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Fall 11 + Lösung - Prof. Dr. Windbichler - Humboldt-Universität zu ...

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AG Handels- und Gesellschaftsrecht Sommersemester 2009<br />

Lehrstuhl <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Windbichler</strong><br />

<strong>Fall</strong> 13 - Bertold Brudermüller (B) ist Bäckermeister und im Handelsregister unter „Bäcker<br />

Brudermüller e.K.“ eingetragen. Der wachsenden Konkurrenz unterlegen hat er statt früher drei große<br />

nur noch eine kleine Bäckerei mit zwei Angestellten, die auch schlecht geht. Er schließt daher Ende<br />

des Jahres 2005 einen „Kooperationsvertrag“ mit dem Großbäcker „Kemp e.K.“ (K), der sowohl<br />

eigene Filialen betreibt als auch zahlreiche Kooperationspartner hat. Dieser Standardvertrag, den auch<br />

B vorbehaltlos akzeptiert, sieht unter anderem vor, dass B ausschließlich die Backmischungen und<br />

sonstige Zutaten von K verwendet; eventuelle Beanstandungen sind innerhalb von zwei Stunden<br />

mit<strong>zu</strong>teilen. Im Gegen<strong>zu</strong>g wird K seine besseren Einkaufskonditionen an B weitergeben und in seinen<br />

Werbemaßnahmen auf das Geschäft des B hinweisen. B soll sein Geschäftslokal in „Bäcker Kemp“<br />

umbenennen und nach den K-Vorgaben einrichten. B verpflichtet sich, einen bestimmten Prozentsatz<br />

vom Gewinn an K ab<strong>zu</strong>führen. Zwecks Berechnung ist B verpflichtet, monatlich eine Abrechnung bis<br />

<strong>zu</strong>m dritten Werktag des Folgemonats ein<strong>zu</strong>reichen; bei Verspätung wird eine Vertragsstrafe von 2000<br />

€ fällig. Am 1.1.2006 wird die Vereinbarung ins Werk gesetzt.<br />

Da die Geschäftslage des B, insbesondere die Liquidität sich ungünstig entwickelt, will B einen<br />

Betriebsmittelkredit bei der Sparkasse S aufnehmen. Der <strong>zu</strong>ständige Mitarbeiter läßt sich die<br />

Jahresbilanz des B für 2007 vorlegen. Darin ist die Geschäftseinrichtung als Anlagevermögen<br />

aufgeführt. Auf Rückfrage erklärt B, die Einrichtung diene dauerhaft seinem Geschäftsbetrieb, obwohl<br />

sie nur gemietet sei. Die Sparkasse will auf der Grundlage einer derartigen Bilanzierung kein<br />

Kreditangebot machen. Beanstandet die Sparkasse die Bilanz des B <strong>zu</strong> Recht?<br />

<strong>Fall</strong> 13a - Knut K e.K. vertreibt im eigenen Namen Kopierer der Firma "Copycat" und bietet<br />

Reparaturen und Wartungsdienste an, die von Fachpersonal und in Fachbetrieben der C durchgeführt<br />

werden; ferner handelt er mit Zubehör, insbesondere Tonerkassetten. K beschäftigt fünf Mitarbeiter<br />

K will sich schon länger aus dem Geschäftsleben <strong>zu</strong>rückziehen und ist froh, in Neu einen geeigneten<br />

Erwerber für sein Unternehmen gefunden <strong>zu</strong> haben. Zum 1.7. veräußert K sein Unternehmen an N <strong>zu</strong><br />

einem Preis, der den geschätzten Wert des Kundenstammes berücksichtigt. N beschäftigt die<br />

Mitarbeiter weiter (§ 613a BGB). Am 3.7. wird N als Inhaber mit der Fa. "Knut K, Inh. N e.K." ins<br />

Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht.<br />

N stellt am 6.7. fest, dass ein beträchtlicher Teil der Tonerkassetten überlagert und vertrocknet ist. Bei<br />

Besichtigung des Lagers war N nichts aufgefallen; die Quantität der Kartons war im Verhältnis <strong>zu</strong>m<br />

Ansatz der Vorräte (<strong>zu</strong>m Einkaufspreis in der Bilanz) plausibel. Auf Rückfrage erklärt K,<br />

Abschreibungen habe er generell nicht vorgenommen, das sei ihm <strong>zu</strong> mühsam und kompliziert<br />

erschienen. Und deshalb werde er sich auch jetzt nicht mit der Bilanz befassen. N sagt dem K, wenn<br />

der nicht bereit sei die Bilanzrichtig<strong>zu</strong>stellen und neue Tonerkassetten <strong>zu</strong> liefern, werde er den für die<br />

Übernahme des Unternehmens gezahlten Kaufpreis mindern. Zwei Wochen verstreichen, ohne dass K<br />

reagiert.<br />

Frage: Kann N Minderung des Kaufpreises verlangen?<br />

Variante: K. ist nicht Einzelkaufmann, sondern alleiniger Gesellschafter der „Copycat“-GmbH. Vor<br />

drei Jahren hielt sein Partner P noch einen Geschäftsanteil <strong>zu</strong>m Nennwert von 40% des<br />

Stammkapitals. P hatte sich <strong>zu</strong>r Ruhe gesetzt und die Anteile aufg K übertragen. K. wurde daraufhin<br />

als alleiniger Gesellschafter in die Gesellschafterliste eingetragen. K. veräußert sämtliche Anteile an<br />

