∆Teil 3 Im Fokus: „FZ in fragilem Kontext“
Flüchtlingshilfe in der DR Kongo: selbstgemachte Lehmziegel sind Baumaterial für Häuser – und sorgen für Beschäftigung im Lager. Bekenntnis zu verstärktem Engagement Die internationale Entwicklungszusammenarbeit beschreitet neue Wege Der Jahrtausendwechsel markiert eine Wende in der Entwicklungszusammenarbeit (EZ). Die Verabschiedung der Millenniumsziele, die Einigung der internationalen Staatengemeinschaft auf ein harmonisiertes und mit den nationalen Plänen der Partnerländer abgestimmtes Vorgehen und die Konzentration <strong>nicht</strong> auf Inputs, sondern vor allem auf die Wirkungen der Zusammenarbeit waren die prominentesten Änderungen. Nicht minder radikal war jedoch das Umdenken, das die internationale EZ in fragilem Kontext grundlegend reformierte. 1 1990er-Jahre: EZ braucht ein Mindestmaß an Stabilität EZ zielt auf nachhaltige Veränderungen ab. Die Lebensbedingungen der Bevölkerung in den Partnerländern sollen dauerhaft verbessert werden. Gemessen an diesem Anspruch galten in den 1990er- Jahren die Erfolge, die die internationale EZ in fragilem Kontext erzielen konnte, als bescheiden. Nicht selten zählten Vorhaben unter fragilen Bedingungen zu den poor performern, mit strategischen Konsequenzen. Zur Jahrtausendwende war in der internationalen Gebergemeinschaft die Auffassung stark verbreitet, in einer Umgebung, die von Konflikten oder gar kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt ist, in der eine stabile Regierung oder ein verlässlicher Kooperationspartner fehlt, eher auf Instrumente der Nothilfe zu setzen. Mittel der EZ, so die damalige Überzeugung, sollten in einem solchen Kontext allenfalls auf niedrigem Niveau eingesetzt werden, um – meist umgesetzt von Nicht-Regierungsorganisationen – die Grundversorgung der Bevölkerung zu unterstützen. Das Gros der EZ-Ressourcen erschien in der Zusammenarbeit mit stabilen Partnerländern besser angelegt. Deren Regierungen hatten ihren Reformwillen bereits bewiesen und waren in der Lage, langfristig wirksame Veränderungen auch durchzusetzen. Dementsprechend galt eine Wiederaufnahme der EZ mit vormals „schwierigen Partnern“ erst dann als sinnvoll, wenn die Krise überwunden und ein Mindestmaß an Stabilität wiederhergestellt war. Jahrtausendwende: Engagement auch in fragilem Kontext notwendig Diese Zurückhaltung der EZ gegenüber der Arbeit in fragilem Kontext änderte sich allmählich, als sich der prekäre Zustand in vielen potenziellen Partnerländern <strong>nicht</strong> als ein vorübergehendes Phänomen, sondern vielmehr als ein jahrelang anhaltender Zustand erwies. Die Terroranschläge vom 11.09.2001 waren eine Zäsur: Sie machten den engen Zusammenhang zwischen Fragilität und Armut in Entwicklungsländern einerseits und den sicherheitspolitischen Gefahren für die Bevölkerung in Indus trie län dern andererseits hautnah erfahrbar. Die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels in der Zusammenarbeit in fragilem Kontext rückte in das allgemeine entwicklungspolitische Bewusstsein. Auf eine Rückkehr dieser Länder zu stabilen Verhältnissen aus eigener Kraft konnte kaum gehofft und <strong>nicht</strong> gewartet werden. Vielmehr mussten Ansätze gefunden werden, die auch in schwierigem Kontext zumindest eine Verschlimmerung der Situation verhindern und stabilisierende Kräfte stützen können. 1 Einen Überblick über die Debatten und Veränderungen im Denken in der internationalen Gebergemeinschaft im Hinblick auf die EZ in fragilem Kontext geben zum Beispiel Debiel, Tobias, Lambach, Daniel, und Reinhardt, Dieter (2007): „Stay Engaged“ statt „Let Them Fail“. Ein Literaturbericht über entwicklungspolitische Debatten in Zeiten fragiler Staatlichkeit. Duisburg: Institut für Entwicklung und Frieden, Universität Duisburg-Essen (INEF-Report 90) oder Baranyi, Stephen, und Desrosiers, Marie-Eve (2012): Development cooperation in fragile states: filling or perpetuating gaps?, Conflict, Security & Development, 12:5, 443 – 459. Teil 3: Im Fokus: „FZ in fragilem Kontext“ | 27