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Nr. 197• Mai 2004 - Bündnis 90/Die Grünen Kreisverband Köln

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E u r o p a<br />

Kommt die EU-Verfassung ?<br />

Anlass und Grund für das einstweilige Scheitern der Regierungskonferenz<br />

Eine Europäische Verfassung sollte<br />

es sein, was auf der Regierungskonferenz<br />

Mitte Dezember 2003 in<br />

Brüssel verabschiedet werden sollte.<br />

Der im Juli 2003 vom Verfassungskonvent<br />

verabschiedete Verfassungsvertrags-Entwurf<br />

wurde hoch gelobt.<br />

Angesichts der bevorstehenden Erweiterung<br />

und der damit einhergehenden<br />

zunehmenden Interessensvielfalt der<br />

Mitgliedsstaaten sollte die Handlungsfähigkeit<br />

der EU durch entsprechende<br />

Anpassungen sichergestellt werden.<br />

Doch das ehrgeizige Projekt scheiterte<br />

bekanntlich (zunächst). Der Grund dafür<br />

schien offensichtlich: Spanien und Polen<br />

wollten an der Stimmengewichtung im<br />

Rat nicht rütteln lassen, während Frankreich<br />

und Deutschland eine Vereinfachung<br />

der Entscheidungsmechanismen<br />

einforderten, so die oberflächliche<br />

Analyse.<br />

Was jedoch die Frage der Stimmengewichtung<br />

im Rat der wirkliche Grund<br />

oder handelt es sich dabei nicht vielmehr<br />

um einen Anlass, der den tiefer<br />

liegenden Grund überdeckte?<br />

Bei der Frage um eine europäische<br />

Verfassung geht es um nichts weniger<br />

als um einen entscheidenden Schritt hin<br />

zur Festlegung des Endzustandes<br />

EUropas. Worum geht es bei der Frage<br />

des Endzustandes? Vereinfachend lässt<br />

sich der Endzustand auf zwei Grundkategorien<br />

reduzieren:<br />

- ein föderales Europa, also eine echte<br />

politische Europäische Union mit<br />

vorherrschenden staatsähnlichen<br />

Strukturen oder<br />

- ein konföderales Europa mit vorherrschenden<br />

zwischenstaatlichen<br />

Strukturen bei dem die Mitgliedsstaaten<br />

die Herren der Union bleiben.<br />

Bislang führt die EU eine Art Zwitterdasein,<br />

bei der sowohl staatsähnliche als<br />

auch zwischenstaatliche Strukturelemente<br />

nebeneinander und miteinander<br />

verschachtelt bestehen. <strong>Die</strong><br />

Verabschiedung des Verfassungsvertrags-Entwurfs<br />

könnte den Befürwortern<br />

des staatsähnlichen Ansatzes<br />

zum Vorteil gereichen. Und genau dieses<br />

blieb den Vertretern des zwischenstaatlichen<br />

Antrages nicht verborgen.<br />

Insbesondere einige osteuropäische<br />

Länder fürchten vierzehn Jahre nach<br />

Wiedergewinnung ihrer Souveränität<br />

den erneuten Verlust derselben an Brüssel.<br />

Daher favorisieren sie ein Europa<br />

bei dem sie einerseits möglichst wenig<br />

politische Souveränität an Brüssel<br />

abtreten müssen und andererseits durch<br />

klassische zwischenstaatliche Zusammenarbeit<br />

möglichst viel wirtschaftliche<br />

Stabilität von West-Europa erhalten.<br />

Unter den künftigen Neu-Mitgliedern<br />

wagte es nur Polen, seinen Widerstand<br />

des in seinen Augen zu viel politischen<br />

Europas auszusprechen. Allerdings nicht<br />

offen, sondern versteckt hinter dem<br />

Argument der Stimmengewichtung im<br />

Rat. Dabei konnte sich Polen seinerzeit<br />

der offenen Unterstützung Spaniens<br />

sicher sein.<br />

Frankreich und Deutschland hingegen<br />

fordern ein starkes politisches<br />

Europa. Entsprechend äußerten sie ihre<br />

Enttäuschung über das Scheitern der<br />

Regierungskonferenz. Sie deuteten die<br />

Möglichkeit eines Europas der "unterschiedlichen<br />

Geschwindigkeiten", für<br />

den Fall an, dass der Verfassungsvertrags-Entwurf<br />

auf absehbare Zeit und<br />

in dieser Form nicht unterschrieben<br />

werden sollte. Aber was meinen Paris<br />

und Berlin damit?<br />

Haben wir nicht bereits unterschiedliche<br />

Integrationsdichten in der<br />

EU? <strong>Die</strong> Währungsunion und das<br />

Schengener-Abkommen sind eindeutige<br />

Tatbestände unterschiedlicher Integrationsdichten,<br />

denn nicht alle EU-<br />

Mitglieder nehmen am EURO oder am<br />

Schengener Abkommen teil.<br />

<strong>Die</strong> in diesem Zusammenhang vermehrt<br />

zu vernehmenden Begriffe wie<br />

"Kerneuropa", "Avantgarde" und "Gravitationskern"<br />

verdeutlichen den Willen<br />

einiger EU-Staaten, sich bezüglich des<br />

Integrationsstandes nicht auf den<br />

kleinsten gemeinsamen Nenner festhalten<br />

zu lassen: <strong>Die</strong>jenigen Staaten, die<br />

können und wollen, sollen auch entsprechend<br />

die Möglichkeit haben, sich<br />

stärker zu integrieren als jene Staaten,<br />

die entweder nicht wollen oder können.<br />

<strong>Die</strong>se Möglichkeit ist zwar als Nukleus<br />

bereits Bestandteil des Nizza-Vertrags<br />

und im Entwurf des Verfassungs-<br />

Vertrages noch weiter entwickelt<br />

worden. Jedoch bieten die nukleushaften<br />

Möglichkeiten des Nizza-Vertrages<br />

wenig Handlungsspielraum. Und der<br />

Verfassungs-Vertrag selbst ist bislang<br />

nur ein Entwurf und bietet somit noch<br />

keine rechtliche Handlungsgrundlage.<br />

Also hat es den Anschein, dass Paris<br />

und Berlin mit dem Begriff der "unterschiedlichen<br />

Geschwindigkeiten" noch<br />

etwas anderes meinen könnten: Eine<br />

verstärkte Integration außerhalb der EU-<br />

Verträge derer die Wollen oder Können<br />

- kurzum an der EU vorbei.<br />

Hiermit baut die deutsch-französische<br />

Achse eine glaubhafte Drohkulisse auf,<br />

um die Staaten, die dem zwischenstaatlich<br />

orientierten Ansatz zu neigen,<br />

unter erheblichen Handlungs- und<br />

Konzessionsdruck zu setzen. Aber selbst<br />

wenn der Verfassungsvertrag im Sinne<br />

der deutsch-französischen Achse verabschiedet<br />

werden sollte, wofür nach dem<br />

Kurswechsel Spaniens einiges spricht,<br />

wird die Idee von der EU der "unterschiedlichen<br />

Geschwindigkeiten" allein<br />

aus pragmatischen Gründen ein Instrument<br />

des europäischen Integrationsprozesses<br />

- nur eben innerhalb des<br />

Verfassungsvertrages.<br />

Alexander Neu<br />

Ak-Internationales / KV-<strong>Köln</strong><br />

<strong>Nr</strong>. <strong>197•</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2004</strong> 17

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