N. Kurze Zeit später ficht P die Übertragung seiner Anteile an K erfolgreich wegen Täuschung an.<br />

Kann N den Kaufpreis wegen der unverkäuflichen Tonerkassetten und/oder wegen wegen der<br />

Anfechtung des P mindern?<br />

2. Frag: Kann N den Kaufpreis wegen der unverkäuflichen<br />

Tonerkassetten und/oder wegen wegen der Anfechtung des P mindern?<br />

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AG Handels- und Gesellschaftsrecht Sommersemester 2009<br />

Lehrstuhl <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Windbichler</strong><br />

<strong>Fall</strong> 13 – <strong>Lösung</strong><br />

Vorschlag für den Obersatz:<br />

Die Sparkasse beanstandet die Bilanz <strong>zu</strong> Recht (und macht deshalb kein Kreditangebot),<br />

wenn der B <strong>zu</strong>r Bilanzierung nach Maßgabe des HGB verpflichtet und der Ansatz der<br />

Geschäftseinrichtung als Anlagevermögen fehlerhaft ist. Dann werden nämlich die<br />

wirtschaftlichen Verhältnisse des B wesentlich unrichtig dargestellt.<br />

1. Anwendbarkeit der Rechnungslegungsvorschriften des HGB<br />

a. § 238 Abs. 1 HGB: „jeder Kaufmann“<br />

P: Kaufmannseigenschaft des B<br />

- Ob nur Kleingewerbe kann dahinstehen wegen § 5 HGB<br />

(nach K. Schmidt soll für das „Herabsinken“ auf ein Kleingewerbe § 2 HGB die<br />

einschlägige Norm sein. Anwendung von § 2 HGB mit ordentlicher Begründung ist<br />

daher vertretbar Die h.M. lehnt diese Auffassung allerdings ab. Grundlage für § 2 HGB<br />

müsse eine bewusste Entscheidung des Betreffenden sein, sich eintragen <strong>zu</strong> lassen. Im<br />

Übrigen hätte § 5 HGB ansonsten kaum noch eine eigenständige Bedeutung;<br />

- Denkbar: Zweifel an der Selbständigkeit<br />

(nach h.M. findet § 5 HGB nur auf Unternehmen Anwendung, die auch tatsächlich ein<br />

Gewerbe betreiben; Canaris, § 3 III 2 c) (S. 41) a.A. K. Schmidt § 10 III 2)<br />

Aber für einen „knebelnden Vertrag“, der je Selbständigkeit raubt fehlt es im<br />

Sachverhalt an Anhaltspunkten<br />

(Anm.: Bei Vertragshändlern und Franchisenehmern wird die analoge Anwendung<br />

der §§ 84 ff. HGB diskutiert. Aber der Handelsvertreter zeichnet sich u.a. dadurch<br />

aus, dass er selbständig ist, so dass die Kaufmannseigenschaft von B in keinem <strong>Fall</strong><br />

an der Selbständigkeit scheitern dürfte, instruktiver Überblick über die verschiedenen<br />

Formen selbständiger Absatzmittler bei Hombrecher, JURA 2007, 690 ff. )<br />

b. Erleichterungen nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)<br />

§ 241a HGB – Befreiung von der Pflicht <strong>zu</strong>r Buchführung und Erstellung eines<br />

Inventars Einzelkaufleute, die an Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren<br />

nicht mehr als 500.000 Euro Umsatzerlöse und 50.000 Jahresüberschuss ausweisen, brauchen die §§ 238,<br />

241 nicht an<strong>zu</strong>wenden. Im <strong>Fall</strong> der Neugründung treten die Vorausset<strong>zu</strong>ngen des Satzes 1 am ersten<br />

Abschlussstichtag nach der Neugründung ein.<br />

Damit entfällt die handelsrechtliche Buchführungspflicht für Gewerbetreibende mit<br />

geringem Umsatz (davon <strong>zu</strong> unterscheiden ist die Aufstellung einer Bilanz für<br />

steuerrechtliche Zwecke)<br />

Beachte: gilt nur für Einzelkaufleute; nicht für Gesellschaften!<br />

Über genaue Umsatzhöhe fehlen im Sachverhalt Angaben. Fehlen Angaben, ist<br />

weiterhin grundsätzlich von einer Buchführungspflicht aus<strong>zu</strong>gehen<br />

2. Fehlerhaftigkeit der „Jahresbilanz“<br />

a. Was meint die Sparkasse mit „Jahresbilanz“?<br />

Jahresabschluss besehend aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung, ggf.<br />

Anhang (vgl. § 242 HGB)<br />

b. Ansatz: § 246 I HGB<br />

- Ladeneinrichtung = Vermögensgegenstand<br />

- diese gehört aber nicht dem B:<br />

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AG Handels- und Gesellschaftsrecht Sommersemester 2009<br />

Lehrstuhl <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Windbichler</strong><br />

„wirtschaftliches Eigentum“ i.S.d. § 246 I 2 HGB: bei Miete nicht gegeben; die<br />

Vorschrift betrifft nur Sicherungsgeschäfte (Bsp. Bank darf Sicherungseigentum<br />

nicht in der Bilanz aktivieren, obwohl sie formal Eigentümerin ist)<br />

Ergebnis: Ansatz un<strong>zu</strong>lässig<br />

c. Hinweis <strong>zu</strong>r anstehenden Reform im BilMoG, wo diese Rechtslage noch einmal klargestellt<br />

wird:<br />

§ 246 wird wie folgt geändert:<br />

a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:<br />

„(1) Der Jahresabschluss hat sämtliche Vermögensgegenstände,<br />

Schulden, Rechnungsabgren<strong>zu</strong>ngsposten, latente Steuern sowie<br />

