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BELLETRISTIK<br />
Zum Einlesen<br />
Aufruhr<br />
Friedhöfe waren im Mittelalter lebendiger<br />
und lärmender Tummelplatz<br />
des sozialen Lebens. Dort trafen sich<br />
Gauner, Prostituierte und Strassenkinder.<br />
In der Neuzeit nahm man<br />
es mit der Hygiene<br />
ein wenig ernster und<br />
die Friedhöfe wanderten<br />
an den Stadtrand.<br />
Diesen Wandel<br />
nimmt Andrew Miller<br />
<strong>als</strong> Vorlage für seinen<br />
Roman. Es ist eine<br />
turbulente Geschichte<br />
vom Vorabend der<br />
Revolution und den<br />
widerstreitenden Kräften des Alten<br />
und des Neuen. Frankreich, Ende<br />
des 18. Jahrhunderts: Im Schloss von<br />
Versailles wird dem Ingenieur Jean-<br />
Baptiste Baratte von höchster Stelle<br />
ein Auftrag erteilt. Er soll den Friedhof<br />
der Unschuldigen demolieren,<br />
der, mitten in Paris gelegen, Hunderttausende<br />
von Toten beherbergt<br />
und dessen Ausdünstungen die Stadt<br />
langsam vergiften, so dass der Wein<br />
in den Kellern zu Essig wird, Fleisch<br />
binnen Minuten verfault. Aber es soll<br />
unauffällig geschehen. Doch ohne<br />
Widerstand geht es nicht ab, es werden<br />
ja nicht nur Gräber umgesiedelt<br />
sondern auch Menschen vertrieben.<br />
Der ehrgeizige Ingenieur hat Schuldgefühle.<br />
Er will dennoch nicht von<br />
seinem Projekt abweichen, obwohl<br />
er persönlich angegriffen wird. Die<br />
Atmosphäre wird zunehmend aggressiver.<br />
Andrew Miller<br />
Friedhof der<br />
Unschuldigen<br />
Übers. v. Nikolaus Stingl<br />
Zsolnay, 384 S.<br />
ca. sFr. 29.90<br />
ISBN 978-3-552-05644-2<br />
Auch <strong>als</strong> E-Book erhältlich<br />
Christof Kessler ist Spezialist<br />
für Hirnerkrankungen<br />
und Professor für<br />
Neurologie. Für „Wahn“<br />
hat er Schicksale aus seiner<br />
Praxis zu erschütternden,<br />
anrührenden<br />
und auch komischen<br />
Erzählungen verwoben.<br />
Er präsentiert uns Miniaturdramen<br />
von existentieller<br />
Wucht.<br />
Da geht es etwa um einen<br />
der sich von der Mafia<br />
bedroht fühlt, denn er<br />
weiss zuviel. Einer der<br />
Anwälte hockt abends<br />
auf seinem Schrank.<br />
Manchmal ist ihm klar,<br />
dass das alles Einbildung<br />
ist. Aber es bedarf nur<br />
eines dummen Zufalls<br />
– und er bricht auf zum<br />
Offen gelegt<br />
Paul Auster erzählt<br />
die Geschichte seines<br />
Lebens aus der<br />
Warte des Körpers.<br />
Auster spricht aus,<br />
was seine Hand,<br />
seine Füsse, seine Glieder im Verlauf<br />
eines langen Lebens getan haben.<br />
Es ist ein mutiges weil sehr offenes<br />
Buch, dabei ohne jede Larmoyanz.<br />
Er bereut nichts, er be obachtet. So<br />
lässt er seine Liebesbeziehungen<br />
Revue passieren: viele zunächst, und<br />
dann – dreissig Jahre lang – nur noch<br />
die eine, grosse Liebe! Die Kinder,<br />
die Abtreibungen, die Krankheiten.<br />
Er spricht über Begegnungen mit<br />
dem Tod: ein Sturz <strong>als</strong> Junge, eine<br />
Herzattacke, ein Autounfall.<br />
Über die Körperlichkeit<br />
auch, die Empfindlichkeit<br />
jenes physischen<br />
Systems, das uns am<br />
Daneben gerückt<br />
Leben erhält und über das wir so<br />
wenig nachdenken, solange es funktioniert.<br />
Winterjournal ist eine Art<br />
Autobiografie, aber keine konventionelle,<br />
sondern höchste literarische<br />
Kunst: voll philosophischer Betrachtungen,<br />
poetischer<br />
Impres-<br />
Paul Auster<br />
Winterjournal<br />
Übers. v. Werner Schmitz<br />
sionen intimer Rowohlt, 256 S.<br />
ca. sFr. 28.50<br />
Einsichten.<br />
ISBN 978-3-498-00087-5<br />
Auch <strong>als</strong> E-Book erhältlich<br />
furiosen, völlig vergeblichen<br />
Rachefeldzug.<br />
Oder es geht um die<br />
Gefahren des Flirtens,<br />
denn dabei sollte man<br />
sich an Regeln halten.<br />
Was aber, wenn sie an<br />
der seltenen Krankheit<br />
leidet, Gesichter nicht<br />
wiedererkennen zu<br />
können. Und er die vermeintliche<br />
Zurückweisung<br />
nicht erträgt, <strong>als</strong> sie<br />
ihn später nicht erkennt?<br />
Und sich das nicht<br />
gefallen lassen will?<br />
Christof Kessler<br />
Wahn<br />
Stories<br />
Eichborn, 207 S.<br />
ca. sFr. 24.50<br />
ISBN 978-3-8479-0551-6<br />
Auch <strong>als</strong> E-Book erhältlich<br />
PROMOTION<br />
Fotos: Fotolia, Abbie Trayler-Smith, Beowulf Sheehan, Missbehavior<br />
26<br />
buchmedia<br />
magazin 21 (3/13)