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Andrzej Stasiuk - Instytut Książki

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Eustachy Rylski Die Insel<br />

20<br />

Vom<br />

Leben eingeschüchtert, beschloß die<br />

Friseurpraktikantin aus Wągrowiec, etwas<br />

träge vom Schlaf, von der Süße und<br />

der ersten Jugend, gemeinsam mit ihrer Freundin, übrigens<br />

auf deren Zureden, den Urlaub in einem der modischen<br />

Orte am Meer zu verbringen.<br />

Der Kurort entsprach ihren Vorstellungen von der großen<br />

Welt, und als ein Mann von Welt erwies sich auch Sylwek,<br />

ein gut aussehender Mann von dreißig, der den Duft von<br />

Erfolg, Geld, Selbstsicherheit und Eau de Cologne Paco Rabanne<br />

um sich verbreitete.<br />

Sylwek und sein Kumpel Kapiszon waren Könige des Lebens.<br />

Markenklamotten, gute Zigaretten, teure alkoholische<br />

Getränke, Armbänder an den Handgelenken und das jeweils<br />

passende Dope.<br />

Monika war beeindruckt von den Jungs und der Welt, die<br />

sie vor ihr ausbreiteten, so daß sie sich, irgendwo am Strand<br />

angesprochen, ohne spezielle Absicht, ja sogar ohne Überzeugung,<br />

sehr wahrscheinlich in einem Augenblick der Langeweile<br />

oder des gedankenlosen Übermuts voll Leidenschaft<br />

der Urlaubsromanze hingab.<br />

Sie war allzu begierig aufs Glück, als daß die ostentative<br />

Straflosigkeit, mit der die jungen Männer und ihre Kumpane<br />

das Leben genossen, sie auch nur im geringsten verlockt<br />

hätte. Kneipenschlägereien, bravouröse Pirouetten auf den<br />

Waverunnern, ein riskantes Hasardspiel vor der Eröffnung<br />

des Kasinos, das schon verfaulte, ehe es reif war, nächtliche<br />

Fahrten durch die engen Straßen der erschrockenen Stadt,<br />

schließlich die zotige Vorstadtsprache, die wie eine vergiftete<br />

Quelle durch die dünne Oberfläche vorgetäuschter Korrektheit<br />

drang – das alles hielt das Mädchen nicht davon ab, sich<br />

verzaubern zu lassen.<br />

Im Gegenteil: Je ungestümer dieses Leben verlief – und das<br />

war von Tag zu Tag mehr der Fall –, desto größer wurde Monikas<br />

Appetit darauf. Es ließ sich nicht verhehlen: Das Mädchen<br />

war zu jung, dumm und unempfindlich, um in ihrer<br />

Faszination durch einen Hauch Nachdenklichkeit stören zu<br />

lassen. Umso mehr als sie selbst an Glanz gewann und sich<br />

aus einer grauen Maus in eine verliebte Frau verwandelte, die<br />

sich ihrer Reize bewußt wurde.<br />

An Glanz gewann auch der Kurort, der in den Augen des<br />

Mädchens zu Hollywood, Monaco, San Remo wurde, Orten,<br />

die sie bisher nur aus den Klatschspalten von Illustrierten<br />

kannte.<br />

Als deren Heldin fühlte sie sich ein wenig.<br />

Doch der Urlaub ging zu Ende, ehe er richtig auf Touren<br />

gekommen war, wie es einem mit allen Annehmlichkeiten<br />

ergeht.<br />

Die Verliebten gingen auseinander. Monika fuhr nach<br />

Wągrowiec, Sylwek natürlich nach Warschau.<br />

Sie versprachen einander, sich regelmäßig zu schreiben<br />

und so oft wie möglich zu besuchen. Monika kehrte nicht<br />

mehr an ihre Arbeitsstätte zurück, denn man kehrt nicht aus<br />

dem Paradies in einen provinziellen Friseursalon und von<br />

einem Märchenprinzen zu langweiligen Kundinnen zurück,<br />

die nicht wußten, was Lust ist. Worüber hätte sie auch mit<br />

ihnen sprechen sollen? Und Gespräche waren doch das Wesen<br />

und der Kern ihrer Arbeit.<br />

Sie hatte vor, sich nach etwas Passenderem umzusehen.<br />

Derweil verflog ihr die Zeit mit Träumen und Briefen. Von<br />

Chips und Coca-Cola wurde sie mächtig dick, und vom<br />

Zanken mit den Eltern nahm sie Schaden.<br />

Bisher nach außen hin unsicher, vorsichtig und zurückgezogen,<br />

kompensierte sie dies durch ein größeres Maß<br />

häuslicher Unabhängigkeit, als es dem Status eines unselbständigen<br />

Kindes entsprach. Jetzt vertieften sich die Abhängigkeiten,<br />

schon aus Mangel an Arbeit, doch die Autonomie,<br />

die sich sich willkürlich zuerkannt hatte, entartete durch ihre<br />

Dreistigkeit.<br />

Damit verletzte sie die Eltern, ohne Rücksicht auf die Umstände.<br />

Die Eltern, bisher stets offen und von nicht nachlassender<br />

Geduld, verschlossen sich in einem Schweigen, das Monika<br />

bald aus Langeweile, bald aus einer sich selbst steigernden<br />

Wut brutal brach. Nicht ohne Erfolg, wenn Roheit auf die<br />

Wehrlosigkeit einfacher, fleißiger, verantwortungsbewußter<br />

Leute trifft, die, über die Zeiten verwundert und von ihnen<br />

unabhängig, zu Gefühlen bereit sind.<br />

Was nun die Korrespondenz betraf, so war sie ganz einseitig.<br />

Auf ihre immer ungeduldiger werdenden Briefe erhielt<br />

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