Aufwendungen und Erträge <strong>zu</strong> enthalten, soweit gesetzlich nichts<br />

anderes bestimmt ist. Vermögensgegenstände sind nur in die Bilanz<br />

auf<strong>zu</strong>nehmen, wenn sie dem Eigentümer auch wirtschaftlich<br />

<strong>zu</strong><strong>zu</strong>rechnen sind. Schulden sind in die Bilanz des Schuldners<br />

auf<strong>zu</strong>nehmen. Der Unterschiedsbetrag, um den die für die Übernahme<br />

eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung den Wert der einzelnen<br />

Vermögensgegenstände des Unternehmens abzüglich der Schulden<br />

im Zeitpunkt der Übernahme übersteigt (entgeltlich erworbener<br />

Geschäfts- oder Firmenwert), gilt als zeitlich begrenzt nutzbarer<br />

Vermögensgegenstand.“<br />

b) …<br />

c) Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 3 angefügt:<br />

„(3) Die auf den vorhergehenden Jahresabschluss angewandten<br />

Ansatzmethoden sind bei<strong>zu</strong>behalten. § 252 Abs. 2 ist entsprechend<br />

an<strong>zu</strong>wenden.“<br />

© <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. Christine <strong>Windbichler</strong>, LL.M.<br />

<strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> Berlin<br />

Handelsrecht – Hauptstudium Pflichtfach<br />

71<br />

b. Bedeutung von § 247 II HGB<br />

Auf § 247 II HGB kommt es streng genommen nicht mehr an: Reihenfolge Ansatz -<br />

Gliederung - Bewertung<br />

- § 246 sagt, ob etwas an<strong>zu</strong>setzen ist; § 247 regelt wo es an<strong>zu</strong>setzen ist<br />

- Wenn man da<strong>zu</strong> kommt, dass ein Vermögensgut in der Bilanz gar nicht an<strong>zu</strong>setzen ist,<br />

dann wird die Frage wo es ansetzen ist irrelevant<br />

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AG Handels- und Gesellschaftsrecht Sommersemester 2009<br />

Lehrstuhl <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Windbichler</strong><br />

<strong>Fall</strong> 13a – <strong>Lösung</strong><br />

Frage 1: Welche Ansprüche hat N wegen der vertrockneten Tonerkassetten und ihrer<br />

Bilanzierung <strong>zu</strong>m Anschaffungswert?<br />

I. Minderung des Kaufpreises wegen Mangels (vertrocknete Kassetten), §§ 453 I, 434,<br />

441 BGB<br />

Vgl. Dauner-Lieb/Arnold/Dörtsch/Kitz, Fälle <strong>zu</strong>m neuen Schuldrecht, 2002, <strong>Fall</strong> 87 (S. 176 f.) betr.<br />

Umsatzangabe; Wiedemann/Fleischer PdW Handelrecht Nr. 212 ff.<br />

1. Vertrag <strong>zu</strong>stande gekommen (SV),<br />

- Was ist Vertragsgegenstand<br />

- Nicht Tonerkasseten an sich, sondern als Teil eines Unternehmens, einer<br />

Sachgesamtheit<br />

2. Mangel i.S.v. § 434<br />

- Hinweis: keine Anwendbarkeit von § 377 HGB<br />

- Handelskauf i.S.v. § 377 HGB betrifft „Waren“ = Kauf beweglicher Sachen<br />

NICHT: Rechtskauf, Grundstückskauf, Unternehmenskauf<br />

a. Wann kommt Sachmängelgewährleistung beim Unternehmenskauf überhaupt in<br />

Betracht?<br />

Es ist streitig, bei welchen Arten von Unternehmenserwerb eine<br />

Sachmängelgewährleistung überhaupt in Betracht kommt<br />

Dinglicher Erwerb des Unternehmens als<br />

Sachgesamtheit<br />

Werden direkt einzelnen<br />

Vermögensgegenstände erworben (sog. Asset<br />

deal) finden weitgehend unstreitig<br />

Sachmängelgewährleistungsansprüche beim<br />

Unternehmenskauf Anwendung<br />

Erwerb der Anteile der Gesellschaft, die<br />

Unternehmensträger ist<br />

Wenn hingegen nur Anteile erworben werden<br />

(Share deal) muss nach der<br />

herkömmlich h.M. zwischen dem Erwerb des<br />

Unternehmens und dem bloßen<br />

Anteilserwerb unterschieden werden:<br />

hier: Asset Deal. Daher Mangelhaftigkeit der einzelnen assets grundsätzlich relevant<br />

b) Mangel wegen der vertrockneten Tonerkasseten - Relevanz für das Unternehmen<br />

insgesamt<br />

aa) Notwendigkeit der Relevanz eines Mangels für das Unternehmen<br />

- vertrocktnete Tonerkassetten sind an sich mangelhaft<br />

- Aber um die Sachmängelwährleistungsrechte hinsichtlich des Kaufs des<br />

Unternehmens geltend machen <strong>zu</strong> können muss ein Mangel des Unternehmens<br />

vorliegen. Das ist nur der <strong>Fall</strong>, wenn der Mangel der Einzelgegenstände für das<br />

Unternehmen insgesamt relevant ist.<br />

Das ist anhand der Vereinbarung <strong>zu</strong> ermitteln (vgl § 434 I 1: entscheidend ist die<br />

vereinbarte Beschaffenheit<br />

MüKo/Westermann, § 453 Rn. 27 Notwendig ist aber auch beim Unternehmenskauf, dass Fehler einzelner<br />

