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Ärzteblatt Dezember 2011 - Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern

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AKTUELLES<br />

Friedrich Woehler aus „unbeseelten“ Ausgangsstoffen ohne<br />

vis vitalis räumten weitgehend mit vitalistischen Gedankengebäuden<br />

auf.<br />

Auch heute treten uns als Ärzte aber immer wieder vitalistische<br />

Strömungen in der Medizin entgegen, die uns glauben<br />

machen wollen, daß Krankheiten anders als auf der rationalen<br />

Grundlage der Naturwissenschaften zu heilen seien. Man<br />

denke hier nur an die recht populären Bewegungen esoterischer<br />

Heilansichten, die sich auch in modisch-kritikloser Übernahme<br />

von Elementen der traditionellen chinesischen Medizin<br />

wie dem Qi ausdrücken.<br />

Aus dem Jahrestreffen der Leopoldina seien folgende Beiträge<br />

erwähnt:<br />

Ein Virus als Chemikalie?<br />

Eckard Wimmer (Stony Brook, NY, USA), der durch seine Arbeiten<br />

zur Molekularbiologie des Poliovirus und die erste<br />

chemische Synthese eines Virus weltberühmt wurde, rollte<br />

die Frage „Was ist Leben?“ neu auf. Auch wenn die Molekularbiologie<br />

uns Erklärungen vieler biologischer Systeme<br />

ermöglicht hat, so ist aber daraus keine allgemein akzeptierte<br />

Definition des Lebens hervorgegangen. Betrachtet<br />

man die Verhältnisse in der Ursuppe der erkaltenden Erde,<br />

so bleibt trotz der plausiblen Hypothese der Abfolge von<br />

den zunächst gebildeten, replikationsfähigen RNA-spezifischen<br />

Systemen, die dann abgelöst werden durch DNA-Systeme,<br />

um in der Entstehung der Viren und dann der Bildung<br />

von zellulären Netzwerken zu münden, die Frage offen,<br />

in welcher dieser Phasen wir von Leben sprechen können?<br />

Wenn Leben nur Vermehrung nach den Regeln der<br />

Vererbung und Adaptation voraussetzt, dann ist nur der<br />

sich vermehrende intrazelluläre Virus ein lebendiger, nicht<br />

aber der extrazelluläre ruhende Virus. Wimmer bezeichnete<br />

daher den Poliovirus auch als „Chemikalie mit einem Lebenszyklus“.<br />

Dennoch: es gilt auch hier nüchtern abzuwägen. Kaum eine<br />

Thematik hat derartige Medienaufmerksamkeit ausgelöst<br />

und Drittmittel zum Fließen gebracht wie die Stammzellforschung.<br />

Wie schnell dabei auch Ernüchterung erreicht sein<br />

kann und wie wenig die Wissenschaft Marktschreierei verträgt,<br />

das zeigt sich dieser Tage ausgerechnet beim Thema<br />

„Stammzellforschung“. „Zu schön um wahr zu sein“ titelte<br />

vor wenigen Wochen die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung.<br />

Hintergrund waren Ergebnisse des deutschen Anatomen<br />

Skutella zu vermeintlichen Hodenstammzellen, die<br />

sich auch während drei langer Jahre – unter anderen von<br />

Schöler – leider nicht reproduzieren ließen. Angesichts der<br />

Tatsache, daß dies in der deutschen Universitätsanatomie bereits<br />

der zweite öffentlich publizierte Fall fragwürdiger Experimentalbefunde<br />

ist, scheint es wohl angebracht, daß in<br />

deutschen Universitäten wieder etwas mehr Bescheidenheit<br />

und Bedachtsamkeit beim Umgang mit wissenschaftlichen<br />

Daten und akademischen Regularien um sich greift.<br />

Nicht nur die Fälle von Wissenschaftsplagiatoren unter heutigen<br />

Politikern gemahnen zur akademischen Selbstkritik.<br />

Auch großsprecherischen Ankündigungen einer „neuen Ära“<br />

oder eines „materiellen, personellen wie baulichen Wiederaufbaus“<br />

zur Schaffung eines „komplett neuen Instituts“<br />

sind in manchen unserer bekannten Institute oft nur minime<br />

oder gar substanzlose Taten gefolgt.<br />

Ab wann ist ein Mensch ein Mensch?<br />

Zum Status des menschlichen Embryos vor<br />

Beginn der Schwangerschaft<br />

Diese Leopoldina-Lecture hielt der Theologe Richard Schröder,<br />

einst Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der<br />

DDR und später des Bundestages. Schröder wies auf die heutige<br />

Brisanz der Frage nach dem Status des menschlichen Embryos<br />

angesichts von künstlicher Befruchtung und Präimplan-<br />

Reprogrammierung – ein Weg zur Gewinnung<br />

von pluripotenten Stammzellen?<br />

Hans Schöler, der Direktor des Max-Planck-Instituts für Molekulare<br />

Biomedizin in Münster, berichtete über die genetische<br />

Reprogrammierung mit dem Ziel der Gewinnung von<br />

sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (IPS).<br />

Es ist dies eigentlich ein faszinierendes Unterfangen durch<br />

die Einschleusung eines viral exprimierten Quartetts der<br />

Transkriptionsfaktoren Oct4, Sox2, c-Myc und Klf4 Körperzellen<br />

umzuwandeln in IPS. Schölers Arbeitsgruppe konnte<br />

sogar zeigen, daß bei neuralen Stammzellen bereits ein einzelner<br />

Transkriptionsfaktor, nämlich Oct4 die Reprogrammierung<br />

auslöst.<br />

AUSGABE 12/<strong>2011</strong> 21. JAHRGANG<br />

Seite 433

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