Layout 2004/2005 A4quer - Gymnasium Liestal
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Schwerpunktthema Zusammenarbeit<br />
«Weshalb betrachten wir eigentlich sonst immer alles separat?»<br />
Fächerübergreifender Unterricht als Aufbruch in pädagogisches Neuland<br />
Kaum eine Forderung des neuen Maturitätsreglements<br />
stösst auf so viel Ratlosigkeit wie die in § 5 eingeforderte<br />
«Übung im vernetzten Denken». Der<br />
Anspruch stellt das <strong>Gymnasium</strong> vor die Aufgabe,<br />
einerseits Spezialisierung aufzubauen, diese aber<br />
zugleich im Hinblick auf eine Verständigung unter<br />
den Fächern zu überwinden. Ein Spagat, der schwer<br />
zu meistern ist.<br />
Das Fachlehrersystem, ein nach Fächern<br />
geordneter Lehr- und Stundenplan, bis<br />
hin zu den Prüfungsreglementen stellen<br />
ihm beträchtliche Hindernisse entgegen.<br />
Dennoch wäre fächerübergreifendes<br />
Lernen dringlich: Blicken wir über die<br />
Schule hinaus, so erkennen wir, dass es oft<br />
gerade die Fragen jenseits der Fachfragen<br />
sind, die die Lebens- und Berufswelt<br />
bedrängen. Hunger, Umweltzerstörung,<br />
Drogen, Seuchen, Terror und Krieg, die<br />
grossen Herausforderungen unserer Zeit,<br />
tun uns nicht den Gefallen, sich nach<br />
der Ordnung wissenschaftlicher oder<br />
schulischer Fächer zu richten. Das neue<br />
Maturitätsreglement fordert deshalb mit<br />
Recht, dass das <strong>Gymnasium</strong> «vernetztes<br />
Denken» schule.<br />
Doch wie anstellen? Eine Gruppe von<br />
27 Lehrpersonen an unserer Schule<br />
hat im vergangenen Jahr eine bunte<br />
Vielfalt fächerübergreifender Vorhaben<br />
in Angriff genommen. Diese gedeihen<br />
gleichsam in den Ritzen unseres nach<br />
Fächern geordneten Bildungsgebäudes.<br />
So macht etwa Blockunterricht während<br />
der mündlichen Matur Teamteaching<br />
möglich. Aber auch die Koordination<br />
verwandter Inhalte im Fachunterricht<br />
(etwa in den historischen Fächern) bietet<br />
Chancen, Lernenden Verbindungen und<br />
Zusammenhänge zwischen den Fächern<br />
aufzuzeigen. Eine gemeinsame Leitfrage,<br />
eine gemeinsame Einführungslektion und,<br />
nach fachgetrenntem Unterricht, eine<br />
abschliessende Synthesedoppelstunde<br />
vermögen, auch im Fachkorsett des<br />
Stundenplans, erstaunliche Ergebnisse<br />
zu erbringen. Zweifellos: Der zeitliche<br />
Aufwand, eine fächerübergreifende<br />
Unterrichtseinheit zu entwickeln, ist<br />
gross, entspricht leicht dem Zweifachen<br />
des Fachunterrichts. Fächerübergreifendes<br />
Unterrichten bedeutet Pionierarbeit in<br />
einem lehrmittelarmen Brachland, das<br />
dennoch im Bereich des Lehrplans liegt.<br />
Biologie und Mathematik<br />
Was heisst nun fächerübergreifender<br />
Unterricht auf der Ebene der Inhalte? Ich<br />
will dies an zwei Beispielen aus dem letzten<br />
Schuljahr illustrieren.<br />
In der Klasse 1A haben sich Mathematik<br />
(M. Erdin) und Biologie (M. Obrist) zum<br />
Thema Symmetrien verbunden. Zunächst<br />
wurden im fächergetrennten Unterricht<br />
Grundlagen erarbeitet. In der Mathematik<br />
lernten die Schüler/-innen Symmetrien<br />
und Symmetriegruppen, goldenen Schnitt<br />
und goldenen Winkel kennen. Zeitgleich<br />
behandelte Biologie das Thema Symmetrie<br />
im Lichte biologischer Mechanismen der<br />
Musterbildung (Fellzeichnung, Blattstellung,<br />
Bienenwaben) aus evolutiver<br />
Sicht. Die Übertragung von Wissen vom<br />
einen in das andere Fach erwies sich<br />
nun auf mehreren Ebenen als fruchtbar.<br />
Einerseits gewann die Mathematik in der<br />
Biologie ein wertvolles Anschauungsfeld<br />
(das ihr gewöhnlich eher im Fach Physik<br />
zukommt). So tat sich für die Mathematik<br />
die Aussicht auf, biologische Vorgänge zu<br />
simulieren und dadurch weitere Anwendungen<br />
vorzubereiten. Aber auch der Weg<br />
von der Biologie in die Mathematik barg<br />
überraschende Erkenntnisse: Betrachtet<br />
man Naturphänomene als Träger mathematischer<br />
Strukturen (Symmetrien, goldenen<br />
Winkel etc.), so wird es möglich,<br />
mathematische Strukturen als naturgeschichtlich<br />
gewachsene zu entdecken.<br />
Das Thema Evolution gewinnt eine ganz<br />
neue Dimension.<br />
Deutsch und Geschichte<br />
Ein zweites Beispiel illustriert ein<br />
Zusammengehen der Fächer Geschichte<br />
(A. Schmidlin) und Deutsch (H. Caviola)<br />
in der Klasse 3Wa zum Thema Moderne.<br />
Die fächerübergreifende Frage lautete<br />
hier: «In welchen Kulturphänomenen<br />
der Moderne (1880–1933) wird die<br />
Öffnung einer zuvor geschlossenen Form<br />
fassbar?» Den Geschichtsstoff für diese<br />
kulturmorphologische Fragestellung<br />
bot der Zeitraum des Imperialismus<br />
bis zum Ende der Weimarer Republik.<br />
In der Literaturgeschichte wurde der<br />
Übergang vom Naturalismus bis hin<br />
zu Dada behandelt, ebenso der Zusammenhang<br />
zwischen Psychoanalyse und<br />
der literarischen Technik des Bewusstseinsstroms.<br />
Werke von Schnitzler und<br />
Kafka boten literarische Innensichten<br />
eines Zeitalters, dessen Bild auch durch<br />
gelegentliche Exkurse in die Welt der