<strong>zu</strong>m Unternehmen gehörender Gegenstände in Ermangelung einer auf sie bezogenen speziellen<br />

Beschaffenheitsvereinbarung als Mangel des Unternehmens nur in Betracht kommen, wenn sich der Mangel auf<br />

die Funktionstauglichkeit des Unternehmens als solchen auswirkt.<br />

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AG Handels- und Gesellschaftsrecht Sommersemester 2009<br />

Lehrstuhl <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Windbichler</strong><br />

bb) Anwendung auf den <strong>Fall</strong><br />

- eher keine Relevanz für das Unternehmen<br />

- Hauptaktivitäten des Unternehmens ist die Vermittlung von Geschäften und die damit<br />

erzielten Provisionen ; nicht der Vertrieb von Zubehör<br />

- Gewissermaßen ist damit nur ein Teil eines (kleineren) Teil der Tätigkeit betroffen<br />

- Anderer Bewertung mit guter Begründung vertretbar<br />

Vgl. BGH NJW 79, 33 <strong>zu</strong>m alten Recht: Beträchtliche Fehlbestände an Material und<br />

Arbeitsmitteln)<br />

Bsp. in dem BGH Unternehmensmangel (sogar) nach altem Recht bejaht BGH NJW 1979, 33 hat:<br />

1. Zu Unrecht wendet sich die Revision gegen die Annahme des BerGer., daß das vertragswidrige Fehlen von<br />

Gerüstmaterial ein Sachmangel sei, das heißt ein Fehler, der den Wert oder die Tauglichkeit des Unternehmens<br />

<strong>zu</strong> dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufhebt oder, was hier allein in<br />

Betracht kommt, mindert (§ 459 I 1 BGB). Der vorliegende <strong>Fall</strong> zeigt, daß eine nicht unwesentliche Abweichung<br />

des tatsächlichen Zustandes der Kaufsache von derjenigen Beschaffenheit vorliegt, welche die Parteien beim<br />

Vertragsschluß nach der Unterstellung des angefochtenen Urteils vorausgesetzt haben. Denn für ein<br />

Gerüstbauunternehmen ist der Bestand an Gerüsten von entscheidender Bedeutung. Davon hängt die Kapazität<br />

des Unternehmens unmittelbar und technisch-sachlich ab … Gerade für größere Bauvorhaben ist durch den<br />

Fehlbestand die Grenze der Leistungsfähigkeit des verkauften Unternehmens bedeutend herabgesetzt. Es kann<br />

daher dahinstehen, ob jeder Fehlbestand im Inventar einen Fehler des Unternehmens i.S. von § 459 I BGB<br />

darstellt (dagegen Hommelhoff, Die Sachmängelhaftung beim Unternehmenskauf, 1975, S. 102 f.).<br />

Der Revision kann darin nicht gefolgt werden, daß ein nach dem Inhalt des Kaufvertrages vorliegender<br />

Fehlbestand in der technischen Ausrüstung des Unternehmens den Angaben über die bisherigen Umsätze<br />

gleich<strong>zu</strong>stellen sei und daher nicht als Unternehmensfehler angesehen werden könne. Der erkennende Senat hat<br />

zwar mehrfach entschieden, daß die Umsätze der vorausgegangenen Jahre keine Eigenschaft des Unternehmens<br />

und daher auch keine Fehler i.S. von § 459 I BGB sind (NJW 1970, 653 ff.; BB 1974, 152 = WM 1974, 51;<br />

BGH, NJW 1977, 1538). Nur wenn die bis <strong>zu</strong>m Verkauf auf längere Zeit erzielten Umsätze und Erträge<br />

vertraglich <strong>zu</strong>gesichert wurden, sind sie einer Eigenschaft des Unternehmens rechtlich gleich<strong>zu</strong>stellen. Diese<br />

Rechtsprechung hat ihren Grund darin, daß der Höhe der Umsätze nach Art und Umfang des Unternehmens<br />

verschiedene Bedeutung <strong>zu</strong>kommt und sich der <strong>zu</strong> erzielende Reinertrag erst nach <strong>zu</strong>sätzlicher Bekanntgabe der<br />

Kostenfaktoren ermitteln läßt. Darüber hinaus hängt der Erfolg bei einem Unternehmen oft in entscheidender<br />

Weise von Umständen ab, die weniger das veräußerte Geschäft als solches betreffen, sondern mehr mit anderen<br />

Faktoren, <strong>zu</strong>m Beispiel mit der Person des Inhabers und der in den betreffenden Jahren bestehenden<br />

konjunkturellen Lage verknüpft sind. Anders liegt es aber bei der technischen Ausrüstung eines Unternehmens.<br />

Sie ist unmittelbarer Bestandteil des <strong>zu</strong> übertragenden Gesamtkomplexes materieller und immaterieller Güter<br />

und bestimmt - unabhängig von den Unternehmerqualitäten des Käufers, von der Konjunktur und sonstigen<br />

unternehmensfremden Umständen - Umfang und Grenzen der unternehmerischen Möglichkeiten.<br />

cc). Ergebnis, wenn man die Relevanz für das gesamte Unternehmen verneint<br />

kein (Unternehmens)Mangel wegen der Tonerkasseten i.S.v. § 434<br />

Keine Ansprüche aus §§ 433, 434, 437<br />

dd) Ergebnis, wenn Relevanz beaht<br />

Mangel i.S.v. § 434<br />

Dann prüfen: Ausschluss nach § 442 (NICHT nach § 377 HGB)<br />

Wenn kein Ausschluss prüfen Nachbesserung/Rücktritt/Minderung nach Maßgabe<br />

von § 437<br />

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AG Handels- und Gesellschaftsrecht Sommersemester 2009<br />

