An Bord von „U 21“ - Ärztekammer Schleswig-Holstein
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Medizin und Wissenschaft<br />
merksamkeit der Besatzung auf äußere Geräusche<br />
gerichtet ist. So werden Außenbordsgeräusche<br />
leicht für Schurren an Minenankertrossen<br />
gehalten, wobei zum Zeichen der Sympathikusreizung<br />
ein regelrechtes Sträuben der Haare der<br />
Besatzung beobachtet wird. Das verantwortliche<br />
Personal leidet unter diesen Verhältnissen mehr<br />
als das nicht verantwortliche. Ich habe eben die<br />
unangenehm empfundenen Druckdifferenzen<br />
erwähnt. Darüber will ich mich kurz fassen, da<br />
sie bei den technischen Einrichtungen an <strong>Bord</strong><br />
vom Kommandanten vermieden werden können.<br />
Normalerweise herrscht bei Überwasserfahrten<br />
und geschlossenem Turmluk und 14 sm<br />
Fahrt in den Maschinenräumen ein Unterdruck<br />
<strong>von</strong> 12 mm Hg. Bei plötzlichem Öffnen des<br />
Schottes zwischen Zentrale und Ölmaschinenräumen<br />
wird dieser Unterdruck momentan ausgeglichen.<br />
Zum Entstehen des Unterdruckes<br />
vergehen in der Regel 45 Sekunden, d. h. soviel<br />
Zeit, wie zum Ingangkommen der Dieselmotoren<br />
notwendig ist. Bei längeren Unterwasserfahrten<br />
entstehen aber höhere Überdrucke<br />
durch Undichtigkeiten der Preßluftflaschen.<br />
Wird nun nach dem Auftauchen versäumt,<br />
durch die Kompressormaschine oder durch Ablassen<br />
durch das Kopfventil den Überdruck zu<br />
entfernen, so kann bei plötzlichem Öffnen des<br />
Turmluks ein Überdruck <strong>von</strong> 0,1 Atmosphären<br />
oder 76 mm Hg plötzlich ausgeglichen werden.<br />
Das sind Druckdifferenzen, die nach Art der<br />
Caissonkrankheit schädliche Folgen haben können.<br />
Vor allem aber leidet Gehör und Trommelfell<br />
unter diesen Umständen. Es entstehen ferner<br />
Unterdrucke bis 30 mm durch Absaugen<br />
der Bootsluft mittels Gebläses während der<br />
Dichtigkeitsprobe vor dem Tauchen und regelmäßig<br />
vor dem Füllen der letzten Regler. Die<br />
gefundenen Druckwerte ließen sich an den Barometerkurven<br />
im Kommandantenraum einwandfrei<br />
ablesen.<br />
Ich komme nun zu den wichtigsten Beobachtungen<br />
während unserer Fernunternehmung.<br />
Temperatur und Feuchtigkeit. Ärztliche Beobachtungen<br />
der Mannschaften der III. Unterseebootshalbflottille<br />
hatten die Vermutung nahe<br />
gelegt, daß unter den gesundheitlichen Schäden<br />
die hohe Luftfeuchtigkeit und zu hohe Temperaturen<br />
an <strong>Bord</strong> und damit verbunden die Erschwerung,<br />
ja häufig Behinderung der zur Wärmeregulierung<br />
erforderlichen Wärmeabgabe die<br />
erste Stelle einnähmen.<br />
Bei einigen Leuten vom seemännischen und vor<br />
allem technischen Personal war eine vermehrte<br />
Zahl <strong>von</strong> roten Blutkörperchen auf den Kubikmillimeter<br />
also Polyglobulie gefunden worden,<br />
die Wasserverlust und Bluteindickungen bedeuteten.<br />
Die Leute mit den höchsten Zahlen an<br />
roten Blutkörperchen hatten auch die höchsten<br />
Werte an systolischem Blutdruck. Die U-Bootsleute<br />
schwitzen außerdem verhältnismäßig<br />
leicht. Wasser wird aber auch durch die Atmung<br />
abgegeben. Bei längeren Tauchfahrten<br />
ändert sich zunächst nicht die Frequenz der Atmung,<br />
sondern der Atemtypus. Die Atmung<br />
wird tiefer und unregelmäßig. Nach unseren 19<br />
bis 23-stündigen Unterwasserfahrten wurde sie<br />
derart beschleunigt und vertieft, daß beim Sprechen<br />
nicht einmal ein mehrsilbiges Wort in einem<br />
Atemzuge gesprochen werden konnte, sondern<br />
nach jeder Silbe wurde geatmet. Also auch<br />
hier Wasserverlust. Die Bluteindickung erfolgt<br />
nicht etwa im Stadium der aktiven, sondern im<br />
Stadium versagender Wärmeregulierung, wenn<br />
die Körpertemperatur selbst steigt. Solche Temperaturen<br />
konnte ich wiederholt messen. Entsprechend<br />
der Bluteindickung waren auch die<br />
Hämoglobinwerte bei den meisten Leuten über<br />
90.<br />
Aus genauen Messungen der Gewichte vor und<br />
nach Fernunternehmungen im Verhältnis zu<br />
den Körperlängen wurde ferner festgestellt, dass<br />
die Gewichte alle um die errechneten Minimalgewichte<br />
<strong>von</strong> v. Noorden minus fünf Kilogramm<br />
variierten, und daß die Leute sich alle verhältnismäßig<br />
rasch nach jeder Unternehmung erholten.<br />
Das lenkte auch die Aufmerksamkeit<br />
auf das Verhalten des Wassers im Stoffwechsel.<br />
So war es also gerechtfertigt, auf unserer Fernunternehmung<br />
Temperatur- und Feuchtigkeitsmessungen<br />
in allen Räumen vorzunehmen. Es<br />
wurden mit einem Augustschen Psychrometer,<br />
den mir Prof. Schmidt aus Münster liebenswürdigerweise<br />
zur Verfügung gestellt hatte, Messungen<br />
in der Biscaya, in der Adria und im<br />
Ägäischen Meere, über Wasser und am Ende einer<br />
21-stündigen Unterwasserfahrt, nachdem<br />
72<br />
<strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong>isches Ärzteblatt 10/2006