Albvereinsblatt_2007-2.pdf
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Schauplatz Neufra<br />
an der Donau<br />
»Er war ein bescheidener. listiger und geschwinder Herr. Seine<br />
Frau hat er vor seinem Absterben gut bedacht […]. Dann<br />
ist er Anno 1546 in gutem Alter zu Neufra gestorben und mit<br />
ihm ist das uralte Geschlecht und Herkommen der Freiherren<br />
von Gundelfingen abgestorben, auch Schild und Helm<br />
mit ihm zu Neufra in der Pfarrkirche begraben worden.« In<br />
diesem Auszug aus der berühmten Chronik der Grafen von<br />
Zimmern, die Mitte des 16. Jahrhunderts verfasst wurde, ist<br />
die Rede von Schweikhard, dem letzten Herren von Gundelfingen.<br />
Sein Tod setzte den Schlusspunkt unter die Geschichte<br />
einer nicht ganz unbedeutenden schwäbischen<br />
Adelsfamilie, die seit dem Jahr 1105 urkundlich nachweisbar<br />
ist. Vor allem dem Lautertal im jetzigen Kreis Reutlingen<br />
haben die Gundelfinger mit ihren zahlreichen Burgenbauten<br />
einen bis heute prägenden Stempel aufgedrückt.<br />
Ausgerechnet jener Schweikhard, der letzte Gundelfinger<br />
war es, der Hohengundelfingen, die Stammburg seines Geschlechts,<br />
die im Lauf der Jahrhunderte in andere Hände<br />
geraten war, wieder in den Familienbesitz zurück gekauft<br />
hat. Umso tragischer, dass sein Ableben auch gleich das Ende<br />
der Gundelfinger bedeutete. Weil er keine eigenen Kinder<br />
hatte, zumindest wie die Zimmernsche Chronik süffisant<br />
bemerkt, ehelichen Kinder, kam der ganze schöne Besitz<br />
über seine Adoptivtochter Maria von Bowart nach deren Heirat<br />
mit Georg von Helfenstein an die Helfensteiner und einige<br />
Jahrzehnte später dann – ebenfalls durch Heirat – an<br />
eine Seitenlinie der Grafen von Fürstenberg.<br />
Noch heute können aus dem großen Gesamtwappen der<br />
Fürsten von Fürstenberg diese Erbschaften abgelesen werden:<br />
sowohl der rote gundelfingische Schrägbalken auf goldenem<br />
Feld, als auch das helfensteinische Wappentier, der<br />
Hellefant (wie der Elefant im Mittelalter bezeichnet worden<br />
ist, woraus sich auch der Familienname Helfenstein ableitet)<br />
sind darin zu sehen.<br />
Schweikhard von Gundelfingen verfügte als Rat des Herzogs<br />
Ulrich von Württemberg über hohes Ansehen und bekleidete<br />
während der Zeit, als der Herzog aus seinem Land verbannt<br />
war, als einer der habsburgischen Statthalter in Württemberg<br />
ein bedeutendes Amt. Er hatte seinen Wohnsitz<br />
längst nicht mehr im Lautertal, sondern etwas weiter südwestlich<br />
bei Riedlingen, im Schloss von Neufra an der Donau.<br />
Deshalb ist er auch in der dortigen Schlosskirche begraben<br />
worden. Ein Besuch hier lohnt sich auf jeden Fall,<br />
denn in dieser zum Glück auch tagsüber geöffneten Kirche<br />
sind wunderschöne, teilweise lebensgroße Plastiken und<br />
Grabmäler der Gundelfinger und Helfensteiner zu bewundern,<br />
geschaffen von hoch angesehenen Künstlern der Renaissance<br />
in Schwaben.<br />
17<br />
Thomas Pfündel<br />
Der „Ritter von Gundelfingen“ ist<br />
eine überlebensgroße Holzfigur von<br />
Stephan IV. von Gundelfingen, die<br />
1528 in der Kirche St. Peter und Paul<br />
in Neufra aufgestellt wurde, geschaffen<br />
von Niklaus Weckmann.<br />
Und wenn wir schon im<br />
Schlossareal zu Gast sind,<br />
dann sollten wir unbedingt<br />
noch einen Blick auf<br />
die sogenannten hängenden<br />
Gärten von Schloss<br />
Neufra werfen, einem im<br />
späten 16. Jahrhundert<br />
vielbestaunten Meisterwerk,<br />
das der gundelfingische<br />
Erbe, Graf Georg<br />
von Helfenstein, in Auftrag<br />
gegeben hatte und<br />
das sich nach einem jahrhundertelangen<br />
Dornröschenschlaf<br />
seit einigen<br />
Jahren wieder in beinahe<br />
altem Glanz präsentiert.<br />
Es handelt sich dabei um<br />
ein Tonnengewölbe, auf<br />
dessen ebenem »Dach«<br />
die Gärten angelegt worden<br />
sind. Typisch für das<br />
Zeitalter der Renaissance,<br />
in dem sich der Mensch<br />
allmählich der Natur für<br />
entwachsen hielt, nun einen<br />
Garten nicht mehr auf der Erde, sondern nun eben in<br />
luftiger Höhe zu platzieren. Damals galt die Realisierung<br />
dieses Vorhabens als echte Sensation – eine Art früher Vorläufer<br />
der heutigen Flachdachbegrünungen sozusagen (wenngleich<br />
auch um einiges romantischer anzuschauen).<br />
Und noch etwas hat sich aus früheren Epochen ins 21. Jahrhundert<br />
hinüber retten lassen: die Störche, die dank zahlreicher<br />
neu angelegter Feuchtbiotope an der Donau gerade<br />
im Bereich um Riedlingen herum mittlerweile schon fast<br />
wieder als ein selbstverständlicher Anblick gelten. Genau<br />
so wie es auch zu Lebzeiten des letzten Gundelfingers war.<br />
Unser nächster Ausflug wird uns ganz in den Süden des Landes in einen<br />
Ort führen, der denselben Namen trägt, wie die darüber thronende<br />
Burg und ein uraltes Adelsgeschlecht. Von der dortigen ehemaligen Kaiserpfalz<br />
soll sich die Bezeichnung des Bodensees ableiten. Wenn Sie wissen,<br />
welchen Ort wir suchen, dann schreiben Sie ihre Lösung bitte auf<br />
einer Postkarte an die Blätter des Schwäbischen Albvereins, Waldburgstrasse<br />
48, 70563 Stuttgart. Einsendeschluss ist der 26. März <strong>2007</strong>. Zu<br />
gewinnen gibt es diesmal Gunter Haugs Tatsachenroman »Niemands<br />
Mutter – eine wahre Geschichte«. Die Rätselfrage aus dem letzten Heft<br />
hat Irmgard Nell aus Sigmaringen gewonnen.