Lehrstuhl <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Windbichler</strong><br />

b. Fehlerhafte Beilanzierung als Unternehmensmangel?<br />

Aber ein Unternehmensmangel könnte sich aus der Fehlerhaftigkeit der Bilanzierung<br />

ergeben. Das ist der <strong>Fall</strong> wenn<br />

- die Bilanz tatsächlich fehlerhaft ist (da<strong>zu</strong> aa)<br />

- und diese Fehlerhaftigkeit für das Unternehmen von erheblicher Relevanz ist (da<strong>zu</strong><br />

bb)<br />

aa. Fehlerhaftigkeit der Bilanzierung<br />

Fehlerhafte Bewertung, da § 253 I, III HGB verletzt ist: Umlaufvermögen ist <strong>zu</strong>m<br />

Anschaffungspreis an<strong>zu</strong>setzen, aber auf den niedrigeren Marktpreis oder bei<strong>zu</strong>legenden<br />

Wert ab<strong>zu</strong>schreiben.<br />

bb. Begründet diese Fehlerhaftigkeit auch einen Unternehmensmangel?<br />

(Relevanz für das gesamte Unernehmen<br />

(1) Vor der Schuldrechtsreform<br />

enge Auslegung des Mangelbegriffs<br />

Konstruktion einer Haftung nach § 3<strong>11</strong> II bzw. c.i.c. -<br />

Aufklärungspflichtverlet<strong>zu</strong>ng / fahrlässige Falschinformation<br />

(2) Problem nach der Schuldrechtsreform subjektiver Mangelbegriff: Bilanzansätze<br />

könnten Beschaffenheitsvereinbarung sein (vgl. § 434 I S. 1), dann Minderung nach<br />

Kaufrecht. Diese Frage ist stark umstritten:<br />

Zur Diskussion dieser beiden Anätze siehe MüKo/Westermann, § 453 Rn. 31-33<br />

Frühere Rspr.<br />

Beeinträchtigungen des ordnungsmäßigen Betriebs und der Erfolgsaussichten des Unternehmens, die daher<br />

rühren, dass die betriebswirtschaftlichen Daten, die sich der Käufer vorgestellt hat, nicht <strong>zu</strong>treffen, wurden von<br />

der früheren Rechtsprechung, die hier durchweg das für einen Sachmangel „des Unternehmens“ notwendige<br />

Element des dauernden Anhaftens vermisste, hauptsächlich unter den Aspekten der Zusicherungshaftung oder<br />

der culpa in contrahendo behandelt. Hieran kann sich unter dem geltenden Recht sowohl für den eigentlichen als<br />

auch für den durch Anteilserwerb vermittelten (vgl. BGHZ 138, 195, 205 = NJW 1998, 2360-2364; BGH NJW<br />

1995, 2843, 2845; 2002, 1043 und oben § 453 Rn. 22) Unternehmenskauf insofern etwas ändern, als<br />

Beschaffenheitsvereinbarungen mit entsprechenden Inhalten möglich sind. Das betrifft vor allem Angaben des<br />

Verkäufers über Umsatz und Ertrag des Unternehmens, über Schuldenstand, Vorhandensein eines bestimmten<br />

Eigenkapitals, auch allgemein über die Ertragsfähigkeit, wofür häufig Angaben über in der Vergangenheit<br />

erzielte Gewinne angeführt werden, schließlich schlechthin über die Richtigkeit der bei den Kaufverhandlungen<br />

<strong>zu</strong>r Grundlage gemachten Bilanzen.<br />

Meinungsstand<br />

Entgegen der früher herrschenden Rechtsprechung ist jetzt an<strong>zu</strong>nehmen, dass über diese Umstände<br />

Beschaffenheitsvereinbarungen getroffen worden sein können, auch ohne dass die erhöhten<br />

Vorausset<strong>zu</strong>ngen an die Ernsthaftigkeit und das Bewusstsein der Schadensersatzpflicht vorliegen müssen, die<br />

nach früherem Recht an eine Zusicherung geknüpft wurden. 1 Allerdings besteht auch im Schrifttum <strong>zu</strong>m<br />

neuen Recht eine gewisse Zurückhaltung, ob wirklich das Verständnis der Beschaffenheit auch in seiner heute<br />

gesicherten subjektiven Lesart so weit geht, auch andere als die aktuellen Unternehmenskennziffern <strong>zu</strong> erfassen,<br />

so dass zwar der gegenwärtige Stand in einer Beschaffenheitsvereinbarung versichert werden könnte, während<br />

Angaben über vergangene Umsätze und Erträge sich nur über die Haftung aus culpa in contrahendo erfassen<br />

ließen. 2 Weiterhin wird angenommen, dass nach wie vor für derartige Angaben die Gewährleistungsansprüche<br />

wegen der in § 437 <strong>zu</strong>sammengestellten Rechtsfolgen nicht passen, so dass wie früher auf den Anspruch aus<br />

1 Da<strong>zu</strong> Gaul ZHR 166 ( 2002) S. 35, 45 ff., 49; Wolf/Kaiser DB 2002, 4<strong>11</strong>; v. Gierke/Paschen GmbHR 2002,<br />

457, 462; Weitnauer NJW 2002, 25<strong>11</strong>, 2513; Triebel/Hölzle BB 2002, 521, 525; Knott NZG 2002, 249, 251;<br />

