PDF-Ausgabe - Berliner Mieterverein e.V.
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Hintergrund<br />
50 Jahre Falkenhagener Feld<br />
neuland im nahen Westen<br />
die großsiedlung Falkenhagener Feld feiert ihr 50-jähriges Bestehen.<br />
1963 begann der Bau dieser typischen Trabantenstadt im Westen von<br />
Spandau, die immer im Schatten ihrer beiden größeren „Schwestern“<br />
gropiusstadt und Märkisches Viertel stand. Wie jede großsiedlung hat<br />
sie mit altersgemäßen Problemen zu tun.<br />
eine großsiedlung im Schatten<br />
Beinahe wäre das Jubiläum vergessen<br />
worden. Als im letzten Jahr die Gropiusstadt<br />
in Neukölln ihren 50. Geburtstag<br />
feierte, merkte man in Span <br />
dau, dass auch die Großsiedlung Falkenhagener<br />
Feld vor einem halben<br />
Jahrhundert gegründet wurde. Schon<br />
am 4. Mai 1962 erfolgte die erste<br />
Grundsteinlegung und am 21. Juni<br />
1963 wurde für die ersten Wohnhäuser<br />
an der Siegener Straße Richtfest<br />
gefeiert. Man kann also mit einem<br />
Das Falkenhagener Feld stand immer im Schatten der<br />
gleichzeitig gebauten Großsiedlungen Märkisches Viertel<br />
und Gropiusstadt. Der Senat schob die beiden mit<br />
jeweils 17 000 Wohnungen größten Siedlungen in den<br />
Vordergrund, denn eine erfolgreiche Wohnungspolitik<br />
ließ sich nach damaligem Verständnis am besten mit<br />
vielen gebauten Wohnungen nachweisen. Folglich<br />
stürzte sich auch die vielfach geäußerte Kritik an der<br />
Ödnis der Siedlungen, an den unmenschlichen Dimensionen<br />
der Häuser, an den fehlenden Versorgungseinrichtungen<br />
oder an der unsozialen Mietenentwicklung<br />
auf das Märkische Viertel und die Gropiusstadt. Die<br />
Fallhöhe zwischen Anspruch und Wirklichkeit war dort<br />
höher.<br />
Das zeigt sich auch an den Planern: Im Märkischen<br />
Viertel kamen junge internationale Architekten zum<br />
Zuge, die das Modernste vom Modernen bauen sollten,<br />
und der Plan der Gropiusstadt stammt aus der Feder<br />
von Walter Gropius, der als BauhausGründer nach<br />
seiner Emigration vor den Nationalsozialisten weltweit<br />
zur lebenden Galionsfigur der modernen Architektur<br />
geworden war. Wie ein Gegenstück wirkt der Generalplaner<br />
des Falkenhagener Feldes: Hans Stephan war<br />
während des Nationalsozialismus als enger Mitarbeiter<br />
Albert Speers an den größenwahnsinnigen Plänen beteiligt<br />
gewesen, Berlin zur „Welthauptstadt Germania“<br />
umzubauen. Schon 1948 bekam er wieder eine Stellung<br />
in der <strong>Berliner</strong> Bauverwaltung und stieg trotz Protesten<br />
wegen seiner NaziVergangenheit 1956 zum Senatsbaudirektor<br />
auf. Auf politischen Druck trat er aber<br />
1960 zurück und arbeitete fortan als freier Architekt.<br />
Mit der Generalplanung für das Falkenhagener Feld<br />
zog er gleich einen großen Auftrag an Land. js<br />
zugedrückten Auge in diesem Jahr<br />
das 50jährige Jubiläum feiern.<br />
Als Falkenhagener Feld wurde ursprünglich<br />
die Feldmark an der Ausfallstraße<br />
nach Falkenhagen, heute<br />
ein Ortsteil von Falkensee, bezeichnet.<br />
Die Falkenseer Chaussee wurde<br />
mit dem Mauerbau 1961 zur Sackgasse.<br />
Das Baufeld der Großsiedlung<br />
erstreckt sich über zweieinhalb Ki lo <br />
meter beiderseits der Chaussee von<br />
der Spandauer Neustadt bis zur Stadtgrenze.<br />
Das Falkenhagener Feld ist<br />
kein kompaktes, klar abgegrenztes<br />
Baugebiet. Teile des Geländes waren<br />
schon mit Einfamilienhäusern bebaut.<br />
„keine experimente“<br />
Face-Lifting: Der<br />
ehemalige Supermarkt<br />
ist jetzt eine<br />
Stadtteilbibliothek<br />
Fotos: Nils Richter<br />
Der Rest war dicht mit Kleingärten<br />
und Lauben besetzt, die wegen der<br />
Wohnungsnot nach den Kriegszerstörungen<br />
zum großen Teil auch<br />
dauerhaft bewohnt waren.<br />
Bis 1973 entstanden hier knapp<br />
10 000 Wohnungen, meist in vierbis<br />
achtgeschossigen Zeilenbauten,<br />
die abgewinkelt oder gegeneinander<br />
versetzt stehen. Als städtebauliche<br />
Akzente wurde ein gutes Dutzend<br />
Hochhäuser mit bis zu 17 Geschossen<br />
hinzugefügt. An günstigen Stellen<br />
wurden Ladenzentren errichtet,<br />
drei große Schulen sind im Gebiet<br />
gebaut worden, und auch an Kindertagesstätten,<br />
Jugendfreizeitheime,<br />
Altenwohnheime, Sportplätze,<br />
Kirchen und Parkhäuser wurde gedacht.<br />
Obwohl auf dem Falkenhagener Feld<br />
mehrere Bauträger tätig waren, mache<br />
der Stadtteil einen „geschlossenen<br />
Eindruck“, lobte 1970 die „<strong>Berliner</strong><br />
Baubilanz“ des Senators für Bauund<br />
Wohnungswesen. „Dies liegt<br />
nicht zuletzt an einer allgemein gemäßigten<br />
Farbigkeit der Gebäude<br />
bei gleichzeitiger Vermeidung monotoner<br />
Baukörper“, heißt es dort<br />
weiter. „Gewagte architektonische<br />
Experimente wie im Märkischen Viertel<br />
sind hier jedoch nicht zu entdecken.“<br />
Immerhin war während der<br />
Bauzeit die Kulisse der Hochhaus<br />
Rohbauten spektakulär genug, um<br />
auf der Falkenseer Chaussee für einen<br />
JerryCottonFilm Verfolgungsjagden<br />
mit amerikanischen Straßenkreuzern<br />
zu drehen.<br />
Nach Fertigstellung der Siedlung<br />
lebten hier rund 30 000 Menschen.<br />
Die „<strong>Berliner</strong> Baubilanz“ zeichnet<br />
ein idyllisches Bild: „Für über zehntausend<br />
Familien bedeutet der neue<br />
22 MieterMagazin 10/2013