Öffnungszeiten:<br />
täglich 10–18 Uhr (letzter<br />
Einlass 17 Uhr), Informationen:<br />
Schlossverwaltung Ludwigsburg,<br />
Schlosstrasse 30<br />
71634 Ludwigsburg<br />
Tel. 07141/18<strong>2004</strong>, Fax<br />
07141/186434, info@schlossludwigsburg.de,<br />
www.barockerlebnis.de; Wissenschaftliche Betreuung:<br />
Württembergisches Landesmuseum Stuttgart, Altes Schloss,<br />
Schillerplatz 6, 70173 Stuttgart<br />
Tel. 0711 /2793430, www.landesmuseum-stuttgart.de<br />
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