Dauner-Lieb/Thiessen ZIP 2002, 108, <strong>11</strong>0; Das neue Schuldrecht/Haas Kap. 5 RdNr. 549.<br />

2 So Eidenmüller ZGS 2002, 290, 295.<br />

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AG Handels- und Gesellschaftsrecht Sommersemester 2009<br />

Lehrstuhl <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Windbichler</strong><br />

culpa in contrahendo aus<strong>zu</strong>weichen sei. 3 Der veränderten Sichtweise wird dann entgegengehalten, dass allein die<br />

Verlängerung der kaufrechtlichen Verjährung, die die frühere Rechtsprechung maßgeblich <strong>zu</strong>r Bevor<strong>zu</strong>gung des<br />

Anspruchs aus culpa in contrahendo veranlasst habe, ein Abgehen von ihren Grundsätzen nicht rechtfertige. 4<br />

Vorschlag von Westermann<br />

In diesem Bereich sollten also die Ergebnisse der <strong>zu</strong>m früheren Recht ergangenen Judikatur nur mit<br />

Abwandlungen übernommen werden. Vom Verkäufer vorgelegtes, für den Käufer aussagekräftiges<br />

Zahlenmaterial, insbesondere die Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnung, Angaben über den cash flow oder die<br />

Wertschöpfung und die daraus folgenden Zukunftserträge können als Beschaffenheitsvereinbarungen hierher<br />

gehören, freilich immer mit der Maßgabe, dass Prognosen nur insoweit die Beschaffenheit des verkauften<br />

Unternehmens (im Zeitpunkt des Gefahrübergangs, da<strong>zu</strong> § 434 RdNr. 44 ff.; § 453 RdNr. 42) betreffen können,<br />

als sie aus aktuell vorhandenen Umständen abgeleitet werden; die diesbezügliche Zurückhaltung (auch) des <strong>zu</strong>m<br />

früheren Recht ergangenen Schrifttums hat also auch heute einen berechtigten Kern. Andererseits können<br />

Angaben über voraussichtliche Zukunftserträge, die auf Angaben über vergangene, also festgestellte Umsätze<br />

und Erträge beruhen, dem Verkäufer auch verschuldensunabhängig <strong>zu</strong>gerechnet werden. Eine<br />

Beschaffenheitsvereinbarung setzt allerdings voraus, dass der Käufer auf die betreffende Angabe erkennbar Wert<br />

legte oder der Verkäufer sie als wertbildend besonders hervorgehoben hat; nicht alle im Zuge der<br />

Verkaufsverhandlungen gefallenen Bemerkungen reichen hierfür aus. Die relevanten Angaben betreffen auch<br />

nicht allein Berechnungen in Geld, sondern können sich auch auf Produktionsmengen bzw. die Zahl der Gäste<br />

oder den Getränkekonsum (einer verkauften Gastwirtschaft) beziehen. (ähnl. auch Dauner/Lieb u.a., 2002, Neue<br />

Fälle <strong>zu</strong>m Schuldrecht, S. 176)<br />

(3) Stellungnahme<br />

jedenfalls nach der Schuldrechtsreform sprechen gute Argumente dafür, dass auch<br />

fehlerhafte Bilanzierung einen Unternehmensmangel begründen kann, <strong>zu</strong>mindest dann<br />

wenn aus der Vereinbarung hervorgeht, dass die ordnungsgemäße Bilanzierung <strong>zu</strong><br />

vereinbarten Sollbeschaffenheit des Unternehmens gehört.<br />

Folgt man dem, ist <strong>zu</strong> bewerten, inwieweit die Fehlerhaftigkeit für die<br />

Funktionsfähigkeit des Unternehmens von erheblicher Relevant ist<br />

(4) Anwendung auf den <strong>Fall</strong><br />

(a) Ausgangspunkt:<br />

"Nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung" eines Unternehmens schließt wohl die<br />

Erfüllung der Rechnungslegungspflichten ein; wegen § 252 I Nr. 1., 6. HGB sind<br />

durchgängige Bewertungsfehler ein ernsthaftes Problem.<br />

(b) Kontra Unternehmensmangel:<br />

- nur nach den Tonerkassetten gefragt, nach dem SV aber der Kundenstamm eine<br />

besondere Rolle spielte (Dienstleistungsunternehmen)<br />

- unternehmerische Tätigkeit besteht im Wesentlichen aus Geschäftsbesorgungen,<br />

Anlage- und Umlaufvermögen daher nachrangig.<br />

(c) Pro Unternehmensmangel<br />

Nach Aussage von K hat er gar keine Abschreibungen vorgenommen. Man kann daher<br />

davon ausgehen, dass die Bilanz (welche spielt hier keine Rolle, Jahresabschluss oder<br />

Stichtag <strong>zu</strong>m Unternehmensübergang, das Problem ist das gleiche) nicht nur<br />

hinsichtlich der Tonerkassetten unter fehlerhaften Bewertungen leidet.<br />

3 Wertenbruch in Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, 2003, S. 504; Huber<br />

AcP 202 (2002), 179, 228. Siehe da<strong>zu</strong> Gronstedt/Jörgens ZIP 2002, 52, 55; Wertenbruch (Fn. 125) S. 504; <strong>zu</strong>r<br />

Bedeutung der Verjährungsregelung aber Das neue Schuldrecht/Haas Kap. 5 RdNr. 548.<br />

4<br />

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Damit betrifft die Fehlerhaftigkeit der Bilanzierung nicht nur die relativ unbedeutenden<br />

Tonerkassetten, sondern das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen. "Nach dem<br />

Vertrag vorausgesetzte Verwendung" eines Unternehmens schließt wohl die Erfüllung<br />

der Rechnungslegungspflichten ein; wegen § 252 I Nr. 1., 6. HGB sind durchgängige<br />

Bewertungsfehler ein ernsthaftes Problem.<br />

(5) Beide Ergebnisse sind vertretbar.<br />

- Wenn man Relevanz verneint, dann ist Prüfung hier <strong>zu</strong> Ende<br />

- Wenn man die Relevanz bejaht, weiter prüfen:<br />

3. Ausschluss der Sachmängelgewährleistung nach § 442 (NICHT: § 377 HGB)<br />

eher nein; denn laut Sachverhalt war die Bilanzierung plausibel<br />

4. Setzen einer Nachfrist <strong>zu</strong>r Nacherfüllung oder Entbehrlichkeit der Frist<br />

a. Setzen einer Nachfrist, §§ 437 Nr. 2, 323 I<br />

(1) N hat den K <strong>zu</strong>r Nacherfüllung aufgefordert („besteht auf Richtigstellung der<br />

Bilanz“)<br />

(2) im Übrigen: Entbehrlichkeit nach § 323 II Nr. Nr. 1 (K sagt, er wolle sich auch jetzt<br />

nicht mit er Bilanz befassen)<br />

b. Verstreichen der Nachfrist (Sachverhalt: (+) „K reagiert zwei Wochen lang nicht“)<br />

5. Ergebnis<br />

Vorausset<strong>zu</strong>ngen für Rücktritt liegen vor<br />

Anstatt Rückritt auch Minderung möglich § 441<br />

N hat Anspruch auf Minderung des Kaufpreises<br />

Exkurs <strong>zu</strong>r Vertiefung Wie erfolgt bei falscher Bilanzierung Nacherfüllung?<br />

Nacherfüllung, §§ 434, 437, 439 BGB<br />

1. Vertrag s.o. II.1.<br />

2. Mangel s.o. II.2<br />

3. Nacherfüllung durch Beseitigung des Mangels: Hier kann die Bilanz richtig gestellt<br />

werden, indem eine fachkundige Person die Posten durchgeht und auf<br />

Abschreibungsbedarf prüft. K muss das nicht selbst erledigen, § 439 II BGB:<br />

notwendige Arbeitskosten von K <strong>zu</strong> tragen.<br />

4. Verweigerungsmöglichkeit des K?<br />

- §§ 275 II, III, 439 III BGB: Nacherfüllung ist möglich (s.o.).<br />

- § 275 III BGB greift nicht, da K nicht in Person <strong>zu</strong> leisten braucht. Abwägung nach §<br />

275 II BGB: K hat seine Schlamperei <strong>zu</strong> vertreten (fahrlässige Verlet<strong>zu</strong>ng<br />

kaufmännischer Pflichten)<br />

- Unverhältnismäßige Kosten, § 439 III BGB: SV gibt dafür nichts her.<br />

Exkurs Ende<br />

II. Anspruch aus § 3<strong>11</strong> II BBGB<br />

Wer Beschaffenheitsvereinbarung ablehnt, könnte über § 3<strong>11</strong> II <strong>zu</strong> einer Haftung von K<br />

kommen. Das setzt voraus, dass die Bilanzangaben eine Informationspflichtverlet<strong>zu</strong>ng<br />

darstellen (zweifelhaft).<br />

Wer diesen Weg über § 3<strong>11</strong> geht, muss erkennen lassen, dass ihm bewusst ist, dass die<br />

Begründung der Haftung wegen Mängeln der Kaufsache über allgemeine Grundsätze beim<br />

Kauf eine begründungsbedürftige Ausnahme darstellt. Diese kann sich in diesem <strong>Fall</strong> daraus<br />

ergeben, dass der rechtstechnische Mängelbegriff eng ausgelegt wird und der Kauf des<br />

Unternehmens als Gesamtheit mehr ist als der Kauf seiner sachenrechtlichen Einzelnteile.<br />

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AG Handels- und Gesellschaftsrecht Sommersemester 2009<br />

Lehrstuhl <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Windbichler</strong><br />

III. Anspruch aus § 823 II i.V.m. § 263 StGB (-)<br />

vorsätzliche Täuschung wohl fernliegend<br />

Variante<br />

Vorüberlegungen<br />

- Bei der Variante besteht die Besonderheit darin, dass nicht die direkt die<br />

Unternehmensgegenstände erworben werden, sondern die Anteile des<br />

Unternehmensträgers<br />

- Bei einem solchen sogenannten share deal ist fraglich, wann beim Erwerb von Anteilen<br />

des Unternehmensträgers auch ein Unternehmenskauf vorliegt<br />

(eindeutiges Negativbeispiel: Wenn Sie drei Aktien von Porsche kaufen, erwerben Sie<br />

nicht das Unternehmen Porsche)<br />

- Die Problematik in der schematischen Übersicht:<br />

1. Unterscheidung<br />

Dinglicher Erwerb des Unternehmens als<br />

Sachgesamtheit<br />

Werden direkt einzelnen<br />

Vermögensgegenstände erworben (sog. Asset<br />

deal) finden weitgehend unstreitig<br />

Sachmängelgewährleistungsansprüche beim<br />

Unternehmenskauf Anwendung<br />

Erwerb der Anteile der Gesellschaft, die<br />

Unternehmensträger ist<br />

Wenn hingegen nur Anteile erworben werden<br />

(Share deal) muss nach der<br />

herkömmlich h.M. zwischen dem Erwerb des<br />

Unternehmens und dem bloßen<br />

Anteilserwerb unterschieden werden:<br />

Erwerb der Leitungsmacht, dies<br />

grundsätzlich nur der <strong>Fall</strong>, wenn<br />

Erwerb von mehr als 90 % der<br />

Anteile<br />

Erwerb einer geringeren<br />

Beteiligung<br />

keine Berufung auf<br />

„Sachmangel des Unternehmens“<br />

möglich<br />

Anwendung von Sachmängelgewährleistungsrechts<br />

auf den Unternehmenskauf<br />

Aber (Sach)mangel des Unternehmens liegt<br />

nur dann vor, wenn die mangelhafte Sache<br />

für das Unternehmen von bedeutender<br />

Relevanz<br />

Für diese Frage wiederum ist primär der<br />

Wille der Parteien maßgeblich<br />

Neben Sachmängelgewährleistung<br />

hinsichtlich der Unternehmensgegenstände<br />

Rechtsmängelgewährleistung hinsichtlich der<br />

Anteile<br />

Erwerb von Anteile wird i.E. so behandelt<br />

wie gewöhnlicher Rechtskauf i.S.v. § 453<br />

BGB<br />

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AG Handels- und Gesellschaftsrecht Sommersemester 2009<br />

Lehrstuhl <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Windbichler</strong><br />

Diese Unterscheidung beim Anteilskauf wird von einer Gegenansicht kritisiert:<br />

Sachmängelgewährleistungsrecht sei auch beim Erwerb von Minderheitsbeteiligungen<br />

an<strong>zu</strong>wenden. Wichtiger als die Beteiligungsquote sei das Vorliegen einer entsprechenden<br />

ausdrücklichen oder konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung (vgl. Gronstedt/Jörgens ZIP<br />

2002, 52, 55).<br />

I. Minderung des Kaufpreises wegen Mängeln, §§ 453 I, 434, 441 BGB<br />

1. Vertrag <strong>zu</strong>stande gekommen (SV),<br />

2. Mangel i.S.v. § 434<br />

- Hinweis: keine Anwendbarkeit von § 377 HGB<br />

- Handelskauf i.S.v. § 377 HGB betrifft „Waren“ = Kauf beweglicher Sachen<br />

NICHT: Rechtskauf, Grundstückskauf, Unternhemenskauf<br />

a. Wann kommt Sachmängelgewährleistung beim Unternehmenskauf überhaupt in<br />

Betracht?<br />

Hier Anteilskauf (ShareDeal)<br />

kommt nur bei Unternehmenskauf in Betracht?<br />

P: Wann kann man beim Anteilskauf von einem Unternehmenskauf sprechen?<br />

- wohl ja: Mehrheit 90%+ dazwischen strittig<br />

- eher nein: unter 50% (eindeutig: Kauf von drei Aktien)<br />

Hier Erwerb sämtlicher Anteile. Damit liegt nach nahe<strong>zu</strong> einhelliger Auffassung ein<br />

Unternehmenskauf vor<br />

Nebeneinander<br />

- Sachmängelgewährleistung - “Unternehmensmangel wie oben im Ausgangsfall (da<strong>zu</strong><br />

b)<br />

- Rechtsmängelgewährleistung hinsichtlich der Anteile (da<strong>zu</strong> c)<br />

b. Vorliegen eines Unternehmensmangels<br />

Gegenüber Ausgangsfall keine Besonderheiten<br />

Nach hier vertretener Auffassung liegt ein Unternehmensmangel in der fehlerhaften<br />

Bilanzierung. Der Zustand der Tonerkassetten begründet dagegen keinen<br />

Unternehmensmangel jedoch<br />

c. Rechtsmangel – Erwerb der Anteile (§ 453)<br />

- Rechtsmängelhaftung: vor allem Haftung für den Bestand (Verität) der Recht<br />

- Gegenstand des Kaufvertrag von GmbH-Anteilen: Verschaffung der Stellung des<br />

(Allein)gesellschafters in der GmbH<br />

N muss rechtswirksam (Allein)gesellschafter der GmbH geworden sind<br />

Das ist der <strong>Fall</strong>, wenn die Übertragung K-N wirksam ist<br />

Wie übertrage ich Anteile Abtretung von Rechten (§§ 398, 413)<br />

aa. Einigung (+)<br />

bb. Kein Abtretungsverbot (beachte bei GmbH: Vinkulierung, vgl. § 15 V<br />

GmbHG; hier kein Anhaltspunkt<br />

cc. Berechtigung der Übertragende muss Inhaber des Rechts sein<br />

(1) Hinsichtlich eines Teil der Anteile ist K Nichtberechtigter; da die Übertragung<br />

P-K wegen der Anfechtung unwirksam ist<br />

Grundsätzlich bei Recht kein gutgläubiger Erwerb; aber:<br />

(2) MoMig: § 16 III S. 1 GmbHG<br />

- Eintragung in der Gesellschafterlist (§§ 16 III S. 1, 40)<br />

- Gutgläubigkeit des N (vgl. § 16 III S. 3)<br />

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- Kein Eintragung eines Widerspruchs des Berechtigten (§ 16 III S. 3)<br />

- Keine Beweis der fehlenden Zurechung nach § 16 III S. 2<br />

Liegen die Vorausset<strong>zu</strong>ngen vor, erwirbt der N wirksam von Nichtberechtigten<br />

Damit hat K vertragsgemäß die Anteile dem N verschafft<br />

Mangel (-)<br />

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